OGH 7Ob76/24p

OGH7Ob76/24p22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei E* Z*, vertreten durch Scheiber Rechtsanwalt GmbH in Umhausen, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei T* AG, *, vertreten durch Dr. Erik R. Kroker ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 637,30 EUR sA und Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 29. März 2024, GZ 2 R 52/24z‑15, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00076.24P.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO, § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Gegnerin der gefährdeten Partei (in Hinkunft: Beklagte), ein Elektrizitätsunternehmen, kündigte mit Schreiben vom 28. November 2023 den Stromlieferungsvertrag der gefährdeten Partei (in Hinkunft: Kläger) zum 21. März 2024 auf.

[2] Der Kläger begehrt unter anderem die Feststellung, dass die Kündigung des zwischen den Streitteilen bestehenden Stromlieferungsvertrags mit dem Produkt „eco“ unwirksam sei. Zur Sicherung dieses Anspruchs beantragte er – gegründet auf § 381 Z 2 EO –, der Beklagten zu verbieten, die Lieferung des Stroms für den Kläger ab 1. April 2024 einzustellen.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1.1 Die Erstrichterin zeigte, nachdem sie den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abgewiesen hatte, ihre Befangenheit an, weil auch ihrem Ehemann und ihr von der Beklagten der Stromlieferungsvertrag zum Ende März 2024 gekündigt worden sei. Der zuständige Befangenheitssenat des Landesgerichts Innsbruck erachtete mit Beschluss vom 15. März 2024 – den Parteien zugestellt am 3. April 2024 – die Befangenheitsanzeige als berechtigt, ohne dass ein Ausspruch erfolgte, ob und inwieweit die von der Erstrichterin gesetzten Prozesshandlungen als nichtig aufzuheben sind. Der Beschuss ist – unbekämpft – in Rechtskraft erwachsen.

[4] 1.2 Gegen die Stattgebung der Ablehnung findet zwar kein Rekurs statt (§ 24 Abs 2 JN), wird aber einer Befangenheitsanzeige des Richters stattgegeben und erfasste der Befangenheitsgrund auch die von ihm vorgenommene Prozesshandlung – wie hier – unterbleibt aber die notwendige Aufhebung nichtiger Prozesshandlungen im Sinn des § 25 Satz 2 JN, dann kann auch die Partei, die den Richter nicht abgelehnt hat, das Unterbleiben der Nichtigerklärung mit Rekurs bekämpfen (RS0046014; vgl auch RS0107874; 7 Ob 184/17k).

[5] 1.3 Ein solcher Rekurs, mit dem die unterbliebene Aufhebung nichtiger Prozesshandlungen geltend gemacht worden wäre, wurde nicht erhoben. An den in Rechtskraft erwachsenen Umfang der Aufhebung von Prozesshandlungen eines abgelehnten Richters als nichtig durch das Ablehnungsgericht ist auch das Rechtsmittelgericht im Hauptverfahren gebunden (RS0042079), daher auch an eine unterbliebene Aufhebung (vgl 8 Ob 1604/91; 3 Ob 57/02g; 3 Ob 238/14t).

[6] 1.4 Da die Aufhebung der Prozesshandlung unbekämpft unterblieb, ist es im vorliegenden Rechtsmittelverfahren ausgeschlossen, die Abweisung der einstweiligen Verfügung durch die Erstrichterin als nichtig anzusehen.

[7] 2.1 Gemäß § 381 Z 2 zweiter Fall EO können zur Sicherung anderer Ansprüche einstweilige Verfügungen getroffen werden, wenn derartige Verfügungen zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Schaden dann als unwiederbringlich anzusehen, wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Geldersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (RS0005270). Es kommt darauf an, welchen Schaden der Kläger erleiden würde, wenn die beantragte einstweilige Verfügung nicht erlassen wird (RS0012390).

[8] 2.2 Die Behauptungslast für das Vorliegen konkreter Umstände, die diese Voraussetzungen begründen, liegt ausschließlich bei der gefährdeten Partei (RS0005311; RS0005295 [T4]). Sie muss konkrete Tatsachen behaupten und bescheinigen, die die drohende Gewalt oder den drohenden Eintritt eines unwiederbringlichen Schadens als wahrscheinlich erscheinen lassen (RS0005118 [T6]). Abstrakt gehaltene Befürchtungen reichen nicht aus (RS0005369 [T9]).

[9] 2.3 Das Rekursgericht ging – im konkreten Fall jedenfalls vertretbar – davon aus, dass der Kläger diesen Anforderungen nicht nachkam. Es führte insbesondere aus, dass auch nach der von der Beklagten erfolgten Kündigung des Stromlieferungsvertrags das vom Kläger befürchtete Abschalten des Stroms/die Einstellung der Stromlieferung durch die Beklagte nicht drohe, weil diese sich nach § 66 Abs 6 TEG (in der Fassung LGBl Nr 7/24) ohnedies zur weiteren Lieferung von elektrischer Energie verpflichtet fühle. Dass der Kläger der Grundsicherung im Sinn dieser Bestimmung widersprochen hätte, wurde von ihm nicht behauptet. Die rechtliche Grundlage (Fortbestehen des – behauptetermaßen unwirksam – gekündigten Stromlieferungsvertrags oder ein nach § 66 Abs 6 TEG ex lege begründetes Vertragsverhältnis über die Grundversorgung) sei in diesem Zusammenhang unerheblich, weil sie sich nicht auf die Weiterversorgung mit Strom durch die Beklagte auswirke, sondern lediglich Unterschiede in der Höhe des letztlich zu leistenden Entgelts zeigen könnte.

[10] 2.4 Gegen diese Beurteilung bringt der Kläger keine Argumente. So meint er lediglich, dass eine Belieferung der Grundversorgung nicht ausreiche, um der Gefährdung einer Stromabschaltung zu entgehen. Es bestehe daher eine konkrete Gefahr im Sinn des § 381 EO, auch wenn eine Stromabschaltung bislang nicht erfolgt sei.

[11] 3.1 Abgesehen davon, dass der Kläger die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung nicht auf § 381 Z 1 EO stützte, begründete er seinen Sicherungsantrag auch mit keinem Sachverhalt, der dieser Bestimmung unterstellt werden könnte. Ein weiteres Eingehen erübrigt sich hier.

[12] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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