VwGH 86/07/0153

VwGH86/07/01533.2.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsrat Dr. Müllner, über die Beschwerde des EW in E, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien VI, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Juni 1986, Zl. III/1- 24.534/6-86, betreffend Erlöschen eines Wasserbenutzungsrechtes und letztmalige Vorkehrungen (mitbeteiligte Partei: Dr. Josef Sorschak, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Thaya, Wiener Straße 6, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des FW jun., Zl. S 7/81 des Kreisgerichtes Krems an der Donau), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
AVG §9;
KO idF vor 1. 7. 2010 §1;
WRG 1959 §27 Abs1 lita;
WRG 1959 §29 Abs1;
WRG 1959 §29 Abs3;
AVG §8;
AVG §9;
KO idF vor 1. 7. 2010 §1;
WRG 1959 §27 Abs1 lita;
WRG 1959 §29 Abs1;
WRG 1959 §29 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes X war unter Pz. nnn zugunsten von F und M W das Wasserbenutzungsrecht zum Antrieb einer Mühle am R-bach eingetragen.

Das Betriebswasser für diese Wasserkraftanlage gelangte aus einem Mühlteich über einen am rechten Dammende dieses Teiches beginnenden Oberwerkskanal zum Mühlgebäude (Pz. Nr. nn/3). In der linken Dammhälfte befindet sich ein mit einer Schützenanlage versehener Teichabfluß zu dem in der Tiefenlinie weiterführenden Altgerinne (R-bach, Pz. Nr. n1), in welches unterhalb der Wasserkraftanlage der Werkskanal einmündet.

Über das Vermögen des letzten Inhabers des genannten Wasserbenutzungsrechtes, FW jun., wurde zu Zl. S 7/81 des Kreisgerichtes Krems an der Donau der Konkurs eröffnet. Im Zuge des Konkursverfahrens hat der mitbeteiligte Masseverwalter am 14. Juni 1982 mit Zustimmung des Konkurskommissärs nach Stillegung des Mühlenbetriebes auf das Wasserbenutzungsrecht verzichtet.

Dem in der Folge von der Bezirkshauptmannschaft X (in der Folge kurz: BH) durchgeführten wasserrechtlichen Erlöschensverfahren wurde u.a. der nunmehrige Beschwerdeführer als Partei beigezogen, der mit seinem Sägewerksbetrieb Anrainer des Rbaches ist und diesen zum Teil mit seinen Anlagen auf Grund behaupteter wasserrechtlicher Bewilligungen überbaut hat.

Mit Bescheid vom 29. April 1985 stellte die BH nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, insbesondere nach Einholung eines wasserbautechnischen Gutachtens und nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, gemäß den §§ 27 Abs. 1 lit. a und 29 Abs. 1 WRG 1959 das Erlöschen des einleitend beschriebenen Wasserbenutzungsrechtes fest; gleichzeitig ordnete die BH letztmalige Vorkehrungen an, darunter die vom Beschwerdeführer insbesondere bekämpften Vorkehrungen 1. und 6., die folgenden Wortlaut haben:

"1. Turbinen, Schützentafeln und Feinrechen sind zu entfernen (betrifft ausschließlich nur den Standort der wassermotorischen Einrichtung).

6. Die Ausleitung aus dem Mühlteich ist zur Wahrung der Bespannungshöhe des Teiches durch eine Stahlbetonmauer von mind. 35 cm Stärke zu verschließen. Die Mauer ist allseitig dicht in den Teichdamm einzubinden und frostsicher zu fundieren."

Begründend verwies die BH zu den angeordneten Vorkehrungen darauf, daß sie im öffentlichen Interesse zur weitestgehenden Vermeidung von Hochwasserschäden durch größtmögliche Beibehaltung des Gewässerregimes und des Abfuhrvermögens für Hochwässer und im Interesse anderer Wasserberechtigter und der Anrainer notwendig seien. Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers betreffend die Vorkehrung 1. verwies die BH auf das eingeholte Gutachten, wonach die Belassung von Rechen, Turbinen und Schützentafeln aus technischer Sicht unbegründet sei; auch würde in Hinkunft niemand diese Anlagenteile im Hochwasserfall entsprechend bedienen.

Gegen diesen Bescheid haben sowohl der mitbeteiligte Masseverwalter als auch der Beschwerdeführer Berufungen erhoben. Der Beschwerdeführer bezog sich in seinem Rechtsmittel auf seine Parteistellung sowohl als Anrainer als auch als Wasserberechtigter und nahm insbesondere neuerlich gegen die Vorkehrungen 1. und 6. Stellung, weil er dadurch eine Verschlechterung der Hochwassersituation für seinen Betrieb befürchten müsse.

Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren ein Gutachten ihres technischen Amtssachverständigen ein und gewährte dazu dem Beschwerdeführer das Parteiengehör. Der Beschwerdeführer schloß sich in seiner Stellungnahme der Auffassung des Sachverständigen an, daß der Werkskanal zur Verhinderung einer größeren Hochwassergefahr als "natürliches Gerinne" erhalten bleiben solle; gleichzeitig wies der Beschwerdeführer jedoch darauf hin, daß seine Einwendungen gegen die seiner Auffassung nach für ihn nachteiligen Vorkehrungen 1. und 6. in dem Gutachten nicht behandelt worden seien.

Mit dem hierauf ohne weitere Verfahrensschritte von der belangten Behörde erlassenen angefochtenen Bescheid vom 6. Juni 1986 wurde den Berufungen des mitbeteiligten Masseverwalters und des Beschwerdeführers nicht Folge gegeben. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde dazu im wesentlichen ausgeführt, die Ermittlungen hätten ergeben, daß der Wasserlauf vor Errichtung der zu Pz. nnn im Wasserbuch eingetragenen Anlage nicht mehr feststellbar sei. Eine Wiederherstellung des natürlichen Zustandes sei somit nicht möglich. Weder von einer öffentlichen Körperschaft noch von einem Beteiligten sei die Überlassung vorhandener Anlagenteile im Sinne des § 29 Abs. 3 WRG 1959 verlangt worden. Im Gutachten sei ausgeführt worden, daß der Wegfall des Werkskanales eine Verschlechterung der Hochwasserabfuhr bewirke, auf der anderen Seite werde durch eine Belassung des Kanales "gleichsam als natürliches Gerinne" eine bessere Hochwasserabfuhr herbeigeführt; deshalb sei eine Beseitigung des Werkskanales im Erlöschensverfahren nicht aufgetragen worden. Im Erlöschensverfahren könne dem bisher Wasserberechtigten aber nicht die dauernde Erhaltung einer Anlage oder einzelner Anlagenteile aufgetragen werden; ebensowenig könne dem scheidenden Wasserberechtigten im Interesse der Allgemeinheit die Errichtung einer Anlage zur schadlosen Hochwasserabfuhr aufgetragen werden. Nach Abschluß des Erlöschensverfahrens werde daher der bestehen bleibende Werkskanal wie ein natürlich entstandener Gewässerteil anzusehen sein. Eine Verpflichtung zur Erhaltung einer solchen Anlage könne nur mehr aus den Bestimmungen über die Abwehr und Pflege der Gewässer und aus § 47 WRG 1959 entstehen. Die aufgetragenen letztmaligen Vorkehrungen seien unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung einer möglichst ungehinderten Wasserabfuhr zu betrachten; aus diesem Grunde sei dem scheidenden Wasserberechtigten aufzutragen gewesen, Rechen, Turbinen und Schützentafeln zu beseitigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Schutz seiner Interessen als Wasserberechtigter und Anrainer im Falle des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch der mitbeteiligte Masseverwalter beantragt in der von ihm erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auszugehen ist davon, daß der mitbeteiligte Masseverwalter am 14. Juni 1982 gültig auf das in Pz. 116 des Wasserbuches eingetragene Wasserbenutzungsrecht verzichtet hat. Zu Bedenken in der Richtung, daß der Masseverwalter mit der Abgabe dieser Verzichtserklärung nicht im Rahmen der ihm obliegenden Förderung der Verwertung der Konkursmasse gehandelt hätte (vgl. dazu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1981, Zlen. 81/07/0035, 0036), gibt der Akteninhalt keinen Anlaß. Die Wasserrechtsbehörden sind daher mit Recht davon ausgegangen, daß dieses Wasserbenutzungsrecht auf Grund des abgegebenen Verzichtes erloschen ist (§§ 27 Abs. 1 lit. 1 und 29 Abs. 1 WRG 1959).

Bei der Feststellung des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes hat die Wasserrechtsbehörde gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959 auszusprechen, ob und inwieweit der bisher Berechtigte aus öffentlichen Rücksichten, im Interesse anderer Wasserberechtigter oder in dem der Anrainer binnen einer von der Behörde festzusetzenden angemessenen Frist seine Anlagen zu beseitigen, den früheren Wasserlauf wiederherzustellen oder in welcher anderen Art er die durch die Auflassung notwendig werdenden Vorkehrungen zu treffen hat.

Die Parteistellung des Beschwerdeführers im Erlöschensverfahren ist im Verwaltungsverfahren nicht in Zweifel gezogen worden. Seine Interessen waren daher bei der Anordnung der letztmaligen Vorkehrungen im Sinne der zuletzt angeführten Gesetzesstelle zu berücksichtigen. Diese Interessen sah und sieht der Beschwerdeführer dadurch beeinträchtigt, daß sich auf Grund der angeordneten letztmaligen Vorkehrungen eine gegenüber dem vorigen Zustand erhöhte Hochwassergefahr und eine daraus resultierende erhöhte Gefährdung für die Betriebsanlagen des Beschwerdeführers ergebe.

Den Erwägungen über das diesbezügliche, die Vorkehrungen 1. und 6. betreffende Beschwerdevorbringen im einzelnen ist vorauszuschicken, daß die grundsätzliche Belassung des Oberwerkskanales als eines Abflußgerinnes aus dem Mühlteich von den Wasserrechtsbehörden beider Instanzen auf Grund der eingeholten Gutachten für notwendig befunden wurde, um für die möglichst schadlose Abfuhr von Hochwässern zu sorgen. Davon scheint auch der Beschwerdeführer auszugehen, der in diesem Zusammenhang der belangten Behörde ausschließlich vorwirft, für die Erhaltung dieses Gerinnes nach Abschluß des Erlöschensverfahrens nicht ausreichend vorgesorgt zu haben. Dabei übersieht der Beschwerdeführer allerdings, daß sich letztmalige Vorkehrungen nach § 29 Abs. 1 WRG 1959 ausschließlich gegen den scheidenden Wasserberechtigten zu richten haben, daß diesem jedoch nach dieser Gesetzesstelle nur bestimmte und befristete Vorkehrungen, nicht jedoch auch die dauernde Erhaltung der Anlage aufgetragen werden kann (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1960, Slg. Nr. 5385/A). Im übrigen verweist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend darauf, daß weder eine öffentliche Körperschaft noch ein sonstiger Beteiligter im Interesse der weiteren Erhaltung der Anlage die Überlassung der vorhandenen Wasserbauten gemäß dem diese Möglichkeit eröffnenden § 29 Abs. 3 WRG 1959 verlangt hat.

Diese Überlegung trifft auch für die in der Vorkehrung 1. genannten Rechen, Turbinen und Schützentafeln (am Standort der wassermotorischen Einrichtung) zu, deren Belassung der Beschwerdeführer wie bereits im Verwaltungsverfahren in der Beschwerde fordert. Die belangte Behörde hat die Entfernung dieser Einrichtungen, aufbauend auf den eingeholten Gutachten, mit der Gewährleistung einer "möglichst ungehinderten Abfuhr von Gewässern" begründet. Eine fachlich fundierte Begründung dafür, daß die Belassung dieser gerinneabwärts der Anlagen des Beschwerdeführers gelegenen Einrichtungen des scheidenden Wasserberechtigten aus der Sicht der betroffenen Rechte des Beschwerdeführers für die schadlose Abfuhr von Hochwässern technisch günstiger wäre, hat der Beschwerdeführer nicht gegeben. Abgesehen davon, daß eine künftige Erhaltung und Bedienung dieser Einrichtung im Rahmen der letztmaligen Vorkehrungen gar nicht vorgeschrieben werden könnte, liegt somit der vom Beschwerdeführer hinsichtlich dieser Vorkehrung behauptete Verfahrensmangel nicht vor.

Anders verhält es sich jedoch mit der weiters vom Beschwerdeführer bekämpften Vorkehrung 6. Der Beschwerdeführer hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren und in seiner Berufung vorgebracht, daß die dort vorgesehene "Verschließung" der Ausleitung des Oberwerkskanales aus dem Mühlbach zu einer Erhöhung der Hochwassergefahr für seine an der Bachparzelle Nr. nn (R-bach) gelegenen Anlagen führen würde, zumal hiedurch die Wasserführung im R-bach vermehrt würde. Auf dieses Vorbringen des Beschwerdeführers wurde weder in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, noch in dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten noch auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides eingegangen. Mit Recht erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde seine diesbezüglichen Einwendungen mit Stillschweigen übergangen hat, einen relevanten Verfahrensmangel, kann doch nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde im Falle einer entsprechenden Ergänzung ihrer Sachverhaltsermittlungen und einer argumentativen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Wien, am 3. Februar 1987

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