OGH 4Ob58/24v

OGH4Ob58/24v4.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch Mag. Stefano Alessandro, Rechtsanwalt in St. Andrä‑Wördern, gegen die beklagten Parteien 1. * GmbH, 2. Ing. *, beide *, vertreten durch Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen 13.953 EUR, Rechnungslegung und Zahlung (Stufenklage nach Art XLII EGZPO), Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 69.953 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2024, GZ 3 R 75/23f‑86, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 23. März 2023, GZ 57 Cg 34/18b‑80, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00058.24V.0404.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Urheberrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.135,88 EUR (darin 189,31 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin und die Erstbeklagte sind ua im Bereich der Brandschutztechnik tätig und dort Konkurrenten. Der Zweitbeklagte ist der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter der Erstbeklagten. Die Streitteile kooperierten in den Jahren 2008 bis 2016, wobei die Zusammenarbeit dadurch geprägt war, dass die Erstbeklagte unter anderem die von der Klägerin vertriebenen Sauerstoffreduktionsanlagen vermarktete.

[2] Die Klägerin machte gegen die Beklagten ua mehrere Unterlassungsansprüche geltend, erhob weiters eine auf Art XLII EGZPO gestützte Stufenklage auf Rechnungslegung und Leistung und stellte ein Begehren auf Urteilsveröffentlichung.

[3] Die Vorinstanzen haben diese (auf Verstöße gegen das UWG, das UrhG und das MSchG gestützten) Ansprüche bereits rechtskräftig erledigt, dabei den Unterlassungsbegehren zum Teil stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Auch das Urteilsveröffentlichungsbegehren wurde abgewiesen. Zum Rechnungslegungsbegehren wurde ein klagsstattgebendes Teilurteil erlassen. Die referierten Ansprüche sind wegen der rechtskräftigen Erledigung nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

[4] Gestützt auf § 86 iVm § 87 Abs 3 UrhG begehrt die Klägerin weiters die Zahlung von 13.953 EUR, dies als angemessene Entschädigung wegen unberechtigter Verwendung von (mindestens) vier (von ihrem Geschäftsführer angefertigten) Lichtbildern durch die Beklagten. Die Klägerin brachte dazu vor, dass die Erstbeklagte ihre Fotos retuschiert habe und diese auf ihrer Website ohne Hinweis auf die Herkunft der Fotos verwende. Die Zeichen (bzw das Design und die Firmenhinweise) der Klägerin seien dabei entfernt und durch Zeichen der Erstbeklagten ersetzt worden. Aufgrund der unerlaubten Nutzung stehe der Klägerin ein angemessenes Entgelt nach § 86 UrhG zu, das nach § 87 Abs 3 UrhG zu verdoppeln sei. Für die Berechnung sei die Empfehlung der Bundesinnung für Berufsfotografen heranzuziehen.

[5] Die Beklagten wandten ein, dass ihr die Fotos mit und ohne Logo zur freien Verwendung zur Verfügung gestellt worden seien. Sie hätten sich verpflichtet, die Fotos nicht mehr zu verwenden, sodass die Wiederholungsgefahr weggefallen sei.

[6] Das Erstgericht verurteilte die Beklagten nach § 86 UrhG iVm § 87 Abs 3 UrhG zur Zahlung einer Entschädigung an die Klägerin von 3.000 EUR wegen der dreijährigen Nutzung folgender Lichtbilder nach Beendigung der Kooperation:

 

 

[7] Zur in dritter Instanz noch verbliebenen (einzigen) strittigen Frage (= Höhe der Entschädigung) führte das Erstgericht aus, dass die Zugrundelegung der Honorarrichtlinien der Bundesinnung für Berufsfotografen nicht gerechtfertigt sei. Unter Anwendung des § 273 ZPO sei für die Veröffentlichung von drei Fotos durch etwas mehr als drei Jahre ein Honorar von 500 EUR pro Foto, somit 1.500 EUR für drei Fotos angemessen. Dieser Betrag sei wegen des schuldhaften Handelns der Beklagten nach § 87 Abs 3 UrhG zu verdoppeln. Das auf §§ 86 f UrhG gestützte Mehrbegehren von 10.953 EUR wies das Erstgericht ab.

[8] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und bejahte die Anwendung von § 273 ZPO. Die Höhe des vom Erstgericht zugesprochenen Entgelts erscheine ausgehend von den festgestellten Rechtsverletzungen angemessen. Die Klägerin habe sich ausschließlich auf die Honorarordnung der Bundesinnung für Berufsfotografen bezogen, dabei jedoch übergangen, dass sie keine Berufsfotografin sei.

[9] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision nachträglich zur Klärung der Frage für zulässig, ob die von der Bundesinnung der Fotografen herausgegebenen Bildhonorare zur Ermittlung des angemessenen Entgelts nach § 86 UrhG auch dann herangezogen werden können, wenn es sich bei der Klägerin um keine Berufsfotografin handelt.

[10] Der Zuspruch von 3.000 EUR erwuchs in Rechtskraft.

[11] Gegen die Abweisung ihres diesbezüglichen Mehrbegehrens richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichts dahingehend abzuändern, dass ihrem Zahlungsbegehren auch insoweit stattgegeben wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[12] Die Beklagten beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die Revision ist zur Verdeutlichung zulässig, aber nicht berechtigt.

[14] 1. Die immaterialgüterrechtlichen Ansprüche auf das angemessene Entgelt (bzw auf das Duplum nach § 87 Abs 3 UrhG; vgl zB 4 Ob 187/20h Rz 43) haben nach gesicherter Rechtsprechung eine bereicherungsrechtliche Grundlage; in der Sache handelt es sich dabei um Verwendungsansprüche nach § 1041 ABGB (RS0021397; RS0108478). Zweck der Bestimmung ist es, jene ungerechtfertigte Vermögensverschiebung rückgängig zu machen, die durch den unberechtigten Eingriff in Ausschließungsrechte eingetreten ist (4 Ob 163/09p; 4 Ob 219/21s). Daher besteht ein Anspruch nur, wenn und soweit ein Nichtberechtigter Vorteile aus der Sache gezogen hat (RS0116468).

[15] 2. In dritter Instanz ist die Aktivlegitimation der Klägerin wegen der unberechtigten Verwendung der gegenständlichen Lichtbilder ebenso unstrittig wie der Umstand, dass ihr Anspruch auf angemessenes (doppeltes) Entgelt nach § 86 Abs 1 Z 1 iVm § 87 UrhG dem Grunde nach zu Recht besteht. Zu klären ist damit (nur) die Höhe des Entgelts.

[16] 3. Ebenso wie bei § 1041 ABGB (vgl RS0019900) hat auch im Bereich des § 86 UrhG als Maßstab das zu gelten, was für den erlangten Vorteil sonst auf dem Markt hätte aufgewendet werden müssen (RS0021397; Schacherreiter, Bereicherung und Schadenersatz im Immaterialgüterrecht [2018] 22). Die dem in seinem ausschließlichen Recht Verletzten nach § 86 Abs 1 UrhG herauszugebende Bereicherung besteht nach ständiger Rechtsprechung in dem angemessenen Entgelt, das der Benutzer für die Gestattung der Nutzung hätte bezahlen müssen (RS0021397), also das marktgerechte, im Geschäftsverkehr für vergleichbare Nutzungen übliche Lizenzentgelt (4 Ob 249/01y; RS0077086; RS0108478; Guggenbichler, Rechtsdurchsetzung bei Fotografien, ipCompetence 2011 H 6, 38; Kucsko, Geistiges Eigentum [2003] 1274). Der Rechteinhaber soll so gestellt werden, als hätte er dem Verletzer die Nutzung des unbefugt verwendeten Rechts durch Vertrag eingeräumt und dafür ein Entgelt vereinbart (4 Ob 133/13g; RS0077349 [T2]). Es ist damit von jenem Entgelt auszugehen, das für die Erteilung gleichartiger, im Voraus eingeholter Bewilligungen üblicherweise verlangt und gezahlt wird (RS0077349; RS0120089: RS0108478). Richtschnur dafür hat zu sein, was redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (4 Ob 133/13g). Der Verletzer ist grundsätzlich nicht besser, aber auch nicht schlechter zu stellen als ein vertraglicher Lizenznehmer (4 Ob 219/21s Rz 43). Dabei kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an. Für die Höhe des angemessenen Entgelts ist der Rechteinhaber behauptungs- und beweispflichtig; gegebenenfalls ist das angemessene Entgelt nach § 273 ZPO zu schätzen (4 Ob 133/13g; 4 Ob 219/21s ua; Schacherreiter, Bereicherung 25).

[17] 4.1 Die Klägerin releviert, dass bei der Ermittlung der Höhe des Entgelts die Anwendung des § 273 ZPO ausgeschlossen sei, wenn sich der Wert des erfolgten Nutzens anhand von Anhaltspunkten berechnen lasse. Es fehlten Feststellungen zum Preis, den die Parteien im Anlassfall vereinbart hätten.

[18] 4.2 Die Entscheidung des Gerichtes darüber, ob es § 273 ZPO anwenden darf, ist eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung. Wurde vom Erstgericht zu Unrecht die Anwendbarkeit des § 273 ZPO bejaht oder verneint, muss dies mit Mängelrüge bekämpft werden. Hat das Berufungsgericht verneint, dass das Erstgericht zu Unrecht § 273 ZPO anwendete, kommt demnach eine Anfechtung in diesem Punkt in der Revision als vermeintlicher Verfahrensmangel nicht mehr in Betracht (zB 5 Ob 58/22y; RS0040282 [T8, T15]). Das ist hier der Fall, weil das Berufungsgericht die Anwendung des § 273 ZPO durch das Erstgericht ausdrücklich nicht beanstandete.

[19] 4.3 Damit kann im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden, ob § 273 ZPO hier zu Recht herangezogen wurde.

[20] 5. Hingegen ist die Bemessung des angemessenen Entgelts im Wege des § 273 ZPO eine Frage der rechtlichen Beurteilung und damit mit Revision anfechtbar (RS0040322; Rechberger/Simotta, ZPR9 Rz 837).

[21] 5.1 Das Rechtsmittel zeigt bei der konkreten Betragsfestsetzung keine Fehlbeurteilung des Erstgerichts auf, die von den in Punkt 3 referierten Grundsätzen abweicht. Insbesondere wird nicht nachvollziehbar dargelegt, dass das am Markt für die Fotos erzielbare Lizenzentgelt den von den Vorinstanzen zugesprochenen Betrag übersteigen würde. Eine solche Fehlbeurteilung liegt auch nicht darin, dass die Vorinstanzen bei der Betragsfestsetzung auf die (unverbindlichen) Honorarempfehlungen der Bundesinnung der Fotografen nicht zurückgegriffen haben.

[22] 5.2 Nach zutreffender Ansicht kann zwar bei Eingriffen in die Rechte eines Berufsfotografen wegen unzulässiger Verwendung seiner Lichtbilder als Maßstab für das angemessene Entgelt die Empfehlung der Bundesinnung der Fotografen herangezogen werden (Guggenbichler in Ciresa, § 86 UrhG Rz 26; Handig in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht3 § 37b UrhG Rz 31; Nageler‑Petritz in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht3 § 86 UrhG Rz 34; Thurnerin Thiele/Burgstaller 4 § 86 UrhG Rz 28; Thiele, Über der Lichtbildwerke Wert, ipCompetence 2011 H 6, 12; vgl auch 4 Ob 105/03z; 4 Ob 115/09d; 4 Ob 81/17s).

[23] 5.3 Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass bei Verletzung von Rechten über Lichtbilder bzw Lichtbildwerken auf diese Empfehlungen – unabhängig von der fotografierenden Person – stets und pauschal zurückgegriffen werden kann.

[24] 5.3.1 So unterscheidet sich die Höhe der Entschädigung bei gewerblichen Fotografen von jener, die bei angestellten Fotografen gebührt (vgl 4 Ob 92/99d).

[25] 5.3.2 Gegen eine undifferenzierte Übernahme von Verbandsempfehlungen bei allen Eingriffen in Lichtbilderrechte, unabhängig davon, welcher Personengruppe ein Fotograf angehört (gewerblicher Fotograf, angestellter Fotograf, Hobbyfotograf oder Laie, der einen Schnappschuss tätigt) hat sich auch die Entscheidung 4 Ob 115/09d ausgesprochen. Dort wurde betont, dass eine Verbandsempfehlung für Pressefotografen nur auf diese abzielt.

[26] 5.3.3 Zur hier vergleichbaren deutschen Rechtslage ist der BGH davon ausgegangen, dass die Empfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing bei einer Fotografie, die nicht von einem professionellen Marktteilnehmer hergestellt wurde, nicht heranzuziehen sind (BGH I ZR 187/17).

[27] 5.3.4 Auch das überwiegende Schrifttum vertritt den Standpunkt, bei privaten, nicht von Berufsfotografen aufgenommenen Fotografien seien Honorarempfehlungen der Bundesinnung für Berufsfotografen nicht einschlägig (Meyer, BGH: Schadenersatz bei Verwendung fremder Bilder im Internet, JusIT 2019/22; Thurnerin Thiele/Burgstaller 4 § 86 UrhG Rz 28; aA Nageler-Petritz in Handig/Hofmarcher/ Kucsko, urheber.recht3 § 86 Rz 36).

[28] 5.4 Daran ist auch gegenständlich festzuhalten, zumal es sich bei den Empfehlungen der Bundesinnung um Honorare im Fotografengewerbe handelt. Die gegenständlichen Fotos wurden aber nicht von einem gewerblichen Fotografen erstellt. Vernünftige Marktteilnehmer hätten für die klagsgegenständlichen Bilder nicht die bei Berufsfotografen üblichen Honorarsätze vereinbart. Die Klägerin wäre daher durch den von ihr begehrten (höheren) Betrag besser gestellt, als sie bei einer Absprache über die Nutzung der Bilder stünde (s auch Meyer, JusIT 2019/22). Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass bei Hobbyfotografen eine besonders hohe Qualität des Lichtbilds bei der Betragsfestsetzung berücksichtigt wird und dadurch eine Annäherung an die Honorarsätze eines Berufsfotografen erfolgen kann. Dass die gegenständlichen Lichtbilder eine solche Qualität erreichen, die es rechtfertigen würde, sie mit professionell hergestellten Fotos gleichzustellen, steht weder fest noch wurde Derartiges von der Klägerin vorgebracht.

[29] 6. Der Revision ist damit nicht Folge zu geben, weshalb die angefochtene Entscheidung zu bestätigen ist.

[30] 7. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.

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