OGH 8ObA290/95

OGH8ObA290/9514.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer und Ignaz Gattringer als Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1.) Manfred S*****, Versicherungsangestellter, ***** und 2.) Robert R*****, Versicherungsangestellter, ***** beide vertreten durch Dr.Tassilo Neuwirth ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Nordstern-Colonia- Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1, Uraniastraße 2, vertreten durch Dr.Georg Schima, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, hilfsweise Unwirksamerklärung von Kündigungen (Gesamtstreitwert S 1,000.000,--), infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Dezember 1994, GZ 33 Ra 69/94-33, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15.Oktober 1993, GZ 14 Cga 240/93b-23, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs der klagenden Parteien wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Erstkläger war vom 10.8.1970 bis 31.3.1993, der Zweitkläger vom 1.7.1974 ebenfalls bis 31.3.1993 jeweils Versicherungsangestellter und zwar zunächst der Colonia-Versicherungs AG, die sodann mit Stichtag 31.12.1991 mit der Nordstern Versicherungs AG zur beklagten Partei verschmolzen wurde. Auf das Arbeitsverhältnis der "definitiv" angestellten beider Kläger ist der Kollektivvertrag für Angestellte der Versicherungsunternehmungen - Innendienst (= KVI) anzuwenden.

Die Kläger begehren in ihren verbundenen Klagen die Feststellung, daß ihre Arbeitsverhältnisse über den 31.3.1993 hinaus weiterhin aufrecht seien, hilfsweise fochten sie ihre Kündigung wegen Sozialwidrigkeit an. Ihre Kündigung verstoße gegen den im Zusammenhang mit der Fusion der beiden Versicherungsgesellschaften geschlossenen Sozialplan, nach dem nicht mehr als 3,5 vH der Mitarbeiter, insgesamt 90 Innendienstmitarbeiter, gekündigt werden sollten, soferne nicht durch natürlichen Abgang die Mitarbeiterzahlen verringert werden könnten. Überdies sei die Kündigung erfolgt, weil beide Kläger in ihrem Schreiben vom 16.9.1992 an den Betriebsrat der Nordstern Versicherung und an die Direktion der beklagten Partei ihre Absicht bekundet hätten, für die im Herbst 1992 in Aussicht genommene Betriebsratswahl zu kandidieren. Die Kündigung sei daher aus einem verpönten Motiv erfolgt und auch sozialwidrig, denn die Kläger könnten keinen vergleichbaren Arbeitsplatz finden. Von der Kündigung sei der Betriebsrat der Nordstern Versicherung verständigt worden, nicht aber der noch weiterhin bestehende der Colonia Versicherung.

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, die Fusion habe eine Dezentralisierung zur Verbesserung des "Kostensatzes" verfolgt, wozu auch die Verringerung der Mitarbeiterzahl erforderlich sei. Der Erstkläger habe eine Versetzung in eine Landesdirektion abgelehnt. Infolge der Fusion sei der Betrieb der Colonia Versicherung untergegangen, wodurch auch die Funktion des Betriebsrates (mit 30.6.1992) geendet habe.

Das Erstgericht gab dem auf die Feststellung des aufrechten Bestandes der Arbeitsverhältnisse gerichteten Hauptbegehren statt. Es erklärte die nach § 34 KVI im Falle der "Fusionskündigung" notwendige und zweckmäßige Personalreduktion sei nicht nachgewiesen. Auch das auf ein verpöntes Kündigungsmotiv gegründete Eventualbegehren bzw die Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit sei begründet, für die Kündigung der Kläger sei deren Bewerbung zur Wahl des neuen Betriebsrates ausschlaggebend gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Nach (teilweiser) Beweiswiederholung stellte es - abweichend vom Erstgericht - fest, daß die Verständigung des Betriebsrates durch den Vorstand von der Kündigungsabsicht hinsichtlich der Kläger noch vor Kenntnis ihrer (allfälligen) Bewerbung zur Betriebsratswahl erfolgt sei. "Es könne nicht festgestellt werden, daß dem Vorstandsdirektor Dr.K*****, an den solche Poststücke (Beil./A = Beil./11) weitergeleitet werden, dieses Schreiben am 18.9.1992 zur Kenntnis gekommen sei" (S 28 des berufungsgerichtlichen Urteiles). In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, das von den Klägern behauptete Motiv zur Kündigung, nämlich ihre Bewerbung um eine Mitgliedschaft zum Betriebsrat (§ 105 Abs 3 Z 1 lit e ArbVG), sei für die Kündigung nicht maßgeblich gewesen, sondern die durch die Fusion der beiden Versicherungsunternehmungen bedingte Umstrukturierung. Die der Entscheidung 8 Ob A 276/94 zur Teilnichtigkeit der Ausweitung der Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsrates nach dem KVI, zugrunde liegenden Erwägungen führten auch dazu, daß das Zustimmungserfordernis des Betriebsrates gemäß § 34 Abs 1 und 3 KVI nichtig sei, hingegen sei eine Restgültigkeit hinsichtlich der materiellen Kündigungsvoraussetzungen für die "Fusionskündigung" als wirksame Kollektivvertragsbestimmung anzunehmen. Diese materiellrechtlichen Voraussetzungen - nach den insoweit gleichlautenden Feststellungen der Vorinstanzen - seien gegeben. Eine abschließende Entscheidung sei jedoch noch nicht möglich, weil noch nicht die Frage des für die Verständigung gemäß § 105 Abs 1 ArbVG zuständigen Betriebsrates geklärt sei, ob nämlich der Betriebsrat der durch Aufnahme verschmolzenen Colonia Versicherung auch nach der Fusion weiter bestanden oder infolge dauernder Einstellung des Betriebes seine Tätigkeitsdauer vorzeitig geendet habe.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil eine Rechtsprechung zur erheblichen Rechtsfrage der Gültigkeit der Bestimmung des § 34 KVI fehle.

Gegen den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß richtet sich der "Revisionsrekurs" (richtig Rekurs) der klagenden Parteien aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, ihn aufzuheben (richtig abzuändern) und das klagsstattgebende Urteil erster Instanz wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 46 Abs 1 Z 1 ASGG aF zulässig (vgl EvBl 1992/201).

Die klagenden Parteien führen zur Motivkündigung aus, die "Zeitgleichheit" der Verständigung des Betriebsrates von der Kündigungsabsicht und des Einlangens des Schreibens der Kläger, aus dem auf ihre Absicht, sich um ein Betriebsratsmandat zu bewerben, hervorgehe, "springe ins Auge". Die Beweislast sei dahin umzukehren, daß der Vorstandsdirektor der beklagten Partei zu beweisen habe, er habe von dem Schreiben der Kläger noch keine Kenntnis gehabt, als er den Betriebsrat von der Kündigungsabsicht verständigte. Die Kündigung sei sozialwidrig, der zuständige Betriebsrat der Colonia Versicherung sei nicht von der Kündigungsabsicht verständigt worden, die Zustimmung des Betriebsrates der Nordstern Versicherung hindere nicht die Kündigungsanfechtung der Kläger. Der Sozialplan habe nur in geringerem Ausmaß Kündigungen infolge der Fusion zugelassen, die Grenze von 3,5 vH der Mitarbeiter sei im Falle der Kündigung der Kläger schon überschritten gewesen. Die Teilnichtigkeit des KVI ändere nichts an der fehlenden Notwendigkeit und Zweckdienlichkeit der vorgenommenen Personalreduktion, zumal 40 neue Mitarbeiter von der beklagten Partei aufgenommen worden seien. Die Fusion werde nur als Vorwand herangezogen. Eine Fusionskündigung könne nur zum Zeitpunkt der Fusion zulässig erfolgen, während die Kläger erheblich später erst gekündigt worden seien. Der Versicherungsbetrieb der Colonia Versicherung sei mit der Verschmelzung noch nicht untergegangen, daher habe der Betriebsrat noch weiterhin fortbestanden. Die beklagte Partei habe hingegen den unzuständigen Betriebsrat der Nordstern Versicherung von der Absicht, die Kläger zu kündigen, verständigt. Die Zustimmung dieses unzuständigen Betriebsrates hindere die Anfechtung der Kündigung durch die Kläger nicht.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Soweit sich die Rekurswerber gegen die Verneinung des Kündigungsmotives, die Kündigung der Kläger sei wegen ihrer Bewerbung um eine Mitgliedschaft zum Betriebsrat erfolgt (§ 105 Abs 3 Z 1 lit e ArbVG), wenden, bekämpfen sie unzulässig die nach Beweiswiederholung vorgenommene Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes. Aus dem zeitlichen Naheverhältnis zwischen der Verständigung des Betriebsrates von der Kündigungsabsicht und dem Einlangen des Schreibens, aus dem auf eine Kandidatur der Kläger geschlossen werden könnte, beim Vorstand der beklagten Partei kann noch nicht auf den motivierenden Zusammenhang geschlossen werden, zumal nicht festgestellt ist, daß dem zuständigen Vorstandsmitglied dieses Schreiben vor Abfertigung des Schreibens über die Mitteilung der Kündigungsabsicht zur Kenntnis gebracht wurde. Den Anfechtungskläger trifft gemäß § 105 Abs 5 ArbVG die "Bescheinigungslast", sodaß für eine Umkehr der Beweislast, die beklagte Partei hätte zu beweisen, daß das Vorstandsmitglied noch nicht vom Schreiben der Kläger Kenntnis hatte, kein Raum ist. Den Beweisschwierigkeiten hinsichtlich innerer Motive trägt das Gesetz ohnedies dadurch Rechnung, daß in Verminderung des erforderlichen Beweismaßes lediglich eine Abwägung der Wahrscheinlichkeit zu erfolgen habe; ein Negativbeweis, wie von den Klägern gefordert, ließe sich über innere Tatsachen praktisch nicht führen. Gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der Wahrscheinlichkeiten, daß nämlich das Motiv der durch die Fusion bedingten Verminderung der Mitarbeiterzahl erhöht wahrscheinlicher sei, besteht kein Einwand.

Vor der Prüfung einer Kündigungsanfechtung, die möglicherweise durch die Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 105 Abs 6 ArbVG (sogenanntes "Sperr-Recht") den Klägern verwehrt sein könnte, hat die Prüfung der Rechtswirksamkeit der Kündigung gemäß § 105 Abs 2 ArbVG zu erfolgen. Sollte nämlich der zuständige Betriebsrat nicht von der Absicht, die Kläger zu kündigen, verständigt worden sei, dann wäre das auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses der Kläger gerichtete Hauptbegehren berechtigt, während das Eventualbegehren - die Kündigung sei sozialwidrig - eine wirksame Kündigung voraussetzte.

Zum Sozialplan hat das Berufungsgericht schon zutreffend ausgeführt, daß wegen des ungünstigen Kostensatzes, dh der im Vergleich zum Branchendurchschnitt erheblich höheren Aufwendungen beider verschmolzener Versicherungsgesellschaften, eine Umstrukturierung des Geschäftsbetriebes notwendig und zweckdienlich war; dazu gehört auch der einer Dezentralisierung entgegenstehende weitgehende Versetzungsschutz (§ 101 ArbVG iVm § 6 Abs 3 KVI, dazu siehe

17.3.1993, 9 Ob A 29/93 = ecolex 1993, 404 = WBl 1993, 258 = DRdA

1993/56, 485 = EvBl 1993/201, 805) und die dadurch verminderte

Mobilität der Mitarbeiter, wozu noch die Ablehnung des Erstklägers, sich in eine Landesdirektion versetzen zu lassen, kommt, die eine Personalreduktion in der Zentrale der neugeschaffenen Gesellschaft - ungeachtet der Neueinstellungen in den Landesdirektionen - erforderlich machte. Eine Personalreduktion wird nicht erst am Rande zur Insolvenz "notwendig und zweckdienlich" im Sinne des § 34 Abs 1 KVI, sondern auch schon zur legitimen Verbesserung der Kostenstruktur und zur Verminderung der Aufwendungen ("Verbesserung des Kostensatzes"). Die beklagte Partei verweist zutreffend darauf, daß ein Bilanzgewinn über die Ertragslage wenig aussagt, wenn jener etwa die Folge der Auflösung von Rücklagen und ähnlichen außerordentlichen Erträgen sein könnte. Die betriebliche Notwendigkeit von Personalmaßnahmen wird - unvorgreiflich ihrer Abwägung mit den eine Sozialwidrigkeit begründenden Umständen - als Kündigungsrechtfertigungsgrund schon dann anzuerkennen seien, wenn es um sinnvolle Umstrukturierungen im Zusammenhang mit einer Fusion geht, wobei die Beseitigung von Personalüberkapazitäten als Folge der angestrebten "Synergie-Effekte" durchaus als "notwendig und zweckdienlich" erscheinen kann.

Eine "Fusionskündigung" entspricht dem Sozialplan auch bei einem weiteren zeitlichen Zusammenhang mit dem Fusionsstichtag, zumal sich der im Sozialplan geregelte Personalabbau auf einen Mehrjahreszeitraum erstreckt. Die Rechtsmittelausführungen der Kläger, die von starren Jahresquoten ausgehen, sind geradezu aktenwidrig; es ist nämlich im Sozialplan (Beil 1) für den notwendigen Sozialabbau ein Fünfjahreszeitraum vorgesehen ohne Bindung an einzelne Jahrestranchen. Dies erfolgte, um den betroffenen Arbeitnehmern die Chance zu geben, andere Arbeitsplätze ausprobieren zu können (S 12 ff der berufungsgerichtlichen Entscheidung = AS 325 ff). Diese Maßnahme im Interesse der Arbeitnehmer ermöglicht ihnen die Inanspruchnahme der finanziellen Vorteile einer "Fusionskündigung" laut Sozialplan, gebietet aber auch die Anerkennung eines weiteren zeitlichen Zusammenhanges zwischen dem Fusionsstichtag und den Kündigungen.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Teilnichtigkeit und Restgültigkeit des KVI halten sich streng an die in der Entscheidung 8 Ob A 276/94 dargelegten Ausführungen, sodaß insoweit eine Wiederholung entbehrlich ist (vgl § 48 ASGG). Die in § 34 Abs 1 und 3 KVI geforderte Zustimmung des Betriebsrates räumt diesem ein über den Standard des ArbVG hinausgehendes Mitwirkungsrecht ein, womit dieses Zustimmungserfordernis als gegen den absolut zwingenden Charakter des Arbeitsverfassungsgesetzes verstoßend nichtig ist (8 Ob A 276/94 mwN). Die Restgültigkeit der an bestimmte materielle Voraussetzungen geknüpften Kündbarkeit von "definitiven" Angestellten wird durch das wegfallende Zustimmungserfordernis nicht berührt, dabei handelt es sich um eine zulässige Regelung der gegenseitigen, aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG, sodaß dem Gericht auch nicht der Vorwurf einer überschießenden Aushöhlung des "Definitivums" gemacht werden kann.

Es ist evident, daß die im Zusammenhang mit einer Fusion erforderlichen Personalveränderungen sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, sodaß "Fusionskündigungen" nicht nur zum Verschmelzungsstichtag berechtigt sind. Umsomehr, wenn ein längerer Zeitraum im Sozialplan im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen ist, um durch sozial verträglichere Maßnahmen (Zustimmung zur Versetzung im Sinne von Novationen des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich Arbeitsort und/oder auch des Arbeitsinhaltes, natürliche Abgänge, einvernehmliche Auflösungen usw) Kündigungen zu vermeiden.

Zutreffend hat das Berufungsgericht die Unvollständigkeit der Feststellungen über den möglichen Fortbestand des Betriebsrates der Colonia Versicherung dargelegt. Im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme unter Ausschluß der Abwicklung (§ 219 Z 1 AktienG) hörte zwar die aufgenommene Gesellschaft auf zu bestehen, doch ist der Betrieb von Änderungen der Eigentumsverhältnisse relativ unabhängig, wie sich daraus ergibt, daß eine Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs 1 Z 7 ArbVG nicht unter den Voraussetzungen eines Sozialplanes gemäß § 109 Abs 3 ArbVG angeführt ist. Erst die dann nach der Verschmelzung vorgenommenen organisatorischen Änderungen, die im Sinne des Aufhebungsbeschlusses zu prüfen sein werden, könnten zu einer dauernden Einstellung des Betriebes im Sinne des § 62 Z 1 ArbVG geführt haben. Die Bestimmung des § 62 c ArbVG (idF Art I Z 10 BGBl 460/1993) trat gemäß § 171 Abs 4 ArbVG (erst) mit 1.Juli 1993 in Kraft und ist daher auf den vorliegenden Sachverhalt noch nicht anzuwenden. Erst nach diesen ergänzenden Feststellungen wird beurteilt werden können, ob nicht der frühere Betriebsrat der Colonia noch die zuständige Adresse einer Mitteilung im Sinne des § 105 Abs 1 ArbVG gewesen war. Falls der Betriebsrat des Direktionsbetriebes der Colonia Versicherung im Zeitpunkt der Verständigung im Sinne des § 105 Abs 1 ArbVG nicht mehr bestanden haben sollte, so bedarf es noch der weiteren Prüfung, ob der Betriebsrat der Nordstern Versicherung als Betriebsrat der aufnehmenden Gesellschaft fort bestand ("betriebsverfassungsrechtliche Verschmelzung durch Aufnahme") oder ob infolge der Verschmelzung eine betriebsverfassungsrechtliche "Neubildung" des Betriebes eintrat. Zur Vermeidung eines Vakuums der Belegschaftsvertretung ist eine betriebsverfassungsrechtliche Verschmelzung durch Neubildung, die zum Ende beider Betriebe und damit zur vorzeitigen Beendigung der Funktionen beider Betriebsräte führte, nicht zu vermuten. Den Interessen der Belegschaft wird nämlich der Fortbestand eines Betriebsrates durch eine betriebsverfassungsrechtliche Verschmelzung durch Aufnahme weitaus besser gerecht. Mangels näherer Behauptungen und Feststellungen ist es dem Obersten Gerichtshofes derzeit nicht möglich, zu den verschiedenen Sachverhaltskonstellationen und deren Rechtsfolgen näher Stellung zu nehmen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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