European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00058.23Z.1024.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Mit der Wohnrechtsnovelle 2006 BGBl I 2006/124 (WRN 2006) wurde die Erhaltungspflicht des Vermieters hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung des Mieters ausgeweitet. Der Generalklausel des § 3 Abs 1 MRG wurde hinzugefügt, dass der Vermieter auch dafür zu sorgen hat, dass „erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner beseitigt“ werden. In § 3 Abs 2 Z 2 MRG findet sich nunmehr ein zweiter selbständiger Tatbestand für die Verpflichtung des Vermieters, Erhaltungsarbeiten auch im Mietgegenstand selbst vorzunehmen, nämlich neben der Verpflichtung zur Behebung von ernsten Schäden des Hauses nunmehr auch die Verpflichtung zur Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung (5 Ob 173/10t; RIS‑Justiz RS0116302 [T1]).
[2] Damit nunmehr ein gesundheitsgefährlicher Mangel in die Erhaltungspflicht des Vermieters fällt, muss es sich um eine „erhebliche“ Gefahr für die Gesundheit der Bewohner handeln. Diese „Erheblichkeitsschwelle“ ist sowohl in der für die Erhaltung der allgemeinen Teile maßgeblichen Generalklausel des § 3 Abs 1 MRG als auch im Tatbestand des § 3 Abs 2 Z 2 MRG genannt und bringt zum Ausdruck, dass nicht jede Bagatellbeeinträchtigung die Erhaltungspflicht des Vermieters auslöst (5 Ob 180/18h; 5 Ob 264/15g; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 MRG § 3 Rz 8; vgl RV 1183 BlgNR 22. GP 35). Ob ein bestimmter Mangel die Erheblichkeitsschwelle überschreitet und damit die Pflichten des Vermieters zur Gefahrenabwehr begründet, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen (5 Ob 264/15g).
[3] 2. Die Vorinstanzen haben der Antragsgegnerin (Vermieterin) aufgetragen, die derzeit nicht brandhemmend ausgeführte Wohnungseingangstür des Antragstellers (Mieter) gegen eine eine bestimmte Brandschutzklasse aufweisende, jedoch sonst gleichwertige Tür auszutauschen und die damit verbundenen vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Arbeiten durchzuführen. Sie begründeten dies – im Kern übereinstimmend – mit der festgestellten Gefährdung des Antragstellers und anderer Bewohner des Hauses im Fall eines Brandgeschehens, die angesichts der besonderen baulichen Ausgestaltung des Hauses (nach einem ursprünglich nicht baubewilligten Umbau) daraus resultiere, dass die Wohnungseingangstür des Antragsstellers (als einzige) nicht brandhemmend ausgeführt sei. Besonders ins Gewicht falle, dass bestimmten Bewohnern damit der einzige Fluchtweg über das Stiegenhaus genommen sei.
[4] Die Antragsgegnerin bestreitet in ihrem Revisionsrekurs die Erheblichkeit der damit verbundenen Gefahr mit der im gegebenen Zusammenhang verfehlten Argumentation, dass – zusammengefasst – ein Brandgeschehen zwar massive lebensgefährliche Folgen haben möge, ein Brand aber zum einen ein unsachgemäßes, rechtswidriges und damit vermeidbares Verhalten voraussetze und zum anderen ein außergewöhnliches Ereignis sei. Diese Fragen der Ursache und Häufigkeit eines Brandgeschehens ändern nichts an der festgestellten, durch die konkreten baulichen Gegebenheiten verstärkten Gefährdung des Antragstellers und der Bewohner des Hauses im Fall eines allfälligen Brandes.
[5] Wenn das Rekursgericht daher die Erheblichkeit der Gefahr für die Gesundheit der Bewohner iSd Generalklausel des § 3 Abs 1 MRG mit Verweis auf § 3 Abs 3 Z 2b MRG und die aus der dort normierten Privilegierung ableitbare besondere Bedeutung der Behebung von Baugebrechen, die die Sicherheit von Personen oder Sachen gefährden, bejaht, ist das keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[6] 3. Andere Fragen im Zusammenhang mit der Zuordnung der Erhaltungspflicht nach § 3 Abs 1 und 2 MRG spricht die Antragsgegnerin in ihrer Zulassungsbegründung (vgl § 65 Abs 3 Z 6 AußStrG) nicht an. Bei der Prüfung der Frage, ob ein außerordentlicher Revisionsrekurs einer weiteren Behandlung unterzogen oder verworfen werden soll, hat sich der Oberste Gerichtshof aber auf jene Gründe zu beschränken, die in dieser Zulassungsbeschwerde angeführt wurden; andere mögliche Rechtsfehler sind nicht zu untersuchen (RS0107501; RS0043644 [T3, T4]).
[7] Auch in Bezug auf den nach den konkreten Umständen zu bestimmenden Umfang der aufzutragenden Erhaltungsmaßnahmen wirft die Antragsgegnerin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Antragsgegnerin habe eine Tür mit einer – abgesehen von der Brandschutzklasse – dem Vorzustand entsprechenden Ausgestaltung einzubauen, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Zwar können dem Vermieter gemäß § 6 Abs 1a MRG idF WRN 2006 Arbeiten zur Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung nur aufgetragen werden, wenn sich diese „nicht durch andere, den Bewohnern des Hauses zumutbare Maßnahmen abwenden lässt“. Die Intention dieser Bestimmung liegt zwar darin, die Pflicht des Vermieters zur Abwendung von Gesundheitsgefahren in einem gewissen Maß abzumildern. Dabei stellt aber schon der Gesetzeswortlaut klar, dass es nicht um den Aufwand der Maßnahme selbst geht, sondern darum, dass andere Maßnahmen, die den Bewohnern des Hauses zumutbar sind, die Gesundheitsgefährdung abwenden können, also um effektive Alternativmaßnahmen (5 Ob 29/20f; RS0126324).
[8] 4. Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Dieser ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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