OGH 4Ob161/23i

OGH4Ob161/23i20.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M* a.s., *, und 2. K* s.r.o., *, beide vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in Wien, und der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Parteien 1. Dr. * S*, vertreten durch Mag. Dr. Stefan Rieder, Rechtsanwalt in Salzburg, 2. I* GmbH, *, und 3. A* GmbH, *, beide vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei J* S*, vertreten durch Mag. Siegfried Berger und Mag. Harald Brandstätter, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, wegen zuletzt 45.293,46 EUR sA (erstklagende Partei) und 116.418,54 EUR sA (zweitklagende Partei), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Juni 2023, GZ 1 R 51/23k‑69, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00161.23I.0220.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der beklagte Verkäufer und die klagenden Käuferinnen vereinbarten in drei Liegenschaftskaufverträgen, dass der Kaufpreis „für die noch neu zu vermessende Parzelle in aufgeschlossenem Zustand (Zufahrt, Wasser, Strom, Kanal) laut beiliegender Skizze“ gelte. Die Revision der Klägerinnen wendet sich gegen die Auslegung dieser Vereinbarung durch die Vorinstanzen.

[2] 2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, ist keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 ZPO), außer es läge eine krasse Fehlbeurteilung vor, die aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifen wäre (RS0042776; RS0042936; RS0043253 [T7, T8]). Davon ausgehend zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3. Zur Zufahrt:

[3] 3.1. Die Vorinstanzen legten die Vereinbarung so aus, dass der beklagte Verkäufer den klagenden Käuferinnen eine bis an die Liegenschaftsgrenze heranreichende Zufahrt schulde, aber keinen bestimmten Verlauf und keine bestimmte Beschaffenheit der Zufahrt. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung, die eine „Zufahrtsstraße“ – ohne besondere Umstände oder andere konkrete Vereinbarungen – schlicht als Straße ansieht, die an das bestehende Niveau des Grundstücks „anschließt“ (8 Ob 163/06p), und die „aufgeschlossen“ mit „erreichbar“ gleichsetzt (3 Ob 214/14p). Die Beurteilung der Vorinstanzen, mit einer Zufahrt in Form eines geschotterten Weges habe der Beklagte seine Verpflichtung erfüllt, weshalb er die geltend gemachten Kosten für die Herstellung einer neuen Straße (mit geändertem Verlauf) nicht zu tragen habe, bleibt im Rahmen dieser Rechtsprechung.

[4] 3.2. Der von den Klägerinnen angesprochene § 19 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes (Sbg BGG) normiert unter den dort genannten Voraussetzungen eine Pflicht des Liegenschaftseigentümers zur Straßenherstellung auf seine Kosten. Da die Klägerinnen nunmehr die Liegenschaftseigentümerinnen sind, trifft (auch) sie diese ursprünglich mit Bescheid gegenüber dem beklagten Verkäufer konkretisierte Pflicht (§ 21 Abs 2 Sbg BGG; sog „dingliche Wirkung“ von Bescheiden im Bauverfahren, vgl allgemein 1 Ob 97/10m mwN). Der von den Klägerinnen behauptete Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB für die von ihnen getragenen Straßenherstellungskosten scheidet damit aus: Auf die Erfüllung einer eigenen Schuld, die einer fremden nicht subsidiär ist, ist § 1042 ABGB nämlich nicht anwendbar (RS0104142 [T1, T2]).

4. Zu Wasser, Strom und Kanal:

[5] 4.1. Die Vorinstanzen legten die Vereinbarung so aus, dass der beklagte Verkäufer den klagenden Käuferinnen das Vorhandensein von Anschlüssen für Wasser, Strom und Kanal an der Liegenschaftsgrenze schulde, aber keine nach den örtlichen Gegebenheiten (Höhen‑, Hanglage) gebotenen weiteren technischen Vorkehrungen auf der Liegenschaft selbst, um die vorhandenen Anschlüsse nutzen zu können (Errichtung von Anlagen zur Wasserdrucksteigerung und zur Abwasserbeseitigung). Auch gegen diese Auslegung kann die Revision keine Bedenken wecken.

[6] 4.2. Die Entscheidung 6 Ob 202/15x, auf die die Revision verweist, befasste sich mit der Frage, ob aus der in einem Liegenschaftskaufvertrag enthaltenen Bestimmung, der Verkäufer hafte dem Käufer dafür, dass die Liegenschaft frei von bücherlichen Lasten und Rechten dritter Personen sei, auch abzuleiten sei, dass der Verkäufer für einen den Käufern nachträglich vorgeschriebenen Aufschließungsbeitrag hafte. Für die Auslegung der hier vorliegenden Vereinbarung, dass der Kaufpreis „für die noch neu zu vermessende Parzelle in aufgeschlossenem Zustand (Zufahrt, Wasser, Strom, Kanal) laut beiliegender Skizze“ gelte, ist daraus entgegen der Ansicht der Klägerinnen nichts zu gewinnen, zumal es sich um unterschiedliche Einzelfälle handelt.

[7] 5. Das Revisionsvorbringen zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) wegen zu Unrecht angenommener Außerstreitstellungen (§§ 266267 ZPO) und Verstöße gegen das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO) ändert schon deshalb nichts an der Unzulässigkeit der Revision, weil die Erheblichkeit – die rechtliche Relevanz – der behaupteten Verfahrensmängel weder in der Revision dargetan wird noch offenkundig ist (vgl RS0116273 [T1]).

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