European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00075.24D.0904.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * K* der Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (A.I.1.) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A.I.2.), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (A.II.) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 erster Fall WaffG (B.) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und nach § 21 Abs 2 StGB in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht.
[2] Danach hat er
A. am 11. September 2023 in B* (zusammengefasst)
I. * M*
1. durch zahlreiche Messerstiche, unter anderem in den Bereich des Gesichtes, des Halses und des Oberkörpers, vorsätzlich zu töten versucht,
2. mit auf diese Art ausgeübter Gewalt gegen dessen Person und unter Verwendung des Messers als Waffe eine fremde bewegliche Sache (einen Rucksack mit Lebensmitteln) mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
II. eine fremde Sache beschädigt, indem er im Anschluss an diese Tathandlungen mit einem Bohrer ein Loch in den Tank des Taxifahrzeugs des M* stieß,
B. von Anfang 2023 bis 13. September 2023 in W* und an anderen Orten des Bundesgebiets, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe, nämlich einen Schlagring (§ 17 Abs 1 Z 6 WaffG), unbefugt besessen.
[3] Die Geschworenen bejahten die Hauptfragen in Richtung der Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (Hauptfrage I) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (Hauptfrage II), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Hauptfrage IV) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 erster Fall WaffG (Hauptfrage V).
[4] Die (für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I und Bejahung der Hauptfrage II gestellte) Eventualfrage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen der Qualifikation des § 143 Abs 2 erster Fall StGB (Eventualfrage III) blieb unbeantwortet; weitere Fragen wurden nicht gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[5] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9, 10a und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[6] Die Fragenrüge (Z 6) vermisst eine Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB). Sie bringt vor, der Beschwerdeführer habe sich mit „seiner psychischen Erkrankung iS einer Verhaltensstörung, welche auf multiplen Substanzgebrauch (Abhängigkeitssyndrom) zurückzuführen“ sei, verantwortet und beruft sich auf die Diagnose einer solchen Störung im Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen.
[7] Indem die Rüge allerdings die weiteren gutachterlichen Ausführungen zur aus medizinischer Sicht trotzdem vorgelegenen Zurechnungsfähigkeit unberücksichtigt lässt (vgl RIS‑Justiz RS0120766), zeigt sie kein nach allgemeiner Lebenserfahrung ernst zu nehmendes Indiz für die begehrte Fragestellung auf (vgl aber RIS-Justiz RS0100860 [T1], RS0100527 [T1]).
[8] Dies trifft auch auf die Kritik am Unterbleiben einer Zusatzfrage nach dem Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 3 StGB) zu. Denn diese Argumentation greift bloß die Angaben des Angeklagten heraus, nach welchen das Opfer ihm das Messer wegnahm und ihn damit angriff, übergeht aber jene Teile seiner eigenen Verantwortung und der Aussage des Opfers, wonach er zuvor bereits mehrfach auf dieses – unter anderem von hinten auf dessen Hals und Oberkörper – eingestochen hatte.
[9] Die Instruktionsrüge (Z 8) kritisiert, dass die schriftliche Rechtsbelehrung der Geschworenen (§ 321 Abs 2 StPO) keine Ausführungen zu Notwehr (§ 3 StGB) und Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) enthielt. Sie macht aber nicht klar, warum Begriffe hätten erklärt werden sollen, die in den tatsächlich gestellten Fragen nicht vorkamen (vgl RIS‑Justiz RS0100645 [insb T2], RS0100804 [T3]). Soweit sie Ergebnisse des Beweisverfahrens ins Treffen führt, verlässt die Rüge den Anfechtungsrahmen. Die Zurückführung der Tatbestandsmerkmale auf den zu beurteilenden konkreten Sachverhalt ist nämlich nicht Gegenstand der – abstrakt abzufassenden – Rechtsbelehrung (RIS‑Justiz RS0100764).
[10] Worin ein Mangel des Wahrspruchs im Sinn der Z 9 (Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder innerer Widerspruch; RIS-Justiz RS0101195) zu erblicken sein sollte, wird mit der Wiedergabe eines Teils desselben und der bloßen Behauptung, die darin enthaltene Schilderung eines Ausschnitts des Tatgeschehens sei „nicht nachvollziehbar, sodass unklar bleibt, auf welcher Basis überhaupt ein Urteil gefällt worden ist“, nicht dargetan (vgl RIS-Justiz RS0120126).
[11] Die Tatsachenrüge (Z 10a) weckt mit ihren Hinweisen auf das Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen, wonach das Opfer schwere Verletzungen erlitt, durch diese aber konkret keine Lebensgefahr bestand, und auf die vom psychiatrischen Sachverständigen attestierte Persönlichkeitsstörung keine erheblichen Bedenken gegen die von den Geschworenen im Wahrspruch zur Hauptfrage I getroffenen Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen, insbesondere zum Bestehen des Mordvorsatzes (zum Maßstab vgl RIS-Justiz RS0118780 [T16, T17]).
[12] Mit dem Verweis auf die Ausführungen in der Strafberufung wird schließlich kein Rechtsfehler bei der Sanktionsfindung (Z 13) deutlich und bestimmt aufgezeigt (vgl RIS-Justiz RS0099753).
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).
[14] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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