OGH 4Ob149/21x

OGH4Ob149/21x23.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Dr. Nowotny und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der beim Oberlandesgericht Innsbruck zu AZ 10 R 15/21p anhängigen Rechtssache des Klägers J* H*, vertreten durch Dr. Uwe Foidl, Rechtsanwalt in Fügen, gegen den Beklagten G* H*, vertreten durch Dr. Rainer Wechselberger, Rechtsanwalt in Mayrhofen, wegen Feststellung (Streitwert 33.000 EUR), über den Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 12. Juli 2021, GZ 8 Nc 13/21p‑5, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00149.21X.1123.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.700,64 EUR (darin enthalten 283,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Im Anlassverfahren (AZ 41 Cg 96/19i des Landesgerichts Innsbruck) begehrte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Feststellung seines Eigentums an bestimmten Grundflächen. In einem Vorprozess war dieser Anspruch in erster Instanz zuerkannt, in zweiter Instanz jedoch wegen Unschlüssigkeit teilweise abgewiesen worden. Der nunmehrigen (als schlüssig erkannten) Klage wurde hingegen (im Umfang der Abweisung im Vorprozess) stattgegeben. Im Berufungsverfahren zu AZ 10 R 15/21p des Oberlandesgerichts Innsbruck teilte der Rechtsmittelsenat den Parteien mit, dass eines seiner Mitglieder den Vorprozess als Erstrichter geleitet habe. Allfällige Befangenheitsgründe seien binnen fünf Tagen bekanntzugeben.

[2] Der Beklagte lehnte diesen Richter als befangen ab, zumal er im Vorprozess klar den Standpunkt des Klägers bezogen und eine dem Beklagten zum Nachteil gereichende Beweiswürdigung vorgenommen habe. Zwischen dem Vorprozess und dem aktuellen Verfahren bestehe ein innerer Zusammenhang, sodass berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit des bezeichneten Richters bestünden.

[3] Der Kläger verneinte den vom Beklagten geltend gemachten Ablehnungsgrund. Folge man der Argumentation des Beklagten, so müssten sämtliche Erstrichter im zweiten Rechtsgang befangen sein.

[4] Auch der abgelehnte Richter argumentierte in diese Richtung und führte aus, er sei jederzeit bereit, seine im Vorprozess angestellten Überlegungen zu überdenken und diese gegebenenfalls auch geänderten Prozessergebnissen anzupassen.

[5] Der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Innsbruck wies den Ablehnungsantrag des Beklagten zurück. Dass ein Mitglied des Berufungssenats im Vorprozess als Erstrichter fungiert habe, begründe für sich allein noch keine Befangenheit. Insbesondere lägen keine Anzeichen dafür vor, der abgelehnte Richter wäre nicht bereit, von seiner im Vorprozess zutage getretenen Meinung abzugehen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Dagegen richtet sich der – vom Kläger beantwortete – Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, dem Ablehnungsantrag stattzugeben, in eventu den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Der vorliegende Sachverhalt rechtfertige den Schluss, die Unbefangenheit des abgelehnten Richters in Zweifel zu ziehen. Unsachliche psychische Motive, die zu einer Hemmung einer unparteiischen Entschließung des Senatsmitglieds führten, lägen auf der Hand.

[7] Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.

[8] 1. Das Oberlandesgericht Innsbruck hat die Rechtslage zutreffend wiedergegeben. Danach liegt Befangenheit vor, wenn die Fähigkeit zu einer sachlichen Beurteilung fehlt oder irgendwie behindert ist oder eine solche Behinderung doch mit Grund befürchtet werden kann (RIS‑Justiz RS0045961 [T1]). Das Wesen der Befangenheit besteht somit in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive (RS0045975 [T1]). Bei der Prüfung der Unbefangenheit ist im Interesse des Ansehens der Justiz zwar ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949), sie liegt aber erst dann vor, wenn die Fähigkeit zur sachlichen Beurteilung fehlt oder behindert ist oder eine solche Behinderung doch mit Grund befürchtet werden muss (RS0045961). Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien, eine auffallend einseitige Verhandlungsführung, unsachliche persönliche Bemerkungen zu Parteien und Parteienvertretern oder herabwürdigende Äußerungen in Betracht (RS0045935). Ein Richter ist nach diesen Grundsätzen als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es bei objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (RS0046024 [T2]). Die Regelungen über das Ablehnungsrecht sollen den Parteien aber nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters entledigen zu können (RS0109379 [T1]). Sinn und Zweck der Ablehnung wegen Besorgnis einer Befangenheit ist auch nicht die Abwehr einer unrichtigen Rechtsauffassung des Richters. Weder die (angebliche) Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter kann als Ablehnungsgrund geltend gemacht werden (vgl RS0111290; RS0045916).

[9] 2.1. Mit dem auch im Rekurs erhobenen Vorbringen, wonach das abgelehnte Mitglied des Berufungssenats (bloß) deshalb befangen sei, weil er in einem (mit dem Anlassverfahren im Zusammenhang stehenden) Vorprozess dem Standpunkt des Klägers gefolgt sei, werden keine ausreichenden Gründe dargelegt, die bei objektiver Betrachtung die Befürchtung erwecken könnten, der abgelehnte Richter werde sich als Mitglied des Berufungssenats von unsachlichen Motiven leiten lassen.

[10] 2.2. Wie zuvor ausgeführt verwirklicht eine allfällige Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung oder deren Begründung grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund (RS0111290). Allein der Umstand, dass ein Mitglied des Berufungssenats in einem Vorprozess mit inhaltlichem Zusammenhang zum Anlassverfahren als Erstrichter in der Sache (zulasten des Beklagten) entschieden hat, vermag bei einer objektiven Betrachtung keine Befangenheit zu begründen. Ein ausreichend konkretes Tatsachensubstrat, das darauf schließen lassen könnte, dass der Rechtsmittelrichter nicht bereit sei, seine Entscheidung auf objektive Erwägungen zu stützen (vgl RS0045961), ist auch den Rekursausführungen nicht zu entnehmen. Die Befangenheit ist jeweils in Bezug auf die konkrete Rechtssache zu prüfen (RS0045966 [T3]). Dass Richter in Verfahren entscheiden, die einen inhaltlichen Zusammenhang aufweisen, entspricht dem Gerichtsalltag (2 Nc 27/18w).

[11] Die Zurückweisung des Ablehnungsantrags erfolgte daher zu Recht. Dem Rekurs ist somit nicht Folge zu geben.

[12] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50, 52 ZPO. Aufgrund seiner Zweiseitigkeit bildet auch das Ablehnungsverfahren einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (4 Ob 151/13d mwN).

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