European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00107.23B.0626.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[2] 1.1. Das Berufungsgericht hat sich in seiner Entscheidung mit den in der Berufung erhobenen Mängel- und Beweisrügen auseinandergesetzt und sie nicht als berechtigt erachtet. Diese Fragen können nicht ein weiteres Mal an den Obersten Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, herangetragen werden (RS0042903 [T7]; vgl RS0043371; RS0042963).
[3] 1.2. Eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht liegt vor, wenn dieses von den Feststellungen des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung oder aufgrund einer unvollständigen Wiederholung der mit dem Beweisthema zusammenhängenden Beweise, auf die das Erstgericht entscheidende Feststellungen gestützt hat, abgeht oder wenn es ohne Beweiswiederholung Feststellungen aufgrund der in erster Instanz aufgenommenen Beweise ergänzt (RS0043057). Das ist hier nicht der Fall.
[4] 1.3. Es stellt keine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes dar, wenn das Berufungsgericht eine erstgerichtliche Feststellung ersatzlos nicht übernimmt, weil es dem Thema keine rechtliche Relevanz beimisst (vgl RS0043057 [T13]).
[5] 1.4. Im Rahmen der Überprüfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung ist das Berufungsgericht nicht genötigt, sich mit jedem einzelnen Beweisergebnis und mit jedem Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RS0043150 [T2]).
[6] Entgegen den Revisionsausführungen hat das Erstgericht auch nicht lediglich Mutmaßungen angestellt, ob es zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien verbindliche mündliche, vom schriftlichen Text abweichende Abreden gab, sondern deren Existenz ausdrücklich festgestellt. Lediglich zum Inhalt dieser mündlichen Vereinbarungen hat es – mangels eindeutiger und überzeugender Beweisergebnisse – eine Negativfeststellung getroffen, die das Berufungsgericht mit schlüssiger und auch ausreichender (vgl RS0043150; RS0042206) Begründung übernommen hat.
[7] 1.5. Inwiefern in der Übernahme einer Negativfeststellung eine Aktenwidrigkeit liegen sollte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
[8] Soweit die Revision den Versuch unternimmt, vom Erstgericht in seiner Beweiswürdigung angestellte Überlegungen zu dislozierten Tatsachenfeststellungen umzudeuten, macht sie keinen zulässigen Revisionsgrund geltend.
[9] 1.6. Aus der Begründung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs im Zwischenstreit über die internationale Zuständigkeit (8 Ob 13/22b) kann die Revision nichts für ihren Standpunkt Günstigeres ableiten.
[10] 1.7. Letztlich lässt die Revision in den über viele Seiten reichenden Ausführungen jede Darstellung der rechtlichen Relevanz der behaupteten Revisionsgründe vermissen. Ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß bildet nur dann den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (RS0043027). Diese Voraussetzung muss vom Rechtsmittelwerber dargelegt werden, soweit sie nicht offensichtlich ist. Allein die Behauptung, dass konkrete Verfahrensverstöße unterlaufen seien, aber ohne Darstellung, welcher andere Sachverhalt ohne diese Verstöße festzustellen gewesen wäre und inwiefern er zu einer für den Rechtsmittelwerber günstigeren rechtlichen Beurteilung geführt hätte, genügt nicht. Es ist auch nicht zulässig, sich bei Ausführung einer Revision mit einem ausdrücklichen oder inhaltlichen Hinweis auf die Ausführungen in der Berufung zu begnügen (RS0043616).
[11] Wenn sich die Revision konkret darauf bezieht, dass das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung angenommen habe, die Zedenten der Klagsforderung wären nicht leistungsbereit, stünde dies – selbst wenn es sich um eine ergänzende Feststellung und nicht nur um eine rechtliche Interpretation des eine weitere Leistungspflicht in Abrede stellenden Klagsvorbringens handeln würde – im Zusammenhang mit einer bloßen Hilfsbegründung, weshalb es diesem Thema an Entscheidungsrelevanz mangelt (RS0043027 [T17]).
[12] 2. Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0042936; RS0112106 [T1]). Eine solche Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in einem solchen Fall unabhängig davon nicht vor, ob allenfalls auch die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar gewesen wäre (RS0112106 [T3]).
[13] 2.1. Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht sei von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen und von den Feststellungen des Erstgerichts abgewichen, ist dies offenkundig unbegründet.
[14] Die Beklagte hat die 50 % Gesellschaftsanteile an der A* GmbH zunächst zu dem im Abtretungsvertrag genannten Preis offiziell erworben. In der Vereinbarung vom 15. 4. 2016 wurde demgegenüber ein wesentlich höherer Wert der Anteile genannt und dem entsprechend wurden weitere von der Beklagten gezahlte bzw noch zu zahlende Beträge aufgelistet. Wenn das Berufungsgericht diese weiteren Zahlungen als „Preiserhöhung“ bezeichnet hat, beschreibt dies lediglich diesen Unterschied in den schriftlichen Vertragswerken, ohne von den erstgerichtlichen Feststellungen abzuweichen.
[15] Soweit das Erstgericht festgestellt hat, dass „zusätzliche Anteilskäufe nicht erforderlich“ gewesen seien, weil die Beklagte die geplanten Anteile an der A* GmbH bereits erworben hatte, ist unmissverständlich klar, dass damit zusätzliche Ankäufe der Beklagten gemeint waren. Demgegenüber steht ebenfalls klar und eindeutig fest, dass noch nicht sämtliche im Vertrag vom 15. 4. 2016 aufgezählten Gesellschaftsanteile in die A* GmbH selbst eingebracht worden waren, sondern sie diese erst erwerben hätte sollen. Der von der Revision erblickte Widerspruch liegt daher auch hier nicht vor.
[16] 2.2. Entgegen den Revisionsausführungen kommt es auf die Auslegung der schriftlichen Vereinbarung vom 15. 4. 2016, soweit sie die Gültigkeit von mündlichen Nebenabreden betrifft, für die rechtliche Beurteilung nicht an. Es steht nämlich der davon abweichende Parteiwille fest, dass „in Wahrheit das mündlich Vereinbarte gelten“ und „durch die Verschriftlichung der getroffenen Absprache keine Änderung des vorab mündlich Vereinbarten bewirkt werden“ sollte.
[17] 2.3. Grundsätzlich hat jede Partei im Verfahren die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RS0037797). Davon ist auch das Berufungsgericht nicht abgewichen.
[18] Der Umstand, dass zum Inhalt der mündlichen Vereinbarung der Vertragsteile über die genauen Bedingungen und Modalitäten für die Verpflichtung zur Zahlung des Klagsbetrags überwiegend nur Negativfeststellungen getroffen werden konnten, fällt der für die Richtigkeit und Fälligkeit ihrer Forderung beweispflichtigen Klägerin zur Last.
[19] Soweit die Revision argumentiert, dass allenfalls überhaupt keine abschließende mündliche Einigung vorgelegen habe, lässt sie offen, inwiefern dann daraus das Bestehen der Klagsforderung abzuleiten wäre.
[20] 2.4. Ob der Erwerb von Gesellschaftsanteilen durch die A* GmbH, die nach den Feststellungen wesentlicher Teil des Gesamtkonzepts und Voraussetzung für die Verpflichtung zur Zahlung des Klagsbetrags war, notariatsaktspflichtig gewesen wäre, wenn er denn zustandegekommen wäre, spielt keine Rolle. Die Revision verkennt, dass es nicht darum geht, ob der Beklagten die Übertragung von Anteilen im Sinne einer durchsetzbaren Verpflichtung „geschuldet“ war, sondern darum, welche Bedingungen die Vertragsparteien für die Fälligkeit des Klagsbetrags vereinbart haben, nämlich ob diese vom Erwerb der fehlenden Beteiligungen durch die A* GmbH (wodurch die von der Beklagten gehaltenen Anteile an dieser erst ihren vollen Wert erlangt hätten) abhängig war.
[21] 2.5. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es der Klägerin nicht gelungen ist, den Inhalt der nach dem wahren Willen der Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung und damit die Grundlage für Bestehen sowie Fälligkeit ihrer Forderung unter Beweis zu stellen, ist auf Grundlage des Sachverhalts nicht korrekturbedürftig.
[22] Die Revisionsausführungen erweisen sich über weite Strecken als unzulässiger Versuch, die Ergebnisse des Beweisverfahrens in Frage zu stellen, etwa wenn sie davon ausgehen, dass ein vom schriftlichen Vertragstext abweichender Parteiwille nicht festgestellt worden wäre, oder dass der vereinbarte „Einstieg“ in die streitgegenständlichen Projekte und Unternehmungen umgesetzt worden wäre.
[23] Das Berufungsgericht ist auch nicht von einer Unwirksamkeit des Vertrags ausgegangen, sondern davon, dass die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass das zugrundeliegende Projekt jemals im vereinbarten Sinn zur Gänze durchgeführt wurde. Einer ergänzenden Vertragsauslegung bedurfte es daher nicht.
[24] 2.6. Ob die Klagsabweisung alternativ auch auf § 1052 ABGB gegründet werden konnte, ist bei diesem Ergebnis nicht mehr entscheidungswesentlich. Soweit die Revision meint, die Beklagte habe sich auf die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags gar nicht berufen, sodass das Berufungsgericht sie auch nicht aufgreifen hätte dürfen, ist dies unzutreffend.
[25] Richtig ist, dass die Einrede nicht von Amts wegen wahrzunehmen wäre. Sie muss aber auch nicht ausdrücklich erhoben werden, sondern es genügt, dass der Beklagte die den Einwand begründenden Tatsachen vorbringt (RS0011499 [T3; T4]; vgl RS0098986 [T1; T5]; RS0020997 [T14] = 6 Ob 140/16f).
[26] 3. Mangels einer über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinaus erheblichen Rechtsfrage war die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen, was keiner weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).
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