OGH 4Ob185/23v

OGH4Ob185/23v19.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch Hon.‑Prof. Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei * L.L.C., *, vertreten durch die BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.000 EUR sA, Unterlassung (Streitwert: 31.000 EUR) und Widerruf (Streitwert: 2.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. August 2023, GZ 3 R 96/23t‑30, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00185.23V.0319.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist die Inhaberin des Europäischen Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr 001654484‑0002:

 

[2] Die Klägerin vertrieb die folgenden Schutzhüllen für Trinkflaschen über die Internetplattform der A*, einer Dritten:

 

 

[3] A* bietet (auch) Händlern im Rahmen eines Beschwerdemanagements die Möglichkeit, mit Hilfe eines standardisierten Formulars einen Beschwerdefall zu melden, und eröffnet ihnen so die Möglichkeit, etwaige Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten durch andere Händler zu melden. Die Beklagte beschwerte sich am 26. 8. 2022 bei ihr über die Produkte der Klägerin: „The products at the listed ASIN(s) create the same overall impression as our registered design 001654484‑0002. Clearly, the product infringes our design rights and is likely to confuse A*‘s customers. Accordingly, we request that you remove this ASIN from A*.de.“ A* sperrte die Klägerin am selben Tag als Wiederverkäuferin dieser Produkte.

[4] Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Unterlassung der Behauptungen, ihre Schutzhüllen erweckten denselben Gesamteindruck wie das Muster der Beklagten, es sei offensichtlich, dass diese Schutzhüllen das Muster der Beklagten verletzen, und sie seien geeignet, die Kunden von A* zu verwirren, den Widerruf dieser Behauptungen und 2.000 EUR sA Schadenersatz. Sie stützte sich insbesondere auf §§ 1 und 7 UWG.

[5] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, die Beschwerdemitteilung erfülle nicht den Tatbestand der §§ 1 und 7 UWG. Es handle sich um eine Rechtsfolgenbehauptung. Ein Wertungsexzess liege nicht vor.

[6] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren mit der Begründung ab, die Behauptungen der Beklagten seien das subjektive Ergebnis eines Vergleichs der Produkte der beiden Parteien und damit ein Werturteil, das keine Ansprüche nach § 7 UWG begründe. Ein nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG relevanter Wertungsexzess liege nicht vor. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[8] 1. Der Senat hat die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[9] 2. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfasst § 7 UWG jede (unwahre) Tatsachenbehauptung über geschäftliche Verhältnisse, die zu einem Schaden für den Kredit oder den Betrieb des davon Betroffenen führen kann (4 Ob 184/06x; 4 Ob 249/06f; 4 Ob 211/19m). Ein Werturteil – also eine Äußerung, die sich als Ausdruck der subjektiven Meinung darstellt – begründet keinen Anspruch nach § 7 UWG. Dennoch dürfen auch Werturteile nicht schrankenlos öffentlich verbreitet werden: Das Überschreiten der Grenzen zulässiger Kritik durch einen massiven Wertungsexzess (vgl RS0054817 [T3]) erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG (4 Ob 211/19m). Ob eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet – wenn keine grobe Fehlbeurteilung vorliegt – keine erhebliche Rechtsfrage (vgl 4 Ob 124/23y). Dasselbe gilt für die Frage, ob eine Äußerung als Wertungsexzess zu qualifizieren ist (RS0113943).

[10] 3. In der Entscheidung 4 Ob 211/19m, die auch die außerordentliche Revision zitiert, befasste sich der Senat ausführlich mit der Behauptung gegenüber einem Dritten, ein Mitbewerber verletze Immaterialgüterrechte. Er setzte sich mit der Rechtsprechung zu Rechtsfolgenbehauptungen im Allgemeinen (RS0112210; RS0112211 [insb T5, T8]) und zur Abnehmerverwarnung im Besonderen auseinander (4 Ob 3/92; 4 Ob 72/99p; 4 Ob 249/06f), ging auf die deutsche Literatur zu dieser Frage ein (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG38 Rz 4.178) und schloss daraus: Die Behauptung, der Kläger verletze Musterrechte des Beklagten, weil er diesem verwechselbar ähnliche Produkte vertreibe, hat den objektiv überprüfbaren Tatsachenkern, dass der Beklagte das fragliche Schutzrecht hat und der Kläger Produkte vertreibt, die ihm nicht offenkundig unähnlich sind. Darüber hinaus liegt ein Werturteil in Form einer rechtlichen Schlussfolgerung vor, vergleichbar einer Rechtsfolgenbehauptung, die nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht (4 Ob 2111/19m Rz 3.1. ff).

[11] 4. Das Berufungsgericht hat die zu 2. und 3. dargelegten Grundsätze beachtet und im Einzelfall vertretbar angewendet. Mit der älteren Rechtsprechung, aus der die Klägerin Gegenteiliges ableiten möchte, hat sich der Senat bereits zu 4 Ob 211/19m befasst. Auch sonst gelingt es der Klägerin nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen: Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Produkte der Klägerin dem Muster der Beklagten offenkundig unähnlich wären, dass die Behauptung der Beklagten, die Klägerin hätte ihr Muster verletzt, ein massiver Wertungsexzess gewesen wäre, oder dass die Beklagte die Klägerin durch die Beschwerde unlauter behindert hätte, sind der außerordentlichen Revision nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.

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