Normen
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
Stmk RaumOG 1974 §34 Abs5
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
Stmk RaumOG 1974 §34 Abs5
Spruch:
I. In §34 Abs5 des Gesetzes vom 25. Juni 1974 über die Raumordnung im Lande Steiermark (Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974), LGBl. Nr. 127/1974 idF LGBl. Nr. 59/1995, werden im 3. und 4. Satz jeweils die Worte "der Höhe" als verfassungswidrig aufgehoben.
Der Landeshauptmann von Steiermark ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
II. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B630/99 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg hat den Antrag auf Zuerkennung einer angemessenen Entschädigung dahingehend, als "die Gst. Nr. 378/2, 379, 383/3, 383/5 und 402/1 - 402/9, je KG Blumegg, durch den am 25. März 1995 rechtskräftig gewordenen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Lannach von Bauland ins Freiland übertragen worden seien", mit Bescheid vom 2. September 1998 gemäß §34 Abs5 Stmk ROG 1974 als unzulässig zurückgewiesen. Der Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Lannach sei mit aufsichtsbehördlichem Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. März 1995 genehmigt und durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 14. bis 31. März 1995 kundgemacht worden. Der Flächenwidmungsplan 3.0. sei sohin am 1. April 1995 in Rechtskraft erwachsen. Der Antragsteller habe mit Eingabe vom 20. März 1998, eingelangt am 24. März 1998, den Antrag auf Entschädigung gestellt. Er habe somit die in §34 Abs5 Stmk ROG 1974 gesetzlich geregelte, nicht erstreckbare Frist zur Antragstellung, die ein Jahr nach dem Inkrafttreten des den Anspruch begründenden Flächenwidmungsplanes abläuft, nicht eingehalten. Die Steiermärkische Landesregierung hat die dagegen erhobene Berufung mit bekämpftem Bescheid vom 22. Februar 1999 als unbegründet abgewiesen. Sie geht davon aus, dass der Flächenwidmungsplan 3.0. am 29. März 1995 in Kraft getreten ist.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (Flächenwidmungsplan 3.0., §34 Abs5 Stmk ROG 1974) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt. Sie bringt vor, dass rechtmäßige Widmungsbewilligungen aufrecht gewesen seien und die Umwidmung näher bezeichneter Grundstücke von Bauland in Freiland durch die Flächenwidmungspläne 2.0. und 3.0. der Marktgemeinde Lannach gesetzwidrig sei. Der Entschädigungsanspruch stelle ein civil right iSd Art6 EMRK dar, über den ein Tribunal entscheiden müsse. Die materiellrechtliche Ausschlussfrist von einem Jahr sei überdies zu kurz bemessen. Die Kundmachung des Flächenwidmungsplanes sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, da der Genehmigungsbescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. März 1995 den Eingangsstempel der Gemeinde Lannach vom 14. März 1995 trage und noch am 14. März 1995 an der Amtstafel angeschlagen worden sei. Da der Posteingang - vermutlich - erst am späten Vormittag erfolgt sei, könne der Beginn der Kundmachungsfrist mit 14. März 1995 nicht richtig sein.
3. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. 1. Aus Anlass der Beschwerde zu B630/99 hat der Verfassungsgerichtshof am 13. März 2002 gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des §34 Abs5 Stmk ROG 1974, LGBl. Nr. 127/1974 idF LGBl. Nr. 59/1995, von Amts wegen zu prüfen.
2. §34 des Gesetzes vom 25. Juni 1974 über die Raumordnung im Lande Steiermark (Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974), LGBl. Nr. 127/1974 idF LGBl. Nr. 59/1995, im Folgenden: Stmk ROG 1974, lautet (die aufgehobenen Worte der Bestimmung werden hervorgehoben):
"Entschädigung
(1) Wenn durch die Wirkung des Flächenwidmungsplanes die Bebauung eines als Bauland geeigneten Grundstückes zur Gänze verhindert wird und dadurch eine Wertminderung entsteht, die eine die betroffenen Eigentümer im Vergleich zu anderen Eigentümern in ähnlichen Verhältnissen unverhältnismäßig stark treffende Härte darstellt, ist von der Gemeinde eine Entschädigung gemäß Abs3 zu leisten.
(2) Ein Entschädigungsanspruch besteht unter den Voraussetzungen gemäß Abs1,
a) wenn jemand vor dem im §29 Abs1 bezeichneten Zeitpunkt der Kundmachung im Vertrauen darauf, daß nach der Rechtslage der Bebauung kein gesetzliches Hindernis entgegenstand, nachweisbar Kosten für die Baureifmachung des Grundstückes aufgewendet hat,
b) wenn entgegen einer rechtmäßig erteilten Widmungsbewilligung die Bebauung ausgeschlossen wird oder
c) wenn eine als Bauland im Sinne des §23 Abs1 geeignete Grundfläche zur Gänze oder dreiseitig vom Bauland umschlossen wird und dadurch, daß das umschlossene Grundstück nicht ebenfalls als Bauland ausgewiesen wird, eine Wertminderung gegenüber seinem Wert vor Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes entsteht.
(3) Zu entschädigen sind nach Abs2 lita die nachweisbar aufgewendeten Kosten sowie nach Abs2 litb und c die Minderung des Verkehrswertes.
(4) Die Zuteilung von Grundstücken zum Freiland allein begründet auch bei Änderung des Flächenwidmungsplanes keinen Entschädigungsanspruch gemäß Abs1.
(5) Falls zwischen der Gemeinde und dem Grundeigentümer keine gütliche Vereinbarung über das Ausmaß der Entschädigung zustande kommt, ist der Antrag auf Entschädigung bei sonstigem Anspruchsverlust vom Grundeigentümer innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten des den Anspruch begründenden Flächenwidmungsplanes, im Falle einer Stadt mit eigenem Statut bei der Landesregierung, ansonsten bei der Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen. Die Behörde hat über das Bestehen des Anspruches und gegebenenfalls über die Höhe der Entschädigung nach Anhörung wenigstens eines Sachverständigen mit Bescheid zu entscheiden. Gegen die Festsetzung der Höhe der Entschädigung ist keine Berufung zulässig. Jede Partei kann innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die Festsetzung der Höhe der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich das Grundstück befindet. Mit der Anrufung des Gerichtes treten die Bestimmungen des Bescheides der Behörde hinsichtlich der Festsetzung des Entschädigungsbetrages außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung kann ohne Zustimmung des Antraggegners nicht zurückgenommen werden. Bei Zurücknahme des Antrages gilt der im Bescheid bestimmte Entschädigungsbetrag als vereinbart. Eine erneute Anrufung des Gerichtes in dieser Sache ist unzulässig.
(6) Für das Entschädigungsverfahren nach Abs5 sowie für die Wahrnehmung der Ansprüche, die dritten Personen auf Grund dinglicher Rechte zustehen, sind die §§4 bis 10 und 22 bis 34 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 sinngemäß anzuwenden.
(7) Die Entschädigung ist vom Eigentümer des Grundstückes an die Gemeinde zurückzuzahlen, sobald innerhalb eines Zeitraumes von fünfzehn Jahren nach ihrer Auszahlung durch eine Änderung des Flächenwidmungsplanes die Verhinderung der Bebauung des Grundstückes wegfällt. Die Rückzahlung hat in jenem Ausmaß zu geschehen, das dem inneren Wert der seinerzeitigen Entschädigung entspricht. Falls zwischen der Gemeinde und dem Grundeigentümer keine Einigung über die Rückzahlungsverpflichtung und die Höhe der Rückzahlungssumme zustande kommt, finden Abs5 und 6 sinngemäß Anwendung.
(8) Die Entschädigung ist der Gemeinde vom Land zu ersetzen, soweit eine Gemeinde in der Festlegung von Grundflächen als Bauland entgegen ihren Interessen und entgegen ihrer erweislichen Absicht durch ein rechtswirksames Entwicklungsprogramm gebunden ist und dies im Verfahren nach §11 Abs4 bekanntgegeben hat. Eine nach Abs7 zurückgezahlte Entschädigung ist in diesem Fall an das Land abzuführen.
(9) Wird ein Grundstück im Vertrauen auf die Wirkung eines Flächenwidmungsplanes, der die Bebaubarkeit dieses Grundstückes ausschließt, veräußert und wird die Bebauung eines Grundstückes durch eine nachträgliche, innerhalb von fünfzehn Jahren in Kraft getretene Neuerlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes zulässig, so hat der Veräußerer das Recht, bei Gericht die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung in den vorigen Zustand zu fordern, wenn der vereinbarte Kaufpreis nicht die Hälfte des Kaufpreises erreicht, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Der Erwerber des Grundstückes kann die Aufhebung des Vertrages nur dadurch abwenden, daß er dem Veräußerer den Unterschied zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und jenem Kaufpreis erstattet, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Das Recht, die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern, entsteht jedoch nur, wenn der Erwerber des Grundstückes innerhalb der fünfzehnjährigen Frist und nach Neuerlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes das Grundstück wieder veräußert oder eine Bewilligung für die Errichtung eines Baues auf diesem Grundstück rechtskräftig erteilt wird, und kann bei sonstigem Verlust nur innerhalb eines Jahres nach der Wiederveräußerung bzw. der Rechtskraft des baubehördlichen Bewilligungsbescheides geltend gemacht werden."
3. In seinem Einleitungsbeschluss ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist, und er bei seiner Entscheidung darüber §34 Abs5 Stmk ROG 1974 anzuwenden hätte.
4. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Entschädigungsregelung des §34 Abs5 Stmk ROG 1974 wie folgt dar:
"§34 Abs1 Stmk ROG 1974 sieht vor, dass die Gemeinde an den Grundeigentümer eine Entschädigung leisten muss, wenn durch die Wirkung des Flächenwidmungsplanes die Bebauung eines als Bauland geeigneten Grundstückes zur Gänze verhindert wird und dadurch eine Wertminderung entsteht, die eine die betroffenen Eigentümer im Vergleich zu anderen Eigentümern in ähnlichen Verhältnissen unverhältnismäßig stark treffende Härte darstellt. Die Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch sind im §34 Abs2 leg. cit. geregelt. Die Höhe der Entschädigung ist gemäß §34 Abs3 leg. cit. zu ermitteln. Falls zwischen der Gemeinde und dem Grundeigentümer keine gütliche Vereinbarung über das Ausmaß der Entschädigung zustande kommt, so ist der Antrag auf Entschädigung bei sonstigem Anspruchsverlust vom Grundeigentümer innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten des den Anspruch begründenden Flächenwidmungsplanes bei der Verwaltungsbehörde (Landesregierung oder Bezirksverwaltungsbehörde) einzubringen. Die Behörde hat gemäß §34 Abs5 zweiter Satz leg. cit. über das Bestehen des Anspruches und gegebenenfalls über die Höhe der Entschädigung mit Bescheid zu entscheiden.
Zur Entscheidung über das Bestehen des Anspruches scheint sowohl die Entscheidung,
* ob die Voraussetzungen des §34 Abs1 leg. cit. gegeben sind
* ob ein Fall des §34 Abs2 lita (aufgewendete Kosten für die Baureifmachung des Grundstückes) vorliegt und die aufgewendeten Kosten nachgewiesen werden oder
* ob einer der Fälle des §34 Abs2 litb (Ausschluss der Bebauung entgegen einer rechtmäßig erteilten Widmungsbewilligung) oder litc (zur Gänze oder an drei Seiten von Bauland umschlossenes Grundstück) vorliegt und eine Wertminderung entstanden ist,
aber auch die Entscheidung,
* ob der Anspruch auf Entschädigung noch weiter besteht oder ob der Grundeigentümer seinen Entschädigungsanspruch in Folge verspäteter Antragstellung verloren hat, zu gehören.
Der Verfassungsgerichtshof misst §34 Abs5 vierter Satz leg. cit. vorläufig einen Inhalt bei, gemäß dem der Grundeigentümer das Gericht nur gegen die Festsetzung der Höhe der Entschädigung, nicht aber auch gegen die Entscheidung der Behörde, der Entschädigungsanspruch sei in Folge verspäteter Antragstellung verloren gegangen, anrufen darf. Dies scheint sich einerseits aus dem klaren Wortlaut des §34 Abs5 dritter Satz Stmk ROG 1974 zu ergeben, wonach nur gegen die Festsetzung der Höhe der Entschädigung keine Berufung zulässig ist, sowie aus §34 Abs5 vierter Satz leg. cit., wonach jede Partei innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die Festsetzung der Höhe der Entschädigung beim Bezirksgericht begehren kann.
§34 Abs5 Stmk ROG 1974 dürfte also die Anrufung des Gerichtes gegen die Entscheidung der Behörde, ob der Verlust des Entschädigungsanspruches eingetreten ist, ausdrücklich ausgeschlossen haben.
Eine Interpretation, wie sie in den Erkenntnissen VfSlg. 13.807/1994 bezüglich §28 Abs4 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 und VfSlg. 13.979/1994 bezüglich §25 Sbg ROG 1992 vorgenommen wurde, scheint deshalb ausgeschlossen, weil sich die Bestimmung des §34 Abs5 Stmk ROG 1974 von den genannten Bestimmungen dadurch unterscheidet, dass sie nicht nur den Fall der 'Nullfestsetzung der Entschädigung' sondern auch den Fall der Zurückweisung eines Entschädigungsbegehrens wegen Verspätung erfasst.
Daher hegt der Verfassungsgerichtshof gegen die Bestimmung das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Regelung Art6 EMRK aus folgenden Gründen widerspricht:
Gemäß Art6 Abs1 EMRK muss über 'civil rights', somit auch über den in §34 Stmk ROG 1974 vorgesehenen Entschädigungsanspruch - dem Grunde und der Höhe nach - von einem 'unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')' entschieden werden. Ein solches ist weder die Bezirksverwaltungsbehörde noch die Steiermärkische Landesregierung. Die nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen einer nicht als 'Tribunal' eingerichteten Behörde über Enteignungsentschädigungen durch den Verwaltungsgerichtshof (gegebenenfalls gemeinsam mit deren Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art6 EMRK nicht (siehe VfSlg. 11.762/1988, 11.760/1988). Diese Rechtsprechung ist auf Entscheidungen über Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen - wie sie hier in Rede stehen - zu übertragen.
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass es sich bei der Frist gemäß §34 Abs5 erster Satz Stmk ROG 1974 - nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ('bei sonstigem Anspruchsverlust') - um eine Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Anspruches und somit nicht um eine verfahrensrechtliche sondern um eine materiellrechtliche Frist handelt (vgl. auch VwGH 93/06/0053 vom 24. Juni 1993).
Die Entscheidung über die Frage, ob der Grundeigentümer einen ihm nach dem Gesetz grundsätzlich zukommenden Anspruch in Folge verspäteter Antragstellung verloren hat, scheint eine Entscheidung über ein civil right dem Grunde nach zu bedeuten, die daher von einem 'Tribunal' entschieden werden müsste.
[...] Der Sitz der vorläufig angenommenen Verfassungswidrigkeit dürfte einerseits in §34 Abs5 dritter Satz Stmk ROG 1974 gelegen sein, der eine Berufung gegen die Entscheidung über den Verlust des Entschädigungsanspruches zulässt und damit eine Anrufung des Gerichtes zu verwehren scheint. Andererseits dürfte §34 Abs5 vierter Satz leg. cit. die sukzessive Gerichtszuständigkeit nur gegen einen Bescheid über die Höhe der Entschädigung vorsehen.
Dessen ungeachtet dürfte die gesamte Regelung des §34 Abs5 leg. cit. - in Folge der aus dem Wortlaut hervorleuchtenden Absicht, die Gerichtszuständigkeit nur für die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung vorzusehen - eine untrennbare Einheit darstellen, sodass der gesamte Abs5 des §34 Stmk ROG 1974 in Prüfung zu ziehen war.
[...] Im Gesetzesprüfungsverfahren wird zu untersuchen sein, ob die vom Verfassungsgerichtshof vorläufig angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung der Worte 'der Höhe' im dritten und vierten Satz des §34 Abs5 leg. cit. beseitigt werden kann, indem unter die Wortfolge 'Festsetzung der Entschädigung' auch die Entscheidung über den Verlust des Entschädigungsanspruches subsumiert wird (vgl. zB. VfSlg. 13.807/1994 zu §28 Abs4 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982, VfSlg. 13.979/1994 zu §25 Sbg ROG 1992)."
5. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, das Gesetzesprüfungsverfahren einzustellen. Sie beruft sich auf ihre Äußerung im Verfahren G74/00, in der sie auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Interpretation der Bestimmung auf Grundlage der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 13.582/1993, 13.807/1994, 13.979/1994) hingewiesen hat und legt diese in Kopie bei. Auch zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs, dass das Gericht nicht auch gegen die Entscheidung der Behörde, der Entschädigungsanspruch sei infolge verspäteter Antragstellung verloren gegangen, angerufen werden dürfe, regt die Steiermärkische Landesregierung eine verfassungskonforme Interpretation an. Sie verweist dabei auch auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1994, Z93/05/0270 und auf das darin verwiesene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1991, Z91/06/0170, in dem ausgeführt werde, dass in Fragen der Bemessung der Entschädigung der Rechtsschutz den ordentlichen Gerichten unabhängig davon übertragen sei, ob über eine Entschädigung "dem Grunde nach" oder "der Höhe nach" abgesprochen werde. Der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, dass die Zurückweisung des Entschädigungsbegehrens des Beschwerdeführers im Ergebnis darauf hinaus laufe, dass dem Beschwerdeführer die Entschädigung verweigert worden sei, weshalb davon auszugehen sei, dass auch in diesem Fall ein ordentliches Gericht angerufen werden könne. Die dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zugrunde liegende Bestimmung des §13 Abs7 OÖ BauO 1976 sei mit dem Wortlaut des §34 Abs5 Stmk ROG 1974 nahezu ident. Ein Hinweis, wie im Falle einer Zurückweisung vorzugehen sei, finde sich da und dort nicht. Vom Verwaltungsgerichtshof sei die Bestimmung dahin gehend verfassungskonform interpretiert worden, dass die Anrufung eines Gerichts auch im Fall einer Zurückweisung zulässig sei.
III. 1. Der Oberste Gerichtshof hat im Verfahren G74/00 aus Anlass eines bei ihm anhängigen Revisionsrekurses (zu Z7 Ob 222/99v) gemäß Art89 Abs2 B-VG beantragt, in §34 Abs5 des Gesetzes über die Raumordnung im Lande Steiermark (Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974), LGBl. Nr. 127/1974 idF LGBl. Nr. 59/1995, im 3. und 4. Satz jeweils die Worte "der Höhe" aufzuheben. Der Antragsteller (auch Beschwerdeführer zu B630/99) begehrte mit seinem am 3. Dezember 1998 beim Bezirksgericht Stainz eingebrachten Antrag die Festsetzung eines angemessenen Entschädigungsbetrages für die Rückführung seiner Grundstücke bzw. die Nichtkonsumierbarkeit der Widmungsbewilligungen bzw. für frustierte Kosten der Baureifmachung, schließlich auch wegen Nichtausweisung als Bauland trotz Baulandumschließung im Sinne des §34 Abs1 Stmk Raumordnungsgesetz 1974. Sein am 20. März 1998 an die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg gerichteter Entschädigungsantrag gemäß §34 des Stmk Raumordnungsgesetzes 1974 sei von dieser mit Bescheid vom 2. September 1998 als unzulässig zurückgewiesen worden. Dagegen habe er Berufung erhoben. Aus Vorsichtsgründen stellte er auch im gerichtlichen Verfahren einen Entschädigungsantrag im Sinne des §34 Abs5 Stmk Raumordnungsgesetz 1974. Das Erstgericht wies den Antrag zurück, da noch nicht einmal feststehe, dass dem Antragsteller überhaupt eine Entschädigung gebühre und das Gericht nur zur Bestimmung der Höhe der Entschädigung zuständig sei. Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs nicht Folge und begründete dies damit, dass die Bezirkshauptmannschaft den Entschädigungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen habe, dass dieser nicht innerhalb der Frist des §34 Abs5 Stmk Raumordnungsgesetz eingebracht worden sei. Die Anrufung des Gerichtes setze aber die inhaltliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Entschädigungsbetrag voraus.
2. Der Oberste Gerichtshof legt zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung dar, dass die Frage, ob das statt der sukzessiven Kompetenz vorgesehene - ausschließliche - Verfahren vor der Verwaltungsbehörde den Erfordernissen des Art6 EMRK entspricht, auch bei den die gerichtliche Zuständigkeit einschränkenden Bestimmungen zu prüfen sei. Auch wenn von der grundsätzlichen Unbedenklichkeit der Trennung in verschiedene Verfahren einerseits und des Systems der sukzessiven Kompetenz andererseits auszugehen sei, sei im anhängigen Verfahren über die Einschränkung der Zulässigkeit eines Verfahrens über die Höhe des Anspruches - auch im Hinblick auf die allgemeine Zuständigkeit der Gerichte in Entschädigungsfragen (vgl. EvBl 1976/124 ua) - doch eine so enge Verbindung mit dem Verfahren hinsichtlich des Grundes des "Ausspruches" gegeben, dass die dort bestehende Einschränkung der sukzessiven Kompetenz präjudiziell (vgl. auch zur Maßgeblichkeit des "Sitzes" der Verfassungswidrigkeit allgemein VfSlg. 13.701/1994) sei. Nach einem allfälligen aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes könnte auch dem Grunde nach die sukzessive Kompetenz der Gerichte geltend gemacht werden.
3. Die inhaltlichen Bedenken gegen die Worte "der Höhe", jeweils im 3. und 4. Satz, in §34 Abs5 Stmk ROG 1974 unter dem Blickwinkel des Art6 Abs1 EMRK entsprechen jenen, die der Verfassungsgerichtshof seinem Prüfungsbeschluss zu B630/99 - zunächst jedoch unter der Annahme eines untrennbaren Zusammenhangs des §34 Abs5 Stmk ROG 1974 - zugrunde legte.
4. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie unter Hinweis auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Interpretation der Bestimmung auf Grundlage der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 13.582/1993, 13.807/1994, 13.979/1994) beantragt, den Antrag als unbegründet abzuweisen.
IV. Der Verfassungsgerichtshof hat das vorliegende amtswegige Verfahren zu G117/02 mit dem durch einen Antrag des Obersten Gerichtshofes anhängig gemachten Verfahren zu G74/00 in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
1. Zur Zulässigkeit:
1.1. Die vorläufigen Annahmen, dass das Beschwerdeverfahren zu B630/99, das Anlass zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde §34 Abs5 Stmk ROG 1974 anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.
1.2. Der dem Gesetzesprüfungsverfahren zu G74/00 zugrunde liegende Antrag des Obersten Gerichtshofes ist, da ihm Prozesshindernisse nicht entgegenstehen, auch - wie unter Punkt 2. noch näher darzustellen sein wird - im Hinblick auf den Anfechtungsumfang zulässig.
2. Auch die im Prüfungsbeschluss zu B630/99 dargelegten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung treffen zu:
Der Verfassungsgerichtshof bleibt dabei, dass §34 Abs5 vierter Satz leg. cit. ein Inhalt beizumessen ist, gemäß dem der Grundeigentümer das Gericht nur gegen die Festsetzung der Höhe der Entschädigung, nicht aber auch gegen die Entscheidung der Behörde, der Entschädigungsanspruch sei in Folge verspäteter Antragstellung erloschen, anrufen darf. Dies ergibt sich einerseits aus dem klaren Wortlaut des §34 Abs5 dritter Satz Stmk ROG 1974, wonach nur gegen die Festsetzung der Höhe der Entschädigung keine Berufung zulässig ist, sowie aus §34 Abs5 vierter Satz leg. cit., wonach jede Partei innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die Festsetzung der Höhe der Entschädigung beim Bezirksgericht begehren kann.
Bei der Frist gemäß §34 Abs5 erster Satz Stmk ROG 1974 handelt es sich - nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ("bei sonstigem Anspruchsverlust") - um eine Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Anspruches und somit nicht um eine verfahrensrechtliche sondern um eine materiellrechtliche Frist (vgl. auch VwGH 93/06/0053 vom 24. Juni 1993).
Gemäß Art6 Abs1 EMRK muss über "civil rights", somit auch über den in §34 Stmk ROG 1974 vorgesehenen Entschädigungsanspruch - dem Grunde und der Höhe nach - von einem "unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')" entschieden werden. Ein solches ist weder die Bezirksverwaltungsbehörde noch die Steiermärkische Landesregierung. Die nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen einer nicht als "Tribunal" eingerichteten Behörde über Enteignungsentschädigungen durch den Verwaltungsgerichtshof (gegebenenfalls gemeinsam mit deren Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art6 EMRK nicht (siehe VfSlg. 11.762/1988, 11.760/1988). Diese Rechtsprechung ist auf Entscheidungen über Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen - wie sie hier in Rede stehen - zu übertragen.
Somit ist die Entscheidung über die Frage, ob der Grundeigentümer einen ihm nach dem Gesetz grundsätzlich zukommenden Anspruch in Folge verspäteter Antragstellung verloren hat, eine Entscheidung über ein civil right dem Grunde nach, die daher von einem "Tribunal" entschieden werden muss. §34 Abs5 Stmk ROG 1974 widerspricht insofern Art6 EMRK.
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss dargelegten Annahme, dass eine Interpretation, wie sie in den Erkenntnissen VfSlg. 13.807/1994 bezüglich §28 Abs4 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 und VfSlg. 13.979/1994 bezüglich §25 Sbg ROG 1992 vorgenommen wurde, deshalb ausgeschlossen ist, weil sich die Bestimmung des §34 Abs5 Stmk ROG 1974 von den genannten Bestimmungen dadurch unterscheidet, dass unter den Begriff "Höhe der Entschädigung" nicht der Fall der in Form einer "Zurückweisung" gekleideten Abweisung eines Entschädigungsbegehrens wegen Verspätung subsumiert werden kann.
Wenn die Steiermärkische Landesregierung das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1994, Z93/05/0270 heranzieht, um die oben dargestellte Interpretationsmöglichkeit aufzuzeigen, ist ihr zu entgegnen, dass es sich einerseits bei dem zugrunde liegenden Fall nicht um einen solchen der Versäumung der Antragsfrist handelte - deren Tatbestand ausdrücklich im Gesetz geregelt ist - sondern um den Verlust der Parteistellung aufgrund eines Eigentümerwechsels. Andererseits stehen dem andere Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs entgegen: Im Erkenntnis vom 24. Juni 1993, Z93/06/0053, zur Frist des §34 Abs5 erster Satz Stmk ROG 1974, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Vorliegens einer verfahrensrechtlichen Frist ausgeschlossen sei, ohne sich mit dem Vorliegen einer sukzessiven Kompetenz auseinanderzusetzen. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. April 1999, Z99/06/0022 setzte der Verwaltungsgerichtshof voraus, dass die Verwaltungsbehörde letztinstanzlich zuständig sei, über die Versäumung der Antragsfrist gemäß §34 Abs5 erster Satz Stmk ROG 1974 abzusprechen. Angesichts dieser die Zuständigkeit des Gerichts unterschiedlich bewertenden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs ist aus dem von der Steiermärkischen Landesregierung zitierten Erkenntnis nichts zu gewinnen.
Im Prüfungsbeschluss zu B630/99 wurde die gesamte Regelung des §34 Abs5 leg. cit. in Folge der aus dem Wortlaut hervorleuchtenden Absicht, die Gerichtszuständigkeit nur für die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung vorzusehen, in Prüfung gezogen. Der Verfassungsgerichtshof ging davon aus, dass §34 Abs5 Stmk ROG 1974 eine untrennbare Einheit darstellt. Das Gesetzesprüfungsverfahren ergab jedoch, dass die dem §34 Abs5 Stmk ROG 1974 angelastete Verfassungswidrigkeit auch durch die Aufhebung bloß der Worte "der Höhe", jeweils im 3. und 4. Satz, dieser Bestimmung beseitigt wird.
Wenn §34 Abs5 zweiter Satz Stmk ROG 1974 bei der Festlegung der Zuständigkeit der Landesregierung bzw. der Bezirksverwaltungsbehörde zwischen dem Bestehen des Anspruches und ("gegebenenfalls") der Höhe der Entschädigung unterscheidet, "so stellt er dadurch den umfassenden Zuständigkeitsbereich der Landesregierung klar und beschreibt im Zusammenhang damit die beiden in Betracht kommenden (Sach-)Entscheidungsmodelle, nämlich einerseits den Bescheid, mit dem ein Entschädigungsanspruch abgewiesen wird, weil dieser dem Grunde nach nicht besteht, und andererseits jenen, mit dem eine - dem Grunde nach gebührende - Entschädigung in bestimmter Höhe zuerkannt wird" (vgl. VfSlg. 13.807/1994 zu §28 Abs4 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982). Dieser Satz enthält daher keinen verfassungswidrigen Inhalt. Im dritten und vierten Satz des §34 Abs5 Stmk ROG bewirkt die Formulierung "Höhe der Entschädigung" einen Ausschluss der sukzessiven Zuständigkeit bezüglich der Entscheidung über die Entschädigung dem Grunde nach.
Nach Aufhebung der Worte "der Höhe" im dritten Satz des §34 Abs5 Stmk ROG 1974 ist klar gestellt, dass gegen die Festsetzung der Entschädigung - dem Grunde und der Höhe nach - keine Berufung zulässig ist und die Steiermärkische Landesregierung, indem sie über die Berufung betreffend den Anspruchsverlust des Grundeigentümers wegen verspäteter Einbringung des Entschädigungsantrags in der Sache entschieden hat, im Anlassverfahren B630/99 eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen hat. Die Aufhebung der Worte "der Höhe" im vierten Satz des §34 Abs5 Stmk ROG 1974 hingegen eröffnet die sukzessive Gerichtszuständigkeit auch für Entscheidungen über die Entschädigung dem Grunde nach.
Die Worte "der Höhe" jeweils im 3. und 4. Satz in §34 Abs5 Stmk ROG 1974 waren daher als verfassungswidrig aufzuheben.
Das Verfahren zur Prüfung der nicht aufgehobenen Teile des §34 Abs5 Stmk ROG 1974 war daher einzustellen.
3. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Steiermark zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung ergibt sich aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 abgesehen werden.
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