OGH 8Ob171/22p

OGH8Ob171/22p17.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F* GmbH, *, 2. F* B* GmbH, 3. F* S* GmbH, 4. F* Sc* GmbH, 5. F* 1 GmbH, alle *, alle vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2022, GZ 2 R 78/22p‑22, womit infolge Berufung der klagenden und beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. März 2022, GZ 17 Cg 19/21g (führend) 17 Cg 26/21m, 17 Cg 27/21h, 17 Cg 28/21f und 17 Cg 29/21b‑13, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00171.22P.1117.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Klauselentscheidungen

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei je ein Fünftel der mit 3.212,82 EUR (darin 535,47 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist eine gemäß § 29 KSchG zur Verbandsklage berechtigte Körperschaft. Die beklagten Gesellschaften betreiben in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und im Burgenland Fitnessstudios und Fitnessanlagen.

[2] Sie schließen als Unternehmerinnen regelmäßig mit Verbrauchern iSd § 1 KSchG (auch im Wege des Fernabsatzes) Mitgliedsverträge, denen Allgemeine Geschäftsbedingungen zu Grunde gelegt werden. Bei diesen Vertragsabschlüssen mit Verbrauchern verwendeten die Beklagten unter anderem die folgenden Klauseln:

a) Klausel 1 (Punkt 2 der AGB)

„Für alle Verträge, die nach dem 30.11.2016 abgeschlossen wurden, gilt:

Hinzu kommt eine jährliche Servicepauschale von € 40,00, die bei Einzugsermächtigung mit der ersten fälligen Rate und in weiterer Folge alle 12 Monate vom Konto abgebucht wird oder bei Barzahlung der gesamten Vertragssumme mit dieser Bar abgerechnet wird (gilt sowohl für reguläre Mitgliedschaften als auch für Aktions-Mitgliedschaften). Durch die Bezahlung der jährlichen Servicepauschale hat der Kunde 1 x pro Jahr das Recht auf ein kostenloses Personal Training. Die Servicepauschale dient außerdem der Erhaltung der Qualitätsstandards und der Investitionen in Geräte und Infrastruktur.“

b) Klausel 2 (Punkt 5 der AGB):

Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Für die ersten 12 Monate beginnend mit dem auf den Vereinbarungsbeginn folgenden 01. des Monats wird auf die Kündigungsmöglichkeit verzichtet. Die Vereinbarung kann von beiden Vertragsparteien mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende des Kündigungsverzichtes und danach jeweils zum 30.06. und zum 31.12. eines jeden Jahres mit einer Kündigungsfrist von einem Monat schriftlich gekündigt werden.

[3] Die Klägerin begehrte, den Beklagten die Verwendung der genannten oder sinngleicher Klauseln und die Berufung darauf zu untersagen und ihr jeweils die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer Samstags-Ausgabe des redaktionellen Teils der "Kronen-Zeitung“ Regionalausgabe des jeweiligen Betriebsorts zu erteilen. Die Klauseln verstießen gegen gesetzliche Verbote, insbesondere gegen die guten Sitten, würden Verbraucher gröblich benachteiligen und seien intransparent.

[4] Die Beklagte wandte ein, die verwendeten Klauseln seien zulässig und das Veröffentlichungsbegehren sachlich nicht gerechtfertigt.

[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt, wobei es die Leistungsfrist mit 4 Monaten festlegte.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es die Beklagte verpflichtete, ein Berufen auf die inkriminierten oder sinngleiche Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern bereits ab sofort zu unterlassen.

[7] Rechtlich teilte es die Beurteilung der ersten Instanz, dass die Klausel 1 gröblich benachteiligend sei, weil der vom Kunden zu bezahlenden zusätzlichen jährlichen Servicepauschale keine zusätzliche Leistung des Unternehmens gegenüberstehe. Überdies erscheine sie intransparent, weil der Anspruch auf ein einmal jährliches „Personal Training“ völlig unbestimmten Inhalts sei. Eine intransparente Klausel sei auch dann unzulässig, wenn sie die beiderseitigen vertraglichen Hauptleistungspflichten regle.

[8] Die Klausel 2 sei insoweit unsachlich und gröblich benachteiligend, als sie die Kunden ohne gerechtfertigten Grund neben dem Kündigungsverzicht für die ersten 12 Monate an nur zwei Kündigungstermine pro Jahr binde.

[9] Das Begehren auf Veröffentlichung des Urteils in einer am jeweiligen Betriebsstandort verbreiteten Regionalzeitung sei gegen jede Beklagte der getrennt eingeleiteten, nur zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren gerechtfertigt.

[10] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig, dass die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig für eine größere Anzahl von Verbrauchern Bedeutung habe und die streitgegenständlichen Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen gewesen seien.

[11] Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit der sie die gänzliche Klagsabweisung anstreben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Begründung dieser Entscheidung kann sich nach § 510 Abs 3 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

[13] 1. Der behauptete Verfahrensmangel, den die Revision zusammengefasst in einer überschießenden Interpretation des Klagsvorbringens durch das Berufungsgericht erblickt, wurde vom Obersten Gerichtshof geprüft, er liegt nicht vor. Die Problematik der Auslegung der strittigen Klauseln zählt zur rechtlichen Beurteilung.

[14] Behauptete Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, die vom Berufungsgericht verneint wurden, können in dritter Instanz nicht mehr neuerlich geltend gemacht werden (RS0043111).

[15] 2. Ob eine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112769; RS0112921). Diese Revisionsvoraussetzung fällt weg, wenn die strittige Rechtsfrage bereits durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs geklärt wurde (RS0112769 [T12]). Dies ist hier bezüglich beider Klauseln der Fall.

[16] 3. Der Oberste Gerichtshof hatte sich bereits wiederholt mit Zusatzentgelten bei Fitnessstudio-Verträgen zu beschäftigen und ausgesprochen, dass Klauseln, die ein Zusatzentgelt nicht zur Abgeltung einer nur aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall erforderlichen Mehrleistung, sondern zur Abgeltung einer im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundenen Leistung vorsehen, als Nebenleistungen gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB sind.

[17] Auch mit der Klausel 1 wortidente Klauseln waren bereits Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen (5 Ob 169/22x; 5 Ob 64/23g mwN) und wurden als sowohl intransparent als auch gröblich benachteiligend iSd § 879 ABGB beurteilt.

[18] Die Argumentation der Revisionswerberin, das Berufungsgericht habe sich über Grundsätze der Vertragsauslegung und – ohne entsprechendes Vorbringen der Klägerin – über den Wortsinn der Klausel hinweggesetzt, diese sei für die beteiligten Verkehrskreise eindeutig, zeigt keine über die bereits in den Vorentscheidungen behandelten zusätzlichen Aspekte auf, die eine Neubeurteilung der identen Klausel indizieren könnten.

[19] Der erkennende Senat sieht daher keine Veranlassung, von den bereits in den zitierten Entscheidungen dargelegten rechtlichen Erwägungen abzuweichen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klausel 1 sei iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend, weil einer zusätzlichen Leistung des Verbrauchers keine zusätzliche Leistung des Unternehmers gegenübersteht, entspricht ebenso der dazu bereits vorliegenden Rechtsprechung wie die Auffassung, sie sei intransparent, weil mangels Festlegung insbesondere der Dauer und des Inhalts des „Personal Trainings“ unklar bleibe, was im Rahmen dessen überhaupt geschuldet ist (5 Ob 169/22x; 5 Ob 64/23g mwN).

[20] 4. Auch für die Klausel 2 gilt, dass wortidente Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen waren (5 Ob 169/22x; 5 Ob 64/23g). Es ist zwar richtig, dass in der Judikatur eine Mindestvertragsdauer von 12 Monaten noch als angemessen beurteilt wurde, unter der Voraussetzung, dass dahinter bestimmte berechtigte wirtschaftliche Interessen des Unternehmers stehen (vgl RS0121007 [T3], 5 Ob 205/13b), jedoch nicht eine zusätzliche Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten nach Ablauf dieser Mindestvertragsdauer auf bloß halbjährliche Kündigungstermine.

[21] Neue Aspekte, die eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellen könnten, bringt die Revision nicht vor. Sekundäre Feststellungsmängel werden im Rechtsmittel zwar formal behauptet, aber nicht inhaltlich konkretisiert.

[22] 5. Zweck der Urteilsveröffentlichung im Verbandsprozess ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RS0121963). In der Regel ist die Urteilsveröffentlichung in einem solchen Umfang zuzusprechen, dass die Verkehrskreise, denen gegenüber die Rechtsverletzung wirksam geworden ist, über den wahren Sachverhalt bzw den Gesetzesverstoß aufgeklärt werden (RS0121963 [T9]). Eine bloße mediale Berichterstattung oder die Bereitstellung einschlägiger Informationen auf einer Website der Verfahrensparteien wird dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Aufklärung über die Verwendung bestimmter gesetzwidriger Vertragsbestandteile nicht gerecht (3 Ob 155/22y; RS0121963 [T10, T15]). Davon abzugehen, bietet das Rechtsmittel der Beklagten keinen Anlass. Wieso es unter diesen Umständen nicht notwendig sein sollte, die Entscheidung den Lesern der auf den jeweiligen örtlichen Tätigkeitsbereich der einzelnen, in unterschiedlichen Verfahren Beklagten eingegrenzten Regionalausgabe der Samstags‑Ausgabe der auflagenstärksten österreichweit vertriebenen Zeitung zur Kenntnis zu bringen, legt die Beklagte nicht überzeugend dar.

[23] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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