OGH 11Os157/23g

OGH11Os157/23g13.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. De Rijk als Schriftführerin in der Strafsache gegen * E* wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1, Abs 4 erster Fall StGB, AZ 13 U 139/21g des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Verfahrens in Bezug auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 2. August 2023, AZ 139 Bl 17/23i, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00157.23G.0213.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 24. Oktober 2022, GZ 13 U 139/21g-123, wurde E* im zweiten Rechtsgang eines am * 2017 verübten Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1, Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Mit (am 7. September 2023 zugestelltem) Urteil vom 2. August 2023, AZ 139 Bl 17/23i, wies das Landesgericht für Strafsachen Wien die dagegen vom Angeklagten erhobene Berufung wegen Nichtigkeit zurück und gab dessen Berufung wegen Schuld und Strafe und wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche nicht Folge (ON 133).

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts richtet sich der Antrag des E* auf Erneuerung des Strafverfahrens.

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

[4] Für einen – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag (RIS-Justiz RS0122228) gelten alle bezogen auf die Anrufung dieses Gerichtshofs normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und Art 35 MRK sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737).

[5] Da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 13 Rz 16), hat ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in sämtlichen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359) und – soweit er (auf Basis der Gesamtheit der Entscheidungsgründe) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag – seiner Argumentation die Sachverhaltsannahmen der bekämpften Entscheidung zugrunde zu legen (RIS-Justiz RS0125393 [T1]).

[6] Die Behandlung eines Erneuerungsantrags bedeutet daher nicht die Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung oder Verfügung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde- oder Berufungsinstanz, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle (vgl RIS‑Justiz RS0129606 [T2, T3], RS0132365).

[7] Den dargestellten Erfordernissen wird das (nominell „Art 6 MRK“, einen Verstoß gegen den Grundsatz in dubio pro reo und gegen das Recht auf angemessene Verfahrensdauer ansprechende) Vorbringen des Antragstellers, der jedwede Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Landesgerichts für Strafsachen Wien im zweiten Rechtsgang unterlässt, nicht gerecht.

[8] Vorliegend nimmt der beim Obersten Gerichtshof eingebrachte Antrag diese nur zum Anlass, die Verfahrensführung durch das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, insbesondere den unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des zweiten Unfallbeteiligten als „nahezu denkunmöglich“ zu kritisieren und eine in der Abweisung zahlreicher Beweisanträge erkennbare „Voreingenommenheit“ des Erstgerichts sowie „zahlreiche Fehler in der Verfahrensführung“ zu behaupten. Im Übrigen erblickt der EGMR eine Verletzung von Art 6 Abs 1 MRK nur dann, wenn das Berufungsgericht (bei voller Kognitionsbefugnis in der Schuldfrage) von der Beweiswürdigung des Erstgerichts zum Nachteil des Angeklagten ohne unmittelbare Beweisaufnahme abweicht (RIS‑Justiz RS0132214; EGMR 29. 3. 2016, 61112/12, Gómez Olmeda/Spanien [Z 33 ff]; Wiederin, WK‑StPO § 6 Rz 65; Harrendorf/König/Voigt in Meyer‑Ladewig/Nettesheim/von Rauner, EMRK5 Art 6 Rz 231). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht gerade keine Bedenken gegen die Feststellungen (samt korrespondierender Beweiswürdigung) des Erstgerichts gehegt (vgl § 473 Abs 2 StPO; Ratz, WK‑StPO § 473 Rz 6 und 8/1).

[9] Die Dauer des Verfahrens wird bloß durch datumsmäßige Bezeichnung dessen Beginns und Endes und der Behauptung, das Erstgericht habe im ersten Rechtsgang „mit sehendem Auge die Nichtigkeit in Kauf genommen“ thematisiert, ohne auf deren Ursachen (vgl dazu RIS-Justiz RS0116663, RS0132858) und die bezughabenden Erwägungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien (ON 133 S 7 f) einzugehen.

[10] Der Einwand, aufgrund der [im Antrag nicht konkretisierten] „Fehler“ wäre „auch das Ergreifen eines solchen [ebendort nicht genannten] Rechtsbehelfes zur Verhütung einer unangemessenen langen Dauer des Verfahrens, … ins Leere gelaufen“ bleibt unverständlich (falls § 91 GOG angesprochen werden sollte vgl dazu RIS‑Justiz RS0122737 [T7, T18]; Rebisant, WK-StPO §§ 363a–363c Rz 13).

[11] Der Antrag war demnach zurückzuweisen.

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