OGH 9Ob10/23w

OGH9Ob10/23w18.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Wurzer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. (FH) A*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei A* AG, *, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 11.997 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 29. November 2022, GZ 6 R 108/22g‑30, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Ried im Innkreis vom 22. August 2022, GZ 3 C 1023/21a‑26, nicht Folge gegeben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00010.23W.1218.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens bestätigt. Im Übrigen, also im Umfang des Zahlungsbegehrens, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger erwarb am 13. 1. 2016über die Internetplattform gebrauchtwagen.at „privat“ einen VW Touareg um 39.990 EUR (Kilometerstand 39.600).Im Fahrzeug ist ein3.0 Liter-Dieselmotor mit 180 kW/245 PS der Abgasklasse Euro 5, Baureihe EA897, verbaut, bei dem zwischen 17 und 33 Grad Celsius eine volle Abgasrückführung erfolgt und darunter und darüber die Ausrampung beginnt (sukzessive stufenweise Reduktion der Abgasrückführung). Die Beklagte hat den Antrieb für das Fahrzeug entwickelt. Die Erstzulassung erfolgte am 5. 1. 2012.

[2] Das Fahrzeug fällt in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007; künftig: VO 715/2007/EG ).

[3] Der Kläger begehrt die Zahlung von 11.997 EUR und die Feststellung, dass die Beklagte für jeden Schaden hafte, der ihm aus dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung im Motortyp EA897 des von ihm erworbenen Fahrzeugs zukünftig entsteht. Die Beklagte habe den Antrieb für das Fahrzeug entwickelt und hafte daher für die darin eingebaute unzulässige Abschalteinrichtung. Im Rahmen eines Thermofensters bzw einer Akustikfunktion erfolge die Aktivierung des Prüfstandmodus dann, wenn die Wasser-, Öl- und Kraftstofftemperaturen zwischen 17 und 33 Grad Celsius und der Umgebungsdruck über 950 mbar lägen. Außerhalb dieser Parameter erfolge eine reduzierte Abgasrückführung. Das Fahrzeug bleibe damit hinter dem gesetzlich technisch geforderten Zustand zurück, da die Stickstoffoxid-Grenzwerte im Realbetrieb nicht eingehalten würden.

[4] Der Leiter der Aggregate-Entwicklung, der Leiter der Motorenentwicklung und der Vorstandsvorsitzende hätten bewusst die Entscheidung getroffen, eine Abschalteinrichtung zu verbauen und seien diese Repräsentanten und Machthaber der Beklagten zuzurechnen. Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass die massiven Stickstoffoxid-Grenzwertüberschreitungen nicht auffallen würden und habe gewusst, dass eine reduzierte Emissionsminderung unzulässig sei. Im Rahmen der Typenzulassung gemäß Art 3 Z 9 VO (EG) 692/2008 habe die Beklagte unzureichende Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht. Das fehlende Unrechtsbewusstsein bzw die vorsätzliche Täuschung ergebe sich auch daraus, dass das vorgeschriebene Onboard-Diagnosesystem, das bei einer Überschreitung von 540 mg/km NOx eine Fehlfunktion anzeigen hätte müssen, außer Kraft gesetzt worden sei.

[5] Zum Zeitpunkt des Ankaufs habe der Kläger davon ausgehen können, dass das Fahrzeug den Mindesterfordernissen, nämlich den gesetzlichen Vorgaben, entspreche und die EG‑Typengenehmigung nicht durch unzulässige Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung erschlichen worden sei. Er sei daher von der Beklagten vorsätzlich in die Irre geführt und geschädigt worden. Gemäß § 874 ABGB müsse die Beklagte für die nachteiligen Folgen entsprechend Genugtuung leisten, weil sie den Vertrag durch List bewirkt habe. Da die zureichende Konstruktion emissionsmindernder Bauteile aus reinem Gewinnstreben unterblieben sei, liege außerdem eine absichtlich sittenwidrige Schädigung iSd § 1295 Abs 2 ABGB vor. Die Beklagte hafte darüber hinaus wegen Schutzgesetzverletzung. sowie aufgrund einer Garantieerklärung, die sich aus der Übereinstimmungsbescheinigung ergebe, da das Fahrzeug nicht dem genehmigten Typ entspreche.

[6] Wenn der Kläger gewusst hätte, dass in das Fahrzeug auf rechtswidrige Weise unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut worden seien und ohne diese Abschalteinrichtungen die gesetzlichen Grenzwerte beim NEFZ‑Test nicht eingehalten worden wären, hätte er um den Klagebetrag, der 30 % des Kaufpreises entspreche, weniger bezahlt.

[7] Da zukünftige Schäden aus Verbesserungsversuchen nicht ausgeschlossen werden könnten, habe der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für Spät- und Dauerfolgen.

[8] Die Beklagte bestritt und wandte ein, dass im Fahrzeug des Klägers keine unzulässigen Abschalteinrichtungen zum Einsatz kämen. Die EG‑Typengenehmigung sei nach wie vor wirksam. Auch ein Zulassungsentzug sei nicht zu befürchten. Der Kläger habe das Fahrzeug seit Vertragsschluss ohne Einschränkungen nutzen können. Mit der Erteilung der Typengenehmigung für das Fahrzeug habe das (deutsche) Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bestätigt, dass dieses die Anforderungen der „einschlägigen Vorschriften“, mithin auch diejenigen der VO (EG) 715/2007 und VO (EG) 692/2008 hinsichtlich der Schadstoffemissionen, erfülle. Dies gelte insbesondere auch für das dem KBA bekannte „Thermofenster“, also die Abhängigkeit des Ausmaßes der Abgasrückführung von der Außentemperatur. Die Beklagte habe von den Details der Vertragsverhandlungen zwischen dem Kläger und dem Verkäufer keine Kenntnis. Der Kläger bringe keine konkreten Tatsachen vor, die die Beklagte ihm gegenüber im Zusammenhang mit dem Kaufvertragsabschluss unzutreffend dargestellt habe. Es fehle daher an einer kausalen Handlung der Beklagten, die als Täuschung oder sittenwidrige Schädigung zu qualifizieren wäre.

[9] Außerdem mangle es hinsichtlich der Frage, ob der Verbau eines Thermofensters bei Herstellung des Fahrzeugs 2011 zulässig oder unzulässig gewesen sei, an einem Verschulden. Die Verwendung dieses Thermofensters habe zum damaligen Zeitpunkt dem Stand der Technik entsprochen. Auch die zuständige Genehmigungsbehörde habe diese als zulässig erachtet. Der Hersteller des Fahrzeugs sei nicht die Beklagte, sondern vielmehr die V* AG. Hinsichtlich allfälliger Garantieansprüche sei daher mangelnde Passivlegitimation gegeben. Eine Wertminderung sei nicht eingetreten. Es liege daher kein Schaden vor. Hinsichtlich der Feststellung fehle es an einem rechtlichen Interesse iSd § 228 ZPO.

[10] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwischen den Parteien bestehe kein Vertragsverhältnis. Da das Fahrzeug nach den Feststellungen über keine unzulässige Abschalteinrichtung verfüge, habe der Kläger auch keinen Schaden erlitten. Auch zukünftige Schäden seien demnach nicht zu erwarten.

[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung nicht Folge. Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH gebe es gewichtige Argumente dafür, dass es sich beim „Thermofenster“ um eine unzulässige Abschalteinrichtung handle. Allerdings könne der Beklagten entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht vorgeworfen werden, dem KBA gegenüber ihre Emissionsstrategie nicht offengelegt zu haben. Das Thermofenster habe dem Stand der Technik entsprochen und sei dessen Verwendung auch dem KBA bekannt gewesen. Das Verfahren habe nicht ergeben, dass im Typengenehmigungsverfahren unrichtige Angaben gemacht worden seien. Das Thermofenster sei auch bei späteren Prüfungen als zulässig angesehen worden. Aus den europarechtlichen Bestimmungen ergebe sich, dass für die Typengenehmigung maßgeblich sei, dass die in einem standardisierten Prüfverfahren ermittelten durchschnittlichen Abgasemissionen den festgelegten Grenzwert nicht überschreiten. Auf den Realbetrieb komme es nicht an. Auch eine Täuschung des Klägers habe das Verfahren nicht ergeben. Für eine Haftung nach § 874 ABGB fehle daher jede Grundlage. Die Verwendung eines relativ einfach aufgebauten, aber dem Stand der Technik entsprechenden Abgasrückführungssystems stelle kein sittenwidriges Verhalten dar. Auch eine Schädigungsabsicht habe nicht festgestellt werden können. Eine Schutzgesetzverletzung sei zu verneinen, weil sich derVerordnung über die Übereinstimmungsbescheinigung nicht entnehmen lasse, dass damit auch ein Schutz der vermögensrechtlichen Dispositionen der einzelnen Käufer von Neu- oder Gebrauchtfahrzeugen bezweckt werde. Insgesamt fehle daher eine Haftungsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch.

[12] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtsfrage vorliegt, ob es sich bei einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems („Thermofenster“) um eine gemäß Art 5 Abs 2 VO (EG) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung handle und unter welchen Voraussetzungen ein deliktischer Schadenersatzanspruch des Fahrzeugkäufers unmittelbar gegen den Fahrzeug- bzw Motorenhersteller bestehe.

[13] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[14] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch teilweise berechtigt.

[16] 1.1. Nach den Feststellungen war im gegenständlichen Fahrzeug keine „Umschaltlogik“ eingebaut, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand (NEFZ) (= Modus 1) oder im normalen Fahrbetrieb im Straßenverkehr befand. Allerdings verfügt es über ein sogenanntes „Thermofenster“, von dem der Kläger behauptet, dass es sich ebenfalls um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.

[17] 1.2. In der Entscheidung zu C-145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, hat der EuGH ausgesprochen, dass Art 5 Abs 2 lit a VO 715/2007/EG dahin auszulegen ist, dass eine Abschalteinrichtung, die insbesondere die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt, nach dieser Bestimmung allein unter der Voraussetzung zulässig sein kann, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, könne jedenfalls nicht unter die in Art 5 Abs 2 lit a leg cit vorhandene Ausnahme fallen.

[18] 1.3. In dem in Anschluss an diese Entscheidung des EuGH vom Obersten Gerichtshof am 21. 2. 2023 zu 10 Ob 2/23a gefällten Urteil wurde ausgesprochen, dass ein Thermofenster, aufgrund dessen der emissionsmindernde Betriebsmodus nicht nur im Prüfbetrieb, sondern auch im Fahrbetrieb zum Einsatz kommt, allerdings nur bei Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll wirksam ist, unzweifelhaft als Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist. Eine solche Abschalteinrichtung ist iSd Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG jedenfalls unzulässig, wenn sie aufgrund der vorherrschenden Außentemperaturen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (vgl auch 3 Ob 140/22t; 3 Ob 142/22m vom 25. 5. 2023).

[19] 1.4. Der Oberste Gerichtshof hat bereits unter Berufung auf die Entscheidung des EuGH zu C-128/20 , GSMB Invest, Rn 43, ausgesprochen, dass es auf die Bedingungen im Unionsgebiet, also überall innerhalb der Grenzen der EU ankommt (3 Ob 121/23z Rz 14; 3 Ob 146/22z Rz 19).

[20] 1.5. Daraus folgt, dass es sich bei dem Thermofenster des Klagsfahrzeugs um eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG handelt, weil es aufgrund der vorherrschenden Außentemperaturen jedenfalls in Österreich im überwiegenden Teil des Jahres aktiv ist und die Abgasrückführung reduziert.

[21] 2.1. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Schadenersatz in Anspruch, wobei er ihr auch die Verletzung der als Schutzgesetz anzusehenden VO 715/2007/EG vorwirft.

[22] 2.2. Grundlage für die Bejahung der deliktischen Haftung des „Herstellers“ gegenüber einem Fahrzeugkäufer durch den EuGH (C-100/21 , QB gegen Mercedes‑Benz Group AG) ist der Umstand, dass das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung iSd Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG ausgestattet ist. Diese Verordnung regelt unter anderem die Anforderungen, die die Hersteller von Neufahrzeugen zu erfüllen haben, um die EG‑Typengenehmigung zu erhalten (Art 5 leg cit). Sie richtet sich – so wie auch die Rahmenrichtlinie 2007/46/EG – bereits nach dem Titel und dem Regelungszweck an den Fahrzeughersteller. Dementsprechend bezieht auch der EuGH die Verbindung zwischen dem Käufer und dem Hersteller, auf die der Gerichtshof den Schutz der Einzelinteressen des Fahrzeugkäufers gegen den Hersteller gründet, auf den Hersteller, der in seiner Eigenschaft als Inhaber einer EG‑Typengenehmigung die Übereinstimmungsbescheinigung beizulegen hat. Inhaber der EG-Typengenehmigung ist der Hersteller des Fahrzeugs (vgl auch Art 3 Nr 27 der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG ). Eine deliktische Haftung aus der vom EuGH beurteilten Schutzgesetzverletzung wegen des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung trifft daher (nur) den Fahrzeughersteller, der Inhaber der EG‑Typengenehmigung ist und die Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt hat (ausführlich 6 Ob 161/22b [ErwGr 3.1. ff]; vgl 3 Ob 40/23p [Rz 32 ff]).

[23] 2.3. Die Beklagte stellte lediglich den Motor samt der darin verbauten Software her. Auf die Schutzgesetzverletzung kann der Kläger daher einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte, die nicht Herstellerin des Fahrzeugs ist, nicht erfolgreich stützen.

[24] 3.1. Eine (unmittelbare) Haftung der Beklagten als Herstellerin des Motors ist aber nach § 1295 Abs 2 und § 874 ABGB möglich (6 Ob 84/23f [ErwGr 3.1. ff]; 6 Ob 161/22b [ErwGr 4.1. ff]; 3 Ob 40/23p [ErwGr 5.3]; 2 Ob 5/23h; 6 Ob 16/23f [ErwGr 4.1. ff]), worauf der Kläger den Anspruch ebenfalls stützt.

[25] 3.2. Der Kläger hat vorgebracht, die Beklagte hafte als nicht am Vertrag beteiligte Dritte, weil sie die vorsätzlich vorgenommenen Manipulationen am Fahrzeug vorsätzlich verschwiegen und in der Werbung bewusst unrichtige Angaben gemacht habe, um sich Vorteile, nämlich durch den gesteigerten Absatz der Fahrzeuge, zu verschaffen. Die Leiter der Aggregate-Entwicklung der Beklagten hätten bewusst die Entscheidung getroffen, die Abschalteinrichtung zu verbauen. Diese Personen sowie der (ebenfalls namentlich genannte) Leiter der Motorenentwicklung der Beklagten hätten bei der Entwicklung des streitgegenständlichen Motors führende Rollen eingenommen und seien der Beklagten als Repräsentanten zuzurechnen.

[26] 3.3. Es wurden dazu jedoch keinerlei Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung der Berechtigung des Klagebegehrens auf den Anspruchsgrundlagen von § 874 und § 1295 Abs 2 ABGB zuließen. Insoweit fehlt die Tatsachengrundlage um – wie das Berufungsgericht – die Arglist zu verneinen. Um das gegen die Beklagte geltend gemachte Zahlungsbegehren beurteilen zu können, ist daher das Verfahren in diesem Umfang aufzuheben.

[27] 4. Zum Feststellungsbegehren ist auszuführen, dass der Oberste Gerichtshof zu 10 Ob 27/23b (Rz 44) ausgesprochen hat, dass das Risiko des Entzugs der Zulassung in die Bemessung des Schadenersatzes für die Wertminderung einfließt und der Käufer dadurch so gestellt wird, als ob ihm die unzulässige Abschalteinrichtung bereits beim Erwerb des Fahrzeugs bekannt gewesen wäre. Entschließt sich der Käufer dazu, keine Rückabwicklung des Vertrags anzustreben, sondern das Fahrzeug gegen Ersatz des Minderwerts weiter zu behalten, so nimmt er das Risiko allfälliger zukünftiger Schäden bewusst in Kauf, sodass er fortan keine weiteren Schadenersatzansprüche mehr stellen kann (vgl auch 8 Ob 105/23h [Rz 13]).

[28] 5. Im Ergebnis ist daher die Abweisung des Feststellungsbegehrens in der Form eines Teilurteils zu bestätigen, während die Entscheidung über das Begehren auf Ersatz des Minderwerts aufzuheben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurückzuverweisen ist. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht feststellen müssen, ob die Beklagte bei der Entwicklung des Motors in Verbindung mit dem Thermofenster mit Täuschungsvorsatz handelte.

[29] 6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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