OGH 9ObA40/23g

OGH9ObA40/23g18.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits-  und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende und den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus Schrottmeyer und ADir. Gabriele Svirak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Peter Schöppl, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei D* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Dr. Michael Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, in eventu Kündigungsanfechtung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Februar 2023, GZ 8 Ra 115/22y‑23, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 11. Oktober 2022, GZ 4 Cga 82/21p‑18, nicht Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00040.23G.0318.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte betreibt ein Autobusunternehmen. Im Jahr 2017 erhielt sie den Zuschlag zur Linienführung in Oberösterreich ab dem Jahr 2018, wobei für sie dazu die D* Oberösterreich * GmbH & Co KG tätig war. In der Folge übernahm die Beklagte gemäß § 142 UGB das Vermögen dieser Gesellschaft, wobei die Eintragung im Firmenbuch am 3. 10. 2020 erfolgte. Durch die gesellschaftsrechtliche Verschmelzung der beiden Gesellschaften blieb die Organisation des Standorts in Oberösterreich im Wesentlichen unverändert: Für den Standort war und ist ein eigener Disponent/Fahrdienstleiter angestellt, der für die Tagesdisposition, die Erstellung von Dienstplänen, die Koordination der Fahrzeuge, die Entgegennahme von Urlaubsanträgen und die Teilnahme an Verhandlungen über Haltestellen und Baustellen zuständig ist.

[2] Die Vorgaben für die Tätigkeit des Disponenten erfolgen durch die Zentrale in Wien. In dieser werden auch sämtliche sonstige Entscheidungen getroffen, darunter Vorgaben zu den Strecken- und Dienstplänen und Personalfragen (Einstellungen, Beendigungen, Gehalt). Die in Oberösterreich genutzten Busse standen auch vor der Umstrukturierung im Eigentum der Beklagten, hatten aber in Oberösterreich ein anderes Branding. Vertragspartner des oberösterreichischen Verkehrsverbundes war nicht die D* Oberösterreich * GmbH & Co KG, sondern immer die Beklagte.

[3] Der Kläger war ab 2018 bei der D* Oberösterreich * GmbH & Co KG als Busfahrer angestellt. Er wurde in diesem Unternehmen zum Betriebsrat gewählt. Die Funktionsperiode des Betriebsrats begann am 13. 3. 2020. Die Betriebsratswahl wurde nicht angefochten. Die Beklagte kündigte den Kläger mit einem ihm am 31. 3. 2021 zugegangenen Schreiben zum 18. 4. 2021. Es liegt keine gerichtliche Zustimmung zur Kündigung vor.

[4] Der Kläger begehrt 1. die Feststellung, dass das Dienstverhältnis zwischen ihm und der Beklagten auch nach dem 18. 4. 2021 aufrecht besteht; in eventu, dass die durch die Beklagte mit Schreiben vom 31. 3. 2021 (datiert mit 4. 4. 2021) erklärte Kündigung des zwischen den Streitteilen bestehenden Dienstverhältnisses für rechtsunwirksam erklärt wird. Er begehrt 2. die Feststellung, dass das Dienstverhältnis zwischen ihm und der Beklagten auch nach dem 1. 8. 2021 aufrecht besteht, in eventu, dass die durch die Beklagte mit Schreiben vom 13. 7. 2021 (dem Kläger zugestellt am 15. 7. 2021) erklärte Kündigung des zwischen den Streitteilen bestehenden Dienstverhältnisses für rechtsunwirksam erklärt wird.

[5] Er stützt – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – sein Feststellungsbegehren zu 1. darauf, er sei am 13. 3. 2020 zum Mitglied und Vorsitzenden des Betriebsrats der D* Oberösterreich * GmbH & Co KG gewählt worden. Durch die Übertragung des Gesellschaftsvermögens dieser Gesellschaft auf die Beklagte sei der gesamte oberösterreichische Betrieb auf die Beklagte als neue Rechtsträgerin übergegangen. Der Betrieb in Oberösterreich bestehe trotz der gesellschaftsrechtlichen Änderung jedenfalls fort. In technisch organisatorischer Hinsicht und hinsichtlich der Organisation der Arbeitsabläufe habe sich seit der gesellschaftsrechtlichen Fusion der Rechtsträger/Betriebsinhaber an der Arbeitsstätte in Oberösterreich keine Änderung ergeben. Gemäß § 62b ArbVG bleibe der Betriebsrat bis zum Ablauf seiner Tätigkeitsdauer fortbestehen, wenn ein Betrieb zur Gänze auf einen neuen Betriebsinhaber übergehe. Daher sei auch das Betriebsratsmandat des Klägers grundsätzlich weiterhin aufrecht. Ungeachtet dessen wirke der Kündigungs- und Entlassungsschutz des § 120 ArbVG weitere drei Monate fort. Auch wenn bereits vor der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung der Arbeitsstätte in Linz dieser Arbeitsstätte keine Betriebseigenschaft zuzumessen gewesen sein sollte, bestehe das Betriebsratsmandat des Klägers (die Beklagte habe die Wahl nicht angefochten) fort. Erst mit 28. 2. 2021 sei der Betriebsrat durch die Beendigung der Beschäftigung des zweiten Betriebsratsmitglieds dauerhaft funktions- und handlungsunfähig geworden und habe auch das Mandat des Klägers geendet, wobei der Kündigungs- und Entlassungsschutz weitere drei Monate fortgewirkt habe.

[6] Die Beklagte bestreitet und bringt im Wesentlichen vor, das sich am Standort in Oberösterreich kein eigenständiger Betrieb befinde, es handle sich um keine organisatorische Einheit im Sinne des § 34 ArbVG. Die Unternehmensstrategie im Konzern der Beklagten habe bis vor einiger Zeit darin bestanden, in jedem Bundesland eine eigene Gesellschaft zu gründen, wenn auch nur als „leeres Konstrukt“. Mangels Betriebs sei allenfalls einzugestehen, dass die Betriebsratswahl in der D* Oberösterreich * GmbH & Co KG rechtswidrig erfolgt sei, was jedoch von der Beklagten nicht aufgegriffen worden sei.

[7] Sämtliche Geschäftsvorgänge würden in der Zentrale in Wien entschieden und administriert. Es liege kein Anwendungsfall des § 62b ArbVG vor, weil nicht von einem Übergang des oberösterreichischen Betriebs auf die Beklagte als neue Rechtsträgerin gesprochen werden könne. Es liege auch kein Anwendungsfall des § 62c ArbVG vor, also ein Betriebszusammenschluss zu einem neuen Betrieb, bei dem vorübergehend ein einheitlicher Betriebsrat zu bilden wäre. Es liege vielmehr eine betriebliche Aufnahme vor. Das Betriebsratsmandat des Klägers sei daher untergegangen.

[8] Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Hauptbegehren zu 1. statt und stellte fest, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Dienstverhältnis auch nach dem 18. 4. 2021 aufrecht besteht. Im Übrigen behielt es die Entscheidung der Endentscheidung vor. Es ging davon aus, dass ein eigenständiger Betrieb in Oberösterreich im Sinn des § 34 Abs 1 ArbVG nicht vorgelegen sei und auch derzeit nicht vorliege. Dem Standort mangle es seit seiner Erschließung im Jahr 2018 insbesondere an der Selbständigkeit, alle wesentlichen Entscheidungen würden in der Zentrale in Wien getroffen. Mangels Anfechtung der Betriebsratswahl sei der Kläger dessen ungeachtet ab 13. 3. 2020 Betriebsrat in Oberösterreich gewesen. Gemäß § 61 Abs 1 ArbVG betrage die Tätigkeitsdauer eines Betriebsrats fünf Jahre. Ein Betrieb, der nicht bestehe, könne nicht eingestellt werden, weshalb § 62 Z 1 ArbVG kein tauglicher Grund für die vorzeitige Beendigung des Betriebsratsmandats des Klägers sei. Der Kläger habe daher auch nach der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung den Kündigungsschutz nach § 120 ArbVG genossen. Mangels gerichtlicher Zustimmung sei die Kündigung des Klägers zum 18. 4. 2021 daher unwirksam.

[9] Selbst unter der Prämisse, dass der Standort Linz wie ein Betrieb/Betriebsteil zu behandeln sei, habe sich durch die Verschmelzung im Jahr 2021 daran nichts geändert, es sei lediglich zu einem Wechsel der Betriebsinhaber gekommen. Ein solcher führe nicht zum Verlust der Betriebsidentität und damit nicht zum Ende der Tätigkeitsdauer des Betriebsrats.

[10] Der Berufung des Beklagten gegen dieses Teilurteil gab das Berufungsgericht nicht Folge. Es sei im Berufungsverfahren unstrittig, dass der Standort in Oberösterreich nicht als Betrieb im Sinn des § 34 Abs 1 ArbVG zu qualifizieren sei. Aufgrund der nicht angefochtenen Betriebsratswahl sei der Kläger ab 13. 3. 2020 Betriebsrat für den „Betrieb“ in Oberösterreich gewesen. Nach § 62 Z 1 ArbVG ende die Tätigkeitsdauer des Betriebsrats vor Ablauf des in § 61 Abs 1 ArbVG bezeichneten Zeitraums, wenn der Betrieb dauernd eingestellt werde. Mangels Betriebs komme eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmung nicht in Betracht. Sie sei aber auch nicht analog anwendbar, weil die Wahl eines Betriebsrats in einem betriebsverfassungsrechtlichen Nichtbetrieb einen Spezialfall darstelle. Auch sei im Fall einer analogen Anwendung fraglich, welche Kriterien der Rechtsprechung zur dauernden Betriebseinstellung im Sinn des § 62 Z 1 ArbVG „durch die Aufnahme durch oder in einen anderen Betrieb“ im Falle einer (unangefochtenen) Wahl eines Betriebsrats in einem betriebsverfassungsrechtlichen Nichtbetrieb erfüllt sein müssten, um eine dauernde Betriebseinstellung im Sinn des § 62 Z 1 ArbVG und damit eine vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer des Betriebsrats anzunehmen. Der bloße Wechsel des Betriebsinhabers stelle nach der Rechtsprechung keine Betriebseinstellung dar.

[11] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Beendigungsgrund des § 62 Z 1 ArbVG auch auf Fälle anwendbar sei, in denen kein Betrieb im Sinn des § 34 Abs 1 ArbVG vorliege und ein Betriebsrat in einem betriebsverfassungsrechtlichen Nichtbetrieb unangefochten gewählt worden sei und im Fall der analogen Anwendung, welche Kriterien zur dauernden Betriebseinstellung „durch die Aufnahme durch oder in einen anderen Betrieb“ erfüllt sein müssten.

[12] Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[13] Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[15] 1. Auch im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass es sich beim Standort in Oberösterreich weder vor noch nach der Übernahme durch die Beklagte um einen Betrieb im Sinn des § 34 ArbVG handelte.

[16] 2. Wird in einer Arbeitsstätte oder Einheit, der keine Betriebseigenschaft im Sinn des § 34 ArbVG zukommt, dennoch ein Betriebsrat gewählt, so kann diese unzulässige Wahl nach § 59 Abs 2 ArbVG angefochten werden. Wird eine Betriebsratswahl innerhalb der Monatsfrist des § 59 Abs 2 ArbVG nicht angefochten, dann gelten eventuell bei der Wahl aufgetretene Mängel als saniert. Während der laufenden Funktionsperiode des Betriebsrats kann die Betriebsratswahl nicht mehr bekämpft werden (Löschnigg in Jabornegg/Resch, ArbVG § 59 Rz 28; Windisch-Graetz in Tomandl [Hrsg], Arbeitsverfassungsgesetz § 59 ArbVG Rz 9). Das gilt – mangels abweichender Regelung – auch für die Wahl eines Betriebsrats in einem Nichtbetrieb: Bei unterbliebener Anfechtung ist auch die im Nichtbetrieb stattgefundene Betriebsratswahl für die Dauer der gesetzlichen Funktionsperiode saniert. Die Funktionsperiode des Betriebsrats kann daher trotz Fehlens der Voraussetzungen eines selbständigen Betriebs ausgeschöpft werden. Dieser bleibt demnach grundsätzlich für fünf Jahre im Amt (vgl 9 ObA 184/01a; 8 ObA 207/00z mwN; RS0051150).

[17] 3. Nach § 62 Z 1 ArbVG endet die Tätigkeitsdauer des Betriebsrats vor Ablauf des in § 61 Abs 1 ArbVG bezeichneten Zeitraums, wenn der Betrieb dauernd eingestellt wird.

[18] Von einer Betriebseinstellung ist auch auszugehen, wenn die Tätigkeit nicht eingestellt, sondern „bloß“ die Identität des Betriebs untergegangen ist. Dafür bedarf es so grundlegender Veränderungen, dass nicht mehr vom gleichen Betrieb gesprochen werden kann und in der Folge eine Legitimation des ursprünglich gewählten Betriebsrats für den neuen Betrieb nicht mehr gegeben ist. Keine Betriebseinstellung liegt vor, wenn trotz einer Änderung von Elementen des Betriebs nach allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen angenommen werden kann, dass der alte Betrieb in seinem wesentlichen Kern fortbesteht, also die Betriebsidentität gewahrt bleibt (Burger‑Ehrnhofer/Drs in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 62 Rz 19 ff).

[19] 4. Als Betriebseinstellung ist auch die Aufnahme durch oder in einen anderen Betrieb zu verstehen, weil dadurch die Betriebsidentität des aufgenommenen Betriebs grundsätzlich verloren geht (vgl 8 ObA 219/97g; Kallab in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 62 ArbVG Rz 9; Burger‑Ehrnhofer/Drs in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 62 Rz 22). Von einer betrieblichen Aufnahme ist auszugehen, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil so in einen bestehenden Betrieb eingefügt wird, dass man nicht von einem „neuen“ Betrieb sprechen kann, sondern davon ausgehen muss, dass der neu eingefügte Betrieb bzw Betriebsteil im aufnehmenden Betrieb, der seine Identität beibehält, aufgeht (Majoros, Vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer des Betriebsrats durch Verlust der Betriebsidentität, RdW 2008/425 [464]). Geht die Gesellschaft, die den Betrieb bisher innegehabt hat, durch die Aufnahme in eine andere Gesellschaft in dieser auf und dadurch unter, so führt dieser Vorgang nicht zu einer Einstellung des Betriebs, den die untergegangene Gesellschaft bisher geführt hat. Erst die nach der gesellschaftsrechtlichen Verschmelzung vorgenommenen organisatorischen Veränderungen im Betrieb selbst können zu einer dauernden Einstellung des Betriebs im Sinn des § 62 Z 1 ArbVG führen (8 ObA 290/95; Radner/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht12 § 62 ArbVG Rz 24; vgl auch Pacic in Tomandl, Arbeitsverfassungsgesetz § 62 ArbVG Rz 9).

[20] 5. Voraussetzung für die Anwendung des § 62 Z 1 ArbVG ist allerdings, dass die Arbeitsstätte, die dauernd eingestellt wird, ein Betrieb im Sinn des § 34 ArbVG ist, weil dieser die Organisationseinheit ist, in der Betriebsräte als Organe der Arbeitnehmerschaft gebildet werden können, und für ihn auch ein solcher gebildet wurde (vgl 8 ObA 207/00z mwN).

[21] Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmung schon mangels Vorliegens eines Betriebs nicht in Betracht kommt.

[22] 6. § 62 ArbVG zählt die Endigungsgründe der Tätigkeitsdauer des Betriebsrats taxativ auf (RS0120847). Eine Analogie ist aber auch bei einer taxativen Aufzählung möglich und geboten, wenn der nicht besonders angeführte Fall alle motivierenden Merkmale der geregelten Fälle enthält und das Prinzip der Norm auch in einem ihrem Tatbestand ähnlichen Fall Beachtung fordert (RS0008839).

[23] Zu Recht haben die Vorinstanzen eine analoge Anwendung auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt abgelehnt. Wie dargelegt führt nicht allein die gesellschaftsrechtliche Veränderung bei einer Aufnahme, sondern erst die Umstrukturierung im Unternehmen und die damit in Zusammenhang stehende organisatorische Veränderung zum Verlust der Betriebsidentität.

[24] Im vorliegenden Fall wurde der Betriebsrat in einer Einheit gewählt, der keine Betriebseigenschaft im Sinn des § 34 ArbVG zukommt. Durch die gesellschaftsrechtliche Verschmelzung kam es zu keinen organisatorischen Veränderungen, vielmehr wurde die bereits zuvor gegebene Situation unverändert belassen. Insoweit wäre auch beim Vorliegen eines eigenständigen Betriebs noch keine „Betriebseinstellung“ erfolgt, weshalb keine Grundlage für den von der Beklagten gezogene Größenschluss besteht.

[25] Nach herrschender Ansicht liegt im bloßen Wechsel des Betriebsinhabers oder der Rechtsform des Unternehmens keine Betriebseinstellung (RS0050993; Kallab in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 62 ArbVG Rz 10 mwN). Diesfalls kommt es nämlich zu keinem Verlust der Betriebsidentität, sondern es ändert sich bloß eines der Hauptelemente des Betriebs (Radner/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht12 § 62 ArbVG Rz 23; vgl auch Burger‑Ehrnhofer/Drs in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 62 Rz 21).

[26] Entgegen der Ansicht der Beklagten kann es bei der Prüfung der relevanten Veränderungen im vorliegenden Fall aber ohnehin nicht auf die typischen Elemente einer Betriebsstruktur ankommen, da diese unstrittig von Anfang an nicht vorlagen. Vielmehr ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung der „Nichtbetrieb“ vor der Umstrukturierung mit jenem nach der Umstrukturierung zu vergleichen. Hat sich dieser derart grundlegend verändert, dass nicht mehr vom gleichen „Nichtbetrieb“ gesprochen werden kann, so wäre von einem Untergang der Identität des „Nichtbetriebs“ auszugehen. Diesfalls wäre die – infolge der Nichtanfechtung der unzulässigen Betriebsratswahl eingetretene – Legitimation des ursprünglich gewählten Betriebsrats nicht mehr gegeben.

[27] Da aber sowohl vor wie nach der Verschmelzung die Einheit, der keine Betriebseigenschaft im Sinn des § 34 ArbVG zukommt, für die aber der Kläger dessen ungeachtet zum Betriebsrat gewählt worden war, unverändert fortbestand, fehlt es für die Annahme eines Betriebsuntergangs einer relevanten Veränderung in der Identität und organisatorischen Gliederung dieser Einheit.

[28] 7. Daraus ergibt sich, dass die Funktionsperiode des Betriebsrats nicht nach § 62 Z 1 ArbVG endete. Daher war zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers der Kündigungs‑ und Entlassungsschutz nach § 120 ArbVG aufrecht. Mangels gerichtlicher Zustimmung ist die Kündigung des Klägers zum 18. 4. 2021 daher unwirksam. Der Revision der Beklagten war nicht Folge zu geben.

[29] 8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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