OGH 10Ob37/24z

OGH10Ob37/24z10.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Stefula, Dr. Annerl und Dr. Vollmaier sowie die Hofrätin Dr. Wallner‑Friedl als weitere Richter in der Verfahrenshilfesache des Antragstellers Dr. D*, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ablehnung, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. Juni 2024, GZ 13 Nc 8/24m‑2 in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00037.24Z.0910.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Die * GmbH beantragte beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Klage gegen *. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien berichtigte die Parteienbezeichnung auf den Insolvenzverwalter als nunmehrigen Antragsteller, bewilligte die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a, b und c ZPO und wies den Verfahrenshilfeantrag im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit d und Z 2 ZPO ab.

[2] Mit Beschluss vom 22. März 2024 zu AZ 5 R 1/24i gab das Oberlandesgericht Wien durch * dem dagegen (nach Zustellung der Klage und des Beschlusses über den Verfahrenshilfeantrag) von der Beklagten erhobenen Rekurs Folge; es hob den angefochtenen Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als nichtig auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung auf. Begründend führte es – zusammengefasst – aus, dass weder im Spruch noch in der Begründung angeführt werde, was Streitgegenstand der beabsichtigten Klageführung sei und gegen wen sie sich richten solle. Ergänzend und zur Vermeidung weiteren Verfahrensaufwands wies es überdies darauf hin, dass Widersprüchlichkeiten im und Bedenken gegen das vorgelegte Vermögensbekenntnis und ein allfälliges Vorhandensein weiterer wirtschaftlich Beteiligter aus dem Kreis der Insolvenzgläubiger zu prüfen seien.

[3] Der dagegen vom Antragsteller erhobene „außerordentliche Revisionsrekurs“ wurde vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien im Hinblick auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO zurückgewiesen.

[4] Im Rekurs gegen diesen Beschluss lehnte der Antragsteller die genannten Mitglieder des Senats 5 des Oberlandesgerichts Wien, die den Beschluss vom 22. März 2024 zu AZ 5 R 1/24i fassten, als befangen ab. Der genannte Beschluss sei „willkürlich diametral entgegen dem führenden ZPO-Kommentar“ gefasst worden, habe in unzulässiger Weise neues Vorbringen verwertet und erweise sich als „diametral der EuGH‑Judikatur entgegen“. Ein Mitglied des Rechtsmittelsenats habe überdies dem Vertreter des Antragstellers gegenüber (als Erstrichter in einem anderen Verfahren mit anderen Verfahrensparteien) eine bestimmte Äußerung gemacht.

[5] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Wien den Ablehnungsantrag als unbegründet zurück. Die allfällige Unrichtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung könne keinen Ablehnungsgrund darstellen, weil es nicht Aufgabe der Ablehnungssenate sei, die Richtigkeit von gerichtlichen Entscheidung zu überprüfen. Die für die Befangenheit eines beteiligten Richters überdies ins Treffen geführte Behauptung in einem anderen Verfahren mit anderen Verfahrensparteien lasse sich mit den Voraussetzungen für eine Ablehnung wegen Befangenheit im Sinn des § 19 JN nicht in Zusammenhang bringen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der dagegen erhobene Rekurs des Antragstellers ist gemäß § 24 Abs 2 JN zulässig, aber nicht berechtigt.

[7] 1. Dem Rekursvortrag, der angefochtene Beschluss sei in einem mangelhaften Verfahren ergangen, lässt sich die relevierte Mangelhaftigkeit und dessen Wesentlichkeit für das vorliegende Verfahren (über die Ablehnung von Richtern) nicht konkret entnehmen, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist. Soweit der Antragsteller ausführt, dass auch über Ablehnungsanträge inhaltlich zu entscheiden sei und der Vorwurf nicht „nur zurückzuweisen“ sei, missversteht er den Inhalt der bekämpften Entscheidung, die den Ablehnungsantrag meritorisch behandelte (und bloß den Spruch nach dem Vorbild des § 24 Abs 2 JN als „Zurückweisung“ formulierte).

[8] 2.1. Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer Prozesspartei, eine auffallend einseitige Verhandlungsführung, unsachliche persönliche Bemerkungen zu Parteien und Parteienvertretern oder herabwürdigende Äußerungen in Betracht, sofern bei objektiver Betrachtungsweise der Anschein einer Befangenheit begründet erscheint (RS0045935). Das Ablehnungsrecht soll den Parteien nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters entledigen zu können (RS0109379; RS0111290). Sinn und Zweck der Ablehnung wegen Besorgnis einer Befangenheit ist daher insbesondere nicht die Abwehr einer unrichtigen Rechtsauffassung des Richters. Eine angebliche Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung oder die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter können somit nicht als Ablehnungsgrund geltend gemacht werden (RS0111290). Selbst Verfahrensverstöße begründen im aAlgemeinen keine Befangenheit, es sei denn, sie seien so schwerwiegend, dass sie die mangelnde Objektivität des Richters erkennen lassen (RS0045916).

[9] 2.2. Weder die behauptete unrichtige rechtliche Rechtsansicht des abgelehnten Rechtsmittelsenats noch die nach der Rechtsauffassung des Antragstellers unzulässige Verwertung von Vorbringen der Gegenseite lassen auf unsachliche Entscheidungsmotive oder mangelnde Objektivität des abgelehnten Rechtsmittelsenats schließen. Ob die vom Rechtsmittelsenat angewendeten Bestimmungen – wie der Antragsteller meint – gegen Unions- oder Verfassungsrecht verstoßen, ist daher ohne Bedeutung, sodass den Anregungen auf Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union und eines Gesetzesprüfungsantrags an den Verfassungsgerichtshof nicht näher zu treten ist.

[10] 2.3. Darauf, dass der abgelehnte Rechtsmittelsenat das Vorbringen des Antragstellers in der Rekursbeantwortung zur Gänze außer Acht gelassen habe, wurde der Ablehnungsantrag nicht gestützt, sodass es sich um eine im Rekursverfahren unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung handelt.

[11] 3. Auf die im Ablehnungsantrag behauptete Äußerung des beteiligten Richters des abgelehnten Rechtsmittelsenats in einem anderen Verfahren mit anderen Verfahrensparteien kommt der Rekurs nicht mehr zurück, sodass sich Ausführungen dazu erübrigen.

[12] 4. Die Rekursausführungen zur Anwendbarkeit oder Verfassungswidrigkeit des Rechtsmittelausschlusses des § 528 Abs 2 Z 4 ZPO betreffen eine Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien. Ein Zusammenhang mit dem vorliegenden Ablehnungsverfahren wird nicht hergestellt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

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