European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00024.25I.0318.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch der beklagten Pensionsversicherungsanstalt auf Rückforderung des infolge des nicht gemeldeten Bezugs einer Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts zu Unrecht bezogenen Übergangsgeldes von 1.923,08 EUR.
[2] Mit Schreiben vom 14. Februar 2023 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 9. Jänner 2023 Übergangsgeld. Darin wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass auf das Übergangsgeld eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts durch das Arbeitsmarktservice anzurechnen ist und dass sie verpflichtet ist, der Beklagten spätestens innerhalb von zwei Wochen jede für die Zahlung, den Anspruch oder die Höhe des Übergangsgeldes maßgebende Änderung zu melden.
[3] Der Klägerin wurde im Zeitraum von 9. April 2023 bis 31. Dezember 2023 zusätzlich zum Übergangsgeld vom Arbeitsmarktservice eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts von 7,34 EUR täglich ausgezahlt.
[4] Am 11. April 2023 meldete die für die Klägerin zuständige Sozialtrainerin nur die Änderung des Beschäftigungsausmaßes (in Vollzeit). Den Bezug der Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts durch das Arbeitsmarktservice meldete die Klägerin nicht, obwohl sie wusste, dass sie ab 9. April 2023 ein höheres Einkommen bezog. Sie ging davon aus, dass der Meldepflicht Genüge getan würde, wenn die Erhöhung auf die Vollzeitbeschäftigung gemeldet werde.
[5] Mit Bescheid vom 11. Jänner 2024 forderte die Beklagte den Überbezug an Übergangsgeld von 1.923,08 EUR von der Klägerin zurück.
[6] Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin auf Feststellung, dass keine Rückzahlungspflicht bestehe, in eventu auf „Zahlung eines Übergangsgelds“ von 1.923,08 EUR ab und verpflichteten die Klägerin zur Rückzahlung dieses Betrags an die Beklagte. Sie bejahten eine schuldhafte Verletzung der Meldepflicht. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] 1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt im Verfahren über die Rückforderung erbrachter Leistungen dem beklagten Versicherungsträger die materielle Klägerrolle zu (RS0086067), der (zumindest) einen Rückforderungstatbestand im Sinn des § 107 Abs 1 ASVG zu behaupten und zu beweisen hat (RS0086067 [T4]). Da den Arbeits- und Sozialgerichten nicht die Aufgabe zukommt, die von den Trägern der Sozialversicherung erlassenen und von den Versicherten bekämpften Bescheide zu überprüfen, haben sie über die mit einer Klage vom Versicherten geltend gemachten sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche in einem eigenen selbständigen Verfahren zu entscheiden (RS0106394). Der Versicherungsträger ist dabei nicht an die im bekämpften Bescheid enthaltene Begründung gebunden (vgl RS0085600 [T1]; RS0120568 [T1]). Ob sich die Beklagte im vorliegenden Fall – wie die Klägerin in der Revision vertritt – bereits im bekämpften Bescheid auf den jedenfalls im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Grund für die Rückforderung (der Nichtmeldung des Bezugs der Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts durch das Arbeitsmarktservice) stützte, ist daher nicht von Bedeutung.
[9] 2. In der Revision wird nicht in Zweifel gezogen, dass die Klägerin den Bezug der Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts durch das Arbeitsmarktservice nicht meldete und deswegen das der Klägerin gewährte Übergangsgeld im Umfang von 1.923,08 EUR zu Unrecht erbracht wurde. Die Klägerin stellt vielmehr eine schuldhaft verwirklichte Meldepflichtverletzung in Abrede.
[10] 2.1. Der Rückforderungsanspruch der Verletzung von Meldevorschriften gemäß § 107 Abs 1 ASVG besteht schon bei leicht fahrlässiger Verletzung der Meldevorschrift des § 40 ASVG. Dafür muss der Versicherungsträger nur beweisen, dass eine Verletzung der Meldevorschrift des § 40 ASVG vorliegt. Sache des Versicherten ist es, nachzuweisen, dass ihn kein Verschulden an der Verletzung der Meldevorschrift trifft (RS0083641). Die Prüfung der Frage, ob eine schuldhafte Meldepflichtverletzung vorliegt, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich grundsätzlich einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage (RS0083641 [T17]).
[11] 2.2. Die Bejahung eines Verschuldens der Klägerin im vorliegenden Fall überschreitet den den Vorinstanzen zukommenden Beurteilungsspielraum nicht. Dem einzigen Argument der Klägerin in der Revision, dass sie darauf vertraut habe, dass die sie in finanziellen Angelegenheiten unterstützende Sozialtrainerin die Weiterleitung an die zuständigen Stellen vornehme, ist zu entgegnen, dass sie sich darauf in erster Instanz nicht stützte. Dieses Vorbringen ist daher wegen Verstoßes gegen das auch in Sozialrechtssachen ausnahmslos geltende Neuerungsverbot (RS0042049) unbeachtlich. Im Übrigen lässt sich auch den Revisionsausführungen nicht entnehmen, welche konkreten Unterlagen oder Informationen – die sie in Bezug auf die hier relevante Beihilfe nach ihrem erstinstanzlichen Vorbringen gar nicht hatte – sie der Sozialtrainerin weitergegeben haben will, sodass sie auf eine Erfüllung der Meldepflicht durch diese vertrauen hätte dürfen.
[12] 3. Soweit die Klägerin eine nicht beabsichtigte Regelungslücke und eine unsachliche Ungleichbehandlung darin sieht, dass sie zum Rückersatz verpflichtet werde, obwohl sie die ihr möglichen und zumutbaren Schritte ergriffen habe und nach bestem Wissen und Gewissen vorgegangen sei, übergeht sie die auf Grundlage der Tatsachenfeststellungen nicht korrekturbedürftige Bejahung einer schuldhaften Meldepflichtverletzung durch die Vorinstanzen.
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