OGH 6Ob162/23a

OGH6Ob162/23a20.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN * eingetragenen Ö*-Privatstiftung, *, vertreten durch Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH in Linz, über den Revisionsrekurs der Privatstiftung gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. Jänner 2023, GZ 6 R 153/22w‑9, womit der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 11. November 2022, GZ 21 Fr 3355/22a‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00162.23A.0920.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Im Firmenbuch ist zu FN * die Ö*-Privatstiftung [idF: Stiftung] eingetragen. Gemäß § 13 Abs 1 der Stiftungsurkunde ist der Erststifter berechtigt, die Stiftungserklärung (Stiftungsurkunde und -zusatzurkunde) alleine zu ändern.

[2] Die Stiftung beantragte die Eintragung von Änderungen der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde und brachte vor, der Erststifter habe von seinem Änderungsrecht Gebrauch gemacht und mit Beschlüssen vom 4. 10. 2022 die Stiftungsurkunde und die Stiftungszusatzurkunde geändert. Dazu legte die Antragstellerin neben einer aktuellen Fassung der Stiftungsurkunde auch den in Notariatsaktsform gefassten Beschluss des Erststifters über die Änderung der Stiftungsurkunde vor. Dieser Beschluss wurde vom Sohn des Erststifters als rechtsgeschäftlich bevollmächtigter Vertreter des Erststifters gefasst. Auch die Änderung der Stiftungszusatzurkunde erfolge unstrittig im Vollmachtsnamen durch den Sohn des Erststifters.

[3] Die mit dem Antrag vorgelegte und in Notariatsaktsform errichtete Vollmacht vom 23. 8. 2022 lautet auszugsweise:

 

„eingeschränkte

Vollmacht und Auftrag

zur Ausübung der Rechte gegenüber

der

[Stiftung]

 

Herr [Erststifter]

(Vollmachtgeber)

erteilt

[Sohn des Erststifters]

(Vollmachtnehmer)

hiermit gem §§ 1002 ff ABGB den Auftrag die ihm in der [Stiftung] zukommenden Stifterrechte in seinem Namen wahrzunehmen und erteilt ihm eine auf die Wahrnehmung dieser Rechte eingeschränkte Vollmacht.

 

I. Umfang der Vollmacht

 

1. Herr [Erststifter] hat am 22.04.1996 die [Stiftung] (im weiteren 'Privatstiftung') errichtet. Er hat sich als Stifter in den Urkunden der Privatstiftung einige wesentliche Rechte im Hinblick auf die Privatstiftung eingeräumt bzw. vorbehalten. Dies sind insbesondere, jedoch nicht abschließend, das Recht zur Bestellung der Mitglieder des Stiftungsvorstands (§ 5 der Stiftungsurkunde), das Recht zur Einrichtung eines Beirats und der Bestellung der Mitglieder des Beirats (§ 9 der Stiftungsurkunde), die Stiftungsurkunden zu ändern (§ 13 der Stiftungsurkunde) und die Privatstiftung zu widerrufen (§ 14 der Stiftungsurkunde).

2. Die dem Vollmachtsnehmer erteilte Vollmacht ist eine allgemeine und unbeschränkte Vollmacht zur Ausübung sämtlicher Rechte des Vollmachtgebers gegenüber der Privatstiftung, sodass der Vollmachtsnehmer berechtigt ist, den Vollmachtgeber in Angelegenheiten im Zusammenhang mit seinen Rechten gegenüber der Privatstiftung, auch solchen, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, gegenüber der Privatstiftung, vor Behörden aller Art wie auch gegenüber allen Dritten nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten.

3. Der Vollmachtnehmer ist insbesondere auch bevollmächtigt und ermächtigt, folgende Maßnahmen im Namen des Vollmachtgebers zu tätigen:

a. Änderung der Stiftungsurkunde gem. § 33 PSG und gem. § 12 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;

b. Widerruf der Stiftung gem. § 34 PSG und gem. § 13 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;

c. Bestellung von Personen zu Mitgliedern des Vorstandes gem. § 5 Abs 3 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;

d. Abberufung von Mitgliedern des Vorstandes gem. § 5 Abs 5 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;

e. Bestellung von Mitgliedern des Vorstandes gem. § 5 Abs 2 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;

f. Ausübung des Zustimmungsrechtes gem. § 7 Abs 6 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;

g. Ausübung des Stellungnahmerechts gem. § 7 Abs 7 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;

h. Ausübung der Kontrollrechte gem. § 11 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung

i. Ausübung gesetzlicher Begünstigtenrechte gegenüber der Privatstiftung (zum Beispiel Antragstellung gemäß § 27 PSG)

j. Ausübung gesetzlicher Organrechte – soweit diese zustehen – gegenüber der Privatstiftung (zum Beispiel Antragstellung gemäß § 27 PSG oder § 30 PSG)

4. Der Vollmachtnehmer ist überdies bevollmächtigt und ermächtigt,

a. sämtliche, wie immer gearteten Schriftstücke betreffend der Privatstiftung für den Vollmachtgeber zu übernehmen, zu öffnen und den Empfang rechtswirksam zu bestätigen […].

b. Der Vollmachtgeber erteilt dem Vollmachtsnehmer im Hinblick auf den oben beschriebenen Umfang der Vollmacht auch Prozessvollmacht im Sinne des § 31 ZPO […].

5. Vertretung vor Behörden oder vor Gericht:

Der Vollmachtnehmer ist befugt, den Vollmachtgeber im Hinblick auf den oben beschriebenen Umfang der Vollmacht vor Behörden und Gerichten und auch Dritten gegenüber nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten.

 

II. Auftrag und Annahme

[…]“

 

[4] Die beschlossenen Änderungen der Stiftungsurkunde lauten wie folgt (Änderungen sind unterstrichen bzw durchgestrichen dargestellt):

 

„§ 1

Name, Sitz, Stifter

[…]

(2) Der Sitz der Stiftung ist in der politischen Gemeinde Enns. Eine Verlegung des Sitzes der Stiftung bedarf der Zustimmung des Erststifters. Nach dessen Ableben bedarf die Verlegung des Sitzes der Zustimmung des Stiftungsbeirats.

(3) Die Stifter sind:

[…]

Ing. J* H*, geboren am *1934, wird in der Folge kurz 'Erststifter' genannt. I* G*, geboren am *1992, und L* H* werden in der Folge gemeinsam kurz 'Stifter-Enkelinnen' genannt.

[…]

§ 5

Stiftungsvorstand

 

(1) Zur Verwaltung und Vertretung der Stiftung nach außen ist ausschließlich der Stiftungsvorstand berufen, welcher aus mindestens drei und höchstens fünf sieben Mitgliedern besteht.

[…]

 

§ 7

Verwaltung

[…]

(9) Sollte die Stiftung beabsichtigen, eine der Gesellschaften, an der die Stiftung direkt oder indirekt beteiligt ist, oder auf die sie sonst einen kontrollierenden Einfluss ausübt, zu veräußern, hat der Stiftungsvorstand seinen Einfluss in diesen Gesellschaften dahingehend geltend zu machen, dass bei Verkauf einer solchen Gesellschaft nach Möglichkeit das Liegenschaftsvermögen der zu veräußernden Gesellschaft der Stiftung oder ihren oben genannten Gesellschaftern erhalten bleibt.

[…]

§ 16

Dauer, Auflösung

 

(1) Die Stiftung wurde auf unbestimmte Zeit errichtet.

(2) Der Stiftungsvorstand beschließt im Sinne des § 35 Abs 1 Z 4 PSG einstimmig und in Anwesenheit aller Mitglieder über die Auflösung der Stiftung. Die Auflösung der Stiftung kann nur aus wichtigen Gründen und nur mit Zustimmung des Erststifters und nach dessen Ableben mit Zustimmung des Stiftungsbeirates erfolgen, insbesondere dann, wenn der Zweck der Stiftung in Ermangelung von Begünstigten bzw. Anwartschaftsberechtigten oder in Ermangelung eines ausreichenden Stiftungsvermögens nicht mehr verwirklicht werden kann. Die Stiftung wird aufgelöst in den Fällen des § 35 Abs 1 Z 1 bis 5 PSG und ist aufzulösen in den Fällen des § 35 Abs 2 Z 1 bis 4 PSG.

(3) Die Stiftung ist nach dem Ableben des Erststifters, frühestens jedoch nach dem Versterben der letzten noch am Leben befindlichen Stifter-Enkelin aufzulösen. In diesem Fall hat der Stiftungsvorstand im Sinne des § 35 Abs 1 Z 4 PSG einstimmig und in Anwesenheit aller Mitglieder über die Auflösung der Stiftung zu beschließen.

(4) Die Stiftung wird aufgelöst in den Fällen des § 35 Abs 1 Z 1 bis 5 PSG und ist aufzulösen in den Fällen des § 35 Abs 2 Z 1 bis 4 PSG.

 

[5] Mit Note vom 24. 10. 2022 lud das Erstgericht die Antragstellerin gemäß § 17 FBG unter Hinweis, es sei davon auszugehen, dass auch die Stiftungszusatzurkunde nicht durch den Erststifter persönlich, sondern durch den Sohn des Erststifters abgeändert worden sei, aus dem Notariatsakt vom 23. 8. 2022 aber keine diesbezügliche Vollmacht abgeleitet werden könne, und auch hinsichtlich der Änderung der Stiftungsurkunde die Eintragungsvoraussetzungen nicht vorlägen, zumal die vorgelegte Vollmacht die Voraussetzungen einer Spezialvollmacht nicht erfülle, ein, das Gesuch binnen 14 Tagen zurückzuziehen, widrigenfalls eine antragsabweisende Entscheidung ergehen werde.

[6] Nachdem in der Folge weder das Gesuch zurückgezogen wurde noch eine Stellungnahme der Antragstellerin einlangte, wies das Erstgericht den Antrag ab. Zusammengefasst führte es aus, der Erststifter habe keinen wirksamen Beschluss auf Änderung der gegenständlichen Urkunden gefasst, weil der vermeintliche rechtsgeschäftliche Vertreter diesbezüglich keine ausreichende Vertretungsmacht gehabt habe. Aus der vorgelegten Vollmacht vom 23. 8. 2022 könne keine Vertretungsmacht für die Änderung der Stiftungszusatzurkunde abgeleitet werden. Darüber hinaus sei diese Vollmacht auch keine Spezialvollmacht. Eine solche sei jedoch für die Ausübung des Rechts des Erststifters auf Änderung der Stiftungsurkunde durch einen Bevollmächtigten erforderlich.

[7] Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Für die Änderung einer Stiftungserklärung sei eine Spezialvollmacht iSd § 1008 Satz 2 ABGB erforderlich. Die dem Begehren auf Eintragung der Änderung der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde beigelegte „eingeschränkte Vollmacht“ erfülle diese Voraussetzungen nicht. § 1008 Satz 3 ABGB beziehe sich nur auf Satz 1 dieser Bestimmung; die Nennung einer Gattung in einer Generalvollmacht substituiere damit das Erfordernis einer Einzelvollmacht nicht. Eine Änderung der Stiftungszusatzurkunde sei von der Vollmacht gar nicht umfasst.

[8] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtsfrage, ob auch für die Änderung der Stiftungserklärung durch einen Vertreter eine Spezialvollmacht erforderlich sei. Außerdem habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 88/18g offengelassen, ob die Rechtsprechung, wonach dem Erfordernis einer Einzelvollmacht auch dadurch Genüge getan werden könne, dass im Rahmen einer allgemeinen Vollmacht zumindest die Gattung des Geschäfts, für das an sich Einzelvollmacht gemäß § 1008 Satz 2 ABGB erforderlich wäre, angeführt werde, auch über den Fall der Vorsorgevollmacht hinaus (noch) fortzuschreiben sei.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehlt, ob für die Änderung der Stiftungserklärung durch einen Vertreter eine Spezialvollmacht erforderlich ist. Er ist aber nicht berechtigt.

[10] 1. Für die Änderung der Stiftungserklärung durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter des Stifters ist eine Spezialvollmacht erforderlich:

[11] 1.1. Während §§ 1006 ff ABGB vorsehen, dass die Vertragsparteien privatautonom grundsätzlich die Art der Geschäftsbesorgung frei vereinbaren können, enthält § 1008 ABGB zwei Einschränkungen dieses Grundsatzes. Für bestimmte in Satz 1 angeführte Geschäfte sind allgemeine Umschreibungen und insbesondere Generalvollmachten unzureichend; vielmehr muss die Vollmacht auf die Gattung des Geschäfts lauten, also die Art des Geschäfts bezeichnen (Satz 1, Gattungsvollmacht). Für die in Satz 2 aufgezählten Geschäfte reicht auch eine solche nicht aus. In diesen Fällen ist eine individuelle Benennung des vom Machthaber durchzuführenden Geschäfts im Sinne einer Spezialvollmacht (auch „Einzelvollmacht“) nötig (vgl 4 Ob 92/22s [ErwGr 2.1.]).

[12] 1.2. Die besonderen Vollmachtsarten sind dabei für jene Geschäfte vorgeschrieben, die für den Geschäftsherrn typischerweise nachteilig, gefährlich, besonders ungewöhnlich oder wichtig sind. Das Gesetz führt eine Hemmschwelle für die Bevollmächtigung zu diesen Geschäften ein, um einerseits den Geschäftsherrn vor Übereilung zu schützen und andererseits den tatsächlichen Bevollmächtigungswillen zu sichern (4 Ob 92/22s [ErwGr 2.1.]; Baumgartner/U. Torggler in Klang³ § 1008 ABGB Rz 6 ff). Der Geschäftsherr soll also dadurch, dass er in der Vollmacht die Geschäftsgattung oder das einzelne Geschäft angeben muss, darauf hingewiesen werden, dass derart wichtige, ungewöhnliche oder gefährliche Geschäfte mit inbegriffen sind (RS0019351). Außerdem sollen diese Regelungen der Gefahr begegnen, dass sich ein Machtgeber durch Erteilung einer allgemeinen Vollmacht seinem Machthaber völlig ausliefert (RS0019385 [T1]).

[13] 1.3. Die Aufzählung der Geschäfte in § 1008 ABGB wird von Rechtsprechung und Lehre nicht rein taxativ verstanden (vgl P. Bydlinski in KBB7 § 1008 ABGB Rz 1; Perner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 § 1008 Rz 2). Vielmehr wird sie einerseits durch Spezialregelungen ergänzt und andererseits als analogiefähig angesehen (4 Ob 92/22s [ErwGr 2.2.]).

[14] 1.4. Gemäß § 1008 Satz 2 ABGB bedarf die Errichtung von Gesellschaftsverträgen einer Spezialvollmacht. Als Grund dafür wird der Schutz vor Übereilung und das Entstehen erheblicher Kosten und Haftungsrisiken angesehen (Baumgartner/U. Torggler in Klang³ § 1008 ABGB Rz 52 ff), ebenso der Gedanke, dass Gesellschaftsverträge individuell ausgestaltet werden und damit ganz unterschiedliche Erscheinungsformen aufweisen können, weshalb dem Machtgeber grundsätzlich nicht zu unterstellen sei, dass er den Machthaber zum Abschluss beliebiger Gesellschaftsverträge bevollmächtigen wolle (Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1008 ABGB Rz 36).

[15] 1.5. Das Privatstiftungsgesetz enthält keine speziellen Regelungen für die Vertretung des Stifters bei der Errichtung der Stiftung oder der Wahrnehmung seiner Stifterrechte.

[16] 1.6. Auch die Errichtung einer Privatstiftung ist für den Geschäftsherrn typischerweise nachteilig, gefährlich, ungewöhnlich und wichtig, weshalb § 1008 Satz 2 ABGB analog anzuwenden ist. Neben den oben (Punkt 1.4.) dargelegten Erwägungen sprechen für das Erfordernis einer Spezialvollmacht auch der schenkungsähnliche Rechtsvorgang der Vermögenswidmung (Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1008 ABGB Rz 39) und der Schutz vor übereilter Aufgabe des Einflusses auf das Stiftungsvermögen (Baumgartner/U. Torggler in Klang³ § 1008 ABGB Rz 54). Die Errichtung einer Stiftungsurkunde bedarf daher nach zutreffender herrschender Meinung einer Spezialvollmacht (Arnold, Privatstiftungsgesetz4 § 3 Rz 6; Baumgartner/U. Torggler in Klang³ § 1008 Rz 54; Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1008 ABGB Rz 39; Apathy/Burtscher in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 1008 ABGB Rz 5; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz § 3 Rz 9). Das wird vom Revisionsrekurs auch nicht bezweifelt.

[17] 1.7. Die Gestaltungsrechte eines Stifters sind ebenfalls nicht vertretungsfeindlich. Sie können für diesen daher von einem rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten ausgeübt werden (6 Ob 102/12m [ErwGr 2.]; 3 Ob 16/06h [ErwGr 2.e.]; Arnold, Privatstiftungsgesetz4 § 3 Rz 43). Die Anforderungen an die Vollmacht hängen insbesondere von der Art des Gestaltungsrechts ab. Für eine Änderung der Stiftungserklärung verlangt die herrschende Ansicht, der sich das Rekursgericht angeschlossen hat, eine Spezialvollmacht (Arnold, Privatstiftungsgesetz4 § 3 Rz 43; Baumgartner/U. Torggler in Klang³ § 1008 Rz 55; Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1008 ABGB Rz 39; Csoklich, Zugriff auf Vermögen der Privatstiftung durch Gläubiger der Stifter und Begünstigten, ÖBA 2008, 416 [431]; aM Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz § 3 Rz 20 [mit bloßem Verweis auf die ähnliche Rechtslage bei Änderungen eines GmbH-Gesellschaftsvertrags]).

[18] 1.8. Der erkennende Senat tritt dieser herrschenden Auffassung bei:

[19] 1.8.1. Der Privatstiftung liegt der Gedanke zugrunde, dass mit einem „eigentümerlosen“ Vermögen ein bestimmter Zweck besser, zielstrebiger und auch dauerhafter verwirklicht werden kann, als wenn das Vermögen mit dem Schicksal des Stifters und dem seiner Rechtsnachfolger verbunden bliebe und etwa in eine Gesellschaft eingebracht würde, die von den Gesellschaftern beeinflussbar ist. Mit der Errichtung einer Stiftung soll daher die Verselbständigung des Vermögens erreicht und dessen Verwendung an den einmal erklärten Willen des Stifters gebunden werden (ErlRV 1132 BlgNR XVIII. GP  15).

[20] 1.8.2. Auch bei der Änderungserklärung handelt es sich um eine einseitige Willenserklärung des Stifters (Arnold, Privatstiftungsgesetz4 § 33 Rz 37). Eine Änderungsbefugnis des Stifters nach § 33 Abs 2 PSG besteht nur bei entsprechendem Vorbehalt in der Stiftungsurkunde. Die Befugnis ist grundsätzlich umfassend und erfasst selbst Änderungen des Stiftungszwecks, der Stiftungsorganisation und der Begünstigtenstellung (Arnold, Privatstiftungsgesetz4 § 33 Rz 42 ff; ErlRV 1132 BlgNR XVIII. GP  36). Dazu kommt, dass einer Privatstiftung regelmäßig bedeutende Vermögenswerte gewidmet werden (vgl § 4 PSG).

[21] 1.8.3. Dem trägt auch § 39 Abs 1 PSG Rechnung, der sowohl die Errichtung als auch Änderungen der Stiftungserklärung durch den Stifter an die Form eines Notariatsakts (§§ 52 ff NO) bindet (Arnold, Privatstiftungsgesetz4 § 33 Rz 64 und § 39 Rz 2). Diese strenge Form entspricht nicht nur dem Perpetuierungszweck der Privatstiftung. Sie ist überdies besonders geeignet, die Ernstlichkeit der Erklärung des Stifters zu bestätigen (vgl ErlRV 1132 BlgNR XVIII. GP  36).

[22] 1.8.4. Die Änderung einer Stiftungserklärung ist daher wie die Errichtung einer Privatstiftung ein Geschäft, das für den Stifter typischerweise gefährlich, ungewöhnlich und wichtig ist. Auch für die rechtsgeschäftliche Vertretung bei einer Änderung einer Stiftungserklärung ist somit in analoger Anwendung des § 1008 Satz 2 ABGB eine Spezialvollmacht notwendig.

[23] 1.9. Der Hinweis des Revisionsrekurses, wonach für die Änderung eines Gesellschaftsvertrags einer GmbH nach herrschender Meinung keine Spezialvollmacht erforderlich sei, steht dem nicht entgegen. Schon die dem gesetzlichen Grundkonzept entsprechende Erklärung des Stifters über die Änderung der Stiftungserklärung (vgl § 3 Abs 2 PSG) entspricht nicht jenem der Abstimmung in der Generalversammlung einer GmbH. Gleiches gilt für die besondere Individualität des Rechtsakts des Stifters (vgl oben Punkt 1.8.2.). Dies findet auch Niederschlag in der in § 39 Abs 1 PSG dafür angeordneten Notariatsaktspflicht (§§ 52 ff NO), während Beschlüsse über die Änderung des Gesellschaftsvertrags einer GmbH gemäß § 49 Abs 1 GmbHG (jedenfalls im Regelfall) lediglich der notariellen Beurkundung iSd § 76 NO bedürfen (vgl Rauter/Milchrahm in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG 144. Lfg § 49 Rz 102).

[24] 1.10. Auch aus dem Umstand, dass die hier zu beurteilende Vollmacht in Notariatsaktsform errichtet wurde, ist für die Antragstellerin nichts zu gewinnen, denn gemäß § 69 Abs 1a NO bleibt davon das Erfordernis einer Spezialvollmacht unberührt (D. Baumgartner/Weigand in Zib/Umfahrer, NO § 69 [Stand 1. 2. 2024, rdb.at] Rz 21 ff [zur Änderung der Stiftungserklärung Rz 23 aE]).

[25] 2. Die vorgelegte Vollmacht ist keine Spezialvollmacht iSd § 1008 Satz 2 ABGB:

[26] 2.1. Aus dem Zweck des § 1008 ABGB (oben Punkt 1.2.) ergibt sich der notwendige Inhalt einer Spezialvollmacht („Einzelvollmacht“). Sie muss unzweideutig erkennen lassen, dass sie zum Abschluss des betreffenden Geschäfts ermächtigt (vgl 6 Ob 119/09g). Damit die Vollmacht auf das Geschäft selbst lautet, muss das abzuschließende Geschäft, für welches die Vollmacht erteilt wurde, individualisierbar sein (Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1008 Rz 29; vgl 6 Ob 119/09g). Das Erfordernis einer Spezialvollmacht ist daher nicht erfüllt, wenn die Vollmacht von ihr erfasste Rechtsgeschäfte nur abstrakt auflistet (Baumgartner/U. Torggler in Klang³, § 1008 Rz 48).

[27] 2.2. Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass die gegenständliche Vollmacht diesen Voraussetzungen nicht genügt. Sie listet Rechtsgeschäfte, die von ihr umfasst sein sollen, so auch die hier relevante Änderung der Stiftungsurkunde der Stiftung, lediglich abstrakt der Art nach auf. Ein konkretes Geschäft, also im gegebenen Zusammenhang eine individualisierbare Erklärung über die Änderung der Stiftungsurkunde oder der Stiftungszusatzurkunde, lässt sie hingegen nicht erkennen.

[28] 3. Eine allgemeine Vollmacht iSd § 1008 Satz 3 ABGB liegt jedenfalls nicht vor:

[29] 3.1. § 1006 ABGB unterscheidet hinsichtlich des Umfangs zwischen allgemeinen und besonderen Vollmachten, je nachdem, ob jemandem die Besorgung aller Angelegenheiten oder nur einiger Geschäfte anvertraut wird. Die darin enthaltenen Begriffsbestimmungen sind für § 1008 ABGB relevant (Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1006 Rz 1). Eine allgemeine Vollmacht im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn die Vollmacht auf sämtliche Geschäfte des Vollmachtgebers lautet. Eine solche Vollmacht wird als Generalvollmacht bezeichnet (Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1006 Rz 4; Baumgartner/U. Torggler in Klang³, § 1006 Rz 8).

[30] 3.2. Gemäß § 1008 Satz 3 ABGB sind allgemeine, selbst unbeschränkte Vollmachten dann hinreichend, wenn die Gattung des Geschäfts in der Vollmacht ausgedrückt worden ist. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, insbesondere aus der Stellung des dritten Satzes am Ende der gesamten Norm, folgern die Rechtsprechung (vgl 5 Ob 214/09w; 4 Ob 1502/94; GlUNF 6249 [mit ausführlicher Begr]; GlUNF 2071; GlU 6322 [unbedingter Erbschaftsantritt]; für Vorsorgevollmachten 2 Ob 88/18g = RS0132334) und die ältere Lehre (Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1008 Rz 1; Strasser in Rummel, ABGB3 §§ 1006 bis 1008 Rz 12; Ehrenzweig System I² 278; Stanzl in Klang IV/12 812; Swoboda in Klang II/21 798), dass dem Erfordernis der Einzelvollmacht dadurch Genüge getan werden kann, dass im Rahmen einer allgemeinen Vollmacht zumindest die Gattung des Geschäfts, für das an sich Einzelvollmacht gemäß § 1008 Satz 2 ABGB erforderlich wäre, angeführt wird (aA Baumgartner/U. Torggler in Klang³ § 1008 Rz 19, 49 und 50; Perner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 § 1008 Rz 9; Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1008 ABGB Rz 6; Apathy/Burtscher in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 1008 ABGB Rz 6; P. Bydlinski in KBB7 § 1008 ABGB Rz 5).

[31] 3.3. Die in der Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage, ob die hier unter Punkt 3.2. erörterte Rechtsprechung angesichts der gegenteiligen Ansicht der jüngeren Lehre fortzuschreiben ist, stellt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht.

[32] 3.3.1. Eine allgemeine Vollmacht, die nach der erörterten Rechtsprechung zur Anwendung des § 1008 Satz 3 ABGB führte (vgl 4 Ob 92/22s; 5 Ob 214/09w; 4 Ob 1502/94; GlUNF 6249; GlU 6322), hat der Stifter gegenständlich nicht erteilt. Auch der Revisionsrekurs räumt (an anderer Stelle) ein, dass von einer allgemeinen Vollmacht zur Vertretung in sämtlichen Angelegenheiten keine Rede sein könne.

[33] 3.3.2. Die vorgelegte Vollmacht bezieht sich ausdrücklich nur auf den engen Bereich der Rechte des Vollmachtgebers gegenüber der Stiftung. Eine von § 1008 Satz 3 ABGB geforderte allgemeine Vollmacht liegt daher nicht einmal annähernd vor, sodass sich allfällige Schwierigkeiten bei der Bestimmung dieses Begriffs (vgl Ehrenzweig System I² 278 FN 8) von vornherein nicht ergeben.

[34] 3.3.3. Schon deshalb kann die vorgelegte Vollmacht eine Spezialvollmacht iSd § 1008 Satz 2 ABGB zur Änderung der Stiftungserklärung nicht ersetzen.

[35] 4. Ergänzend ist festzuhalten, dass gemäß § 69 Abs 1 NO Vollmachten, die zur Errichtung eines Notariatsakts dienen, entweder öffentliche Urkunden – also in der Regel ebenfalls Notariatsakte (D. Baumgartner/Weigand in Zib/Umfahrer, NO § 69 [Stand 1. 2. 2024, rdb.at] Rz 15) – oder solche Privaturkunden sein müssen, auf denen die Unterschrift des Vollmachtgebers gerichtlich, notariell oder von einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland beglaubigt ist. Eine Vollmacht nach § 69 Abs 1 NO genügt gemäß § 69 Abs 1a NO auch zum Abschluss aller Rechtsgeschäfte und zur Abgabe aller Rechtserklärungen, die zu ihrer Gültigkeit des Notariatsakts bedürfen, wenn in ihr sowohl der rechtsgeschäftliche Vorgang einzeln oder, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht notwendig ist, zumindest der Gattung nach angeführt ist. Demnach muss der rechtsgeschäftliche Vorgang in der als Notariatsakt errichteten oder notariell beglaubigten Vollmacht genannt sein (vgl 4 Ob 19/01z = RS0037978; P. Bydlinski in KBB7 § 1005 ABGB Rz 2).

[36] Das ist hier lediglich betreffend die Befugnis zur Änderung der Stiftungsurkunde der Fall. Damit liegt für Änderungen der Stiftungszusatzurkunde (zur Notariatsaktspflicht siehe oben Punkt 1.8.3.) durch den Sohn des Erststifters auch aus diesem Grund keine ausreichende Vollmacht vor.

[37] 5. Dem unberechtigten Revisionsrekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

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