OGH 15Os59/24a

OGH15Os59/24a4.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hule in der Strafsache gegen * V* wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 15. Dezember 2023, GZ 52 Hv 111/23w‑16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00059.24A.0904.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * V* des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er sich in S* seit Mitte 2020 bis 15. April 2023 in mehreren Angriffen ein ihm anvertrautes Gut, nämlich ihm als Kellner übergebene und für seinen Arbeitgeber bestimmte Kundenzahlungen in Höhe von zumindest 40.000 Euro mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er sie nicht im Rahmen der Tagesabrechnung ablieferte, sondern für sich behielt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

[4] Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) richtet sich ausschließlich gegen die Konstatierungen zur Höhe des insgesamt vom Angeklagten veruntreuten Geldbetrags von zumindest 40.000 Euro. Damit verfehlt sie von vornherein den Bezugspunkt der Anfechtung, weil das Überschreiten der Wertgrenze von 5.000 Euro nach § 133 Abs 2 erster Fall StGB im Ergebnis gar nicht in Frage gestellt und somit keine entscheidende Tatsache angesprochen wird (RIS‑Justiz RS0117499, RS0099497 [T16]).

Im Übrigen ist dem Beschwerdevorbringen Folgendes zu entgegnen:

[5] Die Tatrichter haben – entgegen der diesbezüglichen Behauptung (Z 5 vierter Fall) – von den vom Angeklagten einkassierten Beträgen sehr wohl Trinkgelder abgezogen (US 5).

[6] Entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) steht die Annahme des Erstgerichts, der Angeklagte habe sich während einer Mindestdauer von 18 Monaten einkassierte Beträge zugeeignet, nicht im Widerspruch zu der Urteilspassage, wonach der Beginn des inkriminierten Verhaltens nicht bekannt sei.

[7] Soweit der Rechtsmittelwerber die Erwägungen des Schöffengerichts zum Wert von mindestens 40.000 Euro kritisiert und ausführt, die „fiktive“ Berechnung aufgrund der Aussage des Zeugen * I* (US 6) wäre unzureichend (Z 5 vierter Fall), verkennt er, dass eine Urteilsbegründung nicht auf logisch zwingenden Ableitungen beruhen muss. Auch in freier Beweiswürdigung gezogene Wahrscheinlichkeitsschlüsse sind zur Begründung von Tatsachenfeststellungen geeignet, sofern nur der solcherart getroffenen Konstatierung die richterliche Überzeugung von der Richtigkeit der „wahrscheinlichen“ Tatsache im Sinn des § 258 Abs 2 StPO zugrunde liegt (RIS‑Justiz RS0098471).

[8] Indem der Rechtsmittelwerber betreffend die Aussagen der Zeugen * B*, * S* und * K* Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) behauptet, übersieht er, dass eine solche nur im Fall der unrichtigen Wiedergabe des Inhalts einer Urkunde oder einer Aussage vorliegt (RIS‑Justiz RS0099524). Dies wird von der Mängelrüge aber gar nicht behauptet, vielmehr übt sie unzulässige Beweiswürdigungskritik, indem etwa ausgeführt wird, es erscheine „nicht realistisch“, dass eine Zeugin seit dem ersten Tag ihrer Einstellung jeden Tag etwaige Handlungen durch den Angeklagten wahrgenommen haben soll.

[9] Der Rechtsmittelwerber verkennt, dass der „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) niemals Gegenstand der Nichtigkeitsgründe der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO sein kann (RIS‑Justiz RS0102162).

[10] Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

[11] Mit dem Vorbringen unter Verweis auf die Aussage des Zeugen K*, das Erstgericht habe Krankenstände, Zeitausgleich und Betriebsurlaub unberücksichtigt gelassen und von den Zeugen angegebene Variable vermengt, indem es sich betreffend die Mindestdauer auf die Angaben der Zeugen S* und K* stützte, den „Betrag von durchschnittlich 100 Euro“ pro Tag jedoch auf die Aussage des I* gründete, werden derartige Bedenken nicht geweckt.

[12] Das Vorbringen der Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Sachverhalt, indem kritisiert wird, das Erstgericht hätte es unterlassen, von den kassierten Beträgen die vom Angeklagten lukrierten Trinkgelder abzuziehen (vgl jedoch US 2; RIS‑Justiz RS0099810).

[13] Der weiteren Subsumtionsrüge ist zu entgegnen, dass ein Feststellungsmangel nur in Ansehung von Tatbestandsmerkmalen geltend gemacht werden kann, zu denen keine Feststellungen getroffen wurden (RIS‑Justiz RS0118580; vgl zum Wert von insgesamt zumindest 40.000 Euro US 2). Überdies sind neben den vermissten Feststellungen auch die diese indizierenden Verfahrensergebnisse deutlich und bestimmt zu bezeichnen (RIS‑Justiz RS0099689 [T6]). Über diese Kriterien setzt sich die Beschwerde hinweg, indem sie bloß darauf verweist, die vom Zeugen K* übergebenen Urkunden würden belegen, dass der Angeklagte in Anwendung des entsprechenden Kollektivvertrags einen Entgeltanspruch auf Über‑ bzw Mehrstunden hatte. Das Vorbringen, für diesen Fall würde auch ein Bereicherungsvorsatz auf einen entsprechenden Anteil der Schadenssumme entfallen, was „zum Wegfall der Wertqualifikation und zur Straffreiheit (wegen tätiger Reue)“ führen würde, bleibt unverständlich (vgl Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 167 Rz 13).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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