OGH 2Ob31/24h

OGH2Ob31/24h21.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. W*, und 2. O*, beide vertreten durch Dr. Karl‑Heinz Plankel, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei D*, vertreten durch Dr. Günter Tarabochia und Mag. Sascha Lumper, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 3 C 205/20f des Bezirksgerichts Dornbirn, über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch (als Rekursgericht) vom 5. Dezember 2023, GZ 2 R 296/23d‑18, mit dem der als „Berufung“ bezeichnete Rekurs der klagenden Parteien gegen den irrig als Urteil bezeichneten Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 23. Oktober 2023, GZ 3 C 1080/23m‑12, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00031.24H.0321.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Schadenersatz nach Verkehrsunfall, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.447,73 EUR (darin enthalten 241,29 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Wiederaufnahmskläger (in der Folge kurz: Kläger) begehren mit auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützter Wiederaufnahmsklage die Wiederaufnahme des vom Erstgericht zu AZ 3 C 205/20f geführten und rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens, in dem die Kläger als dort Beklagte zur Zahlung von 13.079,34 EUR sA verurteilt wurden und einem Feststellungsbegehren stattgegeben wurde.

[2] Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage „ab“, wobei die Entscheidung äußerlich die Form eines Urteils aufwies. Es gelangte zum Ergebnis, dass es den Klägern nicht gelungen sei, einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund schlüssig darzustellen.

[3] Das mit „Berufung“ der Kläger angerufene Gericht zweiter Instanz wies die als Rekurs behandelte Berufung zurück. Das Erstgericht habe sich in der Entscheidungsform vergriffen, weil es die auf keinen schlüssig dargelegten Wiederaufnahmsgrund gestützte Wiederaufnahmsklage richtiger Weise mit Beschluss zurückweisen hätte müssen. Die Kläger hätten den Beschluss innerhalb der 14‑tägigen Rekursfrist (§ 521 Abs 1 ZPO) bekämpfen müssen, was sie unterlassen hätten. Die als Rekurs zu wertende Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der dagegen erhobene Rekurs der Kläger ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Zulässigkeit des Rekurses

[5] 1.1. Deutet das als Berufungsgericht angerufene Gericht zweiter Instanz eine Berufung in einen Rekurs um und weist es das Rechtsmittel als verspätet zurück, ist dagegen ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zu erheben, das grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO zulässig ist.

[6] 1.2. Läuft allerdings der Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einer Klage hinaus, ist für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels nach jüngerer Rechtsprechung § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog anzuwenden (RS0043802 [T4]). Das Rechtsmittel ist daher als „Vollrekurs“ zulässig (1 Ob 63/23f Rz 6 mwN).

2. Zur Berechtigung des Rekurses

[7] 2.1. In jeweils ausführlich begründeten Entscheidungen haben der 1. und der 3. Senat des Obersten Gerichtshofs in jüngster Zeit die der sogenannten objektiven Theorie folgende (G. Kodek in Fasching/Konecny II/2³ §§ 84, 85 ZPO Rz 63 mwN) ständige Rechtsprechung bekräftigt (1 Ob 63/23f und 3 Ob 67/23h). Der erkennende Senat schließt sich den in diesen Entscheidungen angestellten Überlegungen an, sodass auch für den vorliegenden Fall gilt:

[8] Für die Beurteilung, ob ein Urteil oder ein Beschluss vorliegt, ist nicht die tatsächlich gewählte, sondern die vom Gesetz vorgesehene Form der Entscheidung maßgebend (RS0040727 [T1]). Die Zulässigkeit der Anfechtung richtet sich allein nach der gesetzlich vorgesehenen – also objektiv richtigen – Entscheidungsform (vgl RS0041880). Der tatsächliche oder vermeintliche Wille des Gerichts, in einer bestimmten Form seine Entscheidung zu treffen, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, soweit das Gericht nicht bewusst die Rechtsfrage anders qualifiziert und die seiner Rechtsauffassung entsprechende richtige Entscheidungsform wählt (RS0041859 [T6]).

[9] Welche Entscheidungsform die vom Gesetz vorgesehene, also objektiv richtige ist, bestimmt sich nach dem vom Gericht als entscheidend erachteten Umstand. War dieser Umstand ein solcher, der objektiv zu einem Beschluss zu führen hätte, liegt ein Beschluss, war es ein Umstand, der objektiv zu einem Urteil zu führen hätte, liegt ein Urteil vor. Damit ist stets anhand der Begründung der Entscheidung zu untersuchen, welchen Umstand das Gericht als entscheidend betrachtete (8 Ob 56/19x Punkt II.4.; 1 Ob 63/23f Rz 8 mwN).

[10] 2.2. Das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass die Kläger den von ihnen ins Treffen geführten Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht schlüssig zur Darstellung gebracht haben. Das Gericht zweiter Instanz hat dazu – im Rekurs nicht weiter in Zweifel gezogen – ausgeführt, dass das Erstgericht damit eine an sich bereits im Vorprüfungsverfahren (§ 538 ZPO) vorzunehmende abstrakte (Schlüssigkeits‑)Prüfung durchgeführt hat (vgl RS0044631), die in jeder Lage des Verfahrens zu einer Zurückweisung mit Beschluss zu führen hat (RS0044620).

[11] Ausgehend davon trifft die Rechtsansicht des Rekursgerichts zu, dass die Kläger die damit als Beschluss zu wertende Entscheidung des Erstgerichts (§§ 538 Abs 1, 543 ZPO) innerhalb der 14‑tägigen Frist (§ 521 Abs 1 ZPO) mit Rekurs anfechten hätten können (und müssen).

[12] 2.3. Der von den Klägern unter Berufung auf Schindl (Die verfehlte Entscheidungsform: Rück- und Ausblick, ÖJZ 2023/34, 202 f) als sachgerecht erachteten analogen Anwendung von § 61 Abs 2 und 3 AVG (unrichtige Rechtsmittelbelehrungen im Verwaltungsverfahren) hat der 1. Senat bereits mit der überzeugenden Begründung eine Absage erteilt, dass es insoweit an einer (planwidrigen) Lücke fehle (1 Ob 63/23f Rz 13 f).

[13] 2.4. Der Rekurs muss daher erfolglos bleiben.

[14] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

Stichworte