OGH 8Ob67/84

OGH8Ob67/848.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erwin T*****, vertreten durch Dr. Johannes Nino Haerdtl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) V*****, 2.) Helmut D*****, beide vertreten durch Dr. Otto Hellwich, Rechtsanwalt in Wien, wegen 75.587,05 S sA (Revisionsstreitwert 45.990 S sA), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Juni 1984, GZ 15 R 127/84‑19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. Februar 1984, GZ 32 Cg 732/83‑14, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00067.840.1108.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 2.946,16 S (darin 240 S Barauslagen und 246,01 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen ei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 3. 9. 1981 ereignete sich auf der Bundesstraße 9 im Gemeindegebiet von Schwechat ein Verkehrsunfall, an dem Johann L***** als Lenker des dem Kläger gehörigen PKWs Mercedes 220 D/8 mit dem behördlichen Kennzeichen ***** und der Zweitbeklagte als Lenker des bei der erstbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs Simc 1100 mit dem behördlichen Kennzeichen ***** beteiligt waren.

Der Kläger begehrte unter Berücksichtigung von Teilzahlungen von insgesamt 45.000 S zuletzt die Zahlung von 84.851,05 S, (rechnerisch richtig: 75.587,05 S) und zwar 9.000 S als restliche Totalschadensablöse, 7.267,05 S als Ersatz für verschiedene Sachschäden und 61.320 S Verdienstentgang, und brachte vor, dem Kläger sei am 1. 10. 1981 vom Zweitbeklagten fernmündlich bekanntgegeben worden, dass an seinem Fahrzeug Totalschaden eingetreten sei, worauf er gleich danach ein Neufahrzeug bestellt habe, welches trotz Urgenzen erst am 21. 11. 1981 zur Auslieferung gelangt sei. Die Adaptierungsarbeiten für die Bedürfnisse eines Taxis hätten bis 27. 11. 1981 gedauert, weshalb der Kläger während 84 Tagen über kein Ersatzfahrzeug verfügt habe und ihm unter Zugrundelegung eines Tagessatzes von 730 S ein Verdienstentgang von 61.320 S entstanden sei. Als Totalschadensablöse sei ein Betrag von 54.000 S angemessen. Die Beklagten bestritten das Klagebegehren lediglich der Höhe nach und wendeten ein, für den beschädigten Mercedes sei eine Totalschadensablöse von 45.000 S angemessen; der Kläger sei auch nicht berechtigt, bei einem Totalschaden an einem 5 Jahre alten Fahrzeug mit einem Kilometerstand von etwa 500.000 eine Stehzeit von 84 Tagen in Kauf zu nehmen, um ein Neufahrzeug anzuschaffen und den Beklagten den zwischenzeitig aufgelaufenen Verdienstentgang anzulasten. Die Beklagten bestritten auch das Zinsenbegehren.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 22.597,05 S sA zu und wies das Mehrbegehren ab. Infolge Berufung des Klägers änderte das Gericht zweiter Instanz das Ersturteil unter Einbeziehung des nicht angefochtenen Teils dahin ab, dass dem Kläger insgesamt 68.587,05 S sA zugesprochen wurden; das Mehrbegehren von 9.000 S sA blieb abgewiesen. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig.

Gegen den stattgebenden Teil des Urteils des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), sie ist aber nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Bei dem Fahrzeug des Klägers handelt es sich um einen PKW Mercedes 220 D, Type 115. Die Erstzulassung erfolgte am 15. Jänner 1976. Das Fahrzeug wies zum Unfallszeitpunkt eine Fahrleistung von 480.210 km auf und befand sich in einem schlechten Erhaltungszustand. 1 1/2 Jahre vor dem Unfall war in dem PKW ein komplett überholter Austauschmotor mit Einspritzpumpe eingebaut worden. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs betrug zum Unfallszeitpunkt 53.000 S, der Restwert 8.000 S. Die angemessene Totalschadenablöse beträgt sohin 445.000 S. Hierauf wurden von der Erstbeklagten 37.000 S am 5. 4. 1982 und 8.000 S am 5. 9. 1983 bezahlt. Um den Totalschaden festzustellen, war eine optische Vermessung des Klagsfahrzeugs notwendig, wofür dem Kläger ein Betrag von 516,80 S in Rechnung gestellt wurde. Der Kläger unterhält einen Fuhrpark, bestehend aus zwei Mietfahrzeugen und einem Taxi. Die Mietfahrzeuge des Klägers werden eingesetzt bei diplomatischen Veranstaltungen wie Staatsbesuchen, Kongressen etc, aber auch bei Begräbnissen. Gelegentlich wird beim Kläger angefragt, ob er außer den beiden Mietfahrzeugen bei derartigen Anlässen noch ein weiteres Fahrzeug einsetzen könne. In einem solchen Fall verwendet der Kläger auch das Taxi für solche Einsätze. Mit Rücksicht auf diese Nachfrage wünscht der Kläger, alle seine Fahrzeuge in dunkler Farbe zu haben. Auch entspricht es nicht der Geschäftsgepflogenheit des Klägers, ein ausscheidendes Fahrzeug durch ein Gebrauchtfahrzeug zu ersetzen, sondern der Kläger schafft stets nur neue Fahrzeuge an. Im vorliegenden Fall versuchte der Kläger sogleich, ein Neufahrzeug zu bekommen. Er wandte sich deshalb an die Firma W*****, die Vertreterfirma der Erzeugerfirma Mercedes in Österreich. Es stellte sich jedoch heraus, dass ein Neufahrzeug der geeigneten Type und Farbe derzeit nicht lieferbar sei. Es wurden zwar alle Anstrengungen unternommen, möglichst rasch zu einem Fahrzeug Mercedes 240 Type 123 (die Type des beschädigten Fahrzeugs war mittlerweile aufgelassen) zu gelangen, jedoch war trotz aller Bemühungen die Auslieferung vor dem 19. November 1981 nicht möglich. Da der Kläger das Fahrzeug als Taxi verwendete, musste ihm in das Neufahrzeug erst das entsprechende Zubehör eingebaut werden, nämlich Taxameter, Funk, Alarmanlage und Lautsprecher, bei dieser Gelegenheit ließ der Kläger auch ein Radio einbauen; dies alles nahm einen Zeitaufwand von etwa einer Woche in Anspruch, sodass das Neufahrzeug am 27. November 1981 beim Kläger einsatzbereit war. Für den Einbau der genannten Zusatzgeräte entstanden dem Kläger Auslagen in Höhe von 6.750,25 S. (Zusammen mit der optischen Vermessung hatte der Kläger also infolge des Unfalls Auslagen in Höhe von 7.267,05 S.) Das vom Unfall beschädigte Fahrzeug des Klägers war als Taxi im Einsatz, es war doppelt besetzt. Pro Stehtag entstand dem Kläger der der Höhe nach außer Streit gestellte Verdienstentgang von 730 S. Zum Unfallszeitpunkt wurden auf dem KFZ Markt Gebrauchtfahrzeuge von der Type des Klagsfahrzeugs in reichlichem Ausmaß angeboten. Der Kläger machte hievon keinen Gebrauch, da er jedenfalls ein neues Fahrzeug erwerben wollte. Mit Schreiben vom 16. 3. 1982 forderte der Kläger die Erstbeklagte zur Schadensliquidierung auf, worauf diese die ihrer Meinung nach angemessene Totalschadenablöse von 37.000 S am 5. 4. 1982 bezahlte. Entsprechend ihrem Standpunkt in der Klagebeantwortung zahlte die Erstbeklagte am 5. 9. 1983 einen weiteren Betrag für Totalschadenablöse in Höhe von 8.000 S. Das Ansinnen des Klägers, 84 Tage Verdienstentgang zu ersetzen, haben die Beklagten seit je als ungerechtfertigt abgelehnt.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, dass dem Kläger, dessen in schlechtem Erhaltungszustand befindliches Gebrauchtfahrzeug mit hohem Kilometerstand durch den Unfall unbrauchbar geworden sei, nach den Grundsätzen des Naturalersatzes nicht das Recht zustehe, sich ein Neufahrzeug anzuschaffen, und die damit verbundene Wartezeit dem Schädiger anzulasten. Es könne daher nur jene Stehzeit zugebilligt werden, welche mit der Suche nach einem Gebrauchtfahrzeug unter Berücksichtigung der Schadenminderungspflicht des Geschädigten als angemessen anerkannt werden könne, zuzüglich der Zeit, welche für die Adaptierung eines Fahrzeugs für den Verwendungszweck als Taxi erforderlich wäre. Dieser Zeitaufwand werde nach § 273 ZPO mit 21 Tagen bemessen, sodass sich der Verdienstentgang des Klägers bei einem Tagessatz von 730 S mit 15.330 S errechne. Für die Totalschadenablöse sei ein Betrag von 45.000 S angemessen. Angesichts der überhöhten Ersatzforderung für Verdienstentgang und der verhältnismäßigen Geringfügigkeit des für die Totalschadenablöse zu Recht geforderten Betrags, könne vor keinem groben Verschulden bei Zahlungsverzug der Beklagten gesprochen werden, sodass nur die gesetzlichen Zinsen zuzuerkennen gewesen seien.

Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei und übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich, gelangte aber zu einer teilweise abweichenden rechtlichen Beurteilung. Dem Geschädigten sei in erster Linie Naturalersatz und subsidiär Geldersatz zu leisten. Da die Beklagten dem Kläger kein dem Erhaltungszustand des beschädigten Mercedes entsprechendes Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt und damit das Risiko einer Auseinandersetzung mit dem Gebrauchtwagenhändler wegen allfälliger Gewährleistungsansprüche nicht auf sich genommen, sondern den Schätzwert des beschädigten PKWs der nach den Feststellungen 54.000 S betrug, bezahlt hätten, sei der Geschädigte nicht verhalten, seinerseits dieses Risiko einzugehen, um den Schädiger zu entlasten. Dementsprechend habe der Oberste Gerichtshof auch die Pflicht eines Vorarlberger Frächters verneint, den durch den Ausfall eines LKWs entstandenen Schaden durch Ankauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs außerhalb seiner engeren Heimat wegen des damit verbundenen Risikos zu mindern (2 Ob 400/67). Das Erstgericht habe überdies übersehen, dass die von ihm dem Kläger zugebilligte Wiederbeschaffungsfrist jedenfalls erst ab der Feststellung des Totalschadens durch die Erstbeklagte zu laufen begonnen habe, also ab 1. 10. 1981. Wie erwähnt, sei aber der Kläger, der nach den Feststellungen ausschließlich Neufahrzeuge anschaffte, nicht verpflichtet gewesen, das Risiko eines Gebrauchtwagenkaufs einzugehen, zu dessen Anschaffung er von den Beklagten übrigens gar nicht aufgefordert worden sei, nur, damit die Beklagten nicht die Kosten einer etwas längeren Stehzeit tragen müssten; er sei vielmehr entsprechend seiner sonstigen Gepflogenheiten berechtigt gewesen, ein gleichartiges Neufahrzeug anzuschaffen. Dass der Kläger seiner Schadenminderungspflicht nicht nachgekommen sei, weil der Einbau der für den Taxibetrieb notwendigen Geräte vom 19. 11. bis 27. 11. 1981 dauerte, hätten die Beklagten nicht eingewendet. Der bis zum Zeitpunkt der Lieferung entstandene Verdienstentgang von 61.320 S sei daher von den Beklagten zu ersetzen. Ein die gesetzlichen Zinsen übersteigender Zinssatz stehe dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil er keinen Nachweis für von ihm behaupteten Kredit erbracht habe.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, was nicht zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge bringen die Beklagten vor, der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, für seinen beim Unfall beschädigten, sieben Jahre alten PKW, der eine Kilometerleistung zwischen 300.000 und 500.000 aufwies. ein Neufahrzeug anzuschaffen und für die Dauer bis zur Lieferung dieses Fahrzeugs Verdienstentgang zu verlangen. Nur bei einer schweren Beschädigung eines fabriksneuen Kraftfahrzeugs sei der Ersatz durch Beistellung eines neuen Kraftfahrzeugs zu leisten.

Hiezu ist Folgendes auszuführen: Nach der Rechtsprechung ist der Geschädigte in Erfüllung seiner Schadenminderungspflicht gehalten, seinen Schaden möglichst gering zu halten, wenn und soweit ihm ein konkretes Verhalten zugemutet werden kann (SZ 39/170 ua). Der Geschädigte hat die zur Schadensminderung erforderlichen, ihm zumutbaren Maßnahmen von sich aus und ohne Rücksicht auf das Verhalten des Schädigers zu treffen (ZVR 1975/165; ZVR 1973/110; 2 Ob 105/81 ua). Was zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile im Einzelfall und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (ZVR 1973/110; 8 Ob 206/80 ua). Die Behauptungs‑ und Beweislast dafür, dass der Geschädigte den eingetretenen Schaden hätte mindern können und dass er somit gegen seine Schadensminderungspflicht schuldhaft verstoßen habe, trifft den die Verletzung dieser Pflicht geltend machenden Schädiger (vgl ZVR 1983/36 uva).

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um die Frage handelt, ob der Kläger Anspruch auf den Ersatz der Anschaffungskosten eines Neuwagens oder eines Gebrauchtfahrzeugs hat: strittig ist vielmehr nur mehr, ob er durch die Anschaffung eines neuen PKWs anstelle eines Gebrauchtwagens und die dadurch verursachte längere Zeit des Entfalls der Benützung eines Kraftfahrzeugs für sein Unternehmen bis zur Lieferung des Neuwagens, woraus ein höherer Verdienstentgang entstand, gegen seine Verpflichtung zur Schadensminderung schuldhaft verstoßen hat. Bei Heranziehung der oben dargelegten Grundsätze ist diese Frage in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht zu verneinen. Wie die zweite Instanz zutreffend ausführte, war der Kläger, der für sein Unternehmen immer nur Neufahrzeuge angeschafft hatte, nicht gehalten, entgegen dieser Gepflogenheit in diesem Fall das Risiko eines Gebrauchtwagenkaufs auf sich zu nehmen, um den Beklagten den Ersatz des Verdienstentgangs infolge einer längeren Zeit bis zur Lieferung des Neuwagens zu ersparen. Ein solches Verhalten war ihm, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls nach den Interessen beider Teile und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs nicht zumutbar. Da den Beklagten somit der Beweis für eine schuldhafte Verletzung der Schadenminderungspflicht durch den Kläger nicht gelungen ist, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum den Verdienstentgang bis zum Zeitpunkt der Lieferung des Neuwagens zugesprochen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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