OGH 6Ob16/23f

OGH6Ob16/23f20.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* T*, 2. A* T*, beide *, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 10.040 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 7. Dezember 2022, GZ 1 R 57/21f‑57, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Leoben vom 4. Februar 2021, GZ 6 C 717/18m‑49, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00016.23F.1120.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Kläger kauften am 19. 10. 2012 von einer Fahrzeughändlerin einen PKW der Marke Skoda, Modell Skoda Superb Kombi Elegance TDI, zum Preis von 26.800 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 der Abgasklasse EU 5 ausgestattet. Die Beklagte ist die Entwicklerin und Herstellerin des im PKW verbauten Motors. Die Kläger erwarteten sich, dass das Fahrzeug dem Stand der Technik entspricht. Wenn sie gewusst hätten, dass der Motor des Fahrzeugs vom (sogenannten) „Dieselskandal“ betroffen ist, hätten sie dieses nur um einen geringeren Preis gekauft.

[2] Beim eingebauten Motor erfolgte die Abgasrückführung aufgrund einer im Motorsteuerungsgerät enthaltenen Software nach zwei Betriebsmodi („Umschaltlogik“). Im ersten Modus, der nur im Emissionsprüfungsverfahren unter Laborbedingungen zum Einsatz kam, war die Abgasrückführungsrate höher als im zweiten Modus, der unter normalen Fahrbedingungen zur Anwendung gelangte. Für diesen Fahrzeugtyp wurde vom zuständigen deutschen Kraftfahrbundesamt (KBA) die EG‑Typengenehmigung erteilt. Die „Umschaltlogik“ der beiden Betriebsmodi war der Typengenehmigungsbehörde gegenüber nicht offengelegt. Wäre dies dem KBA bekannt gewesen, wäre die EG‑Typengenehmigung nicht erteilt worden.

[3] Nach Aufkommen des „Dieselskandals“ ließen die Kläger beim Fahrzeug auf Kosten der Beklagten ein Software‑Update durchführen. Dieses ersetzte die „Umschaltlogik“ durch eine Programmierung, nach der der emissionsmindernde Modus nicht mehr nur im Prüf‑, sondern auch im Fahrbetrieb zum Einsatz gelangt. Die tatsächlichen Abgaswerte nach dem Software‑Update entsprechen den ab dem Zeitpunkt des Kaufvertrags vorgeschriebenen. Allerdings ist die Programmierung nur bei Außentemperaturen zwischen 15 Grad Celsius und 33 Grad Celsius voll wirksam („Thermofenster“). Diese Änderung wurde ebenfalls vom KBA genehmigt. Das Fahrzeug verfügt nach wie vor über eine EG‑Betriebserlaubnis und kann, solange diese nicht widerrufen wird, legal weiter verwendet werden. Die Kläger haben das Fahrzeug zwischenzeitig weiterverkauft und dabei einen angemessenen Erlös von 10.400 EUR erzielt. Für vom sogenannten „Dieselskandal“ betroffene Fahrzeuge werden derzeit am Gebrauchtwagenmarkt – unabhängig davon, ob das Software‑Update durchgeführt wurde oder nicht – keine geringeren Preise bezahlt als für Fahrzeuge, die nicht vom „Dieselskandal“ betroffen sind.

[4] Die Kläger begehren die Zahlung des Klagsbetrags an Schadenersatz. Sie brachten zusammengefasst vor, der im Fahrzeug verbaute Motor sei von der Beklagten mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung und somit in einem gesetzwidrigen und überteuerten Zustand ausgeliefert worden. Durch den Einbau einer Manipulationssoftware in den Motor habe die Beklagte vorgetäuscht, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Bestimmungen der VO 715/2007/EG entspreche. Die Kläger seien davon ausgegangen, dass der PKW den gesetzlichen Bestimmungen der VO 715/2007/EG entspreche. Hätten die Kläger gewusst, dass das Fahrzeug beim Ankauf nicht einmal den Mindeststandards der Euroabgasnorm 5 und damit nicht dem Stand der Technik entsprochen habe, hätten sie dafür 30 % weniger als den vereinbarten Kaufpreis gezahlt; dies entspreche auch dem objektiven Minderwert, der bei Offenlegung der Manipulation bezahlt worden wäre. Durch den Erwerb eines überteuerten Fahrzeugs hätten die Kläger aufgrund des Verhaltens der Beklagten im Umfang dieser Preisdifferenz von 8.040 EUR einen Schaden erlitten, für welchen diese als schädigender Dritter hafte. Durch das Software‑Update sei der gesetzeskonforme Zustand des PKW nicht hergestellt worden. Es sei lediglich die ursprüngliche Abschalteinrichtung durch ein „Thermofenster“ ersetzt worden, dessen Funktionsweise nach wie vor unzulässig im Sinn der VO 715/2007/EG sei. Die Haftung der Beklagten ergebe sich insbesondere (auch) aus § 1295 Abs 2, § 874 ABGB. Aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs sei ihnen ein weiterer Schaden von 2.000 EUR entstanden, weil sie ohne die aufgrund der Manipulation aufgetretenen „Folgeprobleme“ das Fahrzeug längere Zeit behalten hätten und das jetzt erworbene Neufahrzeug einem vergleichsweise höheren Wertverfall unterliege.

[5] Die Beklagte wendete ein, die Kläger hätten keinen Schaden erlitten, weil das Fahrzeug über eine aufrechte EG‑Typengenehmigung verfüge und im Straßenverkehr uneingeschränkt benutzbar sei. Auch eine (merkantile) Wertminderung sei durch die „NOx‑Thematik“ nicht eingetreten. Sie habe die Kläger nicht über vertragsrelevante Umstände getäuscht, das Fahrzeug habe dem vertraglich Geschuldeten entsprochen. Die Beklagte sei weder Vertragspartnerin noch die Herstellerin des Fahrzeugs und habe dieses auch nicht in Verkehr gebracht und keine Übereinstimmungsbescheinigung (nach Art 3 RL 2007/46/EG ) ausgestellt. Mit der Durchführung des Software‑Update sei ein allfälliger Mangel beseitigt worden, weil das „Thermofenster“ von den zuständigen Behörden als rechtskonforme Maßnahme bestätigt worden sei. Der Ankauf des Neufahrzeugs stelle keinen Schaden dar und sei auch nicht zwingend notwendig gewesen.

[6] Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von 3.618 EUR statt und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte fest, dass aufgrund der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags eingebauten Software mit der „Umschaltlogik“ Käufer derartige Fahrzeuge nur um einen zwischen 12 und 15 % geringeren Kaufpreis erworben hätten, wenn sie von der „Umschaltlogik“ Kenntnis gehabt hätten. Es war der Auffassung, die Käufer eines PKW gingen davon aus, dass die für die Benützung im Straßenverkehr erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorlägen. Es handle sich bei der im Zeitpunkt der Übergabe des Kaufgegenstands vorhandenen „Umschaltlogik“ um eine unzulässige und nicht genehmigungsfähige Abschalteinrichtung im Sinn der VO 715/2007/EG . Wären die Kläger in Kenntnis dieses von der Beklagten verschwiegenen Umstands gewesen, hätten sie das Fahrzeug nur zu einem geringeren Preis gekauft, wobei eine Preisminderung im Bereich von 12 bis 15 % angemessen gewesen wäre. Durch die von der Beklagten durchgeführten Manipulationen sei den Klägern ein Schaden durch die Zahlung eines um 13,5 % (§ 273 ZPO) überhöhten Kaufpreises, das seien 3.618 EUR, entstanden. Einen durch den Ankauf eines Neufahrzeugs entstandenen weiteren Schaden hätten die Kläger nicht schlüssig dargelegt.

[7] Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht gab beiden Berufungen Folge und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es fehlten Feststellungen für eine abschließende Beurteilung, insbesondere stehe nicht fest, ob durch das „Thermofenster“ ausschließlich schwerwiegende und unmittelbare Beschädigungen des Motors oder Unfälle, die eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs darstellen, vermieden werden und ob diese Abschalteinrichtung unter den normalen Betriebsbedingungen des konkreten Fahrzeugs im Durchschnitt den überwiegenden Teil des Jahres in Betrieb gewesen ist. Von diesen Ergebnissen hänge die Annahme eines Minderwerts des Klagsfahrzeugs ab. Für die diesbezüglich bekämpfte Feststellung reichten die vom Erstgericht herangezogenen Ergebnisse des Sachverständigengutachtens überdies nicht aus. Daneben habe die erste Instanz auch noch nicht die Möglichkeit gehabt, die sich aus dem Urteil EuGH C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, ergebenden rechtlichen Erwägungen mit den Parteien zu erörtern. Dies treffe auch auf die Entscheidung 5 Ob 100/22z zu, in der bei vergleichbarem Klagebegehren die Fragen der objektiv‑abstrakten Schadensberechnung und der Vorteilsanrechnung bei Verkauf des Fahrzeugs näher erörtert wurden.

[8] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil dieser zu den in der erwähnten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) aufgeworfenen Fragen noch nicht Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Rekurs der Kläger ist zulässig, weil das Berufungsgericht teilweise von der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist, und in der Sache teilweise berechtigt. Da sich durch die teils abweichende Rechtsansicht aber nichts an der Aufhebung ändert, ist dem Rekurs nicht Folge zu geben (RS0007094 [T7]).

[10] 1. Das Fahrzeug fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007; künftig: VO 715/2007/EG ) fällt.

[11] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat gestützt auf die Rechtsprechung des EuGH bereits ausgesprochen, dass die auch beim gegenständlichen Fahrzeug zum Übergabezeitpunkt vorhandene „Umschaltlogik“ als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn der Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist (10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 47]).

[12] 2.2. Darüber hinaus wurde auch ein denselben Temperaturbereich wie im vorliegenden Fall (Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius) umfassendes „Thermofenster“ als Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG qualifiziert, die nicht nach dem Ausnahmetatbestand des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG zulässig ist:

[13] 2.2.1. In der Entscheidung zu C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen (ÖJZ 2022/114 [Brenn]), hat der EuGH ausgesprochen, dass Art 5 Abs 2 lit a VO 715/2007/EG dahin auszulegen ist, dass eine Abschalteinrichtung, die insbesondere die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt, nach dieser Bestimmung allein unter der Voraussetzung zulässig sein kann, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, kann jedenfalls nicht unter die in Art 5 Abs 2 lit a leg cit vorhandene Ausnahme fallen.

[14] 2.2.2. In dem in Anschluss an diese Entscheidung des EuGH vom Obersten Gerichtshof am 21. 2. 2023 zu 10 Ob 2/23a gefällten Urteil wurde beurteilt, dass ein Thermofenster, aufgrund dessen der emissionsmindernde Betriebsmodus nicht mehr nur im Prüfbetrieb, sondern auch im Fahrbetrieb zum Einsatz kommt, allerdings nur bei Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll wirksam ist, unzweifelhaft als Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist. Eine solche Abschalteinrichtung ist im Sinn des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG jedenfalls unzulässig, wenn sie aufgrund der vorherrschenden Außentemperaturen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Die zuletzt genannte Voraussetzung ist bei einem Thermofenster, bei dem die Abgasrückführung nur bei Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius und – aufgrund der in Österreich herrschenden klimatischen Verhältnisse – nur in vier oder fünf Monaten im Jahr voll aktiv ist, während im überwiegenden Teil des Jahres die Abgasrückführung durch die Abschalteinrichtung reduziert ist, erfüllt. Im Hinblick darauf ist das fragliche Thermofenster nach der Rechtsprechung des EuGH selbst dann nicht nach dem Ausnahmetatbestand des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG zulässig, wenn sie im konkreten Fall erst einsetzen würde, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Ein solches Thermofenster fällt daher nicht unter die Verbotsausnahme des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG (vgl auch 3 Ob 121/23z [ErwGr 1.1. f]; 3 Ob 40/23p [ErwGr 1.1. f]).

[15] 2.2.3. Auch im Anlassfall erfasst das im Motor des Klagsfahrzeugs implementierte Thermofenster den Temperaturbereich von 15 bis 33 Grad Celsius Außentemperatur. Es bleibt daher ohne Bedeutung, ob die Abschalteinrichtung in ihrer Funktionsweise für den Motorschutz erforderlich ist oder nicht. Das Thermofenster ist somit jedenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG , weil sie aufgrund der vorherrschenden Außentemperaturen jedenfalls in Österreich im überwiegenden Teil des Jahres aktiv ist und die Abgasrückführung reduziert (vgl auch 3 Ob 121/23z [ErwGr 1.3.]). Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht auf die durchschnittliche Umgebungstemperatur im Unionsgebiet an (3 Ob 40/23p [ErwGr 1.3.]).

[16] 2.2.4. Daraus folgt, dass es sich bei dem in Rede stehenden Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Z 10 iVm Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG handelt. Zutreffend weist der Rekurs darauf hin, dass entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts in dieser Hinsicht keine sekundären Feststellungsmängel vorliegen.

[17] 2.3. Da auch das nach dem Software-Update vorhandene Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, ist betreffend die implementierte „Umschaltlogik“ jedenfalls keine „Klaglosstellung“ oder Naturalrestitution erfolgt. Auf eine solche kann sich die Beklagte daher nicht erfolgreich berufen (vgl 2 Ob 5/23h [ErwGr 3.5 ff]; 6 Ob 84/23f [ErwGr 3.5.]).

[18] 3.1. Die Kläger nehmen die Beklagte wegen Schadenersatz in Anspruch, wobei sie ihr auch die Verletzung der als Schutzgesetz anzusehenden VO 715/2007/EG vorwerfen. Die Beklagte hat dazu bereits im Verfahren erster Instanz das Begehren auf Schadenersatz mit dem Argument bestritten, dass sie nicht Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei.

[19] 3.2. Grundlage für die Bejahung der deliktischen Haftung des „Herstellers“ gegenüber einem Fahrzeugkäufer durch den EuGH (C‑100/21 , Mercedes Benz Group) ist der Umstand, dass das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinn des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG ausgestattet ist. Diese Verordnung regelt unter anderem die Anforderungen, die die Hersteller von Neufahrzeugen zu erfüllen haben, um die EG-Typengenehmigung zu erhalten (Art 5 leg cit). Sie richtet sich – so wie auch die Rahmenrichtlinie 2007/46/EG – bereits nach dem Titel und dem Regelungszweck an den Fahrzeughersteller. Dementsprechend bezieht auch der EuGH die Verbindung zwischen dem Käufer und dem Hersteller, auf den der Gerichtshof den Schutz der Einzelinteressen des Fahrzeugkäufers gegen den Hersteller gründet, auf den Hersteller, der in seiner Eigenschaft als Inhaber einer EG‑Typengenehmigung die Übereinstimmungsbescheinigung beizulegen hat. Inhaber der EG‑Typengenehmigung ist der Hersteller des Fahrzeugs (vgl auch Art 3 Nr 27 der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG ). Eine deliktische Haftung aus der vom EuGH beurteilten Schutzgesetzverletzung wegen des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung trifft daher (nur) den Fahrzeughersteller, der Inhaber der EG‑Typengenehmigung ist und die Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt hat (ausführlich 6 Ob 161/22b [ErwGr 3.1. ff]; vgl 3 Ob 40/23p [Rz 32 ff]).

[20] 3.3. Die Beklagte stellte lediglich den Motor samt der darin verbauten Software her. Auf die Schutzgesetzverletzung können daher die Kläger einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte, die nicht Herstellerin des Fahrzeugs ist, nicht erfolgreich stützen.

[21] 4.1. Eine (unmittelbare) Haftung der Beklagten als Herstellerin des Motors ist aber nach § 1295 Abs 2 und § 874 ABGB möglich (6 Ob 84/23f [ErwGr 3.1. ff]; 6 Ob 161/22b [ErwGr 4.1. ff]; 3 Ob 40/23p [ErwGr 5.3]; 2 Ob 5/23h), worauf die Kläger und erkennbar auch das Erstgericht die Ansprüche gestützt haben.

[22] 4.2. Die Kläger brachten dazu vor, die Beklagte hafte, weil sie die vorsätzlich implementierte „Umschaltlogik“ vorsätzlich verschwiegen habe, um sich Vorteile, nämlich Ersparnis von Entwicklungskosten ihrer Fahrzeuge und einen dadurch höheren Gewinn, zu verschaffen. Die (namentlich genannten) Leiter der Aggregate‑Entwicklung der Beklagten hätten bewusst die Entscheidung getroffen, die „Umschaltlogik“ zu verbauen. Diese Personen hätten bei der Entwicklung des streitgegenständlichen Motors führende Rollen eingenommen und seien der Beklagten als Repräsentanten zuzurechnen.

[23] Die Beklagte hielt dem entgegen, sie habe mit dem Marketing und Verkauf des Fahrzeugs nichts zu tun, es träfen sie keine Aufklärungspflichten gegenüber dem Kläger; eine vorsätzliche Täuschung sei weder erfolgt noch kausal gewesen.

[24] 4.3. Es wurden dazu jedoch keinerlei Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung der Berechtigung des Klagebegehrens auf den Anspruchsgrundlagen von § 874 und § 1295 Abs 2 ABGB zuließen. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.

[25] 5. Sollte sich der geltend gemachte Schadenersatzanspruch im fortgesetzten Verfahren dem Grunde nach als berechtigt erweisen, wird das Erstgericht mit den Parteien die Schadenshöhe und in diesem Zusammenhang eine allfällige Vorteilsanrechnung zu erörtern haben.

[26] 6. Da der Anspruch nach den bisher getroffenen Feststellungen bereits dem Grund nach nicht beurteilt werden kann, hat es bei der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zu bleiben.

[27] 7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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