European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00025.24S.0523.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 2.903,03 EUR (darin enthalten 483,84 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Erstbeklagte stellt das Erfrischungsgetränk „Römerquelle bio limo leicht“ her, die Zweitbeklagte vertreibt es.
[2] Das Getränk befindet sich in einer transparenten Plastikflasche, in der die hellgelb-grünliche Flüssigkeit zu sehen ist. Auf dem Frontetikett sind das Logo eines trinkenden Römers, eine Limette, vier Minzblätter und eine aufgeschnittene Zitrone sowie die Schriftzüge „bio limo leicht“ und „zitrone limette minze“ erkennbar:
[3] Auf der Rückseite wird das Produkt als „Kalorienarmes Zitronenerfrischungsgetränk mit Minze‑/Limettengeschmack“ deklariert. Zusätzlich finden sich folgende Angaben: „Pasteurisiert. Biologisch. Zutaten: natürliches Mineralwasser, Zucker°, Zitronensaft° aus Zitronensaftkonzentrat (5,3%), Apfelsaft° aus Apfelsaftkonzentrat (3,7%), Kohlensäure, natürliche Aromen, Antioxidationsmittel: Ascorbinsäure.
(°) aus biologischer Landwirtschaft“.
[4] Die Rezeptur der „bio limo“ beinhaltet ein natürliches Minzaroma, das gemäß Art 16 Abs 4 Aromen‑VO 1334/2008 also ausschließlich oder zu mindestens zu 95 Gew‑% aus Minze hergestellt sein muss. Natürliches Limetten-Aroma ist ebenfalls enthalten, allerdings nur als Teil einer Mischung verschiedener natürlicher Zitrusfrüchte-Aromen. Die Erstbeklagte verwendet kein Limettensaftkonzentrat und keinen Minzextrakt, weil diese weniger starken Geschmack generieren würden als die eingesetzten Aromen.
[5] Das Getränk wird auch in online-Shops beworben, unter anderem auf der Website von zwei Supermärkten und auch der Zweitbeklagten. Vor dem Verfahren wurde es mit folgenden Formulierungen beschrieben: „Ihr Fruchtanteil besteht aus Obst aus biologischem Anbau“ und „Die Kombination aus prickelndem Römerquelle Mineralwasser und Anteilen biologisch angebauter Zitrone, Limette und Minze (…)“.
[6] Der Kläger will mit seiner Unterlassungsklage den Beklagten wegen Irreführung nach § 2 Abs 1 Z 2 UWG verbieten lassen, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, die von ihnen in Verkehr gebrachten Bio-Limonaden enthielten bestimmte Frucht- und/oder Kräuteranteile, wenn tatsächlich ein oder mehrere dieser vorgeblichen Zutaten nicht oder nur in Form von Aromen enthalten sind; sowie Urteilsveröffentlichung durch die Zweitbeklagte und Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung an weiteren Stellen. Zum Unterlassungsanspruch formulierte er ein Haupt- und drei Eventualbegehren. Rechtsbruch wegen Verletzung der Kennzeichnungspflichten gemäß der Aromen‑VO 1334/2008 wurde ausdrücklich nicht geltend gemacht.
[7] Das Erstgericht wies die Klage ab. Zwar erwecke die Produktaufmachung und Etikettengestaltung der „bio limo leicht“ den Eindruck, dass im Getränk Zitrone, Limette und Minze vorhanden seien. Diese Zutaten müssten bei einer Limonade jedoch nicht in Form von Limettensaft und Minzextrakt enthalten sein, die Verbrauchererwartung werde schon durch die Verwendung von entsprechenden natürlichen Aromen erfüllt.
[8] Das Berufungsgericht wies das Unterlassungshauptbegehren ab, gab aber dem ersten Unterlassungseventualbegehren statt, das sich durch den Zusatz „und darauf nicht hinreichend deutlich hingewiesen wird“ unterscheidet. Konkret untersagte es den Beklagten also, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, von ihnen in Verkehr gebrachte Bio-Limonaden enthielten bestimmte Frucht- und/oder Kräuteranteile, insbesondere durch die entsprechende Produktbezeichnung wie „bio limo leicht zitrone/limette/minze“ und die blickfangartige naturgetreue Abbildung der genannten Inhaltsstoffe wie von Zitronen, Limetten und Minzblättern, und/oder durch Produktbeschreibungen wie „ihr Fruchtanteil besteht aus Obst aus biologischem Anbau“ oder sinngleichen Ankündigungen, wenn tatsächlich ein oder mehrere dieser vorgeblichen Zutaten in der Limonade nicht oder nur in Form von Aromen, mögen diese auch Art 16 Abs 4 Aromen‑VO 1334/2008 entsprechen, enthalten sind, sie insbesondere keinen Limettensaft und/oder keinen Minzextrakt enthalten, und darauf nicht hinreichend deutlich hingewiesen wird. Die Verwendung bloßer Aromastoffe sei irreführend, wenn der Verbraucher sich aufgrund der Aufmachung echte Früchte erwarte. Das Produkt der Beklagten wecke durch die Bezeichnung „bio limo leicht Zitrone Limette Minze“ in Zusammenschau mit der blickfangartigen naturgetreuen Abbildung einer Zitronenspalte, einer ganzen Limette und von vier Minzblättern beim Durchschnittsverbraucher die Erwartung, dass das Getränk Zitronensaft, Limettensaft und Minzblätter in weitgehend natürlicher Form enthalte. Diese Erwartung werde zwar durch das Zitronensaftkonzentrat (noch) erfüllt, das auf Basis des jeweiligen Fruchtsafts durch Entzug von Wasser entstehe. Ein Aroma, auch ein natürliches, vermute der Verbraucher in einem naturnahen Bioprodukt aber nicht. Weder die korrekte Zutatenliste auf der Flaschenrückseite noch die Zulässigkeit der Limonadenherstellung mit Aromen würden die durch den Blickfang verursachte Irreführung verhindern. Aus der Entscheidung EuGH C‑195/14 , Teekanne, dürfe nämlich nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Verwendung von natürlichen Aromen unter allen Umständen eine Irreführung der Verbraucher durch die Abbildung von Früchten ausschließe. Die von den Beklagten zitierte Entscheidung C‑595/21 , LSI – Germany GmbH, sei nicht einschlägig. Sie betreffe die besondere Kennzeichnungspflicht einer Ersatzzutat und nicht die Richtigstellung eines durch eine Produktaufmachung verursachten unrichtigen Eindrucks mit Hilfe der Zutatenliste. Das Hauptbegehren sei abzuweisen, weil eine Irreführung schon durch einen ausreichend deutlichen Hinweis vermieden werden könne, dass Limette und Minze lediglich in Form natürlicher Aromen enthalten sei.
[9] Das Berufungsgericht verpflichtete die Zweitbeklagte zur Urteilsveröffentlichung auf ihrer eigenen Website und ermächtigte den Kläger – wie beantragt – zur Urteilsveröffentlichung in einer Samstagsausgabe der Kronenzeitung sowie beim Produktangebot im Onlineshop der beiden die Limonade führenden Supermarktketten. Entgegen der Ansicht der Beklagten könne nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung die Urteilsveröffentlichung auch auf nicht von den Beklagten betriebenen Websites angeordnet werden, auf denen die irreführende Ankündigung erfolgt sei. Diese seien insofern als Medieninhaber gemäß § 25 Abs 7 UWG anzusehen.
[10] Mit ihrer außerordentlichen Revision wollen die Beklagten die Klagsabweisung erreichen.
[11] Der Kläger beantragt, die Revision zurück- bzw abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
[13] 1. Die Beklagten monieren einen diametralen Widerspruch der österreichischen Irreführungsrechtsprechung zur EuGH-Judikatur. Dieser liegt jedoch tatsächlich nicht vor.
[14] 1.1. Die Beklagten argumentieren, dass die österreichische Judikatur zur Irreführung durch die blickfangartige Produktpräsentation von Lebensmitteln durch die Entscheidung C‑595/21 , LSI – Germany GmbH, überholt sei. Laut dieser Entscheidung kenne der interessierte Verbraucher nämlich jedenfalls die Zutatenliste: „Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher liest nämlich, wenn sich seine Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des betreffenden Lebensmittels richtet, zunächst das Verzeichnis der Zutaten dieses Lebensmittels, dessen Angabe nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1169/2011 verpflichtend ist“ (Rz 33). Der Verbraucher könne somit bei richtiger Zutatenliste nie durch eine Produktaufmachung irregeführt werden (vgl auch EuGH 1. 12. 2022, C‑595/21 , Glosse Natterer in ÖBl 2023/53; Natterer/Sirakova, Blickfangjudikatur und mündiger Verbraucher im Lebensmittelrecht, ÖBl 2018, 208).
[15] Der erkennende Senat teilt die aus dieser Entscheidung gezogenen Schlüsse nicht. Das Vorabentscheidungsersuchen betraf die Art 17 Abs 1, 4 und 5 in Verbindung mit Anhang VI Teil A Nr 4 der Verordnung (EU) Nr 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr 1924/2006 und (EG) Nr 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr 608/2004 der Kommission (in der Folge: Lebensmittelinformationsverordnung bzw LMIV). Der EuGH stellte bei seiner Beantwortung klar, dass die beiden an unterschiedlichen Stellen des Normtextes verwendeten Begriffe „Produktname“ und „Bezeichnung des Lebensmittels“ bedeutungsgleich seien. Produktname sei daher insbesondere kein Synonym für „als geistiges Eigentum geschützte Bezeichnung“, „Handelsmarke“ oder „Fantasiebezeichnung“ iSv Art 17 Abs 4 LMIV. Hinweise auf Ersatzzutaten hätten daher bei der Bezeichnung des Lebensmittels und nicht bei der Markenbezeichnung zu erfolgen.
[16] Die Entscheidung C‑595/21 , LSI – Germany GmbH,befasste sich somit – wie schon das Berufungsgericht richtig erkannt hat – nicht mit der hier relevanten Frage, ob und unter welchen Umständen die Produktaufmachung eines Lebensmittels trotz richtiger und vollständiger Deklaration der Zutaten irreführend sein kann. Für diese Frage ist nach wie vor die Entscheidung EuGH C‑195/14 , Teekanne,richtungsweisend.
[17] 1.2. Die Beklagten meinen außerdem, dass der EuGH gemäß seiner Entscheidung EuGH C‑195/14 , Teekanne,eine Irreführung nur dann bejahe, wenn eine abgebildete Zutat dem Lebensmittel vollständig fehle (unter Hinweis auf Rz 42). Im vorliegenden Fall seien die Zutaten hingegen als natürliche Aromen aus zertifiziert biologischen Früchten vorhanden, was sogar die vom Berufungsgericht fälschlich angenommene Verbrauchererwartung eines naturnahen Lebensmittels erfüllen würde.
[18] 1.2.1. Maßgebend für die Frage der Irreführung ist nach dem EuGH der Gesamteindruck der Etikettierung, also „alle[r] Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und die auf dessen Verpackung angebracht sind“ (Rz 39). Wenn einige dieser verschiedenen Elemente unwahr, falsch, mehrdeutig, widersprüchlich oder unverständlich sind, kann es sein, dass das Zutatenverzeichnis, auch wenn es richtig und vollständig ist, nicht geeignet ist, eine Fehlvorstellung des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen (Rz 40).
[19] Auch der BGH äußerte in seinem der Entscheidung zugrundeliegenden Vorabentscheidungsersuchen ausdrücklich die Befürchtung, dass die Produktaufmachung den Verbraucher davon abhalten kann, überhaupt einen Blick in das Zutatenverzeichnis zu werfen (BGH 26. 2. 2014, I ZR 45/13 Rn 10).
[20] Jahn/Palzer formulieren dazu griffig, dass das im „Verfassungshimmel der Grundfreiheiten“ ersonnene, integrationsfreundliche Informationsmodell des EuGH sich deshalb sehr wohl auch auf dem „harten Acker des konkreten Irreführungsschutzes“ bewähren müsse. Ein richtiges Zutatenverzeichnis allein gewähre Herstellern keinen „safe harbor“ gegen alle Irreführungsvorwürfe (Jahn/Palzer, Irreführendes Verpackungsdesign und der mündige Verbraucher, GPR 2016, 33).
[21] Die von der österreichischen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, wonach ein aufklärender Hinweis eine bereits durch Blickfangelemente hervorgerufene Irreführung nicht verhindern kann (vgl RS0115866 [T3]; 4 Ob 80/23b [Rz 24]), stehen also nach wie vor im Einklang mit der Judikatur des EuGH.
[22] 1.2.2. Natterer/Sirakova vertreten zwar die gegenteilige Ansicht, dass freiwillige Information eines Lebensmittelherstellers die Pflichtkennzeichnung nicht „aushebeln“ könne. Der Unionsgesetzgeber hätte dem Lebensmittelunternehmer im Sinn des Verbraucherschutzes ja nicht geradezu überbordende Kennzeichnungs- und Informationspflichten in über hundert Rechtsakten aufgetragen, wenn der Verbraucher aufgrund einer einzigen freiwilligen Angabe detaillierte Vorstellungen zu Art des Lebensmittels, präziser Zusammensetzung oder Herkunft entwickeln dürfte.
[23] Die Erfüllung der Kennzeichnungspflicht immunisiert nicht generell gegen Irreführung.
[24] Auch lassen die Autoren völlig offen, wie der Verbraucher überhaupt erkennen könnte, welche der Angaben auf einer Lebensmittelpackung eine (unzutreffende oder zumindest nicht ernstzunehmende) freiwillige ist und welche der korrekten Erfüllung der Kennzeichnungspflichten dient und damit verlässliche Informationen über das Produkt vermittelt.
[25] 1.2.3. Im Übrigen ist Lebensmittelproduzenten eine Irreführung der Verbraucher nicht nur nach § 2 UWG untersagt, sondern auch ausdrücklich durch das Lebensmittelkennzeichnungsrecht der Europäischen Union. Art 7 Abs 1 lit a LMIV lautet ganz klar: „Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung“. Abs 4 lit a und b stellen klar, dass dies auch für die Werbung und die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere für ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung gilt.
[26] 2. Die Beklagten betonen, dass die Verwendung vonAromen auch in Bio-Lebensmitteln zulässig und die konkrete Produktaufmachung deshalb nicht irreführend sei. Die gegenteilige Beurteilung durch das Berufungsgericht begründe sogar eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil die angenommene Verbrauchererwartung einer besonderen Natürlichkeit überraschend sei und sogar das Klagsvorbringen überschreite.
[27] 2.1. Nach § 182a ZPO muss das Gericht das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien erörtern und darf seine Entscheidung in der Hauptsache nicht auf rechtliche Gesichtspunkte stützen, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat. Vielmehr hat das Gericht seine Rechtsauffassung den Parteien darzulegen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben (RS0037300; RS0108816). Das Überraschungsverbot gilt auch im Berufungsverfahren (RS0037300 [T1]).
[28] Es bedarf aber keiner richterlichen Anleitung, wenn bereits der Prozessgegner die Schwächen eines Vorbringens oder einer Rechtsauffassung aufgezeigt hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (RS0122365). Von einer Überraschungsentscheidung kann daher hier keine Rede sein, weil sich der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich auf die Diskrepanz zwischen Gesamteindruck der Produktpräsentation und Inhaltsstoffen des Getränks berufen hat (vgl RS0122365).
[29] Auch kann es eine Partei nicht in unzulässiger Weise überraschen, wenn ein Rechtsmittelgericht zu einem rechtlichen Gesichtspunkt, den eine Partei schon im Verfahren erster Instanz ins Spiel gebracht hat, eine andere Rechtsansicht vertritt als das Erstgericht (vgl RS0122365 [T1]).
[30] 2.2. Gemäß § 405 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das Gericht hat sich dabei an den Klagegrund zu halten – das ist das tatsächliche Vorbringen der Parteien, nicht deren rechtliche Beurteilung dieses Vorbringens (RS0037551).
[31] Dass ein Gericht dem Klagebegehren wie beantragt aufgrund der behaupteten Tatsachen stattgibt, aber in seiner Urteilsbegründung von der Argumentationsstruktur oder gar nur der Diktion in Schriftsätzen der klagenden Partei abweicht, stellt deshalb keinen Verstoß gegen § 405 ZPO dar.
[32] Es ist daher im vorliegenden Fall irrelevant, ob der Kläger die Irreführungseignung auch mit der vom Berufungsgericht gewählten Formulierung begründet hat, dass der Verbraucher ein „naturnahes“ Produkt kaufen wolle, oder ob er nur mit anderen Worten begründete, welche Zutaten sich der Verbraucher aufgrund der Produktaufmachung erwarten konnte.
[33] 2.3. Auch die inhaltliche Kritik der Beklagten an der Entscheidung des Berufungsgerichts überzeugt den Senat nicht. Mit ihrer Argumentation übersehen die Beklagten nämlich, dass die Irreführung nicht aus der (zulässigen) Verwendung von Aromen in einem als bio gekennzeichneten Lebensmittel abgeleitet wurde. Vielmehr soll mit dem Unterlassungsgebot eine Diskrepanz zwischen der durch den Gesamteindruck der Produktpräsentation hervorgerufenen Verbrauchererwartung vermieden werden, die Bio-Limonade enthielte der Geschmacksrichtung entsprechende Frucht- und/oder Kräuteranteile, und der Tatsache, dass zwei der drei Geschmackskomponenten stattdessen nur durch Aromen erzeugt werden.
[34] Auf dem Frontetikett des von den Beklagten vertriebenen Getränks sticht die Wortfolge „bio limo leicht Zitrone Limette Minze“ auf der Schauseite dominant hervor.
[35] Das Wort „Limo“ ist laut Duden eine umgangssprachliche Kurzform für das Wort Limonade. Dessen Bedeutung erklärt das Wörterbuch als ein „alkoholfreies, kohlensäurehaltiges Getränk aus Obstsaft oder entsprechender Essenz, Zucker und Wasser“. Das Wort leite sich von den französischen bzw italienischen Worten limonade und limonata für Zitronenwasser ab (Duden, Deutsches Universalwörterbuch9 [2019] 1148).
[36] Im lebensmittelrechtlichen Fachjargon bezeichnet das Wort Limonade Erfrischungsgetränke, in denen nach dem Österreichischen Lebensmittelbuch – anders als bei sog Fruchtsaftlimonaden – überhaupt kein Fruchtsaftanteil enthalten sein muss. Es reicht für eine Limonade also völlig aus, wenn der Geschmack durch (auch nur künstliche) Aromen erzeugt wird (vgl ÖLMB B 26 1.2.2.1).
Die Bezeichnung Limo meint also sehr unterschiedliche Arten von Getränken: Am einen Ende des Spektrums findet sich die hausgemachte Limonade aus (nur) reinem Obstsaft, Zucker und Mineralwasser, am anderen Ende hochverarbeitete, industriell hergestellte Softdrinks, die auch oder sogar nur künstliche Aromen enthalten.
[37] Durch die Wortfolge „zitrone limette minze“, die blickfangartige Abbildung von diesen Früchten und Kräutern in naturgetreuer Form, die prominent platzierte Mineralwassermarke, die Farbgestaltung von Verpackung und Getränk selbst und nicht zuletzt durch den Zusatz „bio“ weckt das Produkt (gewollte) Assoziationen mit einer sehr naturbelassenen, selbstgemachten Erfrischung, für die Mineralwasser mit Früchten oder Kräutern versehen und kaltgestellt wird. Auch wenn dem Verbraucher klar ist, dass das Getränk in der Plastikflasche im Supermarktregal gerade nicht hausgemacht ist, verheißt die Aufmachung doch eine Rezeptur mit wenigen Zutaten in minimal verarbeiteter Form.
[38] Wenn schließlich in der Produktbeschreibung auch noch von „Fruchtanteilen“ die Rede ist, berechtigt dies den Verbraucher jedenfalls zur Erwartung, dass das Getränk solche Anteile für all seine Geschmackskomponenten in tatsächlich erwähnenswerter Menge enthalten muss.
[39] Dies trifft aber gerade auf die Limette nicht zu. Zwar wurde das natürliche Aroma tatsächlich unter anderem auch, aber nur in ganz untergeordneter Rolle mit Limetten hergestellt. Tatsächlich verleiht dem Getränk nach den Festellungen die Limettennote ein Zitrusaromagemisch aus vorwiegend anderen Zitrusfrüchten.
[40] 3. Zum Veröffentlichungsbegehren schließlich meinen die Beklagten, dass Supermarktketten keine Medienunternehmer iSd § 1 Abs 1 Z 6 MedienG seien. Die nur für Medienunternehmer geltende Verpflichtung zur Urteilsveröffentlichung nach § 25 Abs 7 UWG betreffen sie daher nicht. Eine Urteilsveröffentlichung auf den Websites von Supermarktketten sei daher nicht zulässig.
[41] 3.1. Wird in einem Zivilprozess auf Unterlassung geklagt, so hat das Gericht der obsiegenden Partei, wenn diese daran ein berechtigtes Interesse hat, auf Antrag die Befugnis zuzusprechen, das Urteil innerhalb bestimmter Frist auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen (§ 25 Abs 3 UWG).
[42] § 25 UWG enthält keine Einschränkung der Urteilsveröffentlichung auf bestimmte Medien. Vielmehr bestimmt § 13 MedienG immer jenes Medium für die Veröffentlichung der Gegendarstellung oder nachträglichen Mitteilung, in dem die Veröffentlichung erschienen ist, auf die sie sich bezieht. § 13 Abs 5 und 6 MedienG regeln daher nicht nur die Veröffentlichung im Rundfunk, sondern auch in anderen in technischer Hinsicht gleichen Medien. Die Veröffentlichungspflicht nach § 25 Abs 7 UWG umfasst somit nicht nur periodische Medienwerke, die Anzeigen veröffentlichen, sondern bezieht auch periodische Medienwerke, die keine Anzeigen veröffentlichen und auch nichtperiodische Medienwerke mit ein (4 Ob 177/02m mwH, hier zu einer Werbung auf der Website der Beklagten).
[43] 3.2. Der Kläger hat nach § 25 UWG zwei verschiedene Möglichkeiten zur Urteilsveröffentlichung: eine Verpflichtung des Beklagten, das Urteil in seinem eigenen Medium zu veröffentlichen (RS0119287); oder eine Ermächtigung des Klägers, das Urteil auf Kosten des Beklagten in einem Medium Dritter veröffentlichen zu lassen. Letztere schafft keinen unmittelbar durchsetzbaren Anspruch gegen den Beklagten, sondern der obsiegende Kläger muss – als Auftraggeber des für die Veröffentlichung ausgewählten Mediums – in aller Regel die Veröffentlichungskosten zunächst selbst zahlen, kann aber dann deren Ersatz vom Beklagten verlangen (4 Ob 91/18p [Pkt 1.2] mwN).
[44] Die Veröffentlichung auf Grund eines rechtskräftigen Urteils ist nach § 25 Abs 7 UWG vom Medienunternehmer ohne unnötigen Aufschub vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung wird dem Dritten als Medieninhaber ein Kontrahierungszwang auferlegt, wenn eine zur Urteilsveröffentlichung ermächtigte Partei an ihn herantritt (RS0079975).
[45] 3.3. Wie schon das Berufungsgericht richtig aufgezeigt hat, hat der erkennende Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Veröffentlichungspflicht von Medieninhabern nach § 25 Abs 7 UWG bei Verstößen im Internet auch den dritten Inhaber jener Website trifft, auf der – nach Anordnung des Gerichts – die Veröffentlichung vorgenommen werden soll, um jene Verkehrskreise zu erreichen, denen gegenüber die beanstandete wettbewerbswidrige Handlung wirksam geworden ist (4 Ob 177/02m, Wiener Werkstätten II; 4 Ob 174/02w, Boss‑Zigaretten IV; 4 Ob 141/04w, Sponsoren-Links; 4 Ob 152/05i). Diese sind insofern als Medieninhaber gemäß § 25 Abs 7 UWG anzusehen.
[46] Auch in der Kommentarliteratur wird nicht in Frage gestellt, dass als Veröffentlichungsmedium auch eine Webseite in Frage kommt, deren Betreiber nicht der Beklagte, sondern ein außenstehender Dritter ist (zB Schmid in Wiebe/Kodek, UWG2 [2021] § 25 Rz 37; Görg in Görg, UWG [2020] § 25 UWG Rz 84 ff, insbes 89; Duursma in M. Gumpoldsberger/Baumann, UWG [2006] § 25 Rz 18).
[47] 3.4. Entgegen der Ansicht der Beklagten spricht auch § 46 MedienG nicht gegen die Zulässigkeit von Veröffentlichungsermächtigungen für Webseiten Dritter. Diese Norm regelt unter welchen Voraussetzungen eine Veröffentlichungspflicht für gerichtliche Entscheidungen (nur) in periodischen Medienwerken bzw den Programmen des Rundfunks besteht.
[48] 3.4.1. § 25 Abs 7 UWG dagegen erfasst einen weiteren Kreis von Medieninhabern, weil er keine entsprechenden Einschränkungen auf bestimmte Medienarten enthält (4 Ob 177/02m; Schmid in Wiebe/Kodek, UWG2 [2021] § 25 Rz 59; Ciresa, Urteilsveröffentlichung4 [2017] Rz 6.9 und 8.18).
[49] 3.4.2. Die in der Revision zitierte Entscheidung 6 Ob 6/14x ist hier nicht einschlägig. Sie befasst sich nicht mit der Urteilsveröffentlichungspflicht, sondern mit der Anwendbarkeit des DSG 2000 bei publizistischer Tätigkeit im Sinne des Mediengesetzes [vgl Pkt 2.3].
[50] Die Revision versucht nicht einmal aufzuzeigen, wieso es sachgerecht wäre, das zur Anwendbarkeit des DSG 2000 entwickelte Verständnis des Medienunternehmers iSd § 48 Abs 1 DSG 2000 nun auch für eine Urteilsveröffentlichung nach § 25 UWG heranzuziehen und aus diesem Anlass von der bisherigen Rechtsprechung des 4. Senats abzugehen.
[51] 4. Die Beklagten halten die Veröffentlichung auf der Website der Zweitbeklagten, beim Produktangebot zweier Supermarktketten in ihren Onlineshops und auch noch in einer Samstagausgabe der Kronen‑Zeitung für überschießend. Die Veröffentlichung auf ihrer eigenen Website reiche völlig aus.
[52] 4.1. Die Urteilsveröffentlichung nach § 25 Abs 3 UWG ist bei einem berechtigten Interesse des Unterlassungsklägers anzuordnen. Ihr Zweck ist es, eine durch den Wettbewerbsverstoß hervorgerufene unrichtige Meinung wieder richtig zu stellen und zu verhindern, dass die Meinung weiter um sich greift (RS0079764). Sie dient der Aufklärung des Publikums über den Gesetzesverstoß, der auch in Zukunft noch nachteilige Auswirkungen besorgen lässt (RS0079764 [T11]). Normzweck ist demnach das Bedürfnis, den entstehenden Schaden gutzumachen und den Verletzten vor weiteren Nachteilen zu bewahren, nicht hingegen die Bestrafung des Verletzers (RS0079764 [T18]).
[53] 4.2. Bei in Medien begangenen Wettbewerbsverstößen ist die Urteilsveröffentlichung regelmäßig im selben Medium vorzunehmen wie der Wettbewerbsverstoß (RS0079607).
[54] Nach den Feststellungen fand eine irreführende Bewerbung des Getränks auf den Webseiten der Zweitbeklagten und zweier Supermarktketten statt, sodass die vom Berufungsgericht angeordnete Urteilsveröffentlichung bzw Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung völlig dem Talionsprinzip entspricht.
[55] 4.3. Der Beklagten ist zwar beizupflichten, dass im vorliegenden Fall keine besondere Dringlichkeit zur Aufklärung besteht, wie sie etwa bei einer Gefährdung von Leib und Leben durch ein schadhaftes oder giftiges Produkt bestünde.
[56] Gerade bei einer Irreführung nach § 2 UWG soll die Urteilsveröffentlichung aber eine schon bestehende unrichtige Meinung stören und deren weiteres Umsichgreifen verhindern. Sie dient also der Aufklärung des durch eine wettbewerbswidrige Maßnahme irregeführten Publikums (RS0079764 [insbes T5]). Sie muss daher insbesondere auch jene Verbraucher erreichen, die das Produkt bereits aufgrund unzutreffender Erwartungen gekauft haben oder sogar noch laufend kaufen (vgl RS0079764 [T8]).
[57] Dass die Konsumenten der „bio limo leicht“ der Beklagten diese ausschließlich oder typischer Weise zumindest auch über das Internet beziehen und Urteilsveröffentlichungen (nur) über die drei genannten Webseiten das Zielpublikum der erforderlichen Richtigstellung daher gut erreichen würden, ergibt sich weder aus den Verfahrensergebnissen noch aus der allgemeinen Lebenserfahrung.
[58] Stichhaltige Argumente gegen die Veröffentlichung in der Kronen‑Zeitung werden in der Revision nicht ins Treffen geführt.
[59] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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