VfGH G9/09 ua

VfGHG9/09 ua28.9.2009

Abweisung von Gerichtsanträgen auf Aufhebung einer Regelung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes über die Qualifizierung des Kinderbetreuungsgeldes nicht als Einkommen des beziehenden Elternteils; keine Verfassungswidrigkeit bei Interpretation der Bestimmung als Unterhaltsbemessungsgrundlage für eine allfällige Unterhaltsverpflichtung (gegenüber anderen geldunterhaltsberechtigten Kindern); andererseits auch keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Annahme einer Unanwendbarkeit der Vorschrift auf Unterhaltsverpflichtungen; Auslegung Sache der Zivilgerichte

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
KinderbetreuungsgeldG §42, §43 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
KinderbetreuungsgeldG §42, §43 Abs1

 

Spruch:

Die Anträge werden abgewiesen, soweit sie die Wortfolge "noch des beziehenden Elternteils" in §42 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes, BGBl. I Nr. 103/2001 idF BGBl. I Nr. 76/2007, betreffen.

Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit auf Art140 B-VG gestützten Anträgen begehren der

Oberste Gerichtshof (in der Folge: OGH) und das Landesgericht Korneuburg (in der Folge: LG Korneuburg) die Aufhebung der Wortfolge "noch des beziehenden Elternteils" in §42 sowie des §43 Abs1 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (in der Folge: KBGG), BGBl. I 103/2001 idF BGBl. I 76/2007, hilfsweise die Aufhebung der Wortfolge "noch des beziehenden Elternteils" in §42 KBGG idF BGBl. I 76/2007.

Diese Anträge werden aus Anlass von bei den antragstellenden Gerichten anhängigen Pflegschaftsverfahren gestellt, denen folgende Sachverhalte zugrunde liegen:

Im Ausgangsverfahren des zu G9/09 protokollierten Antrags des OGH befinden sich die drei minderjährigen Kinder in Pflege und Erziehung des Vaters, während die Mutter zur Leistung des Unterhalts in Geld verpflichtet ist. Sie ist nunmehr für drei weitere, in ihrem Haushalt lebende minderjährige Kinder sorgepflichtig, wobei sie für die beiden jüngeren Kinder (Zwillinge) ab April 2007 Kinderbetreuungsgeld (in der Folge: KBG) bezieht. Ihr Antrag, sie von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber den drei Minderjährigen aus erster Ehe zu entheben bzw. diese Verpflichtung herabzusetzen, weil das KBG durch die am 1. Jänner 2008 in Kraft tretende Novellierung des §42 KBGG nicht (mehr) als Einkommen gelte und sie daher ab diesem Zeitpunkt einkommenslos sei, wurde vom Erstgericht abgewiesen. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dagegen erhob die Mutter Revisionsrekurs an den OGH.

Im Verfahren, das dem zu G42/09 protokollierten Antrag des LG Korneuburg zugrunde liegt, befindet sich der Minderjährige in Pflege und Erziehung der Mutter, während der Vater zur Leistung des Unterhalts in Geld verpflichtet ist. Dieser ist nunmehr für ein weiteres Kind sorgepflichtig, für das er ab August 2008 KBG bezieht. Sein Antrag auf Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem ersten Kind, weil sein Durchschnittseinkommen sich durch Verringerung seiner Wochenarbeitszeit reduziert habe und das von ihm bezogene KBG gemäß §42 KBGG nicht als Einkommen gelte, wurde vom Erstgericht abgewiesen. Dagegen erhob der Vater Rekurs an das LG Korneuburg.

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des KBGG, BGBl. I 103/2001, lauten idF BGBl. I 76/2007 wie folgt (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Unterhaltsanspruch

§42. Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gelten weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils und mindern nicht deren Unterhaltsansprüche.

Pfändungsverbot und Steuerbefreiung

§43. (1) Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und der Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind gemäß §290 der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht pfändbar.

(2) Kinderbetreuungsgeld und Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind von der Einkommensteuer befreit und gehören auch nicht zur Bemessungsgrundlage für sonstige Abgaben und öffentlich-rechtliche Beiträge."

3. Die antragstellenden Gerichte begründen ihre Anträge wie folgt:

Zunächst legen die antragstellenden Gerichte ausführlich ihr Verständnis des §42 KBGG dar. Sie vertreten dabei zusammenfassend die Auffassung, dass das KBG gemäß §42 KBGG im Bereich des Unterhaltsrechts nicht als Einkommen des beziehenden Elternteils zu gelten habe und bei Festsetzung nicht nur eines Unterhaltsanspruchs, sondern auch einer Unterhaltsverpflichtung des KBG beziehenden Elternteils nicht zu berücksichtigen sei.

Unter Zugrundelegung dieser Auslegung hegen die antragstellenden Gerichte das Bedenken, dass §42 KBGG in Fallkonstellationen wie denen der Anlassverfahren, in denen der Bezieher von KBG (neben der Naturalunterhaltspflicht gegenüber dem das KBG vermittelnden Kind) eine Geldunterhaltsverpflichtung gegenüber weiteren, nicht seinem Haushalt zugehörigen Kindern hat, zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung mehrerer Kinder desselben Elternteils führe, da ein Kind den vollen Unterhalt bekäme, während das andere keinen erhalten würde. Der Unterhaltspflichtige hätte sich durch seinen Entschluss, KBG zu beziehen, in eine Situation gebracht, die ihn als einkommenslos gelten ließe, was zu einem Nachteil aller Personen führe, die ihm gegenüber einen Anspruch auf Geldunterhalt haben.

§43 Abs1 KBGG bilde mit §42 leg.cit. eine normative Einheit und werde zu dessen Interpretation herangezogen. Damit liege ein untrennbarer Zusammenhang zwischen diesen beiden Bestimmungen vor.

4. Die Bundesregierung erstattete zu G9/09 eine Äußerung, in der sie die Abweisung des Antrags beantragt. Für den Fall der Aufhebung stellt sie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von 18 Monaten bestimmen, da umfangreiche Änderungen im KBGG notwendig werden könnten.

Zusammengefasst bringt sie in ihrer Äußerung vor:

4.1. Zur Zulässigkeit:

Nach Auffassung der Bundesregierung bilden §42 und §43 Abs1 KBGG keine normative Einheit. Ob und, wenn ja, in welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch besteht, sei von der Frage der Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs auf dem Exekutionsweg getrennt zu beurteilen. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit des Unterhaltsvorschusses nach dem Unterhaltsvorschussgesetz 1985. §43 Abs1 KBGG sei jedoch in den Ausgangsverfahren nicht präjudiziell. Dass die eine Vorschrift für die Auslegung der anderen von Belang sei, könne deren Ausscheiden aus dem Rechtsbestand nicht rechtfertigen. Zudem sei das KBG auch in §290 Abs1 Z10 Exekutionsordnung ausdrücklich als unpfändbare Leistung angeführt, sodass die Aufhebung des §43 Abs1 KBGG an der geltenden Rechtslage nichts ändern würde. Hinsichtlich des §42 KBGG geht die Bundesregierung jedoch davon aus, dass die Prozessvoraussetzungen gegeben seien.

4.2. In der Sache:

Die Bundesregierung geht davon aus, dass es sich beim KBG - anders als noch beim Karenzgeld - nicht um den Ersatz für ein (der Geburt vorangegangenes) Erwerbseinkommen, sondern um die Abgeltung des mit der Betreuung des Kindes verbundenen Aufwandes handelt. Wenn die öffentliche Hand eine derartige Transferleistung erbringt, erscheine es durchaus sachgerecht, wenn gleichzeitig angeordnet wird, dass dieser Geldbetrag dem betreuenden Elternteil ungemindert zukommen soll. Die Minderung oder der zeitweise Entfall des Geldunterhaltsanspruchs sei lediglich Folge des Umstandes, dass der Unterhaltspflichtige kein Erwerbseinkommen erzielen kann, weil er sich der Kinderbetreuung widmet. Auch der OGH habe in der Vergangenheit den Entfall oder die Minderung der Unterhaltszahlungen für andere Unterhaltsberechtigte im Interesse der Ermöglichung der Betreuung eines Kleinkindes durch seine Mutter hingenommen (vgl. OGH 12.11.1991, 5 Ob 1562/91; 11.7.1996, 6 Ob 2126/96g).

Die Bundesregierung verweist auch auf andere Einkünfte, deren Berücksichtigung bei der Unterhaltsbemessung gesetzlich ausgeschlossen sei (zB Studienbeihilfe, Schülerbeihilfe), und auf Sozialleistungen, die der Deckung eines Sonderbedarfs dienten und deshalb ebenfalls nicht bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt würden (zB Hilflosenzuschuss, Pflegegeld, Sozialhilfen für besondere Lebenslagen, Blindenbeihilfe, Kinderzulage und Kinderzuschuss, sofern diese Leistungen für ein anderes als das Unterhalt fordernde Kind gewährt werden, ferner jener Teil des Pflegeelternentgelts, der Aufwandersatzcharakter hat). Nicht zu berücksichtigen seien zudem sonstige Einnahmen, die auf Grund ihrer Zweckwidmung nicht der Deckung des Allgemeinbedarfs dienen sollten (zB Schmerzengeldzahlungen, Vergütung aus einer Krankenzusatzversicherung für die Nicht-Inanspruchnahme der Sonderklasse bei stationärem Aufenthalt und überhaupt Einkommensbestandteile mit Aufwandersatzcharakter).

Die Bundesregierung geht davon aus, dass für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof dennoch zur Annahme käme, dass ein Ausklammern des Kinderbetreuungsgeldes bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Geldunterhaltspflicht gegenüber den älteren Kindern zu einer unsachlichen Benachteiligung dieser führe, eine verfassungskonforme Interpretation des §42 KBGG möglich sei, die einer Aufhebung der Norm entgegenstehe.

5. Im zu G42/09 protokollierten Verfahren verweist die Bundesregierung auf die zu G9/09 erstattete Äußerung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Die Anträge sind nur teilweise zulässig.

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Die Auffassung der antragstellenden Gerichte, §42 KBGG, der bestimmt, dass das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss nicht als eigenes Einkommen des beziehenden Elternteils gilt, sei bei ihrer Entscheidung über die Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung des beziehenden Elternteils gegenüber weiteren Kindern anzuwenden, ist jedenfalls denkmöglich.

Die in §42 KBGG eintretende Abweichung vom grammatikalisch richtigen Sprachgebrauch schadet nicht, da der im Fall der Aufhebung der angefochtenen Wortfolge in §42 KBGG als verfassungswidrig verbleibende Satzteil den ihm zukommenden Sinn beibehielte (vgl. zB VfSlg. 15.218/1998).

Die Anträge sind, da auch sonst keine Prozesshindernisse entgegenstehen, daher zulässig, soweit sie §42 KBGG betreffen.

Die antragstellenden Gerichte gehen davon aus, dass zwischen §42 und §43 Abs1 KBGG ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Dieser Auffassung tritt die Bundesregierung in ihrer Äußerung zu Recht entgegen: Die in §43 Abs1 KBGG geregelte Frage der Pfändbarkeit des Kinderbetreuungsgeldanspruchs im Exekutionswege und die Frage der Einbeziehung dieses Anspruchs in die Unterhaltsbemessungsgrundlage, die in §42 KBGG normiert wird, weisen keinen inneren Zusammenhang auf; insbesondere ließe der Wegfall des §42 KBGG den Abs1 des §43 leg.cit. weder unverständlich noch unanwendbar werden. Es besteht zwischen den beiden Normen daher kein untrennbarer Zusammenhang, der es gebieten würde, §43 Abs1 KBGG ebenfalls in die Prüfung einzubeziehen.

Es ist aber andererseits denkunmöglich, dass die antragstellenden Gerichte bei ihrer Entscheidung über die Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung auch §43 Abs1 KBGG anzuwenden hätten.

Die Hauptanträge sind somit unzulässig, die Eventualanträge hingegen zulässig.

2. Die (Eventual)Anträge sind aber nicht begründet.

Bis zu seiner Novellierung durch BGBl. I 76/2007 hatte §42 KBGG folgenden Wortlaut:

"§42. Das Kinderbetreuungsgeld gilt nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch."

Seit der Novellierung durch BGBl. I 76/2007 lautet die Bestimmung hingegen (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§42. Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gelten weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils und mindern nicht deren Unterhaltsansprüche."

In den Materialien (RV 229 BlgNR 23. GP) wird zu den mit BGBl. I 76/2007 novellierten §§42 und 43 KBGG Folgendes ausgeführt:

"Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum KBG gelten auch für den beziehenden Elternteil nicht als Einkommen.

Die Unpfändbarkeit und die Steuerfreiheit des Zuschusses sollen explizit geregelt werden. Dazu gehört die Klarstellung, dass auch der Zuschuss nicht zur Bemessungsgrundlage für sonstige Abgaben und öffentlich-rechtliche Beiträge zählt."

Der antragstellende Senat des OGH und das antragstellende LG Korneuburg sind der Auffassung, dass gemäß §42 KBGG das KBG beim beziehenden Elternteil in die Bemessungsgrundlage für eine allfällige Unterhaltsverpflichtung einzubeziehen sei und ein solches Verständnis dieser Bestimmung eine unsachliche Ungleichbehandlung von geld- und naturalunterhaltsberechtigten Kindern zur Folge hätte.

Im Gegensatz dazu hat der 10. Senat des OGH in seinen Entscheidungen vom 24. Februar 2009, 10 Ob 112/08f, vom 17. März 2009, 10 Ob 8/09p, und vom 21. April 2009, 10 Ob 7/09s, zwar ebenfalls dargelegt, dass gegen eine Ungleichbehandlung von gegenüber KBG beziehenden Elternteilen einerseits geld- und andererseits naturalunterhaltsberechtigten Kindern verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, gleichzeitig aber die Meinung vertreten, dass u.a. aus der klaren Bezugnahme auf Unterhaltsansprüche (nicht aber auf Unterhaltsverpflichtungen) in §42 KBGG und der Überschrift zu dieser Bestimmung abzuleiten sei, §42 KBGG enthalte keine Aussage zur Frage der Einbeziehung des KBG in die Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Beurteilung einer Unterhaltspflicht des Kinderbetreuungsgeldbeziehers. Bei Beurteilung einer Unterhaltspflicht stelle das KBG nach den allgemeinen Grundsätzen des Unterhaltsrechts ein Einkommen dar, das auch den unterhaltsberechtigten Familienangehörigen zugute kommen solle, und zwar sowohl den natural- als auch den geldunterhaltsberechtigten eigenen Kindern.

Der Verfassungsgerichtshof kann es dahin gestellt sein lassen, ob §42 KBGG nur Unterhaltsansprüche betrifft oder auch eine Aussage zur Unterhaltsbemessungsgrundlage des Inhaltes trifft, dass das KBG beim beziehenden Elternteil aus der Bemessungsgrundlage für Unterhaltsverpflichtungen auszuscheiden ist; dies deswegen, weil auch dann, wenn §42 KBGG im zuletzt genannten Sinn zu interpretieren wäre, dagegen aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden wäre:

Zielsetzung des KBG ist die finanzielle Unterstützung der Eltern während der Betreuung ihres Kindes in den ersten Lebensjahren im Sinne einer Abgeltung der Betreuungsleistung oder der Ermöglichung der Inanspruchnahme außerhäuslicher Betreuung. Das KBG soll dabei nur jenen Eltern(teilen) gewährt werden, die bereit sind, die Berufstätigkeit im Hinblick auf die Kinderbetreuung einzuschränken oder gänzlich aufzugeben (vgl. auch VfGH 26.2.2009, G128/08 ua.). Dem Gesetzgeber stünde es von Verfassungs wegen frei, eine Transferleistung dieser Art, die nur eine begrenzte Zeit hindurch gewährt wird und einen Betrag von € 14,53 bis € 26,60 täglich (je nach Bezugsdauer) nicht überschreiten kann, dem betreuenden Elternteil "vorzubehalten" und Personen (Kinder), die dem betreuenden Elternteil gegenüber unterhaltsberechtigt sind, von einer Partizipation daran auszuschließen. Die Ansprüche der geldunterhaltsberechtigten Kinder würden durch eine solche Regelung nicht anders berührt, als hätte der betreuende Elternteil seine Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuungstätigkeit gegenüber naturalunterhaltsberechtigten Kindern vorübergehend gänzlich eingestellt. Wenn die antragstellenden Gerichte in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, der Unterhaltspflichtige habe sich durch seinen Entschluss, KBG zu beziehen, in eine Situation gebracht, die ihn als einkommenslos gelten ließe, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Situation nicht auf seinen Entschluss, KBG zu beziehen, zurückzuführen ist, sondern auf seine Entscheidung, die Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuungstätigkeit einzustellen. Ein solcher Fall ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Anspannungstheorie unter Berücksichtigung der Einengung der Erwerbsmöglichkeiten durch Betreuungspflichten für Kleinkinder zu beurteilen.

Der Verfassungsgerichtshof sieht somit weder eine Veranlassung, dem §42 KBGG den von den antragstellenden Gerichten angenommenen (und als verfassungswidrig erachteten) Inhalt beizumessen, dass das KBG beim beziehenden Elternteil in die Bemessungsgrundlage für eine allfällige Unterhaltsverpflichtung einzubeziehen sei, noch eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, §42 KBGG in dem Sinn zu interpretieren, dass die Vorschrift auf Unterhaltsverpflichtungen gar nicht anwendbar sei. Ist keine dieser beiden Interpretationen mit Verfassungswidrigkeit behaftet, dann ist es Sache der Zivilgerichte zu entscheiden, welcher Inhalt der Vorschrift beizulegen ist.

3. Die Anträge waren daher abzuweisen; dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung erfolgen.

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