OGH 4Ob209/16p

OGH4Ob209/16p25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. K***** G*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. K***** H***** und 2. C***** F*****, beide *****, vertreten durch Dr. Dietmar Kinzel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.000 EUR sA, Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Zahlung (Stufenklage) und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 53.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. August 2016, GZ 11 R 132/16m‑15, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00209.16P.1025.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger war jahrelang Finanzminister der Republik Österreich und sowohl in den Tageszeitungen, als auch in der sogenannten „Regenbogenpresse“ massiv präsent. In manchen Medien wurde und wird der Kläger häufig durch das Kürzel „KHG“ bezeichnet. Nach dem Ende seiner Amtszeit wurden gegen ihn Korruptionsvorwürfe erhoben, die staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zur Folge hatten. Das Thema der Korruptionsermittlung gegen den Kläger ist in den Medien präsent.

Der Zweitbeklagte befasst sich seit 2010 mit dem Thema Korruption und publizierte darüber auch in einem Buch und in mehreren Artikeln. Um das Thema mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, brachte er mit dem Erstbeklagten ein an „DKT“ angelehntes Brettspiel mit dem Titel „Korrupte haben Geld“ bzw der dafür gewählten Kurzbezeichnung „KHG“ heraus. Das Spiel stellt in humorvoll‑satirischer Weise 35 Korruptionsfälle der Republik Österreich dar, wobei der Kläger bei einem der Fälle („Schwiegermutter“) namentlich genannt wird.

Der Kläger, der sich mit seiner Klage unter Berufung auf § 43 ABGB gegen die Verwendung der Initialen „KHG“ wendet, zeigt gegen die Klagsabweisung keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Die im Rechtsmittel als erheblich erachteten Rechtsfragen, ob ein unzulässiger Namensgebrauch auch mit der Abkürzung eines Namens vorliegen könne, wie die Verwendung von „KHG“ hier zu verstehen sei und ob hier das Interesse der Allgemeinheit an einem freien und kreativen Gebrauch der deutschen Sprache einer „Monopolisierung“ des Kürzels „KHG“ entgegenstehe, sind für die Entscheidung nicht präjudiziell.

2. Ein Gebrauch eines Namens durch Dritte verstößt gegen das Namensrecht des § 43 ABGB nur dann, wenn dadurch die berechtigten Interessen des Namensträgers verletzt werden (4 Ob 38/12k; 4 Ob 14/03t; RIS‑Justiz RS0009446 [T3]). Eine Verletzung ist – abseits von einer hier nicht in Betracht kommenden Zuordnungsverwirrung (vgl RIS‑Justiz RS0009336 und RS0009446) – regelmäßig dann zu bejahen, wenn über den Namensträger etwas Unrichtiges ausgesagt wird, das sein Ansehen und seinen guten Ruf beeinträchtigt, ihn bloßstellt oder lächerlich macht (4 Ob 51/12x; 6 Ob 48/16a; RIS‑Justiz RS0009319 [T10]), wobei es jedoch auf eine Interessenabwägung ankommt (RIS‑Justiz RS0008998, RS0009319 [T3]).

3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits – auch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – die Ansicht vertreten, dass Eingriffe in das Namensrecht des § 43 ABGB mit der Ausübung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gerechtfertigt werden können (6 Ob 109/00y; 17 Ob 2/09g jeweils zum Grundrecht auf Meinungsfreiheit). Es ist anerkannt, dass Personen des öffentlichen Lebens nicht auf die gleiche Weise Anspruch auf einen Schutz ihres Privatlebens erheben können wie der Öffentlichkeit unbekannte Privatpersonen (RIS‑Justiz RS0077903 [T17]). Jeder Politiker setzt sich selbst unvermeidlich und willentlich einer genauen Beurteilung jeder seiner Worte und Taten durch Journalisten und das breite Publikum (EGMR 23. 5. 1991, 11662/85, Oberschlick/Österreich , Rz 59), aber auch durch den politischen Gegner (4 Ob 75/94) aus.

4. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist Satire eine Form des künstlerischen Ausdrucks und der gesellschaftlichen Kommentierung, welche durch die sie charakterisierende Übertreibung und Verzerrung der Realität naturgemäß darauf abzielt zu provozieren und zu bewegen. Deshalb müssen nach Art 10 EMRK alle Eingriffe in das Recht eines Künstlers oder jeder anderen Person, sich auf diesem Weg auszudrücken, mit besonderer Aufmerksamkeit geprüft werden (EGMR 14. 3. 2013, 26118/10, Eon/Frankreich ). Vom EGMR wurde in jüngster Zeit im Zusammenhang mit Eingriffen in die namensrechtliche Position von Prominenten im Zusammenhang mit satirischen Werbemaßnahmen in zwei Parallelverfahren unter Abwägung widerstreitender Interessen eine Verletzung von Artikel 8 EMRK (Achtung der Privatsphäre) verneint. Dabei wurde auf den gebotenen gerechten Ausgleich zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens des Namensträgers und der Meinungsfreiheit des werbenden Unternehmens abgestellt (EGMR vom 19. 2. 2015, 53649/09, Ernst August von Hannover/Deutschland und 53495/09, Bohlen/Deutschland). Ein Eingriff in Art 8 EMRK sei grundsätzlich dann zu verneinen, wenn populäre Ereignisse satirisch aufgegriffen werden, ohne dass die Betroffenen unangemessen herabgewürdigt werden.

5. Nach der vom Erstgericht umfassend vorgenommenen Interessenabwägung, die auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung billigend zugrunde gelegt hat, wurde den Persönlichkeitsrechten des Klägers das Recht auf die Freiheit der Ausübung der Kunst und der Umstand gegenübergestellt, dass gegen den Kläger, der wegen seines langjährigen Ministeramts und auch glamouröser Medienberichterstattung große Bekanntheit genießt, seit Jahren aufgrund eines als begründet angenommenen Tatverdachts wegen Korruption ermittelt wird (in der Klage ist davon die Rede, dass die Medien „tausendfach“ über die Korruptionsvorwürfe berichtet haben). Im Ergebnis wurde ein unerlaubter Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht des Klägers verneint.

6. Diese Beurteilung der Vorinstanzen hält sich jedenfalls im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung. Ob schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt wurden und zu wessen Gunsten die Interessenabwägung ausschlägt, hängt im Allgemeinen von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und berührt in der Regel daher keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0077903 [T9]).

7. Bereits wegen der verfassungsrechtlich geschützten Rechte, aus denen sich ein rechtfertigender Namensgebrauch vertretbar begründen lässt, hängt die Entscheidung nicht mehr von der im Rechtsmittel kritisierten Ansicht des Berufungsgerichts ab, wonach auch ein „Interesse der Allgemeinheit an einem freien und einem kreativen Gebrauch der deutschen Sprache“ einen Namensgebrauch rechtfertigen könne und eine Klagsstattgebung zur Monopolisierung des gegenständlichen Kürzels zu Gunsten des Klägers führe. Selbst wenn man die im Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen zu Gunsten des Klägers bejaht und davon ausgeht, dass es diesem grundsätzlich möglich ist, namensrechtliche Ansprüche gegen die Verwendung des Kürzels „KHG“ zu erheben, wenn damit negativ geweckte Assoziationen verbunden sind, wäre für den Kläger somit nichts gewonnen. Bei dieser Sachlage käme somit der Lösung der im Rechtsmittel als erheblich angesehenen Rechtsfrage nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RIS‑Justiz RS0088931).

8. Das grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängige Ergebnis einer Interessensabwägung bedarf somit keiner höchstgerichtlichen Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

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