European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00127.24F.0920.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.120,75 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist Fahrzeugherstellerin eines mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 ausgestatteten Pkw. Der Kläger begehrt von ihr (wegen einer im Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung) 33.927 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
[2] Das Erstgericht gab der Klage – abgesehen von der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens – statt. Das Abgasrückführsystem des verbauten Motors arbeite nur bei Temperaturen über 17 Grad Celsius vollständig. Es handle sich bei dem implementierten Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 VO (EG) 715/2007 . Der Kläger habe ein Software‑Update zu Recht verweigert.
[3] Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf. Es teilte die Bedenken der Beklagten gegen die getroffenen Feststellungen über die Wirkungsweise des Software‑Update. Diese seien – weil unklar und zu unpräzise – für die rechtliche Beurteilung nicht brauchbar. Der bisher festgestellte Sachverhalt lasse nicht ansatzweise erkennen, ob bei Aufspielen des Software‑Update noch eine (unzulässige) Abschalteinrichtung vorhanden wäre. Da Feststellungen zur Wirkungsweise des Software‑Update, auf deren Basis eine rechtliche Beurteilung vorgenommen werden könne, fehlten, könne auch noch nicht beurteilt werden, ob solche zur Motorschutzausnahme nach einem Update notwendig sein werden.
[4] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zur Frage der zur Zumutbarkeit des Aufspielens eines behördlich geprüften Software‑Update im Rahmen der Schadensminderungspflicht zulässig. Überdies sei eine Klarstellung zur Beweislastverteilung bei Einwand der Schadensminderungsobliegenheit „wünschenswert“.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der Rekurs des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO):
[6] 1. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Kläger für das Vorliegen einer „Abschalteinrichtung“ iSd Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG behauptungs- und beweispflichtig. Ist ihm dieser Nachweis gelungen, ist angesichts des grundsätzlichen Verbots von Abschalteinrichtungen (Art 5 Abs 2 Satz 1 VO 715/2007/EG ) zunächst von ihrer Unzulässigkeit auszugehen. Den Fahrzeughersteller trifft sodann die Beweislast dafür, dass die Abschalteinrichtung unter eine der Ausnahmen des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG fällt (6 Ob 177/23g [Rz 26]; 10 Ob 7/24p [Rz 14]); verbleibende Unklarheiten gehen zu seinen Lasten (6 Ob 177/23g [Rz 38]).
[7] Ist im Verfahren eines Käufers gegen den Fahrzeughersteller in diesem Sinne nachgewiesen, dass sein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach Art 5 VO 715/2007/EG ausgestattet wurde, hat er Anspruch auf schadenersatzrechtliche Rückabwicklung (Ersatz des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs unter Anrechnung eines Benützungsentgelts; zuletzt ausführlich 1 Ob 34/24t [Rz 27 ff]) oder Anspruch auf Geltendmachung eines Minderwerts (RS0134498).
[8] 2. Diesen Anspruch könnte der Fahrzeughersteller aber durch nachträglich erfolgte Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung (etwa durch ein aufgespieltes Software‑Update) abwenden (vgl 6 Ob 122/23v [Rz 22 f]). Die (Behauptungs- und) Beweislast für die Beseitigung der Unzulässigkeit einer zuvor vorhandenen unzulässigen Abschalteinrichtung und Herstellung eines den Zulassungsvorschriften entsprechenden Zustands durch ein Software-Update trifft den Fahrzeughersteller. Verbleibende Unklarheiten gehen auch insoweit zu seinen Lasten (6 Ob 155/22w [Rz 66]; 8 Ob 21/23f [Rz 43]); 10 Ob 32/23s [ErwGr 1.4.4.2.]; 6 Ob 122/23v [Rz 27]; zum Übergeber siehe 1 Ob 149/22a [Rz 46]).
[9] Dass anderes auch für die bloß als möglich behauptete Schadensbeseitigung bzw Schadensminderung (durch ein angebotenes, aber nicht aufgespieltes Software-Update) nicht gelten kann, liegt ganz klar auf der Hand. Eine Pflicht (Obliegenheit), den Schaden möglichst gering zu halten (§ 1304 ABGB; RS0027116; RS0027043), kann den Geschädigten nämlich überhaupt erst treffen, wenn die Möglichkeit, den Schaden zu beseitigen oder zu verringern überhaupt bestanden hat oder besteht. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Geschädigte den eingetretenen Schaden hätte vermindern können und er diese schuldhaft unterlassen hat, trifft – nach seit Jahrzehnten bestehender Rechtsprechung – den Schädiger (RS0027129; 8 Ob 67/84), was schon aus dem Grundsatz entspringt, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen behaupten und beweisen muss (RS0037797; RS0039939).
[10] 3. Weder das Berufungsgericht noch eine der beiden Parteien deuten überhaupt nur an, dass oder warum dies im vorliegenden Verfahren (bei dem überdies eine Kenntnis von der Wirkungsweise des Software-Update nicht beim Kläger, sondern vielmehr bei der Beklagten zu vermuten ist) anders gesehen werden könnte. Im Gegenteil sieht auch der Kläger im Rekurs die Behauptungs‑ und Beweislast diesbezüglich bei der (dies auch einräumenden und auf die Entscheidung 6 Ob 122/23v verweisenden) Beklagten als Fahrzeugherstellerin gelegen und beschäftigt sich nicht weiter mit der vom Berufungsgericht als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehenen Frage, wen die Beweislast dafür im Rahmen des Einwands der Schadensminderungsobliegenheit trifft.
[11] 4. Der Rekurs hält die Rechtssache aber deswegen für spruchreif, weil der Zeitpunkt, bis zu dem die Beklagte dies hätte beweisen können, schon vorbei sein soll. Es sei die Frage der Verpflichtung zur Schadensminderung nämlich „ex ante“ zu beurteilen, welcher Zeitraum spätestens mit dem Schluss des Verfahrens erster Instanz beendet sei. „Festgestelltes Verfahrensergebnis“ sei, dass „für das von der Beklagten angebotene Software‑Update kein vollwertiger Schadenersatz festgestellt werden“ könne. Die (Möglichkeit der) reale(n) Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung sei unklar geblieben. Fragen der subjektiven Zumutbarkeit stellten sich daher gar nicht (und werden auch im Rekurs nicht ausgeführt).
[12] Dabei übergeht der Rekurs, dass sich ein solches „Ergebnis“, um tragfähige Beurteilungsgrundlage sein zu können, aus einem mangelfreien Verfahren und einer (auch in diesem Punkt) mangelfreien Entscheidung ableiten lassen müsste. Es wird an mehreren Stellen im Rechtsmittel offenkundig nicht zwischen unklaren Feststellungen und unklaren Tatumständen unterschieden. Gerade zum bloß unterstellten und nur angeblich „festgestellte[n] Verfahrensergebnis“ („dass für das von der Beklagten angebotene Software‑Update kein vollwertiger Schadenersatz festgestellt werden“ konnte) fehlen Feststellungen. Den Tatsachenkomplex „Wirkungsweise des Software‑Update“ hat das Berufungsgericht als unklar oder überhaupt teilweise fehlend festgestellt beurteilt und das Verfahren als ergänzungsbedürftig angesehen. Die vom Berufungsgericht angenommene Notwendigkeit einer Verfahrensverbreiterung auf Basis dieser unklaren/fehlenden Feststellungen greift der Rekurs bloß mit dem unrichtigen Vorbringen, es habe die Beklagte gar nicht behauptet, dass das Software‑Update die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung beseitigt hätte, an. Wenn er davon ausgeht, es sei die (Möglichkeit der) reale(n) Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung bis zum (mit der Entscheidung des Berufungsgerichts ja beseitigten) Schluss der mündlichen Streitverhandlung „unklar“ geblieben, würdigt er bisherige Verfahrensergebnisse einfach selbst, ohne sich mit der Argumentation des Berufungsgerichts, warum Feststellungen des Erstgerichts darüber unklar/fehlend geblieben sind, auseinanderzusetzen (vgl im Übrigen RS0042179).
[13] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Ein Kostenvorbehalt findet im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht statt. Der Beklagten, die auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen hat, sind die Kosten ihrer Rekursbeantwortung zuzusprechen (RS0123222 [T4]).
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