OGH 4Ob192/24z

OGH4Ob192/24z21.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * Partei *, vertreten durch MMag. Dr. Michael Schilchegger, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. *, 2. * GmbH, beide *, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 47.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. September 2024, GZ 33 R 64/24k‑32, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 6. März 2024, GZ 16 Cg 17/23h‑27, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00192.24Z.0121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Gewerblicher Rechtsschutz, Grundrechte, Persönlichkeitsschutzrecht, Urheberrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„1. Die beklagten Parteien sind schuldig, es zu unterlassen, falsche Schriften im Namen der klagenden Partei durch Verwendung der Ausdrücke 'Freiheitliche Partei Österreichs – Landesgeschäftsstelle Niederösterreich', 'FPÖ NÖ', 'FPÖ Niederösterreich', sinngleicher Signaturen, des Bildzeichens

oder ähnlicher Bildzeichen zu verfassen, zu verbreiten und/oder zu veröffentlichen.

2. Der klagenden Partei wird die Befugnis eingeräumt, den stattgebenden Urteilsspruch über das Unterlassungsbegehren innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft auf Kosten der beklagten Parteien zu ungeteilter Hand zu veröffentlichen, und zwar im redaktionellen Teil einer Wochenendausgabe des Printmediums 'Niederösterreichische Nachrichten' sowie im redaktionellen Teil einer Wochenendausgabe des Printmediums 'Bezirksblätter Niederösterreich', dies jeweils in folgender Form: Ganzseitig, mit Fettdruckumrahmung, fett hervorgehobener Überschrift 'Im Namen der Republik!', im Übrigen in Normallettern, mit gesperrt und fettgedrucktem Namen der Prozessparteien, unter Nennung des Gerichts, der Parteienvertreter, der Geschäftszahl und des Urteilsdatums.“

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 25.824,90 EUR (darin enthalten 3.078,20 EUR USt und 7.355,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist eine politische Partei mit Rechtspersönlichkeit gemäß § 1 Abs 4 Parteiengesetz.

[2] Der Erstbeklagte ist Gesellschafter, einziger Geschäftsführer und Chefredakteur der Zweitbeklagten. Diese betreibt ein Medienunternehmen und ist Medieninhaberin und Herausgeberin des satirischen Online-Magazins „Die Tagespresse“.

[3] Die Klägerin erhebt schon seit einiger Zeit die Forderung nach einer sogenannten „Wirtshausprämie“, die dem Gasthaussterben entgegenwirken soll – so etwa bereits am 11. 11. 2019 durch Einbringung eines Antrags im niederösterreichischen Landtag mit dem Titel „Fördermaßnahmen zum Erhalt der Wirtshauskultur“, der unter anderem auf eine „Wirtshaus-Prämie für die letzte Gaststätte in einem Ort“ abzielte.

[4] Diese Prämie fand auch 2023 im aktuellen Arbeitsübereinkommen der ÖVP-FPÖ-Koalition für Niederösterreich wie folgt Aufnahme: „Das Wirtshaus als gesellschaftlicher Treffpunkt ist ein wesentlicher Teil der Landesidentität unseres Bundeslandes. Um die Wirtshauskultur auch in Zeiten der Teuerung aufrecht zu erhalten, wird eine Wirtshausprämie erarbeitet“. Dem Arbeitsübereinkommen zufolge sollen auch Übernahmen von Wirtshäusern gefördert werden; Voraussetzung dafür sei, „dass der neue Wirt ein traditionelles und regionales Speisenangebot aufweist“, der Schwerpunkt solle auf „traditionelle regionale Küche“ gelegt werden. Die Forderung nach einer „Wirtshausprämie“ fand Eingang in die Medien, wo sie einer auch kritischen Berichterstattung unterzogen und kontrovers diskutiert wurde.

[5] Die Redaktion der Zweitbeklagten beschloss, sich mit dieser Thematik satirisch zu befassen, indem eine Anzahl an Wirten mit einem gefälschten Brief angeschrieben werde; der Brief sollte Empörung bei der Klägerin auslösen und den Weg in die Medien finden. Unter Mitarbeit des Erstbeklagten wurde ein Brief erstellt, der am 7. 4. 2023 (Karfreitag) an 500 Gastwirte in Niederösterreich adressiert wurde und – auf den jeweiligen Empfänger lautend – folgenden Inhalt hatte:

[6] Die Adresse und das Logo der Klägerin recherchierte die Redaktion der Zweitbeklagten über Google. Die Adressen der Gastwirte erlangte die Redaktion auf der Website eines Online-Telefonbuchs.

[7] Die im Brief erwähnte Schaffung eines öffentlich einsehbaren Online-Registers, in das „nicht heimatverbundene Wirtshäuser“ eingetragen werden sollen, war nie ein Thema in den Vorschlägen der Klägerin.

[8] Bereits am Dienstag nach Ostern gingen im Büro der Landesgeschäftsstelle der Klägerin in St. Pölten erste Reaktionen von Empfängern der Briefe ein, die sich über deren Inhalt, insbesondere über das darin genannte Online‑Register, beschwerten. Insgesamt meldeten sich bei der Klägerin, großteils telefonisch, im Lauf der Woche bis zu 20 Personen, die alle davon ausgingen, dass die Klägerin die Briefe verfasst hätte und sich darüber beschwerten; davon meldeten sich rund zehn Personen noch am 11. 4. 2023; drei bis vier Personen kamen sogar zum Büro der Klägerin, zumindest eine Person beschwerte sich schriftlich. Einige Personen sprachen davon, die Klägerin in Zukunft nicht mehr wählen zu können.

[9] Mitarbeiter der Klägerin waren im Lauf der Woche zumindest mehrere Stunden mit Anrufen, Beschwerden und Abklärungen infolge der „Wirtshausbriefe“ beschäftigt. Für rechtliche Beratung und Erstellung der Sachverhaltsdarstellung verrechnete der Rechtsvertreter der Klägerin ein Honorar von 2.362,50 EUR, das die Klägerin bezahlte. Durch eine aufklärende Presseaussendung entstanden der Klägerin Kosten von 100 bis 150 EUR.

[10] Am 12. 4. 2023 veröffentlichte die Zweitbeklagte auf ihrer (barrierefreien) Website einen Artikel mit dem Titel „Gabalier-Laberl und Panierquote: Die Entstehungsgeschichte des FPÖ-Briefes“, in dem sie erklärte, für das Abfassen und Versenden der Briefe verantwortlich zu sein. Auch in weiterer Folge waren die „Wirtshausbriefe“ – ua auch aus Anlass der gegenständlichen Klagsführung – Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung.

[11] Die Zweitbeklagte hatte nach der Klagseinbringung einen nicht näher feststellbaren Zugewinn an Abonnenten.

[12] Die Klägerin beantragte wie aus dem Spruch ersichtlich. Die Zweitbeklagte habe massenhaft ein Schreiben an Gastwirte in Niederösterreich gesendet, das aufgrund des verwendeten Briefkopfes, des gesamten Schriftbildes und der Signatur den objektiven Anschein erweckt habe, als würde es von der Klägerin stammen. Das Schreiben sei nicht als Satire erkennbar. Die offenkundige Absicht der Beklagten sei darin gelegen, die Bekanntheit und Reichweite des Mediums „Tagespresse“ zu steigern und zugleich die Klägerin in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Dies verstoße gegen die §§ 20 Abs 1 und 43 ABGB sowie die § 9 Abs 1 iVm § 18 UWG. Das Schreiben beinhalte auch eine rufschädigende Ehrenbeleidigung gemäß § 1330 Abs 1 und 2 ABGB, weil jene Empfänger, die den Inhalt des Schreibens als satirische Scherzerklärung erkannt hätten, eine Verantwortung der Klägerin für diese Aussendung als Ausdruck eines Organisationsversagens oder von parteiinternen Intrigen, Meinungsverschiedenheiten oder Ähnliches vermuten würden. Gegenüber Empfängern, die den Inhalt des Schreibens nicht als Scherzerklärung erkannt hätten, bestehe eine noch gravierendere Ehrverletzung, weil der gesamte Inhalt des Schreibens unwahre Tatsachenbehauptungen zu Lasten der Klägerin enthalte. Insbesondere die Behauptung einer beabsichtigten Maßnahme, dass „nicht heimatverbundene Wirtshäuser (…) in einem öffentlich einsehbaren Online-Register zur Warnung für Gäste als unpatriotisch ausgewiesen [werden]“, sei ehrverletzend und kreditschädigend. Das Schreiben sei nicht durch Kunst- oder Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt. Zudem lägen Verstöße gegen die DSGVO (EU) 2016/679 vor.

[13] Die Beklagten wandten zusammengefasst ein, das Schreiben sei als Satire erkennbar und nicht ernst zu nehmen. Das Schreiben habe ganz offensichtlich einen Antrag der Klägerin im niederösterreichischen Landtag mit dem Titel „Fördermaßnahmen zum Erhalt der Wirtshauskultur“ sowie das Arbeitsübereinkommen der Klägerin mit der ÖVP in Niederösterreich parodiert, welche große mediale Resonanz gefunden hätten. Die anfängliche Verschleierung der wahren Urheberschaft gefolgt von einer breitenwirksamen Auflösung sei essentiell für die Vollendung des Kunstwerks bzw der politischen Intervention. Da die Öffentlichkeit unmittelbar nach Versand des Schreibens über die wahre Herkunft des Schreibens informiert worden sei, sei kein Schaden für die Klägerin entstanden. Das Schreiben wirke auch nicht fort. Die Offenlegung, wer hinter diesem Brief stecke, sei nicht bloß auf der Website der Zweitbeklagten, sondern bereits am 12. 4. 2023 von praktisch allen Print- und Onlinemedien veröffentlicht worden. Der aufklärende Artikel auf der Website der Zweitbeklagten sei für alle Internetnutzer öffentlich abrufbar und stehe nicht hinter einer Bezahlschranke. Es sei eine Abwägung zwischen den Grundrechten vorzunehmen, bei der das Recht auf Kunst- und Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten schwerer wiegen würde als die Interessen der Klägerin. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr – der Witz funktioniere nur einmal – und keine Notwendigkeit einer Urteilsveröffentlichung. Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Bestimmungen des Datenschutzrechts berufen.

[14] Das Erstgericht wies die Klage ab und bejahte eine zulässige Satire. Der Brief stelle eine antithematische Behandlung dar, weil er als Reaktion auf eine politische Forderung der Klägerin, zur „Förderung zum Erhalt der Wirtshauskultur“ eine „Wirtshausprämie“ zu initiieren, geschaffen worden sei, mit der die Klägerin selbst an die Öffentlichkeit gegangen war und welche in den Medien bereits breitflächig und kontroversiell diskutiert worden sei. Der Brief würde einen Gegenstandpunkt einnehmen, indem er mit den Mitteln der Überzeichnung und Überspitzung die „Wirtshausprämie“ als absurd darstelle. Die im Arbeitsübereinkommen der Klägerin genannte Voraussetzung, „dass der neue Wirt ein traditionelles und regionales Speisenangebot aufweist“, und der Schwerpunkt auf „traditioneller regionaler Küche“ liegen soll, werde aufgegriffen und als argumentum ad absurdum zum Ausdruck gebracht, dass die Abgrenzung von traditionellem und regionalem Speisenangebot in der österreichischen Küche mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei.

[15] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sei davon auszugehen, dass die mit dem Schreiben konfrontierten Gastwirte seinen satirischen Inhalt als solchen erkannt hätten, zumal sich nur ein Bruchteil der Empfänger über den Brief beschwert hätte. Es müsse nicht erkennbar sein, von wem genau der Brief stamme; es genüge die Schlussfolgerung, dass nicht die Klägerin die Urheberin sein könne, was im Übrigen die Annahme einschließe, dass der Brief auch nicht auf sonstige Weise der „weiteren Verantwortungssphäre“ der Klägerin zuzuordnen sei. Die Satire der Beklagten sei durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Im Hinblick auf die Pluralität der Gesellschaft, die sich auch auf die Esskultur auswirkt, hätten sie in überspitztem Ton die Forderung der Klägerin nach einer Prämie nur für Gaststätten kritisieren dürfen, die ihren Schwerpunkt auf eine „traditionelle, regionale Küche“ setzen. Die Aussage im „Wirtshausbrief“, dass „nicht heimatverbundene Wirtshäuser [...] in einem öffentlich einsehbaren Online-Register zur Warnung für Gäste als unpatriotisch ausgewiesen“ würden, scheine dabei nicht weit hergeholt. Die Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Klägerin nach §§ 16, 20, 43, 1330 ABGB seien damit durch die hier höher zu gewichtenden, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechte der Beklagten gerechtfertigt.

[16] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.

[17] Dagegen richtet sich die von den Beklagten beantwortete außerordentliche Revision der Klägerin, mit der diese auf die Klagsstattgebung abzielt.

Rechtliche Beurteilung

[18] Das Rechtsmittel ist zulässig und berechtigt.

[19] 1. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche ua auf die Verletzung ihres Namensrechts (§ 43 ABGB).

[20] 2. Ein Gebrauch eines Namens durch Dritte verstößt dann gegen das Namensrecht des § 43 ABGB, wenn dadurch die berechtigten Interessen des Namensträgers verletzt werden (4 Ob 14/03t; 4 Ob 38/12k; RS0009446 [T3]). Eine Verletzung ist – neben einer Zuordnungsverwirrung (RS0009336 und RS0009446) – regelmäßig dann zu bejahen, wenn über den Namensträger etwas Unrichtiges ausgesagt wird, das sein Ansehen und seinen guten Ruf beeinträchtigt, ihn bloßstellt oder lächerlich macht (4 Ob 51/12x; 6 Ob 48/16a; 4 Ob 209/16p mwN; 4 Ob 31/20t; RS0009319 [T10]; RS0009446 [T3]).

[21] 3. Das war hier der Fall. Die schutzwürdigen Interessen der Klägerin sind im Anlassfall insbesondere dadurch betroffen, dass ihr mit dem Brief (auch) ehrenrührige Absichten unterstellt werden, dass nämlich jene Gastleute, die sich den vermeintlichen Forderungen der Klägerin nicht unterwerfen, „in einem öffentlich einsehbaren Online-Register zur Warnung für Gäste als unpatriotisch“ ausgewiesen, quasi „an den Pranger“ gestellt werden. Von der Klägerin wurde dies (nicht einmal im Kern) behauptet bzw gefordert (vgl RS0032201).

[22] 4. Im Anlassfall war die Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten mit den Persönlichkeitsrechten der Klägerin abzuwägen. Der vorliegende (unbestrittene) Eingriff in das Namensrecht der Klägerin könnte allenfalls mit Hinweis auf Satire gerechtfertigt werden. Die Meinungs- und Äußerungsfreiheit des Parodisten kann im Einzelfall nämlich unter Umständen höher bewertet werden als die Interessen des in seinen Persönlichkeitsrechten Beeinträchtigten; immer allerdings vorausgesetzt, dass im Einzelfall eine antithematische Behandlung vorliegt und als solche auch vom Publikum verstanden wird (4 Ob 66/10z, Lieblingshauptfrau [4.3.] = MR 2010, 372 [Thiele/Walter] = ecolex 2011, 57 [Schuhmacher]; Thurner, Bildmanipulation und Persönlichkeitsschutz in Zeiten von „Deepfakes“, MR 2019, 155). Eine Parodie/Satire setzt nämlich voraus, dass der Leser, Hörer oder Betrachter auch erkennt, dass die Parodie gerade nicht vom Urheber des parodierten Werks stammt, sondern der Meinungs- und Äußerungsfreiheit des Parodisten entspringt (4 Ob 31/20t).

[23] 5. Zutreffend weist das Rechtsmittel darauf hin, dass im Anlassfall gerade die von der Klägerin behauptete Zuordnungsverwirrung und Rufschädigung vorliegt. Die Beklagten haben jedenfalls den Anschein erweckt, dass der klagende Namensträger auch der Urheber des Briefes war (vgl RS0009446 [T1], RS0009336). Der Brief ist höchst professionell aufgemacht. Seine Gestaltung ist durch die Verwendung des Bildzeichens, der Daten und Signatur der Klägerin sowie seinen Inhalt stark geprägt. Das Schreiben erinnert (bewusst) an die aktuellen Forderungen der Klägerin und ist daran (wenn auch ironisch) thematisch stark angelehnt. Ein durchschnittlicher Empfänger des Briefes konnte – auch wenn er den Inhalt befremdlich gefunden haben mag – aufgrund der angeführten Umstände davon ausgehen, dass tatsächlich eine der Klägerin zumindest im weiteren Sinn zuordenbare Aussendung vorliegt, zumal er keine anderen Anhaltspunkte hatte (und zwar weder aus dem Schreiben noch der öffentlichen Debatte bis dahin). Es kommt bei dieser Beurteilung dabei nicht darauf an, welcher Eindruck durch den Gebrauch des Namens entstehen muss, sondern welcher Eindruck bei einem nicht unbedeutenden Teil des Publikums entstehen kann (RS0009336).

[24] 6. Die Briefe der Beklagten erwecken den Anschein, es handle sich um solche der Klägerin (mögen sie auch nicht der offiziellen Parteilinie entsprechen). Es liegt daher eine Täuschung des Publikums und damit eine unzulässige Namensanmaßung vor. Den dadurch verletzten Persönlichkeitsrechten der Klägerin (§ 43 ABGB) steht insoweit keine zulässige Meinungsäußerung der Beklagten entgegen (4 Ob 31/20t).

[25] 7.1 Insoweit das Zweitgericht darauf verweist, dass sich lediglich eine Minderheit der angeschriebenen Gastwirte bei der Klägerin beschwert hätten, ist dem zu entgegnen, dass es sich bei der Auslegung der Äußerung um eine Rechtsfrage handelt, die nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Lesers zu beurteilen ist (RS0043590).

[26] 7.2 Davon abgesehen zeigt auch der Umstand, dass bereits nach sehr kurzer Zeit eine nicht unbeträchtliche Anzahl von bis zu 20 Empfängern, sich bei der Klägerin über deren vermeintlichen Brief beschwert hat, wovon ein Teil sogar persönlich ins Büro der Klägerin kam, die Täuschungseignung des Briefes. Allein aus dem Umstand, dass sich die große Mehrheit der Empfänger nicht aktiv beschwert hat, kann hingegen nicht darauf geschlossen werden, dass keine Täuschungseignung vorgelegen ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch eine beträchtliche Zahl der Empfänger ihren Ärger gegenüber der vermeintlichen Urheberin gar nicht artikuliert. Ein durchschnittlicher Gastwirt, der angesichts der vermeintlichen Äußerung einer politischen Partei irritiert oder getäuscht wurde, wird sich in der Regel nicht schon deshalb bei der vermeintlichen Absenderin melden.

[27] 7.3 Der Bejahung einer unzulässigen Namensanmaßung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass – anders als bei der der Entscheidung 4 Ob 31/20t zugrunde liegenden Konstellation – die Täuschung hier nicht im Internet erfolgt sei. Es mag sein, dass die Aufmerksamkeit bei einem persönlich gerichteten Schreiben im Vergleich zu einem Internet-Post größer ist. Allerdings lag im Gegensatz zum Twitter-Beitrag zu 4 Ob 31/20t (der vom dortigen Beklagten ausdrücklich auch namentlich gekennzeichnet wurde) gegenständlich keinerlei Hinweis auf die Urheberschaft der Beklagten vor, sodass ein durchschnittlicher Leser nicht zwingend darauf schließen konnte, es liege eine Satire vor. Das Schreiben enthielt weder einen Hinweis auf die Beklagten (die auch zuvor nicht mit diesem Thema in Erscheinung getreten waren), noch sonst einen Hinweis auf Urheber außerhalb des Ingerenzbereichs der Klägerin. Auch jener Teil der durchschnittlichen Leser, der den Inhalt des Schreibens korrekt als Scherzerklärung aufgefasst hat, kann die Aussendung aufgrund der verwendeten Symbole, des Briefkopfes und der Signatur mangels anderer Anhaltspunkte dennoch der Verantwortungssphäre der Klägerin zuschreiben.

[28] 8.1 Die Beklagten vertreten die Rechtsansicht, dass die Wiederholungsgefahr wegen der „Aufklärung“ über den Brief durch die Beklagte (in deren Medium) bzw die öffentliche Berichterstattung zu verneinen sei. Dem schließt sich der Senat nicht an, weil die Aufklärung der Briefadressaten die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt.

[29] 8.2 Auch der Hinweis in der Revisionsbeantwortung, die Beklagten seien ernstlich gewillt, „von künftigen Störungen – also einer Wiederholung des Wirtshausbriefs – Abstand zu nehmen“, kann die Wiederholungsgefahr nicht beseitigen. Die Beklagten beziehen sich hier ausschließlich auf den konkreten „Wirtshausbrief“, ohne andere potentiell falsche Schriften im Namen der Klägerin anzusprechen.

[30] 8.3 Zudem unterwerfen sich die Beklagten auch hinsichtlich des „Wirtshausbriefs“ nicht dem Standpunkt der Klägerin (vgl RS0111637; RS0119007; RS0125395; RS0128187), sondern vertreten weiterhin den (falschen) Rechtsstandpunkt, sie seien wegen des Rechts auf Meinungsäußerung berechtigt, falsche Schriften im Namen der Klägerin zu verbreiten.

[31] 9. Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass die Meinungsäußerungsfreiheit durch das Verbot einer unzulässigen Namensanmaßung nicht beeinträchtigt wird (17 Ob 44/08g). Den Beklagten ist es außerhalb der unbefugten Namensanmaßung nicht verwehrt, sich kritisch und/oder ironisch mit den politischen Plänen der Klägerin auseinanderzusetzen.

[32] 10. Die Sanktionslosigkeit von Desinformation – hier in Form einer unbefugten Namensanmaßung – würde allerdings bedeuten, dass die Meinungsfreiheit auch über den Weg von bewussten Täuschungen und Verletzungen von Persönlichkeitsrechten ausgeübt werden kann. Derartiges ist allerdings von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt (RS0032201).

[33] 11. Von der Verletzung des Namensrechts war auch die Verwendung des Bildzeichens der Klägerin umfasst, weil diesem (als Buchstabenkombination) Namensfunktion zukommt. Dieses Zeichen ist zufolge der ihm innewohnenden Namensfunktion deshalb nach § 43 ABGB schutzfähig, weil es Unterscheidungskraft (Kennzeichnungskraft) besitzt (vgl Faber in Klang3 § 43 Rz 39 ff), also etwas Besonderes, Individuelles an sich hat, das sich schon seiner Art nach dazu eignet, seinen Träger von anderen Personen zu unterscheiden (4 Ob 12/92 ua).

[34] 12. Wegen der Verletzung des Namensrechts steht das Unterlassungsbegehren zu.

[35] 13. Zu bejahen ist auch der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung.

[36] 13.1 Das den Beklagten vorgeworfene Verhalten ist einer Verletzung des Bildnisschutzes im Sinn des § 78 UrhG in den wesentlichen anspruchsbegründenden Punkten vergleichbar, weshalb (vgl auch 6 Ob 287/02b) der Klägerin im Anlassfall ein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung analog zu § 85 UrhG zusteht (idS Thiele,Namensdomains im österreichischen Kennzeichenrecht, in FS Griss [2011] 689 f; G. Korn/St. Korn, MR 2006, 218 f [Entscheidungsanm]; E. Wagner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 43 ABGB Rz 83; Faber in Klang3 § 43 Rz 211 mwN; vgl auch 4 Ob 31/20t). Die gegenteilige noch zu 4 Ob 165/05a vertretene (und nicht näher begründete) Ansicht wird nicht mehr aufrecht erhalten. Dies entspricht auch den Wertungen des § 1330 Abs 2 ABGB.

[37] 13.2 Die Urteilsveröffentlichung ist trotz der nachträglichen „Aufklärung“ über die Urheberschaft des Briefs in den Medien deshalb erforderlich und nicht bloß durch einen Widerruf gegenüber den betroffenen Wirten ersetzbar, weil – wie oben ausgeführt – nicht feststeht, dass die Empfänger der Briefe und sonstige durch die Namensanmaßung getäuschte Personen von der nachfolgenden Berichterstattung überhaupt erfahren haben. Der Brief gelangte nicht nur den eigentlichen Adressaten, sondern darüber hinaus einem weiteren unbestimmten Personenkreis zur Kenntnis und sollte nach den festgestellten Intentionen der Beklagten auch den Weg in die Medien finden (vgl RS0078824; 4 Ob 55/24b).

[38] 14. Der außerordentlichen Revision ist daher Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen im zur Gänze stattgebenden Sinn abzuändern.

[39] 15. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Eine Verbindungsgebühr nach Anm 4 zu TP 3 RATG steht nicht zu, weil die Klägerin im Provisorialverfahren unterlegen ist.

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