VwGH 90/19/0053

VwGH90/19/00532.7.1990

S gegen Landeshauptmann von Niederösterreich vom 16. Februar 1989, Zl. VII/1-V-1085/5/1-88, betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes

Normen

AVG §56;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VStG §51 Abs4;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VStG §9 Abs6;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VStG §51 Abs4;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VStG §9 Abs6;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Nichtstattgebung des Ansuchens um Nachsicht der Strafe richtet; Im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 24. Februar 1988 wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretungen nach § 27 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes bestraft, weil er am 28. Februar 1987 (Samstag) als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma M-AG mit dem Sitz in N in der Filiale "Wien, E-platz 12", siebzehn namentlich angeführten Arbeitnehmern die gesetzliche Wochenendruhe ab 13.00 Uhr insofern nicht gewährt habe, als diese mit Inventurarbeiten bis mindestens 16.30 Uhr beschäftigt worden seien. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er u.a. geltend machte, daß der Filialleiter J Sch verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG für die Einhaltung des Arbeitsruhegesetzes sei. Mit der Berufung wurde die Ablichtung einer Bestellungsurkunde des J Sch zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG für die von ihm geleitete Filiale Nr. 2 in Wien, E-Platz 12, vorgelegt, worin der Genannte mit seiner Unterschrift bestätigte, daß er seine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zur Kenntnis genommen und dieser zugestimmt habe. Sein Verantwortungsbereich sollte unter anderem auch die Einhaltung von Dienstnehmerschutzbestimmungen umfassen. Als Datum scheint vor der Unterschrift der 27. März 1986 auf. Gleichzeitig mit der Berufung stellte der Beschwerdeführer auch ein Ansuchen um Nachsicht der Strafe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 51 VStG 1950 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt. Dem gleichzeitig eingebrachten Ansuchen um Nachsicht der Strafe wurde nicht stattgegeben. In der Begründung wurde "zur Verantwortlichkeit" folgendes ausgeführt:

"Primär verantwortlich für die Einhaltung der gesetzlichen Wochenendruhe im Bereich der M-Filialen ist gemäß § 9 Abs. 1. u.2 (1. Satz) VStG 1950 der zur Vertretung nach außen berufene Vorstandsdirektor S. Darüber hinaus hat er für die aus der konkreten Inventuranweisung resultierenden Verletzungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung zu tragen.

Mit der Berufung wurde gleichzeitig der Behörde (erstmalig) in Kopie ein Schreiben der Geschäftsleitung vorgelegt, aus dem die Bestellung des Filialleiters zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG und dessen Zustimmung dazu nachgewiesen werden sollte. Damit erfolgte aber keine rechtswirksame Delegierung, weil dieser Nachweis spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens zu erbringen gewesen wäre. Außerdem wurde die gemäß § 9 (4) VStG geforderte entsprechende Anordnungsbefugnis des Filialleiters durch eine konkrete firmeninterne Dienstanweisung (Inventuranordnung) stark eingeschränkt bzw. aufgehoben.

Daß es bei solchen Inventuren immer wieder zu Übertretungen nach dem ARG gekommen ist und kommen mußte, war dem BW bekannt. Trotzdem setzte er nicht die erforderlichen (beweisbaren) Maßnahmen, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Wochenendruhe gewährleisteten, ja nicht einmal solche, die sie ermöglichten, sondern kündigte diese nur für 1988 (neue Inventuranordnung) an.

Der Vollständigkeit halber wird noch bemerkt, daß gemäß § 9 Abs. 6 VStG die zur Vertretung nach außen berufenen Personen, trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten strafrechtlich verantwortlich bleiben, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben, was unter den gegebenen Umständen hier ebenfalls zutrifft.

Allgemein gehaltene Weisungen, gesetzliche Bestimmungen seien einzuhalten oder die behaupteten stichprobenartigen Kontrollen reichen allein nicht aus um den BW aus seiner Verantwortlichkeit zu entlassen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Mit Beschluß vom 26. September 1989, B 377-380/89 und Folgezahlen, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid in seinem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 19. November 1987, Zlen. 87/08/0176-0229, und die dort angeführte Vorjudikatur) ist eine Beschwerde des Bestraften, die sich gegen die Versagung des Gnadenrechtes gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 richtet, unzulässig. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Nichtstattgebung des Ansuchens um Nachsicht der Strafe richtet.

Bezüglich der mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers weist dieser - unter anderem - auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten "gemäß § 9 VStG" in der Person des Filialleiters hin. Diesem Vorbringen kommt insofern Berechtigung zu, als der zur Vertretung einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit nach außen Berufene gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften, sofern diese nichts anderes bestimmen, (nur) strafrechtlich verantwortlich ist, soweit nicht verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG 1950 bestellt sind. Ein als Beschuldigter verfolgter, zur Vertretung nach außen Berufener kann sich aber nur dann auf eine derartige Bestellung berufen, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der ihm angelasteten Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines verantwortlichen Beauftragten eingelangt ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. Nr. 12375/A). Entgegen der Ansicht der belangten Behörde reicht es aus, wenn ein solcher Nachweis gleichzeitig mit der Berufung vorgelegt wird, gehört doch das Berufungsverfahren zum Verwaltungsstrafverfahren und gilt in diesem Verfahren kein Neuerungsverbot (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1951, Slg. Nr. 2227/A). Wenn die belangte Behörde daher davon ausging, daß mit der erst in der Berufung vorgelegten Urkunde keine rechtswirksame "Delegierung" (der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit) erfolgt sei, weil der Zustimmungsnachweis "spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens zu erbringen gewesen wäre", so verkannte sie die Rechtslage.

Zu den Ausführungen der belangten Behörde, daß die gemäß § 9 Abs. 4 VStG 1950 geforderte entsprechende Anordnungsbefugnis des Filialleiters durch eine konkrete firmeninterne Dienstanweisung (Inventuranordnung) stark eingeschränkt bzw. aufgehoben worden sei, ist zu bemerken, daß sie es unterlassen hat, den Inhalt dieser Dienstanweisung festzustellen. Dem Verwaltungsgerichtshof ist daher eine diesbezügliche Überprüfung und Beurteilung des Sachverhaltes nicht möglich. Allerdings wird auf § 9 Abs. 5 VStG 1950 hingewiesen.

Da die Begründung des angefochtenen Bescheides keinerlei Feststellungen über den Inhalt der "konkreten Inventuranweisung" enthält, für deren Folgen nach Meinung der belangten Behörde der Beschwerdeführer "darüberhinaus" die strafrechtliche Verantwortung zu tragen habe, ist der Verwaltungsgerichtshof auch in dieser Richtung zur Überprüfung der Rechtsauffassung der belangten Behörde nicht in der Lage.

Was den von der belangten Behörde erwähnten § 9 Abs. 6 VStG 1950 anlangt, so sieht diese Bestimmung vor, daß die zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des § 9 Abs. 1 sowie Personen im Sinne des Abs. 3 trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten - unbeschadet der Fälle des § 7 leg. cit. - strafrechtlich verantwortlich bleiben, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt somit die - von der belangten Behörde verneinte - rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten sowie die vorsätzliche Nichtverhinderung der vom verantwortlichen Beauftragen begangenen Tat voraus. Diese für die strafrechtliche Haftung nach der genannten Bestimmung erforderlichen Tatbestandselemente müssen daher auch bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950 im Spruch des Straferkenntnisses zum Ausdruck kommen, was im Beschwerdefall nicht zutrifft.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus den angeführten Gründen in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde erübrigte sich.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 und 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Stempelgebühren konnten nur im erforderlichen Ausmaß zugesprochen werden, wobei die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichtenden Stempelgebühren nicht zu berücksichtigen waren (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0128).

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