OGH 5Ob180/18h

OGH5Ob180/18h6.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin L*****, vertreten durch Dr. Markus Tesar, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner R*****, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm §§ 3, 6 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. März 2018, GZ 40 R 226/17g‑27, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 29. Juni 2017, GZ 25 Msch 8/14f‑20, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00180.18H.1106.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr die Verpflichtung des Antragsgegners, die elektrische Anlage in der Wohnung der Antragstellerin durch Einbau eines 30 mA FI‑Schalters als Zusatzschutz instand zu setzen.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners insoweit Folge und wies den Antrag ab. Gemäß § 3 Abs 2 Z 4 MRG könne der Mieter Neueinführungen oder Umgestaltungen aufgrund öffentlich‑rechtlicher Verpflichtung des Vermieters beantragen, somit auch verpflichtende Maßnahmen nach elektrotechnischen Bestimmungen. Gemäß § 4 Abs 1 ETG 1992 genießen elektrische Anlagen, welche nach den zur Zeit ihrer Errichtung einzuhaltenden elektrotechnischen Normen hergestellt wurden, Bestandschutz. Die zur Zeit ihrer Errichtung geltenden Normen fänden weiterhin Anwendung und könnten gemäß § 5 Abs 1 ETG  während des Übergangszeitraums von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten neuer verbindlicher Normen weiterhin nach den bisher verbindlichen Normen errichtet, hergestellt und in Verkehr gebracht werden. Die ETV 1996 BGBl Nr 105/1996 habe die in ihrem Anhang I angeführten Normen (darunter die einen Zusatzschutz durch einen 30 mA FI‑Schalter vorsehende ÖVE‑EN 1) zwar ab dem Tag ihres Inkrafttretens am 8. 3. 1996 für verbindlich erklärt. Abzustellen sei aber auf den Zeitpunkt der Renovierung, der erst in der Folge an die Antragstellerin vermieteten Wohnung vor dem 7. 3. 1996, die mit der ETV 1996 für verbindlich erklärten Normen seien daher nicht maßgeblich. Im Übrigen ordne die Übergangsbestimmung des § 10 ETV 1996 an, dass elektrische Anlagen noch fünf Jahre ab dem Inkrafttreten der ETV 1996 gemäß den Bestimmungen der vorangegangenen ETV 1993 BGBl Nr 47/1994 hergestellt werden dürften; die ETV 2002 habe eine Rückwirkung auf bestehende Anlagen nicht angeordnet. Eine öffentlich‑rechtliche Verpflichtung des Antragsgegners zum Einbau eines Fehlerstromschutzschalters 30 mA bestehe somit nicht. § 3 Abs 2 Z 2 zweiter Fall MRG komme nicht in Betracht, weil er den Vermieter nur zur Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung verpflichte, die hier nicht vorliege. Zwar könne eine derartige Gefährdung auch in der Gefahr eines Stromschlags liegen, sämtliche Steckdosen der Wohnung seien aber zeitgemäß verrohrt und verlegt, der Basisschutz sei durch ausreichende Isolierung der Anlage und der Fehlerschutz durch einen Fehlerstromschutzschalter FI mit 100 mA gegeben. Eine direkte Gefährdung von Personen sei zu verneinen, zumal das Fehlen des 30 mA Fehlerstromschutzschalters zwar ein geringeres Sicherheitsniveau, nicht aber eine erhebliche Gesundheitsgefährdung begründe.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich mit der Begründung zu, jüngeres Schrifttum vertrete die Ansicht, dass das Fehlen des nunmehr gesetzlich in § 7a ETV 2002 vorgesehenen Sicherungsniveaus eine Erhaltungspflicht des Vermieters auslöse. Zu dieser Frage fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Der – vom Antragsgegner beantwortete – Revisionsrekurs der Antragstellerin, in dem sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses begehrt, ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig. Er vermag keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Begründung kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

1.1. Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0102059). Das gilt auch in außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG (RIS‑Justiz RS0102059 [T10]). Dieser Fall liegt hier vor:

1.2. Weder in ihrem Zulassungsantrag noch im Revisionsrekurs selbst geht die Antragstellerin auf die ausführliche rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts zur fehlenden öffentlich‑rechtlichen Verpflichtung des Antragsgegners zum Einbau eines Fehlerstromschutzschalters 30 mA nach § 3 Abs 2 Z 4 MRG ein. Sie begnügt sich mit dem Hinweis auf den Mietvertragsabschluss erst am 9. 5. 1996 und den Beginn des Mietverhältnisses am 1. 6. 1996, somit nach Inkrafttreten der ETV 1996. Warum rechtlich entgegen den Ausführungen des Rekursgerichts nicht auf den Zeitpunkt der Errichtung dieser Elektroanlage jedenfalls vor dem 7. 3. 1996 abzustellen wäre bzw aus welchen Gründen die Übergangsbestimmung des § 10 ETV 1996 nicht gelten sollte, ist aus den Revisionsrekursausführungen nicht ableitbar, die sich insoweit im Wesentlichen auf Zitate aus den Sachverständigengutachten und den Verweis auf die Entscheidungen der Schlichtungsstelle und des Erstgerichts beschränken. Die im Zulassungsbeschluss zitierte Literatur führte die Antragstellerin gar nicht ins Treffen. Da die bloß formelhafte Rüge einer unrichtigen Lösung der Rechtsfrage aber keine Prüfung ermöglicht, ob die Entscheidung zweiter Instanz insoweit eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RIS‑Justiz RS0043654), ist auf die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage schon mangels ausreichend konkreter Ausführungen hiezu nicht einzugehen.

2.1. Im Übrigen meint die Antragstellerin, das Rekursgericht sei von höchstgerichtlicher Rechtsprechung, konkret von der Entscheidung 5 Ob 173/10t abgewichen, in der der fehlende Fehlerstromschutzschalter mit einem Auslösestrom von 30 mA thematisiert worden sei. Auch hier sei von einer Gefährlichkeit der elektrischen Anlage ohne den fehlenden Zusatzschutz auszugehen, sodass den Antragsgegner die Erhaltungspflicht nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG treffe. Ein Abweichen von den Grundsätzen der Entscheidung 5 Ob 173/10t (EvBl 2011/30, zust Pletzer, Erhaltungspflicht des Vermieters bei erheblicher Gesundheitsgefährdung in Zak 2011, 83) liegt aber nicht vor:

2.2. In der genannten Entscheidung befasste sich der Fachsenat mit der Verpflichtung des Vermieters zur Installation eines Fehlerstromschutzschalters mit einem Auslösestrom von 30 mA gestützt auf die durch die WRN 2006 BGBl I 2006/124 ausgeweitete Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG idF WRN 2006 wegen behaupteter Gesundheitsgefährdung durch die veraltete Elektroanlage der Wohnung. Danach trifft den Vermieter die Erhaltungspflicht im Falle einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung, die in der Gefahr eines Stromschlags jedenfalls besteht (zust Pletzer, aaO). Allerdings sind – dem Willen des Gesetzgebers der WRN 2006 folgend – Bagatellbeeinträchtigungen, die nur bei übergroßer Sensibilität spürbar sind, nicht von der Erhaltungspflicht des Vermieters erfasst. Dabei bezieht sich der Begriff „erheblich“ auf das Ausmaß der Gesundheitsgefährdung, nicht auf das Ausmaß des dafür erforderlichen Aufwands (RIS‑Justiz RS0126323).

2.3. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist aber mit dem zu 5 Ob 173/10t entschiedenen nicht vergleichbar. Soweit der Revisionrekurs mit einer unmittelbaren Gesundheitsgefährdung der Antragstellerin argumentiert, widerspricht dies den Feststellungen: Während zu 5 Ob 173/10t ein Zusatzschutz in Form eines Fehlerstromschutzschalters überhaupt fehlte, somit eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung vorlag, ist hier ein funktionierender Fehlerstromschutzschalter – wenn auch mit einem Auslösestrom von 100 mA – installiert. Ein Fehlerschutz ist hier daher gegeben, nach den Feststellungen fehlt es an einer direkten Gefährdung von Personen aufgrund des fehlenden 30 mA Fehlerstromschutzschalters, der nur in technischer Hinsicht eine Verbesserung und einen zusätzlichen Schutz bringen würde. Die Auffassung des Rekursgerichts, allein dieser Umstand begründe noch keine erhebliche Gesundheitsgefährdung, was auch durch das Fehlen gesetzlicher Nachrüstverpflichtungen indiziert sei, ist jedenfalls vertretbar und im Einzelfall nicht korrekturbedürftig, zumal die Auslegung der Feststellungen im Einzelfall regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RIS‑Justiz RS0118891). Im Übrigen sprach der erkennende Senat jüngst zu 5 Ob 66/18v – wenn auch im Zusammenhang mit einem Mietzinsüberprüfungsverfahren zur Beurteilung der Frage der Brauchbarkeit einer Wohnung – aus, dass der Umstand allein, dass entgegen der dort bereits anwendbaren Bestimmung des § 7a ETV 2010 in der Wohnung anstelle eines Fehlerstromschutzschalters mit einem Nennfehlerstrom von maximal 30 mA ein solcher mit maximal 100 mA montiert worden war, die in dem Zusammenhang unverändert zu verlangende Gefährlichkeit der Anlage noch nicht begründet; allerdings ist es bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 7a ETV 2002 Sache des Vermieters, den Gegenbeweis zu erbringen, dass von der konkreten Anlage keine Gesundheitsschädigung ausgeht und die Wohnung daher brauchbar ist (vgl hiezu auch Kotbauer, Unbrauchbarkeit wegen mangelhafter elektrischer Anlagen immolex 2018, 308). Davon auszugehen, dem Vermieter sei dieser Beweis hier gelungen, ist im Einzelfall nicht korrekturbedürftig, der ordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

3. Da die in § 37 Abs 3 Z 17 MRG angeordnete Beschränkung des Kostenersatzanspruchs auf den zweckentsprechenden Verfahrensaufwand keinen Zuspruch von Kosten der Rechtsmittelbeantwortung rechtfertigt, wenn in dieser nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen wurde, hat der Antragsgegner die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen (RIS‑Justiz RS0122294).

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