European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00070.22K.1213.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
1. Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:
„Das Klagebegehren, es werde
1) a) zwischen den erst- und zweitklagenden Parteien und der beklagten Partei festgestellt, dass die beklagte Partei als Eigentümer des Grundstücks Nr. *, und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum dieses Grundstücks gegenüber den erst- und zweitklagenden Parteien als ideelle Hälfteeigentümer der Grundstücke Nr. *, und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum dieser Grundstücke nicht berechtigt ist, das Eigentum der erst- und zweitklagenden Parteien dadurch zu stören, dass die Umzäunung des Grundstücks der beklagten Partei nord-, süd- und westseitig in die Grundstücke der erst- und zweitklagenden Parteien hineinragt,
b) zwischen der drittklagenden Partei und der beklagten Partei festgestellt, dass die beklagte Partei als Eigentümer des Grundstücks Nr. *, und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum dieses Grundstücks gegenüber der drittklagenden Partei als Eigentümerin des Grundstücks Nr. *, und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum dieser Grundstücke nicht berechtigt ist, das Eigentum der drittklagenden Partei dadurch zu stören, dass die Umzäunung des Grundstücks der beklagten Partei südseitig in das Grundstück der drittklagenden Partei hineinragt,
2) die beklagte Partei sei schuldig,
a) gegenüber den erst- und zweitklagenden Parteien, binnen 14 Tagen den nord- süd- und westseitig des Grundstücks Nr. *, befindlichen Zaun in jenen Bereichen zu beseitigen, in denen dieser laut dem einen Bestandteil des Urteilsspruchs bildenden Lageplan vom 19. August 2021 in die Grundstücke Nr. *, hineinragt,
b) gegenüber der drittklagenden Partei, binnen 14 Tagen den südseitig des Grundstücks Nr. *, befindlichen Zaun in jenen Bereichen zu beseitigen, in denen dieser laut dem einen Bestandteil des Urteilsspruchs bildenden Lageplan vom 19. August 2021 in die Grundstücke Nr. *, hineinragt,
3) die beklagte Partei sei gegenüber den klagenden Parteien schuldig, ab sofort die in Spruchpunkt 1.) genannten Störungshandlungen sowie jede ähnliche derartige Handlung zu unterlassen,
wird abgewiesen.“
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 8.938,31 EUR (darin 1.446,38 EUR USt und 260 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz und die mit 6.167,76 EUR (darin 501,82 EUR USt und 3.156,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens beider Instanzen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Beklagte ist aufgrund eines Kaufvertrags vom 3. 6 2008, verbüchert am 14. 9. 2010, Eigentümer eines Grundstücks im Sprengel des Erstgerichts, das an eine Liegenschaft der Erst- und Zweitkläger (als Hälfteeigentümer) sowie eine weitere der Drittklägerin angrenzt.
[2] Der das Beklagtengrundstück umgebende, von den Rechtsvorgängern des Beklagten errichtete Gartenzaun steht teilweise über die Grenzen nach der Grundbuchsmappe hinaus auf den benachbarten Grundstücken der Kläger.
[3] Die Lage dieses Zaunes wurde im Jahre 1982 im Zuge des Verkaufs des – damals neu von einem größeren Grundstück der Verkäufer abgetrennten – Beklagtengrundstücks zwischen den Verkäufern und Käufern an Ort und Stelle einvernehmlich festgelegt. Verkäufer und Käufer wussten dabei, dass der gemeinsam so festgelegte Grenzverlauf von der dem Kaufvertrag zugrunde gelegten Vermessungsurkunde abwich, dies war auch gewollt. Aus Kostengründen entschieden sich die Vertragsteile damals aber, keine neuerliche Vermessung durchführen zu lassen, sondern beließen es bei der Bestätigung in der Aufsandungserklärung zum Kaufvertrag, dass das Kaufobjekt mit dem in der Vermessungsurkunde ausgewiesenen Grundstück übereinstimme.
[4] Der Erstkläger erwarb seine klagsgegenständlichen Grundstücke in den Jahren (teilweise) 1983, 1994 und 1999, die Zweitklägerin erhielt einen Anteil 1996 durch Schenkung und 1999 weitere Anteile durch Kauf. Mit Einbringungsvertrag vom 22. 3. 2012 erwarb die Drittklägerin ihr vom Bestand der Erst- und Zweitklägerin abgetrenntes Grundstück, das im Grenzkataster erfasst ist. Seit dem Jahr 2008 machten die Erst- und Zweitklägerin durch Schilder am Grundstück und Schriftverkehr mit dem Beklagten und dessen Rechtsvorgänger darauf aufmerksam, dass der Zaun des Beklagtengrundstücks in ihre Grundstücke hineinrage.
[5] Der Beklagte bestätigte dem Rechtsvertreter der Kläger am 5. 11. 2010 per E-Mail, dass er den Zaun ca 4 Wochen vor dem geplanten Baubeginn der Kläger versetzen werde lassen. Weitere Korrespondenz der Kläger beantwortete er nicht mehr, nachdem er in der Zwischenzeit von der einvernehmlichen Festlegung des Zaunverlaufs durch die Rechtsvorgänger erfahren hatte.
[6] Im November 2017 wurde der Beklagte von der Baubeginnsanzeige auf den Nachbargrundstücken und am 15. 6. 2020 vom tatsächlichen Baubeginn verständigt, reagierte aber darauf nicht.
[7] Die Kläger begehren jeweils die Feststellung, dass der Beklagte nicht zur Störung ihres Eigentums durch den hineinragenden Zaun berechtigt sei, weiters erheben sie ein Beseitigungs- und ein Unterlassungsbegehren.
[8] Der Beklagte wandte ein, sein Zaun befinde sich innerhalb der Grenzen seines eigenen Grundstücks, dies entsprechend dem von den Voreigentümern einvernehmlich in der Natur festgelegten Grenzverlauf. Eventualiter berief er sich auf Ersitzung der eingezäunten Flächen und auf Schikane.
[9] Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt.
[10] Gegenüber der Drittklägerin, deren Grundstück im Grenzkataster erfasst sei, könne die Berufung auf eine durch Erwerb oder Ersitzung abweichende Naturgrenze nicht durchdringen. Bezüglich der übrigen Grundstücke habe die einvernehmliche Zaunerrichtung nicht zu einem Eigentumserwerb führen können, weil im Kaufvertrag ausdrücklich die vermessenen Grenzen vereinbart worden seien. Ersitzung komme mangels guten Glaubens nicht in Betracht, weil die Kläger bereits seit 2010 ihre Ansprüche geltend gemacht hätten.
[11] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge, verwarf die erhobene Tatsachen- und Mängelrüge und teilte auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Rechtsfrage, in welchen Grenzen der Beklagte Eigentum an seinem Grundstück erworben habe, wenn seine Rechtsvorgänger eine von den Kaufvertragsvereinbarungen abweichende Einzäunung nämlichen Grundstücks vorgenommen hatten, insbesondere ob und wie die Rechtssätze RS0011312 und RS0013881 auf einen solchen Sachverhalt anzuwenden seien, eine erhebliche Rechtsfrage darstelle.
[12] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er eine Klagsabweisung, eventualiter die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen anstrebt. Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht im Einklang steht.
[14] Die Revision ist auch berechtigt.
[15] 1. Die geltend gemachte, allerdings unsubstantiiert und die Verfahren beider Vorinstanzen vermengend behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens hat der Oberste Gerichtshof geprüft, sie liegt nicht vor.
[16] 2. In seiner Rechtsrüge macht der Beklagte – auf das Wesentliche gekürzt – geltend, die Kläger hätten nicht beweisen können, dass sie Eigentümer der vom strittigen Zaun abgegrenzten Flächen geworden seien. Damit weist er grundsätzlich richtig darauf hin, dass es bei der Negatorienklage der Kläger ist, der sein Eigentum beweisen muss, sodass ein non liquet hinsichtlich des wahren Grenzverlaufs zu seinen Lasten gehen würde (RIS‑Justiz RS0012186 [T6]).
[17] Weil das Klagebegehren aber nicht auf Feststellung des Eigentums der Kläger gerichtet ist, das hier nur eine Vorfrage bildet, sondern auf Feststellung, Unterlassung und Beseitigung einer vom Beklagten ausgehenden Störung, hatten die Kläger auch diese zu behaupten und zu beweisen.
[18] Die Eigentumfreiheitsklage setzt Eigenmacht des Störers und einen unberechtigten Eingriff voraus (RS0083156 [T24]; RS0012112 [T11]; RS0012110 [T1]; vgl auch RS0103058 [T15]), Adressat der Klage ist der unmittelbare (allenfalls mittelbare) Störer (zB Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 523 Rz 10; RS0103058).
[19] Worin konkret der zur Begründung des Klagebegehrens führende eigenmächtige Eingriff des Beklagten in ihr Eigentum gelegen sein soll, vermochten die Kläger aber nicht schlüssig zu begründen.
[20] Es steht vielmehr fest, dass der strittige Zaun mit dem Willen und Einverständnis der früheren Grundeigentümer errichtet wurde, die auch selbst dabei mitgeholfen haben. Die Rechtsvorgänger des Beklagten haben weder eigenmächtig noch unberechtigt, sondern aufgrund einer ausdrücklichen Erlaubnis gehandelt. Dass der Beklagte nach dem Kauf seines Grundstücks den damals schon bestehenden Zaun verändert hätte oder ändern habe lassen, wurde nicht behauptet. Da kein konsenswidriger Zustand hergestellt wurde, kann dem Beklagten auch nicht als Störung angelastet werden, einen solchen aufrecht erhalten zu haben (vgl RS0012131 [T8]). Mangels Störung durch den Beklagten besteht aber für das Feststellungs- und Unterlassungsbegehren der Kläger kein Raum.
[21] 3. Es besteht nach dem festgestellten Sachverhalt aber auch für das Beseitigungsbegehren keine rechtliche Grundlage.
[22] Geht man mit den Klägern davon aus, dass der Zaun auf ihrem Grundstück steht, haben die Kläger, worauf die Revision zutreffend hinweist, selbst ihre Grundstücke in dem Zustand erworben, in dem sie ihnen von den Verkäufern übergeben wurden, also mit dem konsensgemäß darauf errichteten Zaun. Als Eigentümern der Grundstücke fiel den Klägern auch das Eigentum an dem darauf dauerhaft errichteten Zaun zu (§ 297 ABGB).
[23] Ein tragfähiger Rechtsgrund, aus dem der Beklagte dazu verpflichtet sein sollte, auf fremdem Grund einen Zaun zu entfernen, mit dessen Errichtung er nichts zu tun hatte und der ihm nicht gehört, wird von den Klägern nicht dargestellt und ist aus dem Sachverhalt nicht abzuleiten. Sie haben ihr Begehren auch nicht aus einer eventuellen rechtsgeschäftlichen Zusage, sondern nur aus ihrem Eigentumsrecht abgeleitet.
[24] Der Umstand, dass das Vorhandensein einer Abzäunung zwischen den Grundstücken für den Beklagten – aber auch für die Kläger selbst – bisher nützlich gewesen sein mag, kann einen Beseitigungsanspruch gegen den Beklagten nicht begründen.
[25] Der Revision war daher Folge zu geben.
[26] Die Entscheidung über die Kosten aller Instanzen gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Den in ON 33 erhobenen und jeweils nach der Aktenlage berechtigten Einwendungen der Kläger gemäß § 54 Abs 1a ZPO gegen die vom Beklagten verzeichneten Kosten war dabei Rechnung zu tragen.
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