Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
"Der Antrag des Klägers, der beklagten Partei mit einstweiliger Verfügung ab sofort zu verbieten, auf Plakaten das Bildnis des Klägers, das ihn zusammen mit Dr.Christof Zernatto zeigt, zu veröffentlichen und auszustellen bzw ausgestellt zu belassen, wenn die Veröffentlichung geeignet ist, die berechtigten Interessen des Klägers zu verletzen, nämlich wenn das Bildnis im Rahmen der Wahlwerbung der beklagten Partei verwendet und wenn im Zusammenhang mit der Bildnisveröffentlichung sinngemäß behauptet oder dargestellt wird, zwischen dem Kläger als Spitzenpolitiker der Kärntner SPÖ und Dr.Christof Zernatto als Spitzenpolitiker der Kärntner ÖVP bestehe ein inniges und einer ewigen Liebe vergleichbares Naheverhältnis, wird abgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 34.603,20 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 5.767,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu zahlen.
Text
Begründung
Die Beklagte war (ua) neben SPÖ und ÖVP wahlwerbende Partei für die Kärntner Landtagswahlen am 13.März 1994. Spitzenkandidat der SPÖ war der Kläger, Spitzenkandidat der ÖVP der amtierende Landeshauptmann Dr.Christof Zernatto.
Die APA, die offizielle Nachrichtenagentur Österreichs, machte aufgrund einer Mitteilung des freiheitlichen Landespartei- und Generalsekretärs Karl Heinz G***** vom 3.Februar 1994 folgende Aussendung:
"Wahl/Kärnten/FPÖ/Extra
Kärntner Wahlkampf: FPÖ plakatiert Zernatto und Ambrozy
Utl.: 'Marmor, Stein und Eisen bricht...'
Klagenfurt (APA) - Einen besonderen Gag hat sich die FPÖ im Vorfeld der Kärntner Landtagswahl am 13.März einfallen lassen: Ab kommendem Wochenende werden die Freiheitlichen landesweit Plakate aufstellen, auf denen die Spitzenkandidaten von ÖVP und SPÖ, LH Christof Zernatto und LHStv.Peter Ambrozy, prangen werden. Unter den mit einem rosa Herzen eingerahmten Politikern wird der Spruch 'Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht' zu lesen sein.
Der freiheitliche Landespartei- und Generalsekretär Karl Heinz G***** erklärte dazu am Donnersatg gegenüber der APA, man wolle damit die Bevölkerung auf den zwischen Zernatto und Ambrozy offensichtlich bereits ausgehandelten 'Wahlpakt' aufmerksam machen.
Die FPÖ hatte in den vergangenen Wochen die Spitzenpolitiker von SPÖ und ÖVP in Kärnten mehrmals bezichtigt, bereits einen 'Pakt' über eine Landeshauptmann-Teilzeitlösung nach dem 13.März geschlossen oder zumindest abgesprochen zu haben. Diese Beschuldigung wiederholte G***** am Donnerstag und begründete sie mit einer Reihe von Äußerungen Zernattos und Ambrozys. So hätte Ambrozy dem VP-Obmann 'Kompromiß- und Gesprächsbereitschaft' attestiert, während dieser den SP-Vorsitzenden als 'braven Arbeiter' bezeichnet habe.
Die FPÖ werde nach den Worten G*****s daher jetzt 'den progressiven Weg' beschreiten und mittels Plakaten aufzeigen, 'daß der Pakt zwischen Rot und Schwarz moralisch höchst bedenklich ist und eine Demokratiebeugung darstellt'. Laut G***** sei jede Stimme, welche am 13. März für die ÖVP abgegeben wird, 'verloren', da sie 'nur für ein sozialistisches Kärnten steht'.
Die Ambrozy-Zernatto-Plakate werden übrigens bis zum Ende der Faschingszeit an Kärntens Wänden prangen.
(Schluß) awi/an/bi
APA202 1994-02-03/12:12"
Am 4.Februar 1994 berichteten die "Kleine Zeitung" (auf Seiten 9) und die "Kärntner Krone" (Seite 10) von der geplanten Plakataktion. In der "Kärntner Krone" war folgende Abbildung zu sehen:
Die an dieser Stelle befindliche Grafik kann nicht angezeigt werden.
Rechts neben diesem Bild war folgender Text zu lesen:
"Mit diesem Wahlplakat, am Donnerstag von Parteisekretär G***** präsentiert, will die FPÖ offenbar neuerlich einen Geheim-Pakt zwischen SP-Chef Peter Ambrozy und VP-Chef Christof Zernatto andeuten. Boshaft werden die beiden von Haider & Co die 'Zwillinge' genannt. SP-Mann R***** nennt das Plakat eine FP-Verzweiflungstat, kündigt aber trotzdem eine Klage an."
Der Kläger hatte keine Einwilligung dafür erteilt, daß sein Bild, das ihn gemeinsam mit Dr.Christof Zernatto zeigt, für Zwecke der Wahlwerbung der Beklagten verwendet wird.
Der im Zusammenhang mit dem Plakat von der Beklagten behauptete Pakt zwischen dem Kläger und Dr.Zernatto bestand nicht.
In der Folge stellte die Beklagte diese Plakate in Teilen Kärntens tatsächlich auf.
Der Kläger begehrt, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, auf Plakaten sein Bildnis, das ihn zusammen mit Dr.Christof Zernatto zeigt, zu veröffentlichen und auszustellen bzw ausgestellt zu belassen, wenn die Veröffentlichung geeignet ist, seine berechtigten Interessen zu verletzen, nämlich wenn das Bildnis im Rahmen der Wahlwerbung der Beklagten verwendet und wenn im Zusammenhang mit der Bildnisveröffentlichung sinngemäß behauptet oder dargestellt wird, zwischen dem Kläger als Spitzenpolitiker der Kärntner SPÖ und Dr.Christof Zernatto als Spitzenpolitiker der Kärntner ÖVP bestehe ein inniges und einer ewigen Liebe vergleichbares Naheverhältnis. Seine Interessen würden durch die Bildnisveröffentlichung verletzt, weil sein Bildnis vom politischen Mitbewerber in unsachlicher Form verwendet werde, um seine Politik abzuwerten und ihm "Freunderlwirtschaft" sowie letztlich Wahlbetrug vorzuwerfen. Er werde "an den Pranger" gestellt und dem öffentlichen Spott ausgesetzt.
Der Erstrichter gab dem Sicherungsantrag statt, ohne die Beklagte anzuhören. Durch die beanstandete Abbildung werde im Zusammenhang mit dem Text suggeriert, daß zwischen SPÖ und ÖVP ein derart inniges Verhältnis bestehe, daß es sich quasi schon um eine "Einheitspartei" handle. Dazu komme, daß dem Plakat jeder Hinweis auf die Beklagte fehle und aus dem Text somit nicht hervorgehe, daß es sich um ein Werbeplakat der Beklagten, also des politischen Gegners handle. Ein unbefangener Betrachter, der nicht damit rechnen müsse, daß eine politische Partei die Spitzenkandidaten anderer wahlwerbender Parteien auf ihren Plakaten abbildet, könne damit den Eindruck erlangen, daß eine gemeinsame Aktion von ÖVP und SPÖ vorliege, die ihr gemeinsames Vorgehen für die Zeit nach der Landtagswahl bekanntgeben wollten. Wenn auch der zeitliche Zusammenhang mit dem Fasching nicht zu übersehen sei, so enthalte das Plakat doch keinen Hinweis darauf, daß es sich um einen Faschingsscherz handle. Im Hinblick auf die tendenziöse Berichterstattung falle die Interessenabwägung jedenfalls zugunsten des Klägers aus. Die Wiederholungsgefahr sei zu bejahen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der Betrachter des beanstandeten Plakates müsse der Eindruck entstehen, daß der Kläger der Verwendung des Bildes zugestimmt habe. Schon die - offensichtlich beabsichtigte - schwer erkennbare Zuordnung des Wahlwerbeplakats zur Beklagten als einer dritten wahlwerbenden Partei, sei demnach geeignet, Mißdeutungen zum Nachteil des Klägers auszulösen. Die Abbildung eines Politikers in der Wahlwerbung einer politischen Gegnerin sei zwar an sich nicht ehrenrührig, könne aber insbesondere dann berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzen, wenn diesem als Spitzenkandidaten einer Partei ein inniges Verhältnis zum Spitzenkandidaten einer anderen Partei unterstellt wird, das den Schluß auf eine Paktierung der Politik der nächsten Landtagsperiode zulasse. Das Bild des Klägers werde daher von der Beklagten in unsachlicher Form dafür verwendet, seine Politik abzuwerten und ihm "Freunderlwirtschaft" sowie Täuschung der Wähler vorzuwerfen. Eine Interessenabwägung habe schon deshalb zu entfallen, weil die Veröffentlichung des Bildes des Klägers grundsätzlich keinen Nachrichtenwert für sich in Anspruch nehmen könne. Im übrigen fiele bei einer tendenziösen "Berichterstattung" eine Interessenabwägung grundsätzlich zugunsten des Abgebildeten aus. Von einer Beeinträchtigung der freien Meinungsäußerung könne nicht gesprochen werden. Die Wiederholungsgefahr bestehe auch nach der Kärntner Landtagswahl weiter, weil nicht ausgeschlossen werden könne, daß das Bild des Klägers später wieder in ähnlicher Form verwendet werde.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; er ist auch berechtigt.
Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden. Durch § 78 UrhG soll jedermann gegen einen Mißbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also namentlich dagegen, daß er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, daß dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (EBzUrhG, abgedruckt bei Peter, Urheberrecht 617). Das Gesetz legt den Begriff der "berechtigten Interessen" nicht näher fest, weil es bewußt einen weiten Spielraum offen lassen wollte, um den Verhältnissen des Einzelfalles gerecht zu werden (SZ 60/188; MR 1989, 54; MR 1990, 141; MR 1990, 226; ÖBl 1992, 87; ÖBl 1993, 39 uva). Die Beurteilung, ob berechtigte Interessen verletzt wurden, ist darauf abzustellen, ob Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind (SZ 60/188; MR 1990, 226; ÖBl 1992, 87; ÖBl 1993, 39 ua).
Die Verletzung berechtigter Interessen muß - wie sich aus dem insoweit völlig eindeutigen Wortlaut des § 78 Abs 1 UrhG ergibt - durch die Bildveröffentlichung als solche erfolgen (Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 103 Rz 6.3.3). Aus diesem Grund kann bei der Beurteilung der Frage, ob die Veröffentlichung eines Bildnisses nach objektiven Grundsätzen berechtigte Interessen verletzt, der Bekanntheitsgrad der abgebildeten Person nicht außer Betracht bleiben (ÖBl 1992, 87; ÖBl 1993, 39; Korn/Neumayer aaO 104). Steht der Abgebildete nicht im öffentlichen Leben, dann wird durch die Bildveröffentlichung die Identifikationsmöglichkeit erst geschaffen (Korn/Neumayr aaO). Durch die Beigabe eines Bildes kann ein für den Abgebildeten abträglicher Text noch verschärft und eine "Prangerwirkung" erzielt werden, weil eben die Person des Angegriffenen damit erst einer breiten Öffentlichkeit auch optisch kenntlich gemacht wird (vgl ÖBl 1961, 36; ÖBl 1992, 87; Bydlinski, Ersatz ideellen Schadens als sachliches und methodisches Problem, JBl 1975, 173 ff [185]; Korn/Neumayer aaO 111 Rz 7.2). Ist jedoch die abgebildete Person allgemein bekannt, dann werden ihre Interessen durch die Bildveröffentlichung selbst in aller Regel - von noch zu behandelnden Ausnahmen abgesehen - nicht beeinträchtigt.
Diese Auffassung entspricht auch der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland. Nach der dort geltenden komplizierten Regelung - die der österreichische Gesetzgeber ganz bewußt vereinfachen wollte (vgl Peter aaO 616; Korn/Neumayer aaO 98 f Rz 6.1; Buchner, Das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten, in FS 50 Jahre Urheberrechtsgesetz 21 ff [25]) - dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden (§ 22 Satz 1 KUG); ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung dürfen jedoch (ua) Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte verbreitet und zur Schau gestellt werden (§ 23 Abs 1 Z 1 KUG), wobei sich diese Befugnis jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung erstreckt, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird (§ 23 Abs 2 KUG). Unter einem "Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte" wird die Abbildung oder Darstellung einer Person verstanden, die - ständig oder vorübergehend - im Blickfeld (mindestens eines Teils) der Öffentlichkeit steht und somit der Zeitgeschichte angehört. Bildnisse solcher Personen dürfen im Informationsinteresse der Allgemeinheit grundsätzlich ohne Einwilligung der Abgebildeten verbreitet oder zur Schau gestellt werden, es sei denn, daß es sich um Bildnisse aus der Privat- oder Intimsphäre der Abgebildeten handelt. Solche Personen nennt man "Personen der Zeitgeschichte" (Gerstenberg in Schricker, Urheberrecht 770 Rz 6 zu § 23 KUG). Alle Personen, die sich "durch Geburt, Stellung, Leistungen, Taten oder Untaten - also nicht nur positiv, sondern auch negativ - außergewöhnlich aus dem Kreis der Mitmenschen herausheben und die deshalb im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen, sind "absolute Personen der Zeitgeschichte", an deren Leben und Wirken in der Öffentlichkeit ein legitimes Informationsinteresse der Allgemeinheit besteht (Gerstenberg aaO 771 f Rz 10). Dazu gehören jedenfalls Politiker (Gerstenberg aaO 772 Rz 11; Schwerdtner in Münchener Kommentar3 Rz 171 zu § 12 BGB).
Aber auch die Verbreitung des Bildes eines Politikers (oder einer sonstigen "absoluten Person der Zeitgeschichte") ist nicht schrankenlos zulässig; ihr steht gleichfalls ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten (§ 78 Abs 1 UrhG; § 23 Abs 2 KUG) entgegen. Auch Personen der Zeitgeschichte haben nämlich Anspruch darauf, daß die Allgemeinheit Rücksicht auf ihre Persönlichkeit nimmt (Gerstenberg aaO 781 Rz 33). Das hat nicht nur zur Folge, daß die Privat- und Intimsphäre einer solchen Person geschützt ist (Gerstenberg aaO 781 Rz 35 und 782 Rz 36) und auch die Verbreitung von Bildern, die entstellend wirken oder die im Zusammenhang mit der Bildunterschrift oder dem Begleittext den Abgebildeten der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgeben oder ihn mit Vorgängen in Verbindung bringen, mit denen er nichts zu tun hatte (Gerstenberg aaO 783 Rz 37), unzulässig ist; vielmehr werden die berechtigten Interessen einer abgebildeten Person der Zeitgeschichte auch dann verletzt, wenn die Veröffentlichung des Bildnisses im Rahmen der Werbung für Waren oder gewerbliche Leistungen erfolgt (Gerstenberg aaO 783 Rz 38; auch Schwerdtner aaO Rz 171). In einem solchen Fall kann nämlich der - für den Abgebildeten durchaus abträgliche - Eindruck entstehen, er habe sein Bild für Werbezwecke entgeltlich zur Verfügung gestellt (SZ 44/104; ÖBl 1974, 97; ÖBl 1977, 22; ÖBl 1982, 85; MR 1990, 141); dem Abgebildeten steht es aber frei, selbst zu entscheiden, ob und bejahendenfalls für wen oder für welches Produkt er werben will und wie dies geschehen soll (Gerstenberg aaO 783 f Rz 38 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BGH; Korn/Neumayer aaO 105 Rz 6.4.1). Zweifellos kann eine Verletzung berechtigter Interessen auch dann vorliegen, wenn ein Bild in einem derartigen Zusammenhang veröffentlicht wird, daß damit dem Abgebildeten eine politische Auffassung unterstellt wird, die er in Wahrheit nicht teilt oder sogar ausdrücklich ablehnt und bekämpft.
Damit ist aber hier für den Kläger nichts zu gewinnen:
Daß der Kläger, der seit langer Zeit in der Kärntner Landespolitik führend tätig ist, in diesem Bundesland einen extrem hohen Bekanntheitsgrad hat und sein Bild so gut wie jedem Kärntner vertraut ist, kann nicht bezweifelt werden. Das gleiche gilt für den neben ihm abgebildeten Landeshauptmann Dr.Christof Zernatto. Entgegen der Meinung der Vorinstanzen kann aber ausgeschlossen werden, daß die Betrachter des Plakates - von einem geringfügigen, ganz unbeträchtlichen Personenkreis völlig Unerfahrener und Uninformierter abgesehen - der Meinung sein könnten, der Kläger (und Dr.Zernatto) selbst sprächen damit zum Wähler, um ihnen kundzutun, sie hätten sich schon vor der Wahl auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Ganz abgesehen davon, daß im Zuge des Kärntner Landtagswahlkampfes jedermann bewußt geworden sein mußte, daß der Kläger ebenso wie Dr.Christof Zernatto ausdrücklich das Amt des Landeshauptmanns anstrebten und daher gar keine Rede davon sein konnte, daß sie öffentlich ihre Freundschaft beschworen, ist auch die Gestaltung des Bildnisses mit einem Herzen über den Gesichtern der beiden Politiker und dem darunter geschriebenen Stammbuchvers so eindeutig satirisch, daß so gut wie niemand ernsthaft glauben konnte, der Kläger und Dr.Zernatto würden sich selbst in dieser Weise an das Wahlvolk wenden. Wieweit die Betrachter des Plakates erkennen konnten, daß es von der Beklagten (und nicht von einer anderen wahlwerbenden Gruppe) stammte, ist hier ohne Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, daß durch das beanstandete Bild weder die Überzeugung hervorgerufen werden konnte, der Kläger selbst erkläre seine Liebe zu Dr.Christof Zernatto, noch, daß er nun Wahlwerbung gegen seine politische Überzeugung - etwa für die Beklagte - betreibe.
Wem aber der Kläger (und Dr.Zernatto) dem Aussehen nach völlig unbekannt war, der konnte dem beanstandeten Plakat überhaupt keinen Sinn entnehmen und wird ihm daher auch keine nähere Aufmerksamkeit geschenkt haben. Irgendeine für den Kläger abträgliche Wirkung kann auch in bezug auf diesen Personenkreis nicht angenommen werden.
Daß die Beklagte mit der Plakataktion darauf abgezielt hat, die - politische - Aussage zu machen, der Kläger und die SPÖ hätten schon vor der Landtagswahl mit Dr.Zernatto und der ÖVP "gepackelt", wären sich also schon vor der Wahl über die Machtverteilung einig, kann ebensowenig wie der Umstand, daß damit der Kläger unter Umständen lächerlich gemacht werden sollte, zu einer anderen Beurteilung führen. Nach Art 10 Abs 1 MRK hat jedermann - insbesondere auch jede politische Partei - Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Die Ausübung dieser Freiheit kann zwar vom Gesetzgeber gewissen Einschränkungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse bestimmter in Art 10 Abs 2 MRK näher aufgezählter Ziele und Werte unentbehrlich sind. Da die Freiheit der Meinungsäußerung eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft bildet und eine der grundlegenden Voraussetzungen für ihren Fortschritt und die Selbstverwirklichung jedes einzelnen ist, gilt die Äußerung der Meinungsfreiheit auch für solche Aussagen, die als verletzend, schockierend oder irritierend empfunden werden; das verlangen der Pluralismus, die Toleranz und Großzügigkeit, ohne die keine demokratische Gesellschaft existieren kann (EGMR, MR 1986, H 4, 11; MR 1991, 171 mwN). Art 10 MRK schützt nicht nur den Inhalt der zum Ausdruck gebrachten Ideen und Nachrichten, sondern auch die Form ihrer Darstellung. Da die Freiheit der politischen Debatte einer der Pfeiler des Konzeptes einer demokratischen Gesellschaft ist (MR 1986, H 4, 11), sind die Grenzen einer vertretbaren Kritik in bezug auf einen Politiker, der in seiner öffentlichen Eigenschaft auftritt, weiter zu ziehen als in bezug auf eine Privatperson. Jeder Politiker setzt sich selbst unvermeidlich und willentlich einer genauen Beurteilung jeder seiner Worte und Taten nicht nur durch Journalisten und das breitere Publikum (MR 1991, 171), sondern insbesondere auch durch den politischen Gegner aus. Der Kläger muß sich daher als Spitzenkandidat einer wahlwerbenden Partei eine humorvoll-satirische Kritik der Art, wie sie hier die Beklagte angewendet hat, gefallen lassen. Irgendwelche ehrenrührigen, die Intim- oder Privatsphäre des Klägers treffenden Angriffe waren ja der beanstandeten Abbildung nicht zu entnehmen. Der - im übrigen in der Politik sehr häufig gemachte - Vorwurf, die "anderen" Parteien - also die Gegner des Wahlwerbenden - steckten in Wahrheit unter einer Decke und wären sich schon vor der Wahl handelseins, darf in einer demokratischen Gesellschaft nicht unterbunden werden.
Aus diesen Erwägungen waren in Stattgebung des Revisionsrekurses die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen wird.
Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Beklagten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO.
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