OGH 1Ob147/23h

OGH1Ob147/23h23.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F*, und 2. V*gesellschaft mbH, *, beide vertreten durch die Kopp – Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 19. Juli 2023, GZ 22 R 115/23z‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00147.23H.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin verkaufte dem Erstbeklagten im Jahr 2001 ein in den 1960er‑Jahren auf öffentlichem Wassergut errichtetes (vormaliges) Zollhaus samt Nebengebäude (Pegelhaus). Dabei gingen die Beteiligten davon aus, dass der Erwerb der Gebäude losgelöst von den Grundstücksflächen als Superädifikat erfolgt. Der Erstbeklagte vermietete diese Gebäude 2017 an die Zweitbeklagte. Diese schloss mit der Klägerin zuletzt einen von 2017 bis 2021 befristeten Bestandvertrag über die Benutzung der Grundstücksflächen, auf denen die Bauwerke errichtet sind.

[2] Die Vorinstanzen gaben den von der Klägerin als Liegenschaftseigentümerin gegen die Beklagten erhobenen Räumungsbegehren wegen titelloser Benützung übereinstimmend statt, weil die Gebäude nicht sonderrechtsfähig seien und der Erstbeklagte daran kein Eigentum habe erwerben können. Die Bestandverträge über die Benutzung der Grundstücksflächen seien beendet worden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Beklagten zeigen in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von erhebliche Bedeutung auf.

[4] 1. Das Eigentum an einem auf fremden Grund errichteten Bauwerk fällt gemäß § 297 ABGB dem Grundeigentümer zu, außer es wurde in der Absicht aufgeführt, dass es nicht auf Dauer dort bleiben soll (RS0009939; RS0011252 [T4]). Die fehlende Belassungsabsicht muss objektiv in Erscheinung treten, und zwar entweder durch die Bauweise oder durch ein von vornherein zeitlich begrenztes Grundbenutzungsrecht (RS0009865 [T3]). Sie muss im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerks bestehen (RS0009939 [T3]; RS0009865 [T8]; RS0011252 [T10]). Ist dieses bereits Bestandteil des Grundstücks geworden, kann daran später auch einvernehmlich kein Superädifikat mehr begründet werden (RS0012258).

[5] 2. Von dieser Rechtslage ausgehend gelangten die Vorinstanzen zur Auffassung, die Klägerin und der Erstbeklagte hätten durch den späteren Kaufvertrag über die unzweifelhaft in Belassungsabsicht errichteten Gebäude kein Superädifikat an den bereits Bestandteil des Grundstücks gewordenen Bauwerken mehr begründen können.

[6] Dem halten die Beklagten nichts Stichhältiges entgegen:

[7] 2.1. Sie behaupten, ausnahmsweise hätte doch nachträglich ein Superädifikat entstehen können, weil ein einer öffentlichen Versteigerung gleichzuhaltender Fall vorliege. Aus den von ihnen ins Treffen geführten Entscheidungen 3 Ob 2277/96s und 5 Ob 55/13v ergibt sich jedoch nicht, dass bei einer öffentlichen Versteigerung „durch Hoheitsakt“ ein Superädifikat begründet werden könnte. Der ersten Entscheidung lag unstrittig ein Superädifikat zugrunde; fraglich war lediglich das Eigentumsrecht des dortigen Exszindierungsklägers an dem gepfändeten Bauwerk. Die zweite Entscheidung beschäftigte sich mit der Ersitzung einer als Superädifikat zu qualifizierenden Fischerhütte. Bei den hier strittigen Gebäuden handelt es sich aber gerade um keine – sonderrechtsfähigen – Superädifikate.

[8] Schon daran scheitert auch die von den Beklagten behauptete Ersitzung, ohne dass es auf die Frage der Redlichkeit noch ankäme.

[9] 2.2. Ob den Beklagten gegen die Klägerin als Verkäuferin Schadenersatzansprüche aufgrund sittenwidriger Schädigung zustehen, kann offen bleiben. Die den Rechtsmittelwerbern vor Augen stehende Naturalrestitution im Sinn einer Erfüllung des (nach § 878 ABGB unwirksamen) Kaufvertrags kommt wegen (rechtlicher) Unmöglichkeit jedenfalls nicht in Betracht (vgl RS0112887 [T5]). Ersatz des Vertrauensschadens (§ 878 Satz 3 ABGB) begehren die Beklagten nicht.

[10] 3. Letztlich rügen die Beklagten als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, dass sich das Berufungsgericht nicht mit ihrem Einwand auseinandergesetzt habe, es liege ein unkündbarer Mietvertrag nach dem MRG vor. Diese Ausführungen gehen allerdings von der Annahme aus, dass das (erste) Mietverhältnis zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten bereits am 12. 12. 2001 begonnen hätte und daher die Vollausnahme für Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten noch nicht gelte. Hingegen hat das Erstgericht festgestellt, dass der (erste) „Vertrag über die Benützung von öffentlichem Wassergut“ für die Dauer von 1. 1. 2002 bis 31. 12. 2006 abgeschlossen und erst im März 2002 vom Erstbeklagten und im März 2003 von einem Vertreter der Klägerin unterfertigt wurde. Diese Tatsachengrundlage haben die Beklagten nicht angefochten. Dem behaupteten Verfahrensmangel fehlt bereits aus diesem Grund die Relevanz.

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