European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00052.23I.1019.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.450,40 EUR (darin enthalten 408,40 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin war im Zeitraum 1. 11. 1977 bis 22. 11. 1994 bei der Beklagten als Flugbegleiterin tätig, wobei sie sich vom 18. 1. 1992 bis zum 22. 11. 1992 in Mutterschaftskarenz befand. Seit 1. 3. 2018 bezieht sie eine ASVG‑Pension in der Höhe von 2.214,78 EUR brutto monatlich. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob sie auf Basis der am 22. 4. 1980 mit Wirkung 1. 5. 1979 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung C11 über die Gewährung eines Pensionszuschusses für Mitglieder des Kabinenpersonals der Beklagten gegenüber dieser einen Anspruch auf einen Pensionszuschuss hat.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Vorinstanzen gaben der Leistungs- und Feststellungsklage statt. Die Revision ist mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zulässig.
[3] 1. Das Berufungsgericht ließ die Revision zum einen – auf das Wesentliche reduziert – zur Frage der Anwendung des Betriebspensionsgesetzes auf den von der Klägerin begehrten Pensionszuschuss nach der Betriebsvereinbarung C11 zu.
[4] Das Betriebspensionsgesetz (BPG, BGBl 1990/282) trat mit 1. 7. 1990 in Kraft (Art VI Z 1 BPG). Auf Leistungszusagen, die vor seinem Inkrafttreten gemacht wurden, ist es (nur) hinsichtlich der nach seinem Inkrafttreten erworbenen Anwartschaften anzuwenden (Art V Abs 3 Satz 1 BPG).
[5] Besteht für eine – hier vor dem Inkrafttreten des BPG zugesagte – Betriebspension eine Wartezeit, so hängt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, an der sich das Berufungsgericht orientierte, der Erwerb der Anwartschaft vom Verstreichen der Wartezeit ab (siehe 9 ObA 27/04t = DRdA 2005, 315 [Pfeil] = RdW 2005, 234 [Runggaldier]: „für den Erwerb der Anwartschaft […] das Verstreichen des Zeitraums […] erforderlich“; iglS 8 ObA 17/10y: „Rechtsanspruch des Klägers auf eine Anwartschaft […] hier nach Ablauf der zehnjährigen Wartefrist entstanden“). Die anzuwendende Betriebsvereinbarung sieht – zulässigerweise für alle Anwartschaftszeiten (Art V Abs 4 Z 1 iVm § 7 Abs 2 Satz 2 BPG idF BGBl 1990/282) – eine fünfzehnjährige Wartezeit vor. Dass das Berufungsgericht Art V Abs 3 BPG unrichtig ausgelegt hätte, wird in der Revision im Übrigen gar nicht behauptet.
[6] 2. Das Berufungsgericht begründete zum anderen die Zulässigkeit der Revision damit, dass der Frage, wie bei Eintritt des Leistungsfalls die konkrete Höhe des monatlichen Pensionszuschusses zu ermitteln sei, erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme.
[7] Bereits aufgrund des Wortlauts von § 7 Abs 3 Z 4 BPG („kann der Arbeitnehmer … die Erfüllung der Leistungszusage im Leistungsfall verlangen“) und § 7 Abs 5 BPG („ist die Leistungszusage bei Eintritt des Leistungsfalls zu erfüllen (Abs 3 Z 4)“) ist unzweifelhaft, dass im hier angenommenen Leistungsfall die Leistungszusage wie vorgesehen zu erfüllen ist.
[8] 3. Die Revisionswerberin führt für die Zulässigkeit ihrer Revision darüber hinaus ins Treffen, dass sich die ihres Erachtens iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Frage stelle, „inwieweit es bei der Auslegung von Betriebsvereinbarungen (die wie ein Gesetz auszulegen sind [...]) relevant ist, ob die Betriebsvereinbarungspartner bei Abschluss der gegenständlichen Betriebsvereinbarung C11 zum 1. 5. 1979 davon ausgingen, dass Flugbegleiterinnen vorzeitig, nämlich mit 36, 39 oder auch 40–45 Lebensjahren aus dem Dienstverhältnis ausscheiden“.
[9] Wie vom Obersten Gerichtshof zur vorliegenden Betriebsvereinbarung bereits entschieden wurde, muss die fünfzehnjährige ununterbrochene Dienstzeit als Flugbegleiter nicht unmittelbar in die Alterspension übergehen. Zu diesem Ergebnis gelangte er im Wesentlichen unter Berücksichtigung ihres Wortlauts, aus dem sich ein solches Erfordernis gerade nicht ergibt, sowie aus der Erwägung, dass ihren Abschlussparteien die Kenntnis unterstellt werden muss, dass sowohl der Kollektivvertrag-Bord der Beklagten als auch eine Betriebsvereinbarung vom 2. 11. 1977 von der Regel ausgingen, dass Flugbegleiter in dem Kalenderjahr ausscheiden, in dem sie das 36. Lebensjahr bzw (wenn sie vor dem 1. 9. 1974 eingetreten sind) das 39. Lebensjahr vollendet haben. Unter diesen Prämissen kann nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „den Parteien der Pensionszuschuss-Betriebsvereinbarung nicht zugemessen werden, dass sie dennoch davon ausgingen, dass Flugbegleiterinnen bis zur Erreichung des Pensionsalters bei der Beklagten tätig sein würden, um in den Genuss des Pensionszuschusses zu kommen“ (9 ObA 132/09s; iglS 9 ObA 143/09h; 9 ObA 31/19b [Pkt 2]; siehe auch RS0126335).
[10] Hieran ist festzuhalten. Dass der rechtliche und faktische Zustand vor der Erlassung der Norm bei der Auslegung verwertbar ist, ist im Übrigen bei der Gesetzesauslegung – deren Regeln die Auslegung des normativen Teils von Betriebsvereinbarungen zu folgen hat (9 ObA 142/93; 8 ObA 54/22g [Rz 12] uva) – anerkannt (G. Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 [2015] § 6 Rz 92 mwH).
[11] 4. Hinsichtlich der von ihr weiters bestrittenen Notwendigkeit einer Inflationsanpassung (Valorisierung, Aufwertung) ist der Revisionswerberin zu erwidern, dass nach der Rechtsprechung in einem Fall, wo von einem Ruhegenuss vertragsmäßig eine Sozialversicherungsrente abgezogen werden soll, die so miteinander in Beziehung gebrachten Beträge zu einem einheitlichen Zeitpunkt bewertet werden müssen (4 Ob 38/60 = Arb 7277 mwN). Folglich müssen auch im vorliegenden Fall die miteinander in Beziehung gebrachten Beträge zu einem einheitlichen Zeitpunkt bewertet werden. Nachdem Punkt 5 der Betriebsvereinbarung auf den Pensionsantritt abstellt, ist die Bemessungsgrundlage aufzuwerten. Die der Klage zugrundeliegende Berechnung der Höhe der Betriebspension, welche sachgerecht im Ergebnis eine Aufwertung mit dem Faktor 1,441 vornahm, ist nicht zu beanstanden (vgl auch 9 ObA 111/87).
[12] 5. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist es ohne Bedeutung, auf welche Weise das Dienstverhältnis der Klägerin zu ihr endete. Nach der Betriebsvereinbarung ist für den Anspruch auf den Pensionszuschuss lediglich die Erfüllung der Wartezeit und der Eintritt des Leistungsfalles notwendig. Davon, dass die Anwartschaft bei gewissen Beendigungsarten nach dem Gesetz ohnehin verfallen würde, wie es § 7 Abs 1 Z 1 in der Stammfassung des BPG vorsah (zur Weitergeltung für die Beschäftigungszeiten vor dem Inkrafttreten mit 21. 5. 2018: Artikel VI Z 16), konnten die Betriebsvereinbarungsparteien (anders als die Parteien in dem zu 8 ObA 64/02y entschiedenen Fall) nicht ausgehen. Damals gab es eine solche gesetzliche Bestimmung noch nicht. Hätten sie den Anspruch auf Betriebspension (zusätzlich zur Erfüllung der Wartezeit) von der Art der Beendigung abhängig machen wollen, so hätten sie dies ausdrücklich festhalten müssen. Jedenfalls sind die Ausführungen der Vorinstanzen zu der Qualifikation der Beendigung vertretbar.
[13] 6. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und damit gemäß §§ 41, 50 ZPO Anspruch auf Kostenersatz im Revisionsverfahren (RS0112296).
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