OGH 1Ob195/23t

OGH1Ob195/23t8.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, gegen die beklagte Partei T* OÜ, *, Estland, vertreten durch die Stadler Völkel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 35.960 EUR, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2023, GZ 6 R 153/23x‑19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00195.23T.0408.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Der Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte bietet von ihrem Sitz in Estland aus über die von ihr betriebene Website Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels an. Sie verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen GSpG.

[2] Der Kläger nahm vom 27. 5. 2022 bis 23. 10. 2022 an von der Beklagten veranstalteten Online‑Glücksspielen teil. Er erlitt dabei Spielverluste in Höhe des Klagebetrags.

[3] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zur Rückzahlung des Verlustes.

Rechtliche Beurteilung

[4] Ihre außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Zu I:

[5] Die Zurückweisung des Rechtsmittels kann sich gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die wesentlichen Zurückweisungsgründe beschränken:

[6] 1. Zur unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Davon ausgehend geht der Oberste Gerichtshof – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – in ständiger Judikatur davon aus, dass das österreichische System der Glücksspiel‑Konzessionen bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (RS0130636 [T7]) und nicht gegen Unionsrecht verstößt (etwa 1 Ob 191/23d). Daran ist festzuhalten. Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.

[7] 2. Warum der Bund zur Erlassung des § 14 GSpG (diese Bestimmung regelt die Übertragung des Rechts zur Durchführung von dem Glücksspielmonopol unterliegenden Ausspielungen nach den §§ 6 bis 12b GSpG durch Erteilung von Konzessionen) nicht zuständig gewesen sein sollte, ist im Hinblick auf seine nach Art 10 Abs 1 Z 4 B‑VG bestehende Gesetzgebungskompetenz für das „Monopolwesen“ nicht ersichtlich. Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang auch die Unbestimmtheit der Konzessionsbedingungen behauptet, ist nicht erkennbar, was sich daraus für ihren Standpunkt im vorliegenden Verfahren ergeben sollte.

[8] 3. Dass es für ein Unternehmen mit einer in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Glücksspiellizenz unmöglich sei, eine Konzession nach dem GSpG zu erhalten, ist nicht ersichtlich und steht im Widerspruch zu jenem Revisionsvorbringen, wonach eine solche Konzession nach Auslaufen der bestehenden Konzession beantragt werden könne. Dass das österreichische Konzessionssystem kein (faktisches) Verbot von Online‑Glücksspielangeboten durch ausländische Anbieter bewirke, wurde auch bereits zu 6 Ob 203/21b ausgesprochen.

[9] 4. Worauf die Behauptung, das österreichische Glücksspielsystem verstoße gegen die Grundwertungen (den ordre public) maltesischen Rechts, abzielt, bleibt weitgehend unklar. Soweit auch daraus ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit abgeleitet werden soll, ist die Beklagte wieder auf die höchstgerichtliche Judikatur zur Kohärenz des österreichischen Glücksspielmonopols zu verweisen. Bedenken daran vermag die – in Estland ansässige und über eine nach dessen Recht erteilte Glücksspiellizenz verfügende – Revisionswerberin auch mit ihren Ausführungen zum maltesischen Recht nicht darzulegen.

[10] 5. Die Beklagte stützt sich auch auf einen Verstoß des österreichischen Konzessionssystems gegen das unionsrechtliche Beihilfenverbot des Art 107 Abs 1 AEUV. Sie legt in ihrer Revision aber nicht dar, warum sie ein solcher Verstoß – trotz des in § 3 GSpG normierten Glücksspielmonopols, welches keinesfalls gegen diese Bestimmung verstoßen kann – zum Angebot von Glücksspielen in Österreich berechtigen sollte. Insoweit wird schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage dargelegt.

[11] 6. Soweit die Beklagte behauptet, dass die derzeitige Konzessionsinhaberin für das Online‑Glücksspiel ihre – aufgrund dieser Konzession – marktbeherrschende Stellung missbrauche, wäre dem gegebenenfalls mit Maßnahmen des Wettbewerbsrechts abzuhelfen. Warum sich daraus die (unionsrechtliche) Unzulässigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols ergeben sollte, wird in der Revision nicht aufgezeigt.

[12] 7. Der Oberste Gerichtshof sprach bereits mehrfach aus, dass § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGBeinem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein verbotenes Online‑Glücksspiel nicht entgegensteht (3 Ob 69/23b mwN). Der Rückforderungsanspruch ist selbst durch Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld nicht ausgeschlossen (etwa 6 Ob 200/22p).

[13] 8. Eine neuerliche Befassung des EuGH ist nicht erforderlich, weil die unionsrechtlichen Rechtsgrundsätze hinreichend geklärt sind (1 Ob 7/24x ua).

Zu II:

[14] Die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung für eine außerordentliche Revision sieht die ZPO nicht vor. Der darauf gerichtete Antrag ist daher zurückzuweisen (5 Ob 204/23w mwN).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte