OGH 1Ob30/24d

OGH1Ob30/24d8.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „F*“ * Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch die hba Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Vertragsabschluss, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. Jänner 2024, GZ 11 R 252/23v‑24, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 31. August 2023, GZ 20 Cg 50/22b‑19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00030.24D.0408.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin – ein Textilwäschereiunternehmen – stellte ihren Betrieb bedingt durch die Corona‑Situation auf Kurzarbeit um. Das AMS gewährte ihr Kurzarbeitsbeihilfen für die sogenannten Kurzarbeitsphasen 1, 2, 3 und 5.

[2] Für die Kurzarbeitsphase 4 (1. 4.–30. 6. 2021) beantragte die Klägerin am 30. 4. 2021 beim AMS Kurzarbeitsbeihilfe für 23 Mitarbeiter via eAMS.

[3] Am 10. 5. 2021 erhielt sie über das eAMS‑Portal eine Nachricht vom AMS mit dem Betreff „Ihr Begehren wurde zurückgewiesen“:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihr Antrag wird aus folgenden Gründen zurückgewiesen:

1) Sie haben zwar eine Behaltefrist von 1 Monat angegeben, jedoch bei dem Beschäftigtenstand nach der Kurzarbeit nur 23 der 24 betroffenen Arbeitnehmer_innen angeführt. Da auch in der Sozialpartnervereinbarung nicht ersichtlich ist (Seite 7 Punkt IV.2. Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes nach der Kurzarbeit (Behaltefrist), warum während der Behaltefrist nur 23 statt 24 Arbeitnehmer_innen angeführt sind bitte ich Sie um Erklärung bzw Korrektur.

2) Es fehlt in der Unterschriftenliste der Arbeitnehmer_innen die Unterschrift von Herrn/Frau Y*. Für eine Bearbeitung des Kurzarbeitsantrages benötigen wir alle Unterschriften.

3) In der Beilage 1 der Sozialpartnervereinbarung gibt es bei den seit 1.3.2020 bewilligten Anträgen Differenzen zu den Angaben im Begehren – siehe Anhang. Bitte korrigieren!

Bitte reichen Sie für die neue Antragstellung alle erforderlichen Dokumente – das Begehren und die Sozialpartnervereinbarung mit den notwendigen Beilagen erneut über Ihr eAMS Konto ein. Alle notwendigen Unterlagen zur Beantragung der KUA sind in einer eAMS‑Nachricht einzureichen, eine Stückelung auf mehrere Nachrichten ist nicht zulässig.“

 

[4] Darauf antwortete eine Mitarbeiterin der Klägerin mit eAMS‑Nachricht vom 28. 5. 2021 und erklärte, dass (1) die Abweichung des Beschäftigtenstandes auf den Austritt eines Mitarbeiters zurückzuführen sei, dies unter Anschluss des Kündigungsschreibens, (2) die fehlende Unterschrift eine Mitarbeiterin betreffe, die sich in Karenz befinde, und eine Einholung der Unterschrift daher nicht möglich sei, (3) ein Fixkostenzuschuss bewilligt worden sei, wodurch sich die Unterschiede zu den vorangegangenen Anträgen erklären sollten.

[5] Im Herbst 2021 nahm die Klägerin mit dem AMS wegen der nicht gewährten Kurzarbeitsbeihilfe für die Kurzarbeitsphase 4 Kontakt auf. Mit Schreiben vom 4. 11. 2021 an den zuständigen Sachbearbeiter erläuterte sie, dass ihrer Rechtsansicht nach der ursprüngliche Antrag auf Gewährung der Kurzarbeitsbeihilfe rechtsgültig und aufrecht sei und sie einen Rechtsanspruch auf deren Gewährung habe, da die Fördervoraussetzungen erfüllt seien.

[6] Darauf antwortete der Sachbearbeiter mit E‑Mail vom 10. 11. 2021:

„Da dieses Begehren nicht den Vorgaben der veröffentlichten Kriterien der Bundesrichtlinie für Kurzarbeit entsprach (ua fehlten Unterschriften auf der Sozialpartnervereinbarung), mussten wir Ihnen dieses Begehren zurückweisen mit der Information, das korrekte Begehren wiederholt einzubringen (festgelegter Vorgang). Am 28.5. erhielten wir eine Textnachricht mit der Erklärung warum die Unterschrift fehlt, jedoch haben wir bis heute das korrigierte Begehren (den [sic] das abgegebene Begehren war nicht korrekt) von Ihrem Unternehmen nicht erhalten. Die Bundesrichtlinie der Kurzarbeit erlaubt es uns nicht, nachträglich eine Kurzarbeit zu gewähren (Fristversäumnis).“

 

[7] Die ab 1. 4. 2021 gültige Bundesrichtlinie Kurzarbeitsbeihilfe (KUA-COVID-19) zur AZ BGS/AMF/0722/9985/2021 (im Folgenden kurz: KUA‑RL) lautet auszugsweise wie folgt (Beilage ./2; RS0121557):

„6.1. Arbeitsmarktpolitische Zielsetzung

Arbeitsmarktpolitisches Ziel des Einsatzes von Kurzarbeitsbeihilfen ist die Vermeidung von Arbeitslosigkeit infolge vorübergehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten und damit die weitestgehende Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes. […]

6.4.3. Sozialpartnervereinbarung

Voraussetzung für die Beihilfengewährung ist, dass die für den Wirtschaftszweig in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeberinnen/Arbeitgeber und der Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer unabhängig vom Bestehen eines Betriebsrates eine 'Corona'-Sozialpartnervereinbarung über die näheren Bedingungen der Kurzarbeit im betroffenen Unternehmen abschließen (im Folgenden kurz: Sozialpartnervereinbarung). […]

6.4.3. 1. Anforderungen an die Sozialpartnervereinbarung

Die Sozialpartnervereinbarung hat folgende Mindestanforderungen zu erfüllen:

a) Festlegung des räumlichen und persönlichen Geltungsbereiches der Vereinbarung.

b) Befristung des Kurzarbeitszeitraumes, wobei dessen Dauer drei Monate nicht übersteigen darf und jedenfalls spätestens am 30.6.2021 enden muss.

c) Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes während des Kurzarbeitszeitraumes und allenfalls eines darüber hinaus gehenden zusätzlich vereinbarten Zeitraumes (Behaltefrist) im unter a) festgelegten Geltungsbereich. [...]

d) Festlegung des Entgeltanspruchs während Kurzarbeit.

e) Festlegung des Ausmaßes des Arbeitszeitausfalles [...]

6.7. Verrechenbare Ausfallstunden

Die Kurzarbeitsbeihilfe für die Kurzarbeitsunterstützung kann nur für Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer/Lehrlinge, die wegen Kurzarbeit einen Arbeitsausfall erleiden, der mit einem Verdienstausfall verbunden ist, gewährt werden. […]

7.1.1. Begehrenseinbringung

Das Begehren ist ausschließlich über das eAMS‑Konto für Unternehmen einzubringen. Die Sozialpartnervereinbarung ist anzuschließen.

Begehren sind vor Beginn der Kurzarbeit einzubringen. Für Projekte mit einem Beginn ab 1.4.2021 gilt eine Übergangsfrist von einem Monat ab dem Zeitpunkt der Zurverfügungstellung der Begehrensstellung via eAMS‑Konto. Für Projekte mit einem Beginn während der Zeit eines verordneten Lockdowns (Punkt 6.4.1., vorletzter und letzter Satz) können Begehren (Erst- und Verlängerungsbegehren) bis zu zwei Wochen nach Beginn der Kurzarbeit (der Verlängerung), spätestens jedoch am 30.6.2021, eingebracht werden. [...]

7.1.2. Begehrensentscheidung

Die nachfolgenden Angaben im Kurzarbeitsbegehren sind auf ihren Einklang mit der Sozialpartnervereinbarung bzw der betrieblichen Vereinbarung zu prüfen:

- Kurzarbeitszeitraum,

- Anzahl der betroffenen Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer/Lehrlinge,

- Beschäftigungsverpflichtung während der Kurzarbeit und in einem allenfalls darüber hinaus zusätzlich vereinbarten Zeitraum (Behaltefrist),

- Angaben zur wirtschaftlichen Begründung,

- Bestätigung der wirtschaftlichen Begründung, wenn mehr als fünf Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer/Lehrlinge von Kurzarbeit betroffen sind und nicht die Ausnahmebestimmung bezüglich des Lockdowns zum Tragen kommt (Punkt 6.4.1., letzter Absatz).

Die Summe der Anzahl an Normalarbeitszeitstunden und Summe der Anzahl der Arbeitszeitausfallstunden sind aufgrund der Angaben in der Sozialpartnervereinbarung auf Plausibilität zu prüfen.

Die positive Genehmigung des Beihilfenbegehrens ist ohne Vorlage der notwendigen Sozialpartnervereinbarung unzulässig. […]

7.1.3. Förderungsmitteilung

Der Förderungsvertrag wird in Form einer Förderungsmitteilung unter Bezugnahme auf das Kurzarbeitsbegehren und die zugrundeliegende Sozialpartnervereinbarung bzw betriebliche Vereinbarung geschlossen. […]

9. ERLÄUTERUNGEN

[…]

9.5. zu Punkt 7.1.2. Begehrensentscheidung

Die Zustimmung der Sozialpartner, des Betriebsrates und gegebenenfalls der einzelnen Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer/Lehrlinge zur Kurzarbeitsvereinbarung (vulgo 'Sozialpartnervereinbarung') [...]

Die Verantwortung für die Einholung der Zustimmung aller notwendigen Partner liegt beim Begehrenssteller. Im Interesse eines raschen Bewilligungsverfahrens ist das AMS bei der Einholung der Zustimmung der kollektivvertragsfähigen Körperschaften behilflich. Die Verantwortung zur Einholung der Unterschriften obliegt nicht dem AMS.“

 

[8] Die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verpflichten, ihr Begehren auf Gewährung der Kurzarbeitsbeihilfe für die Phase 4 durch Abschluss eines Fördervertrags positiv zu behandeln, in eventu ihr die Leistung aus dem Fördervertrag von 101.363,51 EUR sA zu zahlen.

[9] Bei der Gewährung von Beihilfen betreffend Kurzarbeit handle es sich um Leistungen, die in privatrechtlicher Form (Fördervertrag) vergeben würden. Tatsächlich handle es sich bei dem „Antrag“ um ein Angebot zum Vertragsschluss entsprechend §§ 860 ff ABGB, wobei das AMS aufgrund der Fiskalgeltung der Grundrechte zur Annahme des Angebots verpflichtet sei, soweit es – wie hier – den Richtlinien entspreche.

[10] Die KUA‑RL sehe keine Verfahrensregelung vor, wonach eine Verbesserung nur über einen neuen Antrag erfolgen könnte. Eine solche wäre aufgrund der Fristen, die die Möglichkeit zur Einbringung eines Begehrens für die jeweilige Phase begrenzten, auch unsachlich. Der „Verbesserungsauftrag“ der Beklagten sei unklar. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass eine neuerliche Antragstellung aufgrund der Fristen nicht möglich sei, daher sei (nur) der ursprüngliche Antrag verbessert worden. Die Klägerin habe das Kurzarbeitsbegehren samt Unterlagen rechtzeitig eingereicht, die von der Beklagten geltend gemachten Unklarheiten seien von der Klägerin via eAMS umgehend ausgeräumt worden. Spätestens damit sei auch keine Kurzarbeitsbeihilfe für die in Karenz befindliche Mitarbeiterin mehr beantragt worden. Das Einreichen eines neuen Begehrens sei nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte hätte den Vertragsabschluss daher nicht verweigern dürfen.

[11] Die Beklagte bestritt und wandte ein, der Klägerin sei am 10. 5. 2021 mitgeteilt worden, dass ihr Antrag wegen näher dargelegter Mängel zurückgewiesen worden sei. Eine Verbesserungsmöglichkeit sei in der KUA‑RL nicht vorgesehen. Gleichzeitig sei aber darauf hingewiesen worden, dass eine neuerliche Antragstellung möglich sei. Dies komme auch deutlich durch die Tatsache zum Ausdruck, dass für eine mögliche Verbesserung zum Förderbegehren vom 30. 4. 2021 eine Frist gesetzt worden sei. Werde kein Förderungsvertrag abgeschlossen, wäre eine Neueinbringung des Förderungsantrags auch rückwirkend bis zum Ende der Kurzarbeitsphase 4 möglich gewesen. Die Klägerin habe es allerdings verabsäumt, binnen dieser Frist ein neues Förderbegehren zu übermitteln bzw mit der Beklagten im Kulanzweg eine anderweitige Frist für eine nachträgliche Neueinreichung zu vereinbaren. Der Klägerin sei es zudem nicht gelungen, die in der Mitteilung vom 10. 5. 2021 angeführten Mängel zu entkräften. Die Klägerin behaupte auch nicht, dass anderen Förderungswerbern bei gleicher Sachlage die Förderung zuerkannt worden sei. Dies wäre aber zwingende Voraussetzung für einen direkten Leistungsanspruch auf die Förderung.

[12] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[13] Der Fördervertrag sei aufgrund von Mängeln im Förderungsbegehren nicht abgeschlossen worden, weswegen keine willkürliche Weigerung vorliege und der Klägerin ein direkter Leistungsanspruch nicht zustehe. Auch wenn man davon ausgehen würde, dass das Begehren noch anhängig wäre, sei die (gemeint) Klägerin der aufgetragenen Verbesserung nicht ordnungsgemäß nachgekommen, da bis jetzt die fehlende Unterschrift einer Mitarbeiterin nicht nachgereicht worden sei.

[14] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

[15] Im vorliegenden Fall sei die Förderung wegen festgestellter Mängel, deren Vorliegen die Klägerin in erster Instanz nicht bestritten habe, von vornherein nicht zuzuerkennen gewesen; in der Zurückweisung ihres Antrags sei daher keine Verletzung des aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebots gelegen. Der Klägerin wäre im Übrigen ausreichend Zeit – nämlich bis zum 30. 6. 2021 – zur Verfügung gestanden, einen neuen „mängelfreien“ Antrag einzubringen. Ein Neuantrag sei aber von der Klägerin nicht eingebracht und die fehlende Unterschrift der Mitarbeiterin Y* nicht nachgereicht worden. Eine Verletzung der (vor‑)vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten sei nicht zu erkennen.

[16] Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die auf eine Klagestattgebung abzielt. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[17] Die Beklagte beantragt in der (ihr freigestellten) Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18] Die außerordentliche Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

[19] 1. Die Förderungsverwaltung ist in der Regel (und auch im Zweifel) privatrechtliches Handeln (RS0049755; RS0049747). Förderungen werden überwiegend nicht durch Bescheid, sondern mit Mitteln des Privatrechts (durch Vertrag) gewährt (vgl RS0037100). Dabei stehen zweiseitig verbindliche Rechtsverhältnisse im Vordergrund (vgl RS0049862).

[20] Die Rechtsprechung definiert Subventionen (Förderungsmaßnahmen) als vermögenswerte Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln, die ein Verwaltungsträger oder eine andere mit der Vergabe solcher Mitteln betraute Institution einem Privatrechtssubjekt zukommen lässt, wobei sich der Subventionsempfänger zu einem im öffentlichen Interesse gelegenen subventionsgerechten Verhalten verpflichtet (RS0018996). Diese Förderungsmaßnahmen sind nach herrschender Rechtsprechung keine „Zuwendungen ohne Gegenleistung“ (RS0018996 [T2]; 2 Ob 178/20w mwN). Förderungsverträge sind daher in der Regel als entgeltliche Verträge anzusehen, auf die insbesondere § 915 [zweiter Halbsatz] sowie die §§ 870 ff und §§ 918 ff ABGB anzuwenden sind (2 Ob 178/20w; 1 Ob 229/08w).

[21] Förderungsrichtlinien werden als Erklärungen (unter anderem) im Zusammenhang mit einem abzuschließenden Förderungsvertrag verstanden (RS0049862 [T4]). Sie sind als rechtsgeschäftliche Willenserklärungen auszulegen, deren objektiver Erklärungswert mit Hilfe der Auslegungsregeln zu ermitteln ist (1 Ob 229/08w = RS0049862 [T6]).

[22] 2. Die Einordnung in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung gilt auch für die COVID-19-Kurzarbeitsbeihilfe.

[23] Kurzarbeit ist – wie sich auch aus der Zielsetzung der KUA‑RL (Punkt 6.1.) ergibt – eine arbeitsmarktpolitisch geförderte Maßnahme zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit, mit der Kündigungen bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten vermieden werden sollen (8 ObA 26/22i [Rz 9] mwN).

[24] Die Voraussetzungen, unter denen Kurzarbeitsbeihilfen beansprucht werden können, sind in § 37b AMSG und den Sozialpartnervereinbarungen geregelt. Nach § 37b Abs 3 AMSG dient die Kurzarbeitsbeihilfe dem teilweisen Ersatz der zusätzlichen Aufwendungen für die Kurzarbeitsunterstützung sowie für die Beiträge zur Sozialversicherung und zur betrieblichen Mitarbeitervorsorge. Es handelt sich dabei um eine Beihilfe iSd § 34 AMSG. Nach § 34 Abs 3 AMSG besteht auf Beihilfen „kein Rechtsanspruch“. Dies begegnet aus Sicht des Obersten Gerichtshofs – anders als die Regelung des § 3b Abs 2 ABBAG‑G (vgl VfGH G 265/2022 = JBl 2024, 88 [Frössel]) – per se (noch) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, handelt es sich bei der Kurzarbeitsbeihilfe im Regelfall nicht um ein funktionelles Äquivalent für (hoheitlich zu gewährende) Entschädigungen nach dem EpiG 1950.

[25] Die Bestimmungen zur Kurzarbeitsbeihilfe werden durch die auf Basis von § 37b Abs 4 AMSG erlassene KUA‑RL ergänzt bzw näher ausgeführt. Die KUA‑RL enthält die inhaltlichen Regelungen für die Beihilfengewährung sowie Verfahrensbestimmungen (Wolf/Potz/Krömer/Jöst/Stella/Hörmann/Holuschka/Scharf in Resch, Corona‑HB1.06 Kapitel 4 Rz 157 [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]).

[26] Wird Kurzarbeitsbeihilfe gewährt, kommt ein Förderungsvertrag zustande. Dies erfolgt laut Punkt 7.1.3. der KUA‑RL in Form einer Förderungsmitteilung unter Bezugnahme auf das Kurzarbeitsbegehren und die zugrundeliegende Sozialpartnervereinbarung.

[27] 3. Auf die Gewährung einer Subvention besteht vor Abschluss des Förderungsvertrags im Allgemeinen kein Rechtsanspruch (RS0018989 [T1]; so auch ausdrücklich § 34 Abs 3 AMSG). Dennoch kommt dem Förderungswerber aufgrund der Fiskalgeltung der Grundrechte unter gewissen Voraussetzungen ein klagbarer Leistungsanspruch gegen den Staat zu:

[28] 3.1. Die öffentliche Hand steht nach ständiger Rechtsprechung auch bei privatrechtlicher Tätigkeit und gerade bei Subventionsvergaben unter weitgehenden Anforderungen der Grundrechte und des aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebots (RS0038110). Dieser Grundrechtsbindung via Fiskalgeltung unterliegt wegen ihrer ausschließlich staatlichen Trägerstruktur auch das AMS als privatrechtlich agierende Körperschaft (Unternehmung) öffentlichen Rechts (1 Ob 218/14m mwN).

[29] 3.2. Wer immer – kraft Gesetzes, durch Bescheid oder rechtsgeschäftlichen Akt – berufen wurde, Geld oder geldwerte Leistungen aus Gemeinschaftsmitteln zur Förderung bestimmter Gemeinschaftsanliegen an Einzelrechtsträger zu deren förderungszielgerechten Verwendung zu verteilen, tritt mit Beginn des Verteilungsvorgangs gegenüber allen, die nach dem vorgegebenen Förderungsziel abstrakt als Empfänger in Betracht zu ziehen wären, in ein – der Art nach dem vorvertraglichen Schuldverhältnis vergleichbares – gesetzliches Schuldverhältnis; dieses wird nach der Herkunft der Mittel und der im Gemeinschaftsinteresse gelegenen Zielsetzung durch ein Diskriminierungsverbot im Sinn des Gleichbehandlungsgrundsatzes bestimmt (RS0102013).

[30] Die Bindung an den Gleichheitsgrundsatz bei privatrechtlicher Subventionsvergabe zwingt den mit der Verteilung betrauten Rechtsträger nicht nur dazu, die Subvention ohne unsachliche Differenzierung, also grundsätzlich bei Vorliegen bestimmter typischer Voraussetzungen zu gewähren (näher dazu 3 Ob 83/18d). Auch die Festlegung des Förderungszwecks selbst und die nach dieser Zielsetzung erfolgte Eingrenzung des Berechtigtenkreises in den Förderungsrichtlinien muss dem Sachlichkeitsgebot entsprechen (6 Ob 162/20x mwN).

[31] 3.3. Daher ist eine Gebietskörperschaft, die sich in einem Selbstbindungsgesetz zur Leistung unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet hat, grundsätzlich von Gesetzes wegen verpflichtet, diese Leistung jedermann, der diese Voraussetzungen erfüllt, zu erbringen, wenn sie eine solche Leistung in anderen Einzelfällen bereits erbrachte. Auf eine solche Leistung besteht insoweit ein klagbarer Anspruch (RS0117458; RS0018989 [T2]). Aber auch wenn einzelne Voraussetzungen der Richtlinien nicht erfüllt sein sollten, könnte der Gleichheitssatz einen solchen Anspruch gebieten, wenn die Richtlinien unsachliche Förderkriterien vorsehen würden (6 Ob 162/20x).

[32] 4. Unter diesen Prämissen kann der Beurteilung der Vorinstanzen, der Klägerin stünde kein direkter (Geld-)Leistungsanspruch zu, zumindest auf Basis des derzeitigen Verfahrensstands nicht beigetreten werden:

[33] 4.1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Klägerin wäre nach der Mitteilung des AMS vom 10. 5. 2021 eine neuerliche Antragstellung bis 30. 6. 2021 offen gestanden, ist ebenso wenig nachvollziehbar wie die Behauptung der Beklagten, der Klägerin wäre hierfür (in der Mitteilung) eine Frist eingeräumt worden.

[34] Nach Punkt 7.1.1. der KUA‑RL waren Begehren grundsätzlich vor Beginn der Kurzarbeit einzubringen. Für Projekte mit einem Beginn 1. 4. 2021 galt eine Übergangsfrist von einem Monat ab Zurverfügungstellung der Begehrensstellung via eAMS‑Konto. Für Projekte mit einem Beginn während der Zeit eines verordneten Lockdowns konnten Begehren bis zu zwei Wochen nach Beginn der Kurzarbeit, spätestens jedoch am 30. 6. 2021, eingebracht werden.

[35] Der Behauptung der Klägerin, die Kurzarbeit habe bei ihr am 1. 4. 2021 begonnen, ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr hat sie nur vorgebracht, im Kulanzweg hätten noch Anträge bis zum 30. 6. 2021 rückwirkend für den Zeitraum ab 1. 4. 2021 gestellt werden können.

[36] Dass das Erstgericht dazu keine Feststellung getroffen hat, ist unerheblich, weil diese Information der Mitteilung des AMS vom 10. 5. 2021 ohnehin nicht entnommen werden kann, worauf sich die Klägerin zu Recht schon in erster Instanz berufen hat. In der eAMS‑Nachricht, mit der der Antrag der Klägerin in drei Punkten beanstandet und zurückgewiesen wurde, wurde die Klägerin zwar auf eine neue Antragstellung verwiesen. Nach der KUA‑RL war diese der Klägerin aber zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr möglich. Insofern waren die Erklärungen des AMS unklar; klar war bloß, dass das Förderungsbegehren der Klägerin nicht endgültig abgelehnt worden war.

[37] Da das AMS unter Punkt (1) der Beanstandungen ausdrücklich um „Erklärung bzw Korrektur“ bat und Punkt (3) mit „Bitte korrigieren!“ schloss, durfte die Klägerin zumindest nach § 915 zweiter Halbsatz ABGB die Äußerungen des AMS so verstehen, dass ihr im konkreten Fall zwar aufgrund der in der KUA‑RL vorgegebenen Fristen keine neue Antragstellung, aber eine Aufklärung der angesprochenen Fragen ermöglicht wurde, um die Kurzarbeitsbeihilfe doch noch gewährt zu erhalten. Dem kam sie mit eAMS‑Nachricht vom 28. 5. 2021 auch nach. Darauf reagierte das AMS bis Herbst 2021 nicht, obwohl ihm erkennbar sein musste, dass das Förderungsbegehren der Klägerin nach wie vor aufrecht (erhalten) war. Erst mit E‑Mail vom 10. 11. 2021 lehnte das AMS einen Vertragsabschluss mit der Klägerin über die Kurzarbeitsbeihilfe für die Phase 4 eindeutig ab.

[38] 4.2. Soweit das AMS die Verweigerung der Förderung auf das Fehlen eines neuen Antrags stützt, liegt ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot vor:

[39] Es ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund es für eine (inhaltliche) Entscheidung über das Förderungsbegehren der Klägerin erforderlich sein sollte, dass sie ihren im elektronischen Weg über ihr eAMS‑Konto beim AMS eingebrachten Antrag einschließlich aller Unterlagen neuerlich einreicht. Aufgrund des bereits zu einer bestimmten Projekt-/Förderfallnummer vorliegenden Antragsim Zusammenhalt mit der darauf bezugnehmenden Eingabe der Klägerin vom 28. 5. 2021 lagen dem AMS sämtliche Unterlagen vor, um den Antrag beurteilen zu können.

[40] Die Beklagte hat zwar behauptet, es sei notwendig, die Neueinbringung des Antrags einzufordern, um die Vielzahl an Förderungsfällen zeitnah und effizient abwickeln zu können, ohne dass das Erstgericht Feststellungen dazu getroffen hätte. Die Beklagte kann sich im konkreten Fall aber schon deshalb nicht auf diese formale Vorgabe berufen, weil durch die KUA‑RL und die darin vorgesehenen Fristen einerseits und ihre Nachricht vom 10. 5. 2021 anderseits eine undeutliche Äußerung vorlag, die sie sich iSd § 915 zweiter Halbsatz ABGB entgegenzuhalten lassen hat.

[41] 4.3. Auch der Einwand der Beklagten, dass die Unterschrift einer in Karenz befindlichen Arbeitnehmerin nach wie vor fehle, scheint vorderhand dem Sachlichkeitsgebot nicht gerecht zu werden.

[42] Aus der KUA‑RL, insbesondere Punkt 6.7., ergibt sich eindeutig, dass Kurzarbeitsbeihilfe nur für Arbeitnehmer gewährt werden kann, die wegen Kurzarbeit einen Arbeitsausfall erleiden, der mit einem Verdienstausfall verbunden ist. Das ist bei einem in Karenz befindlichen Arbeitnehmer nicht der Fall. Personen in Karenz sind daher nicht förderbar. Zwar sind diese Personen in den Beschäftigtenstand einzurechnen, für diese können aber keine Ausfallstunden anfallen (Wolf/Potz/Krömer/Jöst/Stella/ Hörmann/Holuschka/Scharf in Resch, Corona‑HB1.06 Kapitel 4 Rz 62 [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]).

[43] Aus welchen Gründen die Beklagte die Unterschrift der nicht förderbaren – von der Kurzarbeitsvereinbarung nicht betroffenen – Arbeitnehmerin zu benötigen vermeint, für die die Klägerin nach ihrem Vorbringen zumindest mit ihrer Klage auch keine Förderung begehrt, ist nicht nachvollziehbar. Selbst wenn die Klägerin für diese Person ursprünglich Kurzarbeitsbeihilfe beantragt haben sollte, indem entsprechende Ausfallsstunden verrechnet worden wären (wozu Feststellungen fehlen), ist nicht ersichtlich, warum dem AMS eine teilweise Gewährung nicht möglich (gewesen) sein sollte. Das Berufungsgericht meint in dem Zusammenhang nur, dass die KUA‑RL eine teilweise Gewährung nicht vorsehe. Das schließt eine solche aber nicht aus.

[44] In diesem Zusammenhang wird der Beklagten allerdings noch die Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen allenfalls zu ergänzen bzw schlüssig zu stellen. Das Erstgericht hat daher im fortgesetzten Verfahren zu klären, ob die Klägerin für die in Karenz befindliche Person überhaupt Kurzarbeitsbeihilfe beantragt hat (und diese nicht nur – korrekt – als Teil des Beschäftigtenstandes im Antrag aufscheint), warum deren Unterschrift für den Fördervertrag nötig sein soll, obgleich sie nicht förderbar ist, und – falls die Unterschrift erforderlich sein sollte – ob und warum nicht eine teilweise Förderung der Klägerin (also in Ansehung der tatsächlich förderbaren Personen anstatt einer gänzlichen Ablehnung) in Betracht gekommen wäre.

[45] 4.4. Weitere Einwände gegen die Förderungswürdigkeit der Klägerin hat die Beklagte nicht erhoben. Sollte sich daher im fortgesetzten Verfahren herausstellen, dass die (gänzliche) Verweigerung der Förderung auch in Ansehung der fehlenden Unterschrift als unsachlich zu beurteilen ist, hätte die Klägerin einen direkten Leistungsanspruch gegen die Beklagte. Die Höhe des Zahlungsbegehrens (vgl 6 Ob 162/20x) hat die Beklagte im Übrigen nur unsubstantiiert bestritten.

[46] 5. Der Revision der Klägerin ist aus diesen Gründen Folge zu geben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

[47] 6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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