OGH 3Ob10/25d

OGH3Ob10/25d26.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* E*, geboren am *, vertreten durch Dr. Armin Zelinka, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der Nebenintervenientin R* GmbH & Co KG, FN *, vertreten durch Dr. Michael Sallinger und Dr. Christof Rampl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Dr. Rainer Wechselberger, Rechtsanwalt in Mayrhofen, und die Nebenintervenientin B* GmbH, FN *, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner und andere Rechtsanwälte in Melk, wegen 55.000 EUR sA und Feststellung, hier wegen Ablehnung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 18. November 2024, GZ 8 Nc 19/24z‑7, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00010.25D.0226.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.343,78 EUR (darin enthalten 223,96 EUR USt), bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ließ im Jahr 2011 sein Einfamilienhaus aufstocken; im Jahr 2016 ließ er ein Carport errichten. Sowohl Hauptdach als auch Carportdach wurden vom beklagten Spengler mit Bitumenbahnen von unterschiedlichen Herstellern eingedeckt.

[2] Mit Klage vom 20. 11. 2000 begehrte der Kläger auf der Grundlage des § 933a ABGB den Zuspruch eines Deckungskapitals von 55.000 EUR sA; zudem stellte er ein Feststellungsbegehren. Mit Teil‑ und Zwischenurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 11. 7. 2022, GZ 41 Cg 114/20p‑109, wurde ausgesprochen, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu Recht besteht; zudem wurde dem Feststellungsbegehren für künftige Schäden (teilweise) stattgegeben. Der Berufung des Beklagten gab das Oberlandesgericht Innsbruck zu AZ 4 R 153/22i keine Folge.

[3] Mit Endurteil vom 30. 4. 2024, GZ 41 Cg 114/20p‑158, verpflichtete das Erstgericht den Beklagten zur Zahlung von 23.489,60 EUR sA. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und sprach diesem 37.842,63 EUR sA zu (ON 166). Mit der gegen dieses Berufungsurteil erhobenen außerordentlichen Revision lehnte der Beklagte einen Richter des Berufungssenats ab, weil dieser das (erstinstanzliche) Teil- und Zwischenurteil (ON 109) gefasst habe und dieses Urteil die Grundlage für das angefochtene Berufungsurteil (ON 166) bilde.

[4] Der abgelehnte Richter führte in seiner Stellungnahme aus, dass seine Überlegungen zu den im Teil- und Zwischenurteil behandelten Tatfragen vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang gebilligt worden und für den zweiten Rechtsgang bindend gewesen seien. Darüber hinaus fühle er sich nicht befangen. Es sei auch kein Grund erkennbar, der bei objektiver Betrachtung geeignet sei, den Anschein seiner Voreingenommenheit hervorzurufen.

[5] Der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Innsbruck wies den Ablehnungsantrag zurück. Der abgelehnte Richter habe sich im Teil‑ und Zwischenurteil (ON 109) ausschließlich mit dem Grund des geltend gemachten Anspruchs auseinandergesetzt. Demgegenüber sei im Endurteil im zweiten Rechtsgang (ON 166) ausschließlich die Höhe des Anspruchs geklärt worden. Da das Teil‑ und Zwischenurteil bereits rechtskräftig gewesen sei und im Hinblick auf die Höhe des Anspruchs nur mehr Rechtsfragen zu behandeln gewesen seien, die noch nicht den Gegenstand des Teil‑ und Zwischenurteils gebildet hätten, liege kein Anschein einer Befangenheit des abgelehnten Richters vor.

[6] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, dem Ablehnungsantrag stattzugeben.

[7] Mit seiner Rekursbeantwortung beantragt der Kläger, dem Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Rekurs ist nicht berechtigt.

[9] 1. Die Ablehnung eines Richters kann nur auf konkrete persönliche Gründe gestützt werden, die seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen können. Dafür genügen Tatsachen, die bei objektiver Betrachtungsweise den Anschein einer Voreingenommenheit hervorrufen können (2 Nc 29/23x). Das Wesen der Befangenheit besteht in der Verhinderung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive (vgl RS0045975 [T1]). Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer Prozesspartei oder zu deren Vertreter sowie eine auffallend einseitige Verhandlungsführung, unsachliche persönliche Bemerkungen gegenüber Parteien und/oder Parteienvertretern oder herabwürdigende Äußerungen in Betracht (2 Nc 66/24i; 10 Ob 37/24z). Nach ständiger Rechtsprechung bildet es hingegen keinen Ablehnungsgrund, wenn der Richter in einem Vorprozess schon eine bestimmte Rechtsansicht geäußert oder in Form wissenschaftlicher Abhandlungen veröffentlicht hat (2 Nc 66/24i mwN). Auch eine behauptete unrichtige Sachentscheidung kann nicht zur Begründung einer Befangenheit herangezogen werden (8 Ob 43/06s).

[10] Der Oberste Gerichtshof hat auch schon beurteilt, dass allein der Umstand, dass ein Mitglied des Berufungssenats in einem Vorprozess mit inhaltlichem Zusammenhang zum Anlassverfahren als Erstrichter in der Sache – auch zu Lasten des Ablehnungswerbers – entschieden hat, bei objektiver Betrachtung keine Befangenheit begründen könne (4 Ob 149/21x). Anderes würde gelten, wenn eine Vorentscheidung des nunmehr abgelehnten Richters, der damals als Erstrichter tätig war, relevante Grundlage für die von der Ablehnung betroffene Rechtsmittelentscheidung und als solche Gegenstand der Überprüfung durch den Rechtsmittelsenat, dem der abgelehnte Richter nunmehr angehört, gewesen wäre (vgl 8 Ob 39/06b).

[11] 2. Der Beklagte behauptet nicht, dass die Vorentscheidung (ON 109) von unsachlichen Motiven des nunmehr abgelehnten Richters getragen gewesen sei. Dafür bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte. Dass – nach den Ausführungen des Beklagten – die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung in der Vorentscheidung zu seinem Nachteil ausgefallen ist, begründet für sich allein ebenfalls keinen Anschein der Befangenheit. Davon abgesehen hat in der von der Ablehnung betroffenen Entscheidung (ON 166) keine Überprüfung des Teil‑ und Zwischenurteils des insofern abgeschlossenen Verfahrens auf Tatsachenebene stattgefunden. Entgegen den Behauptungen im Rekurs betreffen die Ausführungen im Berufungsurteil ON 166 zu Pkt 1 nicht die Anschlussberufung des Beklagten, sondern die Frage, ob der Kläger in seiner Rechtsrüge vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen ist. Pkt 5.1 dieser Entscheidung bezieht sich auf die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts im Endurteil ON 158 und nicht auf die Überprüfung der Rechtsansicht im Teil‑ und Zwischenurteil ON 109. Dazu lässt sich den Rekursausführungen im Übrigen auch kein Tatsachensubstrat entnehmen, aus dem geschlossen werden könnte, dass der abgelehnte Richter nicht bereit wäre, eine früher vertretene Rechtsansicht selbstkritisch zu hinterfragen und seine Entscheidung auf objektive Erwägungen zu stützen (vgl RS0045961 [T9]; RS0036155 [T3]; 2 Nc 66/24i).

[12] 3. Im vorliegenden Fall lässt sich keine Voreingenommenheit des abgelehnten Richters gegenüber der Rechtsposition des Beklagten ableiten. Die Zurückweisung des Ablehnungsantrags durch den Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Innsbruck erfolgte demnach zu Recht. Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

[13] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO (vgl 4 Ob 151/13d; 4 Ob 149/21x).

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