Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.680,84 EUR (darin 280,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 7. 1. 1969 bis 12. 8. 1985 bei der Beklagten als Flugbegleiterin beschäftigt. Sie bezieht seit 1. 9. 2007 eine ASVG-Pension.
Die Betriebsvereinbarung C.11. „über die Gewährung eines Pensionszuschusses für die Mitglieder des Kabinenpersonals der AUSTRIAN AIRLINES“ vom 22. 4. 1980 lautet wie folgt (Beil ./4):
„1. Grundsatz
AUSTRIAN AIRLINES, im Folgenden kurz AUSTRIAN genannt, erklären sich grundsätzlich bereit, den Mitgliedern des Kabinenpersonals (im Sinne von § 1 des Kollektivvertrages für das Bordpersonal der AUSTRIAN) eine Zuschussleistung zur ASVG-Pension zu gewähren.
Diese Leistung erfolgt freiwillig und ist jederzeit widerruflich, soferne die wirtschaftlichen Verhältnisse der AUSTRIAN dies bedingen.
2. Begünstigte
In den Genuss einer Pensionszuschussleistung kommen alle jene Mitglieder des Kabinenpersonals, die nach Beendigung eines mindestens 15-jährigen ununterbrochenen, nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages für das Bordpersonal der AUSTRIAN abgeschlossenen Dienstverhältnisses in den dauernden Ruhestand treten und eine Pensionsleistung nach dem ASVG erhalten.
3. Bemessungszeit
Für die Bemessung der Zuschussleistung werden alle im Rahmen eines nach dem Kollektivvertrag für das Bordpersonal der AUSTRIAN abgeschlossenen Dienstverhältnisses zurückgelegten Dienstjahre, einschließlich jener Vordienstzeit herangezogen, die auf den Abfertigungsanspruch ausdrücklich bei Anstellung angerechnet wurden.
4. Bemessungsgrundlage
Als Bemessungsgrundlage wird das letzte Bruttomonatsgehalt herangezogen, das der Berechnung der Sonderzahlungen bei Austritt zugrunde gelegt wurde.
5. Höhe der Zuschussleistung
für die ersten 15 Dienstjahre 7,00 %
für jedes weitere vollendete Dienstjahr 0,50 %
insgesamt jedoch höchstens 15,00 % der Bemessungsgrundlage, wobei die Summe der ASVG-Leistung und des Zuschusses bei Pensionsantritt 80 % des letzten Bruttomonatsgehaltes nicht übersteigen dürfen.
6. Fälligkeit
Der Pensionszuschuss wird monatlich im Nachhinein gezahlt. Je ein zusätzlicher Pensionszuschuss wird für Juni und für November als Sonderzahlung gewährt; bei Pensionsantritt bzw -ende erfolgt aliquote Abrechnung.
7. Wertsicherung
AUSTRIAN erklären ihre Absicht, die Pensionszuschüsse unter der Voraussetzung, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse dies ermöglichen, immer dann zur Berücksichtigung der gestiegenen Lebenshaltungskosten zu valorisieren, wenn allgemeine Gehaltserhöhungen für die aktiven Dienstnehmer erfolgen.
8. Leistungsdauer
Die Gewährung des Pensionszuschusses beginnt mit dem Ablauf des Abfertigungszeitraumes (§ 23 Abs 1 AngG) und endet mit dem Monat, in dem der Begünstigte verstirbt, sowie auch dann, wenn AUSTRIAN vom Recht auf Widerruf Gebrauch machen.
9. Sonderbestimmung bei Berufsunfähigkeit
Bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 273 ASVG und dadurch begründeter gesetzlicher Berufsunfähigkeitsrente erhalten die Mitglieder des Kabinenpersonals ab dem Zeitraum für den eine Abfertigung geleistet wurde auf die Dauer der Gewährung der gesetzlichen Pension einen Pensionszuschuss, der sich wie im Falle des altersbedingten Pensionsantrittes errechnet.
10. Ruhensbestimmung
Fällt eine Leistung aus der gesetzlichen Pensionsversicherung nicht oder nicht zur Gänze an, weil gesetzliche Ruhensbestimmungen zur Anwendung kommen, so ruht entweder der gesamte Pensionszuschuss oder im prozentuellen Verhältnis der Teil, um den die gesetzliche Pension ruht.
11. Meldepflicht
Jeder Empfänger der Zuschussleistung aus dieser Betriebsvereinbarung ist verpflichtet, erstmals bei Inanspruchnahme der Zuschussleistung den ASVG-Pensionsbescheid und sodann alljährlich die „PAG-Verständigung“ nach deren Erhalt AUSTRIAN vorzuweisen.
12. Steuern
Alle Steuern die auf die Zuschussleistung entfallen, sind vom Empfänger derselben zu entrichten.
13. Wirksamkeit
Diese Betriebsvereinbarung wird mit Wirksamkeit vom 1. 5. 1979 abgeschlossen.“
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Feststellung, dass ihr gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Pensionszuschussleistung aus der am 1. 5. 1979 in Kraft getretenen Betriebsvereinbarung C.11. zusätzlich zur ASVG-Pension, beginnend mit dem 1. 9. 2007, zustehe. Sie erfülle die Voraussetzungen dieser Betriebsvereinbarung für die begehrte Leistung (mindestens 15-jähriges ununterbrochenes, nach den Bestimmungen des Kollektivvertrags für das Bordpersonal der Beklagten abgeschlossenes Dienstverhältnis; Bezug einer ASVG-Pension).
Die Beklagte wendete ein, dass für die Pensionszuschussleistung nach der Betriebsvereinbarung C.11. der unmittelbare Übertritt vom aufrechten Dienstverhältnis bei der Beklagten in den Ruhestand erforderlich sei. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt. Die dagegen erhobene Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht schloss sich dem rechtlichen Standpunkt der Klägerin an, ließ jedoch die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zu.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig. Die vorliegende Frage wurde zwar bereits vom Obersten Gerichtshof in einem Parallelprozess einer anderen ehemaligen Bediensteten der Beklagten entschieden (9 ObA 132/09s); diese Entscheidung lag jedoch bei der Zulassung der ordentlichen Revision noch nicht vor. Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht hat die Frage eines Anspruchs der Klägerin auf Gewährung eines Pensionszuschusses - wie auch im vorgenannten Parallelprozess (7 Ra 5/09w) - zutreffend bejaht. Dabei wurde der gesamte seinem Wortlaut nach unstrittige Inhalt der Betriebsvereinbarung C.11., der zum besseren Verständnis vorstehend wiedergegeben wurde, berücksichtigt. Feststellungsmängel liegen nicht vor. Es kann daher auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
Lediglich ergänzend ist den Argumenten der Revisionswerberin wie schon in der Entscheidung des Senats im Parallelprozess zu 9 ObA 132/09s entgegenzuhalten:
Den Parteien einer Betriebsvereinbarung kann - wie Kollektivvertragsparteien - grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten. Bei mehreren in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten ist daher jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (vgl RIS-Justiz RS0008828 ua). Zutreffend haben die Vorinstanzen bereits darauf hingewiesen, dass es dabei nicht auf das interne Verständnis der vertragschließenden Teile, sondern auf dasjenige ankommt, das der objektive Leser eines Kollektivvertrags oder einer Betriebsvereinbarung aus dem Wortlaut gewinnen muss. In erster Linie ist bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung (wie bei einem Kollektivvertrag) der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text der Betriebsvereinbarung ergebende Absicht der Parteien der Betriebsvereinbarung zu berücksichtigen (vgl RIS-Justiz RS0010089 ua), wovon auch die Revisionswerberin ausgeht.
Zunächst ergibt sich aus dem Wortlaut der gegenständlichen Betriebsvereinbarung C.11. über die Gewährung eines Pensionszuschusses nicht, dass die 15-jährige ununterbrochene Dienstzeit als Flugbegleiter unmittelbar in die Alterspension übergehen muss. Darüber hinaus muss den Parteien der Betriebsvereinbarung die Kenntnis unterstellt werden, dass sowohl der Kollektivvertrag für das Bordpersonal der Austrian Airlines als auch die Betriebsvereinbarung C.12. vom 2. 11. 1977 von der Regel ausgingen, dass Flugbegleiterinnen in dem Kalenderjahr ausscheiden, in dem sie das 36. Lebensjahr bzw (wenn sie vor dem 1. 9. 1974 eingetreten sind) das 39. Lebensjahr vollendet haben. Zwar bestand die Möglichkeit eines „Antrags auf Weiterbeschäftigung“ als Air-Hostess, doch regelt die Betriebsvereinbarung keine Dauer, insbesondere Mindestdauer einer solchen Weiterbeschäftigung. Unter diesen Prämissen kann aber den Parteien der Betriebsvereinbarung nicht zugemessen werden, dass sie dennoch davon ausgingen, dass Flugbegleiterinnen bis zur Erreichung des Pensionsalters bei der Beklagten tätig sein würden, um in den Genuss des Pensionszuschusses zu kommen. Im Rahmen der vorgenannten Interpretationsgrundsätze ist daher der von den Vorinstanzen getroffenen Auslegung gegenüber jener der Beklagten der Vorzug zu geben (9 ObA 132/09s). Der Umstand, dass die Betriebsvereinbarung über die Gewährung eines Pensionszuschusses für die kaufmännischen und technischen Angestellten, bei denen vorzeitige Dienstbeendigungen nicht die Regel sind, einen ähnlichen Wortlaut hat, und vom Betriebsrat des Bordpersonals zum Vorbild genommen worden sein mag, ändert nichts an den vorgenannten Erwägungen. Auch die Bezahlung einer erhöhten Abfertigung im Fall einer Beendigung nach § 13 Abs 5 des Kollektivvertrags-Bord widerlegt die Absicht einer zusätzlichen Pensionszuschussgewährung nicht. So kann nicht übersehen werden, dass beispielsweise auch die Flugbegleiterinnen, die in ein neues Dienstverhältnis nach dem Kollektivvertrag für das kaufmännisch-technische Personal übernommen wurden, dennoch die kollektivvertragliche (erhöhte, nicht bloß gesetzliche) Abfertigung erhalten sollten. Dass der erhöhten Abfertigung somit Surrogatsfunktion für den Verlust des Pensionszuschusses zukommen soll, ergibt sich daher weder aus dem Wortlaut noch aus der Genese der anzuwendenden Bestimmungen (9 ObA 132/09s). Der Umstand, dass ASVG-Pensionsanpassungen bei einem frühen Ausscheiden einer Flugbegleiterin allenfalls die 80 % des letzten Bruttomonatsgehalts bei Pensionsantritt erreichen könnten, spricht ebenfalls nicht zwingend gegen die Auslegung des Berufungsgerichts. Wenn der Beginn der Leistungsdauer auf den Ablauf des Abfertigungszeitraums abstellt, liegt darin kein zwingendes Argument für die Verneinung eines Anspruchs auf Pensionszuschuss ausgeschiedener Flugbegleiterinnen. Diese Bestimmung sollte offenbar dann Platz greifen, wenn der - nicht als Regelfall zu betrachtende - Umstand einer Weiterbeschäftigung bis zur Erreichung des Pensionsalters eintreten sollte (9 ObA 132/09s).
Zusammenfassend ist daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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