European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00071.24A.1009.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in V* vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen in mehreren Teillieferungen durch Verkauf überlassen, und zwar ab der Mitte bis zum Ende des Jahres 2020 insgesamt 250 Gramm Kokain (mit einem Reinheitsgrad von zumindest 70,53 %) sowie vom 16. Juli 2020 bis zum Ende des Jahres 2022 insgesamt 13,35 Kilogramm Kokain (mit einem Reinheitsgrad von zumindest 66,62 %) und 26,55 Kilogramm Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgrad von zumindest 13,83 % THCA).
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider begründet das (durch Vortrag gemäß § 252 Abs 2a StPO bewirkte [ON 9 S 5]) Vorkommen des gesamten Akteninhalts, somit auch der Auswertungsergebnisse der über den Krypto‑Messenger Dienst SKY‑ECC abgewickelten Kommunikation, in der Hauptverhandlung keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 140 Abs 1 StPO.
[5] Zur Kommunikation mittels der Verschlüsselungstechnologie SKY‑ECC ist zunächst auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 11 Os 85/24w, 15 Os 13/23k, 13 Os 19/23b, 15 Os 101/23a zu verweisen, deren diesbezügliche Aussagen auch für das vorliegende Verfahren Gültigkeit haben (vgl ON 2.2).
[6] Nach der Aktenlage wurde auch hier ein vom Anbieter SKY‑ECC benutzter Server durch eine gemeinsame Ermittlungsgruppe französischer, belgischer und niederländischer Strafverfolgungsbehörden sichergestellt, womit die von kriminellen Vereinigungen, die Mobiltelefone mit der Sky‑Verschlüsselungstechnologie verwendeten, gesendeten Nachrichten, Lichtbilder und Sprachnachrichten für die in die Ermittlungen involvierten Strafverfolgungsbehörden zugänglich wurden und entschlüsselt werden konnten. Erst in weiterer Folge wurden den Beschwerdeführer betreffende Kommunikationsdaten im Rechtshilfeweg an die österreichischen Strafverfolgungsbehörden übermittelt.
[7] Die Ermittlungsmaßnahme (Erlangung der Kommunikationsdaten und -inhalte) wurde demnach – was die Rüge einräumt – von ausländischen Behörden ohne Ersuchen inländischer Strafverfolgungsbehörden durchgeführt. Dass Letztere im Rechtshilfeweg nicht bloß um Übermittlung von im Ausland bereits erhobenen Kommunikationsdaten und ‑inhalten (also um einen bloßen Transfer von Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befanden) ersucht, sondern deren Erlangung durch Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme (im Sinn einer originären Beweiserhebung) erst veranlasst hätten, wird vom Beschwerdeführer (aktenkonform) nicht behauptet.
[8] Es handelt sich bei den in Rede stehenden Kommunikationsdaten somit nicht um Ergebnisse einer nach dem fünften Abschnitt des achten Hauptstücks der StPO durchgeführten Ermittlungsmaßnahme. Die dargestellte Vorgangsweise ausländischer Behörden unterliegt – wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach betont hat – nicht dem Beweisverwendungsverbot des § 140 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0119110; insbes zu SKY‑ECC jüngst 11 Os 85/24w).
[9] Der Europäische Gerichtshof hat in der von der Beschwerde argumentativ herangezogenen, in der Rechtssache C‑670/22 ergangenen Entscheidung zur unionsrechtlichen Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit einer auf die Übermittlung von im Vollstreckungsstaat bereits vorhandenen Ergebnissen einer Überwachung verschlüsselter Kommunikation gerichteten Europäischen Ermittlungsanordnung ausdrücklich betont, dass es grundsätzlich allein Sache des nationalen Rechts sei, die Vorschriften für die Zulässigkeit und Würdigung (allenfalls) unionsrechtswidrig erlangter Informationen und Beweise im Rahmen eines Strafverfahrens festzulegen (Rz 126 ff). Das Unionsrecht verlange – mit Blick auf die Fairness des Verfahrens – insoweit nur einen entsprechenden Zugang zu den Beweisergebnissen (Rz 130 f), was hier nicht in Zweifel steht (vgl ON 2.2.13, ON 1.135 iVm ON 140 ff; auch ON 272). Weshalb sich aus dieser Entscheidung ergeben soll, dass in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht „die Bestimmungen des § 140 Abs 1 StPO nicht eingehalten“ worden seien, bleibt im Dunkeln.
[10] Sofern das in diesem Zusammenhang auch geäußerte Vorbringen, die in Rede stehenden Ermittlungsmaßnahmen seien „nicht rechtmäßig angeordnet und bewilligt“ worden und es habe sich dabei „um eine nichtige Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren“ gehandelt, im Sinn eines Einwands aus Z 2 des § 281 Abs 1 StPO zu verstehen ist, fehlt es schon an einem entsprechenden Widerspruch gegen das Vorkommen der angesprochenen Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung. Hinzu kommt, dass die Beschwerde nicht erkennen lässt, welche nichtigkeitsbewehrte Norm insoweit verletzt worden sei (dazu eingehend mwN Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 173 bis 179).
[11] Einer – wie hier – nicht unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion stehenden Verwendung von Beweisergebnissen kann ein Angeklagter durch eine auf die Sicherung eines fairen Verfahrens im Sinn des Art 6 MRK abzielende (durch § 281 Abs 1 Z 4 StPO geschützte) Antragstellung entgegentreten (vgl RIS‑Justiz RS0119110), was hier nicht geschehen ist. Vielmehr hat der Verteidiger nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung ausdrücklich erklärt, mit dem Vortrag (und der Verwertung) des gesamten Akteninhalts einverstanden zu sein (ON 9 S 5).
[12] Die Ableitung der Konstatierungen zur inneren Tatseite (US 4) aus der geständigen Verantwortung des Angeklagten (ON 9 S 3 ff) und dem äußeren Geschehensablauf (US 8) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keineswegs zu beanstanden.
[13] Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 4) bestreitet, verfehlt sie den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[15] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[16] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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