OGH 1Ob203/23v

OGH1Ob203/23v23.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei s * GmbH, *, vertreten durch die Pacher & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, gegen die beklagte Partei M* GmbH, *, vertreten durch die Arnold Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 180.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. November 2023, GZ 33 R 93/23y‑26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00203.23V.0123.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Das Urteil des Berufungsgerichts wird aus Anlass der Revision dahin berichtigt, dass dessen Spruch zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 179.996,40 EUR samt 9,2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 9 September 2020 zu zahlen. [...]

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 17.713,16 EUR (darin 2.173,86 EUR USt und 4.670 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 11.067,42 EUR (darin 700,07 EUR USt und 6.867 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.“

Die Durchführung der Berichtigung in der Urschrift und den Ausfertigungen obliegt dem Berufungsgericht.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt als Maklerin die Provision für die Vermittlung einer Liegenschaft an die Beklagte.

[2] Die Beklagte wandte ein, dass eine Provision vereinbarungsgemäß erst nach Übergabe des Objekts an sie zu zahlen gewesen wäre. Die Übergabe sei auch als aufschiebende Bedingung des Kaufvertrags vereinbart worden. Zu einer solchen Übergabe sei es aber nie gekommen, weil der Kaufvertrag im Einvernehmen mit dem Verkäufer „ausgelaufen“ sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] Das Berufungsgericht änderte die zur Gänze klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung insoweit ab, als es der Klägerin 179.996,40 EUR samt Zinsen zusprach. Hinsichtlich eines Mehrbegehrens von 3,60 EUR sowie eines Teils des Zinsenbegehrens bestätigte es die Klageabweisung. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.

Zu I:

[4] 1. Gemäß § 419 Abs 1 ZPO können Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten einer Entscheidung jederzeit berichtigt werden. Dies kann nach Abs 3 auch in höherer Instanz „angeordnet“ werden. Darunter ist keine Weisung an das ursprünglich erkennende Gericht zu verstehen, einen Berichtigungsbeschluss zu fassen, sondern die Berichtigung durch das Instanzgericht selbst; nur deren Vollzug obliegt dem ursprünglich erkennenden Gericht (5 Ob 80/23k mwN).

[5] 2. Der von der Beklagten aufgezeigte Widerspruch des Berufungsurteils, mit dem sie zur Zahlung von Kapital und Kosten an „die beklagte Partei“ (also an sich selbst) verpflichtet wurde, ist jedenfalls berichtigungsfähig. Aus der Entscheidungsbegründung geht zweifelsfrei hervor, dass das Berufungsgericht der Klage im Umfang von 179.996,40 EUR sowie hinsichtlich eines Teils des Zinsenbegehrens stattgeben wollte. Der Ausspruch, wonach die Beklagte Zahlung an sich selbst zu leisten habe, beruhte auf einem offenkundigen Schreibfehler, der aus Anlass der Revision zu berichtigen ist (RS0041418 [T12]). Dass in der Begründung des Berufungsurteils auch irrtümlich ausgeführt wurde, dass die Berufung (der Klägerin) nicht berechtigt sei, ändert nichts am klar erkennbaren Entscheidungswillen.

Zu II:

[6] Die außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[7] 1. Die behauptete Nichtigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Dass der sprachliche Widerspruch im Berufungsurteil auf einem bloßen Schreibfehler beruhte, wurde bereits dargelegt.

[8] 2. In ihrer Rechtsrüge behauptet die Beklagte, dass der Kaufvertrag (ursprünglich) unter der aufschiebenden Bedingung der Übergabe der Liegenschaft abgeschlossen worden sei. Da eine solche nicht erfolgt sei, sei das provisionsauslösende Rechtsgeschäft nicht wirksam zustande gekommen. Diese Argumentation beruht aber nicht auf dem festgestellten Sachverhalt. Tatsächlich enthielt das von der Klägerin erstellte, aber von der Beklagten abgeänderte Kaufanbot, das in weiterer Folge vom Verkäufer angenommen wurde, (nur) den von der Beklagten ergänzten Zusatz, dass die Vermittlungsprovision „mit Übernahme“ der Liegenschaft (durch die Beklagte) fällig werde und die Pflicht zur Zahlung „am Tage der Übernahme und Bestätigung an den Notar, worin das erfolgreiche Zustandekommen des vermittelten Geschäfts abgeschlossen wurde [...]“ (sic!) entstehe. Der Kaufvertrag wurde daher ursprünglich nicht bedingt geschlossen. Erst nachdem die Beklagte den Kaufpreis nach Fälligkeit mehr als ein Jahr lang nicht bezahlt hatte, vereinbarten die Parteien des Kaufvertrags nachträglich, dass dieser durch den Erlag des Kaufpreises (sowie bestimmter Nebenkosten) beim Treuhänder „aufschiebend bedingt“ und im Fall eines weiteren Verzugs der Beklagten „nicht zustande gekommen“ sei. Auf Basis dieser Feststellungen begegnet die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Kaufvertrag ursprünglich rechtswirksam (und unbedingt) zustande gekommen sei und daher gemäß § 7 Abs 1 MaklerG den Provisionsanspruch der Beklagten ausgelöst habe, keinen Bedenken. Auch ein bereits bei Abschluss des Kaufvertrags vereinbartes Rücktrittsrecht des Verkäufers im Fall eines Zahlungsverzugs der Beklagten ändert nichts an der Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäfts.

[9] 3. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass mit der nachträglichen Vereinbarung der – letztlich zur Gänze ausgebliebenen – Kaufpreiszahlung als „aufschiebender Bedingung“ des Kaufvertrags in Wahrheit eine Vertragsaufhebung für den Fall eines weiteren Zahlungsverzugs bezweckt wurde. Ob eine Vertragsaufhebung den Provisionsanspruch beseitigt, ist nach § 7 Abs 2 MaklerG zu beurteilen. Demnach entfällt die Provision nur dann, wenn die Ausführung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber aus nicht von diesem zu vertretenden Gründen unterblieb (vgl auch RS0062829; RS0116248). Hier unterblieb die Vertragsausführung aber aufgrund des – nach den Feststellungen ungerechtfertigten – Zahlungsverzugs der Beklagten, die sich daher nicht auf einen Entfall des Provisionsanspruchs stützen kann.

[10] 4. Die Bestimmung, wonach die Provision erst bei Übergabe des Kaufobjekts zu zahlen sei, ist als Vereinbarung der Fälligkeit zu verstehen. Da die Vertragserfüllung von der Beklagten vereitelt wurde, kann dies der Klägerin schon nach allgemeinen Grundsätzen (RS0012728) nicht zum Nachteil gereichen. Ob die genannte Bestimmung überhaupt wirksam mit der Klägerin vereinbart wurde, kann daher dahingestellt bleiben.

[11] 5. Dass die Klägerin die Liegenschaft – nach Aufhebung des von der Beklagten geschlossenen Kaufvertrags – an einen anderen Käufer vermittelt und von diesem eine Provision erhalten habe, könnte die Beklagte nicht entlasten, weil der Provisionsanspruch nach § 7 Abs 1 MaklerG bereits mit dem rechtswirksamen Zustandekommen des vermittelten Geschäfts entsteht und nur ausnahmsweise durch eine unterbliebene Erfüllung aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen entfällt. Eine Entscheidung über den Provisionsanspruch „nach Billigkeit“ sieht das MaklerG nicht vor. Die Beklagte legt auch keinen Verstoß der Klägerin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar. Auch zur behaupteten (analogen) Anwendung des § 1168 Abs 2 ABGB enthält das Rechtsmittel keine plausiblen Ausführungen. Abgesehen davon, dass diese Bestimmung über die Zahlungspflicht bei Unterbleiben der Ausführung eines Werks nach der Rechtsprechung nicht auf den Maklervertrag anzuwenden ist (RS0032256), wurde dieser Vertrag hier ohnehin durch Nachweis der Kaufgelegenheit erfüllt. Soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin habe dafür nur einen geringen Aufwand gehabt, übersieht sie, dass die Provision unabhängig vom Ausmaß der Tätigkeit des Maklers zusteht (6 Ob 194/22f).

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