OGH 4Ob189/23g

OGH4Ob189/23g25.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, den Hofrat MMag. Matzka und die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei K* GmbH, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 7.647 EUR sA,über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgerichtvom 21. Juni 2023, GZ 22 R 15/23s‑21, womit das Urteil des Bezirksgerichts Rohrbachvom 4. Jänner 2023, GZ 1 C 373/20g‑17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00189.23G.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.742,98 EUR (darin 536,16 EUR USt und 1.526 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung

und

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger kaufte am 27. 2. 2015 bei der beklagten (weder mit der Fahrzeugherstellerin noch mit der V* AG gesellschaftsrechtlich verbundenen) Fahrzeughändlerin um 25.490 EUR einen Personenkraftwagen der Marke A*, in dem ein Dieselmotor der Type EA 189 verbaut war. Das Fahrzeug fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007; künftig: VO 715/2007/EG ).

[2] Im Zeitpunkt des Fahrzeugkaufs waren Abgaswerte oder Stickoxide für den Kläger kein Thema, und wussten die Beklagte und ihre Geschäftsführer nichts von der „Umschaltlogik“; von der „Abgasproblematik“ erfuhren sie erst aus Medienberichten im Herbst 2015.

[3] Im März 2017 wurde am Fahrzeug ein Software‑Update durchgeführt, das mit einem „Thermofenster“ versehen ist, und von dessen genauer Wirkungsweise die Beklagte nichts wusste, ihr war aber „die grundsätzliche Problematik eines „Thermofensters“ bekannt.

[4] Der Kläger verkaufte das Fahrzeug am 22. 10. 2021 um 14.600 EUR; beim Verkauf hieß es nicht, dass der Kaufpreis geringer wäre, weil es sich um ein „Dieselskandalfahrzeug“ handle.

[5] Der Kläger begehrte 30 % des von ihm bezahlten Kaufpreises aus den Titeln des Irrtums, der gewährleistungsrechtlichen Vertragsanpassung sowie der List, weil das rechtswidrige und schuldhafte, ihn schädigende Verhalten der angeblichen Fahrzeugherstellerin V* AG, die unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut habe, der dieser konzernverbundenen Beklagten zuzurechnen sei. Ein ursprünglich erhobenes Feststellungsbegehren wurde nach Verkauf des Fahrzeugs fallengelassen.

[6] Die Beklagte bestritt die Ansprüche. Gewährleistungsansprüche seien verjährt. Es lägen kein Wertverlust, kein Schaden, kein Vermögensnachteil, keine Täuschung und kein Irrtum vor; die „technische Maßnahme“ (das Software‑Update) sei erfolgreich gewesen; mit der Durchführung des Updates sei ein allfälliger – bestrittener – Mangel beseitigt worden, weil das „Thermofenster“ von den zuständigen Behörden als rechtskonforme Maßnahme zum Bauteilschutz eingestuft worden sei. Der Kläger habe keinen Schaden erlitten, weil das Fahrzeug über eine aufrechte EG‑Typengenehmigung verfüge und im Straßenverkehr uneingeschränkt benützbar sei. Das mängelfreie Fahrzeug habe dem vertraglich Geschuldeten entsprochen. Es fehlten auch der Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Täuschung und dem Vertragsabschluss sowie ein Verschulden der Beklagten. Der Kläger habe kein rechtliches Interesse am Feststellungsbegehren.

[7] Das Erstgericht wies das allein verbliebene Zahlungsbegehren ab. Alle Ansprüche des Klägers seien verjährt. Handlungen der angeblichen Fahrzeugherstellerin V* AG wären der Beklagten nicht zuzurechnen.

[8] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es mit Zwischenurteil das Zahlungsbegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannte. Es verneinte Schadenersatzansprüche, bejahte jedoch einen ursprünglichen und durch das Update nicht verbesserten Mangel; als Sachmangel wäre dieser zwar verjährt, jedoch sei die latente Unsicherheit hinsichtlich der rechtlichen Nutzungsmöglichkeit als Rechtsmangel zu qualifizieren, der nicht verjährt sei, weil er erst mit seiner Erkennbarkeit zu laufen begonnen habe.

[9] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage der Qualifikation des Mangels sowie zum Beginn der Gewährleistungsfrist zu; außerdem bestehe keine Rechtsprechung zur Frage der Zurechnung des behaupteten arglistigen Verhaltens des Herstellers zum Händler.

[10] Mit ihren ordentlichen Revisionen beantragen die Parteien jeweils die Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung (Kläger) bzw ‑abweisung (Beklagte); in ihren Revisionsbeantwortungen wird jeweils die Zurückweisung, hilfsweise Abweisung der Revision der Gegenseite beantragt.

[11] Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig, zumal die darin aufgeworfenen Rechtsfragen vom Obersten Gerichtshof in der Zwischenzeit in anderen Verfahren bereits beantwortet wurden (vgl RS0112921 [T5]; RS0112769 [T5]); die Entscheidung kann sich insofern auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision der Beklagten ist hingegen zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig; sie ist im Sinne des Abänderungsantrags auch berechtigt.

[13] 1. Die Revision des Klägers macht ausschließlich Fragen der Zurechnung des Verhaltens des Herstellers zur hier beklagten Händlerin geltend.

[14] 1.1. Diese sowie die von den (beiden) Stimmen im Schrifttum, auf die sich der Kläger stützen will, aufgeworfenen Fragen wurden jedoch bereits vom Obersten Gerichtshof dahin beantwortet, dass für eine solche Zurechnung keine Grundlage besteht (eingehend und umfassend 9 Ob 21/22m Rz 26 bis 38; vgl 8 Ob 70/23m Rz 20 mwN).

[15] 1.2. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass konkrete Eigenschaften, insbesondere motor- oder abgasbezogene Eigenschaften des Klagsfahrzeugs Gegenstand der Vertragsverhandlungen gewesen wären; auch für bestimmte Werbeaussagen in diese Richtung bestehen keine Anhaltspunkte. Nach den Feststellungen wusste die Erstbeklagte auch weder, dass beim Motor des Klagsfahrzeugs die Umschaltlogik installiert war, noch welcher Programmlogik das vom Fahrzeugherstellerkonzern angebotene Update folgte.

[16] Dass die Beklagte von listigen Handlungen der Herstellerin offenbar wissen musste (§ 875 ABGB 2. Fall), oder dass ihr ein Organisationsmangel vorzuwerfen wäre, etwa weil eine ihr zurechenbare Person (Geschäftsführer, Verkaufsberater) von einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung im Zeitraum des Vertragsabschlusses Kenntnis gehabt hätte, wurde nicht konkret vorgebracht und lässt sich dem festgestellten Sachverhalt auch nicht entnehmen.

[17] Für eine schadenersatzrechtliche Haftung der Beklagten fehlt damit auch sonst jede Grundlage.

[18] 1.3. Die Revision des Klägers ist daher mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[19] 2. In der Revision der Beklagten wird die Frage der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen geltend gemacht.

[20] 2.1. Die Klage wurde am 11. 8. 2020 eingebracht. Weil Sachmängel bei beweglichen Sachen innerhalb von zwei Jahren ab Übergabe (Februar 2015; Update März 2017) verjähren, könnte sich der Kläger mit Aussicht auf Erfolg nur dann auf Gewährleistungsrecht berufen, wenn ein Rechtsmangel vorläge (vgl § 933 Abs 1 ABGB). Ein solcher ist aber – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht ersichtlich. Insbesondere ist die bloß befürchtete mangelnde Rechtsbeständigkeit der EG‑Typengenehmigung bzw die bloß befürchtete, also nicht konkret drohende Aufhebung der Zulassung kein Rechtsmangel (eingehend zum Ganzen 3 Ob 40/23p Rz 22 ff; vgl 8 Ob 70/23m Rz 28 ff; 10 Ob 27/23b Rz 43 f; 8 Ob 90/22a Rz 28 f).

[21] 2.2. Gewährleistungsansprüche des Klägers sind daher verjährt, wie schon das Erstgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hatte.

[22] 3. Da andere Anspruchsgrundlagen im Revisionsverfahren nicht mehr releviert wurden, war das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts zur Gänze wiederherzustellen.

[23] 4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

[24] Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen.

[25] Unter das Verfahren einleitenden Schriftsätzen im Sinne des § 23a RATG sind nicht Rechtsmittelschriftsätze zu verstehen (RS0126594 [T1]); für die Revision der Beklagten gebührt daher nur eine Erhöhung der Entlohnung von 2,60 EUR.

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