European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00074.22V.1017.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen über das Unterlassungsbegehren gegen eine unlautere Geschäftspraktik (Spruchpunkt I des Berufungsurteils) und das zugehörige Veröffentlichungsbegehren (Spruchpunkt III des Berufungsurteils, soweit er sich auf Spruchpunkt II bezog) werden aufgehoben und das Verfahren wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird das Berufungsurteil bestätigt.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen abgesehen von den Kosten des Revisionsverfahrens über die Revision der Klägerin bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist eine gemäß § 29 Abs 1 KSchG zur Unterlassungsklage berechtigte Körperschaft öffentlichen Rechts. Die Beklagte ist eine Bausparkasse iSd BSpG und bietet ihre Leistungen im gesamten österreichischen Bundesgebiet an. Sie tritt laufend mit Verbrauchern in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen Verträge ab, denen sie ihre Allgemeinen Bedingungen für das Bauspargeschäft (ABB) zu Grunde legt. Vor dem 1. 2. 2020 sahen die ABB kein ordentliches Kündigungsrecht der Beklagten vor.
[2] Im Juli 2020 versandte die Beklagte Kündigungsschreiben an rund 1.700 Bausparer, die die Anwartschaft auf ein Bauspardarlehen (sog Zuteilungsreife) erfüllt und dieses seit über zehn Jahren nicht in Anspruch genommen hatten. Diese lauteten:
„Kündigung Ihres Bausparvertrages
Sehr geehrte […]
Vielen Dank, dass Sie am XX.XX.200X einen Bausparvertrag abgeschlossen haben.
Unser Bauspargeschäft besteht nach dem Auftrag des Bausparkassengesetzes darin, Einlagen von Bausparern ('Bauspareinlagen') entgegenzunehmen und aus den angesammelten Beträgen den Bausparern für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen und für Maßnahmen der Bildung und Pflege Gelddarlehen ('Bauspardarlehen') zu gewähren. Als Bausparer/in haben Sie nach Leistung von Bauspareinlagen bei Erfüllung der gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen das Recht, ein Bauspardarlehen abzurufen.
Sie haben von der Ihnen freistehenden Möglichkeit, ein Bauspardarlehen abzurufen, seit mehr als 10 Jahren keinen Gebrauch gemacht.
Ihre täglich zur Verfügung stehende Bauspareinlage beträgt rund EUR XXX und weist eine jährliche Verzinsung von X % auf. Dieser Zinssatz liegt seit mehreren Jahren weit über dem marktüblichen Niveau, welches von einer nachhaltigen und extremen Niedrigzinsphase geprägt ist. Um die Stabilität unseres Bauspargeschäfts weiterhin sicherzustellen, ist es mit Rücksicht auf diese Zinssatzentwicklung erforderlich, dass wir Ihren Bausparvertrag hiermit per 30.9.2020 kündigen.
Sie haben aber vor dem Kündigungstermin noch die Möglichkeit, sich aus Ihrem Bausparvertrag unter Berücksichtigung der vereinbarten Bedingungen ein Bauspardarlehen in der Höhe von bis zu EUR 220.000 (= Darlehensanspruch per 30.6.2020 bei einer Darlehenslaufzeit von 25 Jahren) zuteilen zu lassen. Wenn Sie sich dafür entscheiden, beantragen Sie bitte rechtzeitig die Zuteilung samt der Auszahlung des gesamten Sparguthabens. Dieser Antrag muss bis spätestens 25.9.2020 bei uns einlangen. […]
Falls Sie keinen Bedarf an einem Bauspardarlehen haben und daher keine Zuteilung beantragen, werden wir Ihr Bausparguthaben samt Zinsen am 1.10.2020 an Sie überweisen.
[…]“
[3] Sollte das Zinsniveau am Kapitalmarkt nicht steigen, ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte die Bausparverträge, aus denen eine Anwartschaft auf ein Darlehen besteht und die eine Verzinsung von 0,5 % auf das Kapital vertraglich zugesagt haben, ebenso kündigt.
[4] Die Klägerin begehrte, der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern I. ein vertraglich nicht zustehendes Kündigungsrecht vor der Zuteilung eines Bauspardarlehens zu behaupten und das Vertragsverhältnis aufzukündigen (unlautere Geschäftspraktik); sowie II. zehn konkret bezeichnete Klauseln aus den ABB 2020 und sinngleiche Klauseln zu verwenden und sich auf diese zu berufen. Weiters stellte die Klägerin ein Veröffentlichungsbegehren.
[5] Die Beklagte beantragte die Abweisung aller Klagebegehren. Die Kündigungen und ihre ABB seien zulässig.
[6] Das Erstgerichtuntersagte die Geschäftspraktik sowie die Klauseln 1, 3, 5 ,7, 8 und 10. Hinsichtlich der Klauseln 2, 4, 6 und 9 wies es das Klagebegehren ab.
[7] Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil erhobenen Berufung der Klägerin teilweise Folge und verbot auch die Klauseln 2, 4 und 9. Die gegen den klagsstattgebenden Teil der Entscheidung erhobene Berufung der Beklagten hatte dagegen keinen Erfolg. Ergebnis des Berufungsverfahrens ist also, dass die Geschäftspraktik sowie alle Klauseln außer Klausel 6 untersagt wurden.
[8] Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien, wobei die Klägerin eine gänzliche Klagsstattgebung, also auch zur Klausel 6 anstrebt. Die Beklagte lässt das Verbot von Klausel 5 unbekämpft und beantragt im Übrigen die Klagsabweisung, das heißt, zur Geschäftspraktik sowie den Klauseln 1, 2, 3, 4, 7, 8, 9 und 10.
[9] In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[10] BeideRevisionen sindzur Klärung der Rechtslage zulässig, jene der Klägerin jedoch nicht berechtigt, jene der Beklagten dagegen teilweise berechtigt.
I. Zum Kündigungsschreiben als unzulässige Geschäftspraktik
1. Bisheriges Verfahren
[11] 1.1. Die Klägerin will der Beklagten verbieten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern, gegenüber Bausparkunden im Rahmen aufrechter Bausparverträge ein Recht zur Kündigung der Bausparverträge vor der Zuteilung eines Bauspardarlehens zu behaupten, das ihr vertraglich nicht zusteht, und das Vertragsverhältnis für den Fall aufzukündigen, dass der Kunde nicht innerhalb einer von der beklagten Partei gesetzten Frist einen Antrag auf Zuteilung des Bauspardarlehens stellt. Sie meint, dass sich die Beklagte auf ein nicht bestehendes Kündigungsrecht berufe, also gesetzwidrig vorgehe und dadurch die allgemeinen Interessen der Verbraucher beeinträchtige. Die Beklagte hätte ein ihr zustehendes Recht zur ordentlichen Kündigung gemäß § 4 Abs 1 Z 6 BSpG in ihren ABB ausweisen und die Rechtsfolgen darlegen müssen.
[12] 1.2. Die Beklagtewandte ein, dass der Bausparvertrag „seinem Wesen nach“ auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet sei. Ihre Bausparverträge seien unbefristete Verträge, bei denen sie konkludent auf eine Kündigung in den ersten sechs Jahren verzichte. Wenn die Mehrheit der Bausparer bei Zuteilungsreife kein Bauspardarlehen in Anspruch nehme, sondern stattdessen das angesparte Kapital weiterhin zu teils marktunüblich hohen Zinsen bei der Beklagten veranlagt lasse, stehe der Beklagten keine Einnahmequelle für die Finanzierung der Habenzinsen zur Verfügung, was ihre Funktionsfähigkeit als Bausparkasse gefährde.
[13] 1.3. Das Erstgerichtuntersagte die Kündigungsschreiben als unlautere Geschäftspraktik. Die Beklagte habe sich bei Abschluss des kombinierten Spar‑ und Kreditvertrags kein ordentliches Kündigungsrecht ausbedungen. Es liege auch kein Fall einer außerordentlichen Kündigung vor.
[14] 1.4. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Bausparer habe gemäß § 1 Abs 2 BSpG einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens. Deshalb sei der Bausparvertrag unabhängig davon, ob der Bausparer nur anspare oder das Bauspardarlehen in Anspruch nehme, ein Verbraucherkreditvertrag iSd § 28a Abs 1 KSchG. Nach Art 3 lit c Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG genüge es nämlich, wenn ein Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe „gewährt oder zu gewähren verspricht“. Nach § 14 Abs 1 VKrG könne der Kreditgeber einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Verbraucherkreditvertrag abweichend von § 986 Abs 2 ABGB (für unbefristete Darlehen) nur kündigen, wenn dieses Recht mit dem Verbraucher vereinbart worden sei.
[15] 1.5. Die Revision der Beklagten argumentiert, dass die Klägerin mangels Bezug zu einem Verbraucherkredit nicht klageberechtigt und ihr im Übrigen sowohl ein ordentliches als auch außerordentliches Kündigungsrecht zukomme.
[16] Die Revision ist im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
2. Zur Aktivlegitimation der Klägerin
[17] 2.1. Die Beklagte bestreitet die Klagebefugnis der Klägerin. Sie argumentiert, dass Bausparverträge in der Anspar‑ und Zuteilungsphase (noch) keine Verbraucherkreditverträge iSd § 28a KSchG seien, weil die Bausparer bloße Anwartschaften auf den Abschluss eines Kreditvertrags hätten.
[18] 2.2. Darauf kommt es bei der Beurteilung der Aktivlegitimation aber nicht an. Die Klagebefugnis ist nach § 28a Abs 1 KSchG bereits gegeben, wenn die Beklagte im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag Informationspflichten verletzt oder gegen ein gesetzliches Ge- oder Verbot verstößt.
[19] Die Gesetzesmaterialien zur Einführung von § 28a Abs 1 KSchG (damals noch ohne Verbraucherkredite) verweisen darauf, dass damit die Unterlassungsklagen‑RL 98/27/EG umgesetzt wird und Lücken im Handlungsrahmen der Verbraucherschutzorganisationen geschlossen werden sollen (ErläutRV 1998 BlgNR 20. GP 19). Es ist daher davon auszugehen, dass ein bereits erfolgter Abschluss eines Verbrauchervertrags nicht erforderlich ist, sondern etwa auch bei der Anbahnung von Verbrauchergeschäften gesetzte Verstöße Gegenstand einer Verbandsklage sein können.
[20] 2.3. Das Schreiben der Beklagten setzt den Adressaten eine Frist, um Bauspardarlehen bei der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Nicht einmal die Beklagte bestreitet, dass Bauspardarlehen (spätestens) nach Zuteilung durch die Beklagte und ihrem Abruf durch die Bausparer Verbraucherkredite sein können. Der für die Aktivlegitimation der Klägerin erforderliche bloße Zusammenhang des Schreibens mit Verbraucherkrediten iSd § 28a KSchG liegt also jedenfalls vor.
[21] 2.4. Die Klägerin ist daher aktivlegitimiert, gegen die beanstandete Geschäftspraxis vorzugehen.
3. Zum Verstoß gegen gesetzliche Ge‑ und Verbote
[22] 3.1. Die Beklagte argumentiert, dass sie gegen kein gesetzliches Ge‑ oder Verbot verstoße, weil sie sich in ihrem Schreiben nicht auf eine rechtliche Grundlage für ihre Kündigungen berufe.
[23] 3.2. Zweck der Verbandsklage nach § 28a KSchG ist, Verhaltensweisen zu unterbinden, die im Widerspruch zum geltenden innerstaatlichen Recht stehen (10 Ob 13/17k [Pkt I.4.1] mwN).
[24] Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt eine über Unterlassungsklage nach § 28a KSchG zu verbietende Geschäftspraxis vor, wenn erstens bei objektiver Beurteilung das anzuwendende Recht das vom Unternehmer gewünschte Ergebnis nicht trägt („Untauglichkeit des Rechtsgrundes“). Zweitens muss der Unternehmer die objektiv untaugliche Rechtsgrundlage aktiv gegenüber den Verbrauchern vertreten, und diesen gegenüber somit den objektiv falschen Eindruck erwecken, sein Verhalten entspreche der Rechtsvorschrift (8 Ob 37/20d [Pkt I.3] mwH).
[25] Darüber hinaus wird auch vertreten, dass die Berufung einer Vertragspartei auf die ihrer Ansicht nach „richtige Auslegung“ nicht schon dann verpönt sei, wenn die Auslegung unrichtig ist; vielmehr müsse der kommunizierte und objektiv untaugliche Rechtsgrund „vorgeschoben“, somit unvertretbar sein (vgl Kietaibl, Glosse zu 7 Ob 11/14i in ÖBA 2014, 685 [686]; Palma, Ist die außergerichtliche Geltendmachung von zweifelhaften Ansprüchen eine gesetzwidrige Praxis?, ZFR 2015/79 [164]).
[26] 3.3. Zwar ist, wie die Beklagte aufzeigt, eine bloße Verletzung der Vertragstreue dafür nicht ausreichend, weil es sich um kein gesetzliches Ge‑ oder Verbot, sondern ein Rechtsprinzip handelt (10 Ob 13/17k [Pkt I.4]). Es genügt jedoch, wenn der Unternehmer den Verbrauchern durch Vorschiebung nicht tauglicher Rechtsgründe zu einem bestimmten Verhalten veranlasst (RS0129713; 6 Ob 228/16x [Pkt 2.1] – hier zur Zahlung von Aufwandersatzansprüchen ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage). Nach dieser Entscheidung begründet also schon die systematische Ankündigung eines künftigen Verhaltens, das keine vertragliche oder gesetzliche Grundlage hat, einen ausreichend bestimmten Gesetzesverstoß (6 Ob 228/16x [Pkt 2.1]).
[27] Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte sich gegenüber Verbrauchern auf ein ihr weder nach Gesetz noch Vertrag zustehendes Kündigungsrecht berufe. Sie macht damit einen – hinreichend dargelegten – Eingriff in die Rechtssphäre der Bausparer iSd § 1 Abs 2 BSpG geltend. Die Voraussetzungen für eine (inhaltliche) Prüfung dieser Behauptungen im Verbandsprozess sind daher gegeben (vgl 8 Ob 101/16k [Pkt 1.3]).
4. Zum Bestehen eines Kündigungsrechts
[28] 4.1. Gemäߧ 1 Abs 2 BSpG erwirbt der Bausparer nach Leistung von Bauspareinlagen einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens. Darüber hinaus ist der Inhalt eines Bausparvertrags nicht gesetzlich festgelegt, sondern bestimmt sich in der Regel nach den allgemeinen Spar‑ und Darlehensbedingungen der Bausparkasse (RS0010931).
[29] Üblicherweise kann der Bausparer nach Leistung bestimmter Ansparbeträge in die Zuteilungsmasse der Bausparkasse (Mindestsparbetrag) und Ablauf einer vereinbarten Mindestsparzeit sich sein Sparguthaben auszahlen lassen und zusätzlich ein Darlehen aufnehmen; beide Beträge zusammen ergeben die sogenannte Vertragssumme, deren Zuteilung unter Beachtung einer bestimmten Zuteilungsreihenfolge auf Antrag des Bausparers erfolgt. Das langfristig unkündbare Tilgungsdarlehen kann dabei aber nur für bestimmte Zwecke in Anspruch genommen werden und ist mit einem begünstigten Zinssatz versehen (6 Ob 599/94 mwH).
[30] 4.2. Selbst unter Zugrundelegung dieser Charakteristika verbleibt eine große Bandbreite an verschiedenen konkreten Vertragsgestaltungen:
[31] Im vorliegenden Kontext von besonderem Interesse ist die Frage, welche Rechtsfolgen es hat, wenn der Bausparer trotz Zuteilungsreife keine Zuteilung eines Bauspardarlehens beantragt. Denkbar ist, dass der Vertrag einfach wie gehabt fortgesetzt wird (Oiwoh, Kündigung von Bausparverträgen im deutschen und österreichischen Recht [2016] 21 unter Verweis auf die deutschen Muster‑ABB). Alternativ könnte das Bausparverhältnis automatisch enden und dem Bausparer sein Bausparguthaben ohne Verzinsung zur Entgegennahme bereitgestellt werden (Oiwoh aaO 27 unter Verweis auf die ABB Raiffeisen). Auch Zwischenlösungen sind denkbar, etwa dass das Bausparverhältnis erst endet, wenn die Sparleistung die Vertragssumme erreicht hat, sodass die Gewährung eines Bauspardarlehens – als Differenz zwischen Vertragssumme und Sparleistung – nicht mehr in Frage kommt (Zöchling‑Jud in Leupold, Forum Verbraucherrecht [2016] 42) oder ein überspartes Guthaben nicht oder zumindest nicht mit dem attraktiven Bausparzinssatz verzinst wird (Zöchling‑Jud aaO 46).
[32] Aber nicht nur das weitere Schicksal der Bauspareinlagen ist im Gesetz nicht geregelt. Aus dem Gesetzestext selbst lässt sich auch nicht ablesen, auf welche Weise der Rechtsanspruch des Bausparers auf Gewährung eines Darlehens einzuräumen ist. Auch diese Frage ist daher in dem von zwingendem Recht gestecktem Rahmen durch Parteienvereinbarung, etwa in ABB, zu regeln (vgl 6 Ob 599/94 [Pkt d]).
[33] Denkbar sind etwa eine Ausgestaltung als Vorvertrag (vgl Oiwoh, Kündigung von Bausparverträgen im deutschen und österreichischen Recht [2016] 14 unter Verweis auf die dt hL; Kronenburg, Bauspardarlehen, in Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und europäisches Bank‑ und Kapitalmarktrecht³ [2017] § 20 Rz 4; aA für die österreichische Rechtslage: Oppitz in Oppitz/Chini, Bankwesengesetz2 § 1 BWG [2021] Rz 45), als Option (Schnauder, Die Rechtsnatur des Bausparvertrags, WM 2022, 645 [654]), als Gestaltungsrecht zum einseitigen Abruf zu schon konkret festgelegten Bedingungen (vgl 3 Ob 75/93 zum Krediteröffnungsvertrag); als aufschiebend bedingter Rechtsanspruch in Form eines Anwartschaftsrechts (Oppitz in Oppitz/Chini, Bankwesengesetz2 § 1 BWG [2021] Rz 45). Der Vertrag könnte etwa auch vorsehen, dass Bausparer, die nicht in der Lage sind, das zugeteilte Darlehen innerhalb angemessener Frist zu verwenden, Priorität bei folgenden Ausschüttungen von Zuteilungen erhalten und/oder nach einer gewissen Zeit auf eine neue Zuteilung warten müssen (so bereits Odelga, Die rechtlichen Grundlagen und allgemeinen Organisations‑ und Führungsgrundsätze von Bausparkassen, ÖBA 1966, 92 [97]).
[34] Von der konkreten Ausgestaltung des Rechtsanspruchs auf Gewährung eines Darlehens hängt auch die Lösung ab, ob dieser – abhängig oder unabhängig von der Fortsetzung des Bausparverhältnisses – zeitlich begrenzt ist oder zumindest gekündigt werden kann (vgl zB jüngst 4 Ob 217/21x [verstärkter Senat] zur hohen Beständigkeit der unbefristeten Option sogar gegen den Einwand der laesio enormis).
[35] Im Rahmen der privatautonomen Gestaltung darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass genau dieser Rechtsanspruch des Verbrauchers auf das Bauspardarlehen den gesetzlich vorgegebenen Vertragszweck darstellt (vgl RV 1130 BlgNR 18. GP 163; so auch Zöchling‑Jud, Glosse zu 5 Ob 160/15p, ÖBA 2016/2254 [673]) und daher nicht zugunsten der Interessen der Bausparkasse auf eine faktisch nicht nutzbare Scheinmöglichkeit abgewertet werden darf.
[36] 4.3. Die Klägerin meint, dass der Beklagten kein ordentliches Kündigungsrecht zukomme, weil ein solches gemäß § 4 Abs 1 Z 6 BSpG in den ABB vereinbart werden hätte müssen. Außerdem bestehe auch nach dispositivem Recht kein ordentliches Kündigungsrecht, weil aufgrund des Vertragszwecks und eines natürlichen Konsenses ein Kündigungsverzicht der Beklagten vereinbart sei. Schließlich sei der Bausparvertrag als Verbraucherkreditvertrag anzusehen, sodass dem Kreditgeber nach § 14 Abs 1 VKrG ohne entsprechende Vereinbarung kein ordentliches Kündigungsrecht zustehe. Auch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung habe die Beklagte nicht, weil Schwankungen im Zinsniveau kein unvorhergesehener Umstand seien.
[37] Die Beklagte argumentiert dagegen, dass bei Abschluss eines Bausparvertrags kein Darlehen gewährt, weder Kredit‑ noch Krediteröffnungsvertrag oder auch nur ein Vorvertrag geschlossen worden sei. Vielmehr behalte sich die Beklagte vor, nach Erreichung der Zuteilungsreife die Bonität des Bausparers zu prüfen und Kredithöhe, Zinssatz und erforderliche Sicherheiten zu bestimmen. Der Bausparer habe deshalb weder eine Option noch ein einseitiges Gestaltungsrecht auf Abruf eines Darlehens, sondern nur ein Anwartschaftsrecht, das wie alle Rechte durch Nichtausübung verloren gehen könne. § 14 Abs 1 VKrG sei auf die Bausparverträge nicht anwendbar, weil Bauspardarlehen als in der Regel hypothekarisch besicherte Kredite nach § 4 Abs 2 Z 6 VKrG vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen seien. Selbst das VKrG fordere aber ohnehin nicht, dass auch Kündigungsgründe nach dispositivem Recht in den ABB wiedergegeben werden müssten. Für Verträge ab 2016 gelte außerdem § 18 Abs 1 HIKrG als lex specialis, der gar keine schriftliche Vereinbarung von Kündigungsgründen verlange. Die Kunden könnten außerdem nach der Kündigung mit dem ausbezahlten Bausparguthaben neue Bausparverträge abschließen und so ohnehin nach nur wenigen Jahren wieder ein Bauspardarlehen erlangen.
[38] 4.4. Beide Parteien beziehen sich in ihrer Argumentation damit auf die konkrete Vertragsgestaltung der gekündigten Verträge, zum Teil unter Zitierung von Bestimmungen aus ABB.
[39] Im vorliegenden Fall liegen zwar verschiedene Fassungen der ABB der Beklagten aus den Jahren 1994 bis 2016 vor, die von der Beklagten auch als echt und richtig zugestanden wurden. Es fehlen jedoch sowohl Vorbringen als auch Feststellungen, ob und gegebenenfalls welche Version(en) der vorgelegten ABB den gekündigten Verträgen zugrunde lagen und welche Rechte und Pflichten allenfalls auf andere Weise (zB in Vertragsformblättern für den Vertragsabschluss) vereinbart wurden. Die vorliegenden ABB aus 2010 und 2016 scheinen außerdem nicht einschlägig zu sein, weil ja im Jahr 2020 nur Verträge gekündigt wurden, in denen die Bauspardarlehen über zehn Jahre lang nicht abgerufen wurden.
[40] Ohne den konkreten Vertragsinhalt zu kennen, kann aber nicht beantwortet werden, ob und unter welchen Bedingungen die Beklagte die Bausparverträge der angeschriebenen Kunden kündigen durfte (vgl auch Vels, Die Kündigung von Bausparverträgen mit Bonuszinsen, WM 2018, 551 [556]).
[41] Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Klägerin aufzufordern haben, konkretes Vorbringen zu den relevanten Vertragsinhalten zu erstatten, und nach Schlüssigstellung des Klagebegehrens dazu Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen haben.
II. Zu den Klauseln aus den ABB 2020
1. Für sämtliche Klauseln sind im Verbandsprozess folgende Grundsätze maßgeblich:
[42] 1.1. Die Geltungskontrolle bezieht sich auf nachteilige überraschende und ungewöhnliche Klauseln. Objektiv ungewöhnlich ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein Überrumpelungseffekt innewohnen (RS0014646). Entscheidend ist, ob die Klausel beim jeweiligen Geschäftstyp unüblich ist oder ob sie den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht (RS0105643 [T3]; RS0014627 [T3]). Dabei kommt es nicht allein auf den Inhalt der Klausel an. Diesem kommt vielmehr im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes Bedeutung zu, weil sich das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ergibt (RS0014659 [T2]). Die Bestimmung darf im Text nicht derart versteckt sein, dass sie der Vertragspartner nicht dort vermutet, wo er sie findet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0105643 [T2]; RS0014646 [T14]). Erfasst sind alle dem Kunden nachteiligen Klauseln; eine grobe Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234). Die Geltungskontrolle ist nicht allein auf Nebenabreden beschränkt, sondern umfasst auch Vertragsbestimmungen über die Begründung, Umgestaltung bzw Erweiterung der Hauptpflichten (RS0014603).
[43] 1.2. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ (RS0016914). Die Ausnahme von der Inhaltskontrolle ist dabei möglichst eng zu verstehen (RS0016908; RS0128209). Ein Abweichen vom dispositiven Recht wird unter Umständen schon dann eine „gröbliche“ Benachteiligung des Vertragspartners sein können, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung ergibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht, wenn also keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt (RS0016914 [T3, T4, T6]). Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, orientiert sich somit am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall gilt (RS0014676 [T7, T13, T43]).
[44] 1.3. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (RS0115217 [T3]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2]). Mit dem Verbandsprozess soll nicht nur das Verbot von gesetzwidrigen Klauseln erreicht, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die den Verbraucher – durch ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position – von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten können oder ihm unberechtigt Pflichten auferlegen. Daraus kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RS0115219 [T1, T14, T21]; RS0115217 [T8]; RS0121951 [T4]).
[45] 1.4. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen; es ist von der für die Kunden der Beklagten nachteiligsten Auslegungsvariante auszugehen. Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion nicht möglich ist (RS0038205 [insb T20]; 4 Ob 63/21z mwN).
[46] 2. Klauseln 1 und 2 (§ 8 Abs 3 Satz 1 und 2 der ABB):
„Die gekündigten Guthaben werden in der Regel zum jeweiligen Monatsletzten ausgezahlt [Klausel 1]. Reichen die flüssigen Mittel nicht aus, werden die gekündigten Beträge in der Reihenfolge der Kündigung nach Maßgabe der verfügbaren Mittel ausgezahlt [Klausel 2].“
[47] Das Erstgericht beurteilte die beiden Sätze als separate Klauseln. Es untersagte Klausel 1 als intransparent, weil nicht erkennbar sei, dass Illiquidität der Beklagten die einzige Ausnahme von der Auszahlungsregel sei. Dagegen hielt es Klausel 2 für zulässig, weil sie die Reihenfolge festlege, in der die Beklagte ihre Schuldner bediene.
[48] Das Berufungsgerichtsah im ersten Satz keine eigenständige Klausel und untersagte die gesamte Passage. Der erste Satz enthalte die Formulierung „in der Regel“ und erfordere daher eine dazu passende Ausnahmebestimmung. Der zweite Satz sei intransparent, weil er die Rechtsposition des Verbrauchers unklar darstelle. Für ihn sei nicht absehbar, unter welchen Voraussetzungen Mittel der Beklagten als „flüssig“ und „verfügbar“ anzusehen seien und wann die Auszahlung seines Bausparguthabens gehemmt werden solle.
[49] Die Revision der Beklagten argumentiert, dass der unwahrscheinliche, aber nicht unmögliche Fall geregelt werden müsse, dass die flüssigen Mittel der Bausparkasse nicht ausreichten, um gekündigte Guthaben unverzüglich in voller Höhe auszuzahlen. Die Beklagte lege deshalb die Reihenfolge der Auszahlung fest, ohne aber die Fälligkeit an sich in Frage zu stellen. Es handle sich dabei eindeutig um eine „reine Stundung“, also das Hinausschieben der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung, die überdies der gesetzlichen Einlagensicherung unterliege.
[50] Die Revision ist insofern nicht berechtigt.
[51] 2.1. Der Senat teilt die Ansicht des Berufungsgerichts, dass Klausel 2 die Rechtsposition des Verbrauchers eher verschleiert als klarstellt. Insbesondere erweckt sie bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung den Eindruck, dass der Verbraucher gar keinen Anspruch auf Auszahlung seines gekündigten Guthabens habe, wenn zum Monatsletzten – aus welchen Gründen auch immer – keine liquiden Mittel vorhanden sind. Die Beklagte hätte es damit in der Hand, durch eine entsprechende Bindung ihrer finanziellen Mittel – auch nur knapp über das Monatsende hinaus – die Rückzahlung der Sparguthaben der Verbraucher – auch wiederholt – hinauszuschieben.
[52] Selbst nach der Lesart der Beklagten (reine Stundung) hätte der Verbraucher zumindest keinen durchsetzbaren Anspruch, solange die liquiden Mittel – aus welchem Grund auch immer – nicht ausreichen. Laut Revision soll die Klausel zwar nur zur Anwendung kommen, wenn die Liquidität der Beklagten wegen unzureichender Rückflüsse aus Tilgungen der Bauspardarlehen angespannt sei. Eine solche Einschränkung ist dem Text aber gerade nicht zu entnehmen.
[53] 2.2. Wie das Berufungsgericht ebenfalls bereits zutreffend dargelegt hat, sind die beiden Sätze nicht als zwei eigenständige Klauseln iSd § 6 KSchG anzusehen.
[54] Maßgeblich für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig ist nicht die Gliederung des Klauselwerks; es können vielmehr auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz der AGB enthalten sein. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RS0121187 [T1]).
[55] Im vorliegenden Fall formuliert der erste Satz ausdrücklich (nur) einen Regelfall und kann somit nicht ohne eine Umschreibung bestehen, unter welchen Umständen welche abweichende Bestimmung(en) gelten sollen. Er kann daher nach Wegfall von Klausel 2 nicht allein bestehen bleiben.
[56] 3. Klausel 3 (§ 9 Abs 1 der ABB):
„Unbeschadet der dem Bausparer gemäß § 10 zustehenden Möglichkeit, die Zuteilung des Darlehens zu beantragen, kann ihm die Bausparkasse, sobald bzw. nachdem sie ihn gemäß § 10 Abs. 3 in einem Jahreskontoauszug oder einem sonstigen Schreiben über eine mögliche Darlehenszuteilung informiert oder informiert hat, frühestens jedoch 6 Jahre nach Vertragsbeginn, die Zuteilung anbieten. In diesem Angebot wird die Bausparkasse den Bausparer auffordern, innerhalb einer von ihr gesetzten Frist von mindestens 2 Monaten schriftlich zu erklären, ob er die Zuteilung zu dem angebotenen Termin annimmt. Lehnt der Bausparer dieses Angebot ab und hat er auch zu keinem früher möglichen Termin die Zuteilung beantragt, erlischt der Darlehensanspruch und kann die Bausparkasse den Bausparvertrag jederzeit mit sofortiger Wirkung kündigen.“
[57] Das Erstgerichtuntersagte die Klausel als gröblich benachteiligend und intransparent. Obwohl der Verbraucher den Zuteilungszeitpunkt nicht vorhersehen könne, müsse er binnen einer Frist von nur zwei Monaten disponieren, ob er das Darlehen in Anspruch nehmen wolle. Die Klausel gehe daher deutlich zu Lasten des Verbrauchers. Außerdem lasse die Klausel nicht klar erkennen, ob der Verbraucher den Vertrag auch einfach weiterlaufen lassen könne, indem er das Angebot auf Darlehenszuteilung weder annehme noch ablehne, also einfach nicht reagiere.
[58] Das Berufungsgerichtverneinte zwar die Intransparenz, weil in der kundenfeindlichsten Auslegung ein Schweigen des Verbrauchers als dritte Reaktionsmöglichkeit auf die Zuteilung nicht einmal möglich sei. Jedoch sei die Klausel gröblich benachteiligend. Zweck eines Bausparvertrags sei die Erlangung eines (zeitlich unbefristeten) Rechtsanspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens (vgl § 1 Abs 2 BSpG) und nicht die tatsächliche Inanspruchnahme des Bauspardarlehens. Deshalb bestehe auch keine Parallele zu den Kündigungsfristen nach § 986 Abs 2 ABGB und § 14 Abs 1 VKrG.
[59] Die Revision der Beklagten argumentiert, dass der Kollektivgedanke des Bausparens dem Überhandnehmen reiner („unechter“) Bausparer, die kein Darlehen in Anspruch nehmen (wollen), entgegenstehe. Der Bausparer habe bei Zuteilung ohnehin bereits mindestens die sechs Jahre Ansparphase Zeit gehabt, um sich zu überlegen, ob er das Darlehen in Anspruch nehmen wolle. Mit dem ausgezahlten Sparguthaben könne er außerdem sofort einen neuen Bausparvertrag abschließen.
[60] Die Revision ist insofern nicht berechtigt.
[61] 3.1. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die Klausel die Bausparer entgegen dem Transparenzgebot nicht zuverlässig über ihre Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung informiert (vgl RS0115217 [T41]). Sie regelt nur die Fälle, dass der Kunde binnen der gesetzten Frist das Darlehensangebot entweder annimmt oder ablehnt. Andere durchaus lebensnahe Fälle sind dagegen nicht erwähnt: dass der Verbraucher gar nicht binnen der doch recht kurz gesetzten Frist reagiert; dass er Rückfragen zum Darlehensangebot hat, die die Beklagte vielleicht nicht mehr binnen der Frist beantwortet oder beantworten kann; oder dass er um eine Verlängerung der Frist ansucht, weil er so kurzfristig nicht entscheiden kann, ob die angebotenen Darlehenskonditionen seinem aktuellen Finanzierungsbedarf und seinen finanziellen Möglichkeiten entsprechen. Welche Auswirkung dies auf den Darlehensanspruch des Verbrauchers hat, bleibt völlig offen.
[62] Auch Klausel 4 kann hier nicht weiterhelfen. Sie räumt der Beklagten zwar ein Kündigungsrecht ein, falls der Verbraucher auf das Darlehensangebot nicht rechtzeitig reagiert. Es lassen sich daraus aber keine Rückschlüsse ziehen, was mit dem Rechtsanspruch des nicht reagierenden Bausparers auf Gewährung eines Darlehens geschieht, wenn die Bausparkasse nicht kündigt.
[63] 3.2. Die Lesart des Berufungsgerichts, dass nur eine der beiden von der Beklagten vorgesehene Reaktionsmöglichkeiten zulässig sein soll, würde dem Schweigen des Verbrauchers außerdem entgegen § 6 Abs1 Z 2 KSchG und ohne klare Grundlage in den AGB einen von ihm nicht beabsichtigten Erklärungswert beimessen.
[64] 3.3. Darüber hinaus ist eine Entscheidungsfrist von nur zwei Monaten gröblich benachteiligend.
[65] Laut Gesetz erwirbt der Bausparer nach Leistung von Bauspareinlagen einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens (§ 1 Abs 2 BSpG). Es ist keine sachliche Rechtfertigung erkennbar, wieso die Bausparkasse für die Erstellung ihres Darlehensangebots an keine Frist gebunden sein soll, der Bausparer dagegen sein Recht auf Gewährung eines Bauspardarlehens erst nach einer bis zu sechsjährigen Ansparphase und eventuell noch einer Wartephase unbestimmter Dauer in Anspruch nehmen kann, aber nach einer Frist von bloß zwei Monaten wieder verlieren soll.
[66] Gerade wenn die Zuteilung wegen geringer Mittel der Bausparkasse länger auf sich warten lässt, ist eine nur zweimonatige Frist zu kurz bemessen, damit der Verbraucher das für ihn nun überraschende Darlehensangebot anhand seiner inzwischen möglicherweise völlig veränderten Lebensumstände, der aktuellen Preise für Immobilien oder Bauvorhaben und der Alternativanbote für Finanzierungen auf dem Kreditmarkt auf seine Leistbarkeit, Sinnhaftigkeit und Attraktivität prüfen und eine informierte Entscheidung treffen kann.
[67] 4. Klausel 4 (§ 9 Abs 2 der ABB):
„Unabhängig davon, ob die Bausparkasse dem Bausparer ein Zuteilungsangebot nach Abs. 1 gestellt hat – insbesondere auch, wenn der Bausparer ein solches Angebot weder angenommen noch abgelehnt hat –, kann die Bausparkasse den Bausparvertrag zu jedem beliebigen Monatsletzten, frühestens jedoch zum Ablauf von 8 Jahren ab Vertragsbeginn, ohne Vorliegen von Gründen unter Einhaltung einer Frist von mindestens 2 Monaten schriftlich kündigen. Die Bausparkasse wird ihre Kündigungserklärung erst abgeben, nachdem die Voraussetzungen für die Zuteilung eines Darlehens zumindest einmal gegeben waren und sie den Bausparer im Jahreskontoauszug über die Möglichkeit dieser Zuteilung informiert hat (Information gemäß § 10 Abs. 3, 1. Satz). Weiters setzt die Abgabe der Kündigungserklärung voraus, dass weder das Bauspardarlehen zugeteilt ist noch der Bausparkasse ein Antrag auf Zuteilung vorliegt. Langt bis spätestens 25. des Monats des Kündigungstermins ein Antrag des Bausparers auf Zuteilung eines (gemäß § 10 Abs. 2 der Höhe nach möglichen) Darlehens zum Kündigungstermin oder zu einem früheren Zuteilungstag (Monatsletzten) bei der Bausparkasse ein, wird die Kündigung nicht wirksam. Widerruft der Bausparer jedoch diesen Antrag auf Zuteilung oder die aufgrund dieses Antrags erfolgte Zuteilung, endet der Bausparvertrag doch am Kündigungstermin bzw., wenn ein solcher Widerruf erst nach dem Kündigungstermin bei der Bausparkasse einlangt, am Tag dessen Einlangens.“
[68] Das Erstgericht beurteilte diese Klausel als zulässig. Die Beklagte habe erstmals acht Jahre nach Vertragsabschluss die Möglichkeit, den Vertrag unter Einhaltung einer zweimonatigen Frist zu kündigen. Der Bausparer dagegen könne jederzeit grundlos kündigen.
[69] Das Berufungsgerichtuntersagte die Klausel als gröblich benachteiligend. Der Zweck des Bausparvertrags liege im Erwerb eines nach dem BSpG unbefristeten Rechtsanspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens. Eine vom Bedarf des Bausparers unabhängige Torpedierung dieses Zwecks nach dem Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende der Ansparphase benachteilige den Bausparer gröblich. Auch der BGH vertrete im Hinblick auf § 489 Abs 1 Z 3 BGB die Ansicht, dass der Bausparer erst zehn Jahre nach Zuteilungsreife eine ausreichend lange Überlegungsfrist gehabt habe (vgl XI ZR 185/16 Rz 101; XI ZR 272/16).
[70] Die Revision der Beklagtenmacht geltend, dass die Entscheidung des BGH auf Bestimmungen des BGB zur Kündbarkeit unbefristet gewährter Darlehen gründet, die jedoch in Österreich keine Entsprechung hätten. Der Bausparer könne ja bereits in der Ansparphase mit seinen Überlegungen beginnen, sodass er insgesamt acht Jahre Zeit habe.
[71] Die Revision ist insofern nicht berechtigt.
[72] 4.1. Das zentrale Argument der Beklagten lautet, dass das dispositive Recht bei Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich eine Kündigungsmöglichkeit vorsehe. Der Bausparvertrag ist jedoch kein typisches Dauerschuldverhältnis, bei dem im Zeitablauf gleichbleibende Leistungen ausgetauscht werden (zB Nutzung einer Sache gegen Bestandzins, wiederkehrende Lieferungen gegen Entgelt).
[73] Vielmehr weist das Vertragsverhältnis idealtypisch sehr unterschiedliche Phasen auf: Ansparphase, Zuteilungsphase und Darlehensphase (vgl Oiwoh, Kündigung von Bausparverträgen im deutschen und österreichischen Recht [2016] 7). Dabei ist es schon nach der gesetzlichen Definition gerade darauf ausgerichtet, dass der Bausparer – typischerweise erst durch Erfüllung bestimmter Kriterien (Mindestsparbetrag, Mindestsparzeit, vgl Odelga, Die rechtlichen Grundlagen und allgemeinen Organisations‑ und Führungsgrundsätze von Bausparkassen, ÖBA 1966, 92 [101]) – einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens erwirbt und der Vertrag auf seinen Wunsch hin in die Darlehensphase eintreten kann. Das Interesse der Bausparkasse, nicht ewig gebunden zu sein, muss daher gegen das gesetzlich geschützte Interesse des Bausparers an einer sinnvollen Verwendung des Bauspardarlehens ausgeglichen werden (Bergmann, Die Kündigung von Bausparverträgen durch Bausparkassen, WM 2016, 2153 [2158]).
[74] Selbst wenn nach frühestens sechs Jahren (vgl Klausel 3) die Zuteilungsreife erreicht ist, erfolgt nicht unbedingt sofort eine Zuteilung, weil diese von Darlehensfaktor und Zuteilungsmasse abhängt (§ 12 Abs 3 ABB 2020). Wie die Klägerin richtig aufzeigt, hat die Beklagte laut Klausel 4 sogar ein Kündigungsrecht, wenn der Bausparer erst im letzten Jahreskontoauszug vor der Kündigung informiert wurde, dass die Voraussetzungen für die Zuteilung eines Darlehens vorliegen und er bis zur Kündigung noch nicht einmal konkretes Zuteilungsanbot erhalten hat.
[75] 4.2. Der Verbraucher kann selbst in diesem Fall zwar die Kündigung nach der strittigen Klausel durch einen prompten Zuteilungsantrag vereiteln. Dennoch hatte der Verbraucher damit entgegen der Argumentation der Beklagten eben gerade nicht insgesamt acht Jahre seit Vertragsbeginn Zeit, sich Gedanken über die Verwendung des Darlehens zu machen. Bauspardarlehen dürfen gemäß § 1 Abs 1 BSpG nämlich nur für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen und für Maßnahmen der Bildung und Pflege gewährt werden. Die Möglichkeit zur Nutzung eines Bauspardarlehens hängt damit stark von den (veränderlichen) Lebensumständen des Verbrauchers ab und die entsprechenden Voraussetzungen können in der Regel nicht binnen zwei Monaten hergestellt werden. Der Kauf oder die Sanierung von Wohnraum sowie der Beginn einer Ausbildung sind vielmehr zukunftsweisende Lebensentscheidungen, die wohlüberlegt werden müssen und darüber hinaus oft von äußeren, nicht beeinflussbaren Faktoren abhängen (zB Angebot auf dem Immobilienmarkt, Zulassung zu einem angestrebten Ausbildungsprogramm mit meist nicht frei wählbarem Startzeitpunkt). Noch weniger kann ein Verbraucher steuern, ob und wann er oder Angehörige pflegebedürftig werden.
[76] 4.3. Unter diesen Gesichtspunkten ist der Rechtsansicht des Berufungsgerichts beizupflichten, dass die Klausel den Verbraucher gröblich benachteiligt, weil ihm bei später Information über die Zuteilungsmöglichkeit und früher Kündigung ein zu kurzes Zeitfenster bleibt, um das stark zweckgebundene Bauspardarlehen überhaupt zu nutzen.
[77] 5. Klausel 6 (§ 23 Abs 3 der ABB):
„Der Bausparer bzw. Darlehensnehmer hat in jedem Kalenderjahr (außer in jenem des Beginns des Bausparvertrages) für die Kontoführung ein Entgelt zu leisten. Dieses beträgt EUR 11,28, ab Gewährung des Darlehens EUR 40,-. Das Entgelt ist am 1.1. jedes Jahres fällig und wird dem Konto angelastet.“
[78] Die Vorinstanzen sahen die Kontoführungsgebühr als Entgelt für den Erhalt der Leistung des Kreditgebers an und sprachen aus, dass sie als Teil der vertraglichen Hauptleistung der Inhaltskontrolle entzogen sei.
[79] Die Revision der Klägerin argumentiert, dass in der Ansparphase nicht der Bausparer, sondern die Bausparkasse Entgelt in Form von Zinsen leiste. Daher sei die Kontoführungsgebühr kein Teil der Hauptleistung des Bausparers und unterliege der Inhaltskontrolle. Die Gebühr sei gröblich benachteiligend, weil die Beklagte gesetzlich zur Führung eines Bausparkontos verpflichtet sei und daher kein zusätzliches Entgelt dafür verlangen dürfe.
[80] Die Revision ist insofern nicht berechtigt.
[81] 5.1. In AGB enthaltene Entgeltklauseln, die ein Zusatzentgelt nicht zur Abgeltung einer nur aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall erforderlichen Mehrleistung, sondern zur Abgeltung einer im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundenen Leistung vorsehen, schränken das eigentliche Leistungsversprechen ein, verändern es oder höhlen es aus und unterliegen damit der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB (RS0016908 [T5, T6; vgl auch T8, T16, T32]).
[82] Nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (C‑224/19 , C‑259/19 , Caixabank SA ua, Rz 79) kann eine in einem Darlehensvertrag zwischen einem Verbraucher und einem Finanzinstitut enthaltene Klausel, nach der der Verbraucher eine Bereitstellungsprovision zu zahlen hat, entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursachen, wenn das Finanzinstitut nicht nachweist, dass diese Provision tatsächlich erbrachten Dienstleistungen und ihm entstandenen Kosten entspricht, was vom nationalen Richter zu beurteilen ist.
[83] Die vor dieser Entscheidung ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach alles, was der Kreditnehmer über die Rückgabe der Valuta hinaus für den Erhalt der Leistung des Kreditgebers zu geben hat, und daher auch laufzeitunabhängige „Bearbeitungs‑“ oder „Manipulationsgebühren“ Entgelt und daher nicht kontrollunterworfen sei (vgl RS0130662), ist daher in unionsrechtlichem Lichte neu zu bewerten (4 Ob 59/22p Rz 49 f).
[84] 5.2. Wohl vor diesem Hintergrund prüfte der 8. Senat eine Klausel zum Kontoführungsbeitrag in den ABB einer Bausparkasse bereits inhaltlich (8 Ob 125/21x Rz 67 ff). Die konkrete Klausel wurde wegen Intransparenz und gröblicher Benachteiligung durch Verrechnung des unverminderten jährlichen Beitrags auch in Rumpfjahren aufgehoben. Die grundsätzlichen Bedenken der Klägerin an der Verrechnung eines Entgelts für die „Kontoführung“ teilte der 8. Senat dagegen nicht, weil es sich bei der Führung des Bausparkontos um eine Nebenleistung zur Hauptleistung der Beklagten, nämlich der Verzinsung des Bausparguthabens, handle. Aus der in keiner Weise einschlägigen Entscheidung 9 Ob 8/18v (zur Unzulässigkeit einer Gebühr für die Übergabe der Kaufsache am Sitz der Verkäuferin als Erfüllungsort) lasse sich nichts Gegenteiliges ableiten.
[85] 5.3. Der Oberste Gerichtshof hat im Übrigen bereits in der Entscheidung 6 Ob 253/07k unter Hinweis auf BGH‑Judikatur ausgesprochen, dass jene Entgeltklauseln der Inhaltskontrolle unterliegen, die ein Zusatzentgelt nicht zur Abgeltung einer nur aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall erforderlichen Mehrleistung, sondern zur Abgeltung einer im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundenen Leistung vorsehen (Pkt 11.1). Relevant war in diesem Zusammenhang, dass ein Gesamtentgelt, in dem alle unumgänglichen Leistungen eingepreist sind, für Kunden einen höheren Auffälligkeitswert hat als eine einzelne Gebührenposition auf einer einseitigen Liste verschiedener Positionen; eine derartige Einzelposition wird auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten die Entscheidung des Kunden kaum beeinflussen (Pkt 11.2).
[86] 5.4. Die Klägerin verweist auf eine deutsche Entscheidung, nach der bei einem Bausparvertrag für die Sparphase Kontoentgelt in den ABB nicht wirksam vereinbart werden kann. Als Beleg zitiert sie eine deutsche Entscheidung, nämlich des OLG Celle 17. 11. 2021, 3 U 39/21 = BKR 2022, 242 [abl Dörfler]. In diesem Fall erkannte inzwischen auch der BGH, dass Jahresentgelt beim Bausparvertrag unzulässig ist (XI ZR 551/21, VbR 2022/126).
[87] Diese Rechtsprechung kann jedoch nicht auf die österreichische Rechtslage übertragen werden: Im Gegensatz zu § 488 BGB lässt sich aus § 988 ABGB nicht ableiten, dass Hauptleistung des Schuldners beim Kreditvertrag nur die Zahlung der Kreditzinsen sein kann. Hier lässt das ABGB im Gegensatz zum BGB den Parteien einen weiten Spielraum, sodass auch eine Bearbeitungsgebühr vereinbart werden kann (G. Graf, Zur Zulässigkeit der Vereinbarung einer Bearbeitungsgebühr beim Kreditvertrag, ÖJZ 2015/43 [309]).
[88] Außerdem wird der Bausparvertrag in Österreich nicht als Abfolge zweier wechselseitiger Darlehen (zuerst an die Bausparkasse, dann an den Bausparer) gesehen, sondern als Bankgeschäft sui generis, das eine Spareinlage während der Ansparphase und einen Kreditvertrag in der Darlehensphase kombiniert (vgl 4 Ob 114/91). Für den Einlagevertrag setzen sogar die gesetzlichen Regelungen des BWG voraus, dass die Bank Entgelt fordern kann (vgl § 32 Abs 6 BWG und § 35 Abs 1 Z 1 lit b BWG zur Ersichtlichmachung von Entgelten, die allenfalls für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Spareinlagen verlangt werden). In der Praxis kennt man etwa Abschluss‑ oder Zeilengebühren (vgl Harrich in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG4 [2017] § 32 Rz 69).
[89] 5.5. Ganz allgemein hat derOberste Gerichtshof Entgelte in Zusammenhang mit Bankgeschäften insbesondere dann für zulässig erachtet, wenn sie dem Verursacherprinzip folgend von jenen Kunden zu entrichten sind, für die ein Aufwand betrieben werden muss (zB 6 Ob 13/16d [Pkt 5.1. ff]: Kreditbearbeitungsgebühr; 8 Ob 31/12k: Gebühren für das Führen eines Darlehenskontos; 4 Ob 179/02f: Aufwandsersatz bei nicht gedeckten Überweisungen und bei Betreibungsmaßnahmen Dritter).
[90] Auch eine Pauschalierung von Entgelten ist nicht von vornherein abzulehnen, solange damit die konkreten Kosten nicht grob überschritten werden (vgl RS0123253). Dagegen ist die Verrechnung von Entgelten ohne konkrete Zusatzleistung und ohne konkrete Kosten als unzulässig anzusehen (RS0123253 [T4], aA Piekenbrock/Aßfalg Anm zu 4 Ob 62/22d und 4 Ob 52/22p ÖBA 2023, 674 [682]).
[91] 5.6. Dass die von der Beklagten geforderten Kontoführungsentgelte ihren Aufwand im Sinn der Entscheidung EuGH C‑224/19 , C‑259/19 , Caixabank SA ua, grob überschreiten würden, thematisiert die Revision der Klägerin nicht. Aus ihren Argumenten kann die Unzulässigkeit der Klausel daher nicht abgeleitet werden.
[92] 6. Klausel 7 (§ 24 der ABB):
„Die Bausparkasse sendet dem Bausparer bzw. Darlehensnehmer im ersten Quartal eines jeden Kalenderjahres eine Kontomitteilung mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass diese als anerkannt gilt, wenn der Bausparer bzw. Darlehensnehmer nicht innerhalb von sechs Wochen nach Empfang schriftlich (siehe § 22 Abs 1, 2. Satz) Widerspruch erhebt.“
[93] Die Beklagte gestand im Hinblick auf 1 Ob 27/01d zu, dass die Klausel unzulässig sei. Jedoch bestehe keine Wiederholungsgefahr, weil die Klausel in den ABB 2021 nicht mehr enthalten sei.
[94] Das Erstgerichtuntersagte die Klausel als intransparent, weil nicht festgestellt haben werde können, dass die Beklagte die Klausel ihren Kunden (insbesondere mit Altverträgen) gegenüber nicht mehr anwende.
[95] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, weil die Rechtsrüge in der Berufung nicht von der Negativfeststellung des Erstgerichts ausgehe.
[96] Die Revision der Beklagtenmacht eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend. Das Berufungsgericht habe sich nicht mit ihrer Beweisrüge gegen die Negativfeststellung auseinandergesetzt. Tatsächlich ergebe sich nämlich schon aus den Schriftsätzen der Beklagten, dass diese nicht mehr auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrt habe.
[97] Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.
[98] 6.1. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht überprüft werden, es sei denn, das Berufungsgericht hätte sich mit der Beweisfrage überhaupt nicht auseinandergesetzt (RS0043371). Das Berufungsgericht ist gehalten, sich mit der Beweisrüge überhaupt auseinanderzusetzen und seine Überlegungen dazu in seinem Urteil festzuhalten (RS0043150). Dabei ist es aber nicht verpflichtet, sich mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (vgl RS0040180).
[99] 6.2. Im vorliegenden Fall sah das Berufungsgericht die Beweisrüge der Beklagten als nicht gesetzmäßig ausgeführt an, weil sie weder die Beweiswürdigung des Erstgerichts entkräftet habe, die zur konkreten Feststellung geführt habe, noch angegeben habe, aufgrund welcher Beweisergebnisse und welcher beweiswürdigenden Erwägungen die begehrte Ersatzfeststellung zu treffen gewesen wäre. Damit gab das Berufungsgericht die Anforderungen der ständigen Rechtsprechung an eine Beweisrüge richtig wieder (RS0041835).
[100] Selbst aus der Revision erhellt nicht, wieso eine neue Version der ABB und das Prozessvorbringen der Beklagten belegen sollten, dass die unzulässige Klausel insbesondere etwa gegenüber Kunden mit Altverträgen nicht mehr zur Anwendung gelangen werde.
[101] 7. Klausel 8 (§ 29 Abs 1 und 3 der ABB):
„Wurde keine Klausel vereinbart, die den Spar- oder Darlehenszinssatz aufgrund der Entwicklung eines Referenzzinssatzes anpasst, oder beabsichtigt die Bausparkasse eine über die vereinbarte Anpassung hinausgehende Änderung des vereinbarten Spar‑ oder Darlehenszinssatzes, so bietet sie mit Bewilligung der Finanzmarktaufsichtsbehörde dem Verbraucher diese Änderung des Zinssatzes spätestens 2 Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Inkrafttretens schriftlich als Gegenüberstellung an. Die Zustimmung des Verbrauchers zu dieser Änderung gilt als erteilt, wenn bei der Bausparkasse vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Inkrafttretens kein Widerspruch des Verbrauchers einlangt. Darauf wird die Bausparkasse den Verbraucher im Änderungsangebot, in dem das Ausmaß der Änderung dargestellt ist, hinweisen.
Auf dem im Abs 2 [sic] vorgesehenen Weg darf die Bausparkasse mit dem Verbraucher eine Zinssatzanpassung nur unter folgenden Voraussetzungen vereinbaren:
- Die angebotene Anpassung des Sparzinssatzes entspricht der sich aus den Veränderungen auf dem Geld‑ oder Kapitalmarkt ergebenden Entwicklung der Kosten und Wiederveranlagungsmöglichkeiten der Bausparkasse im Zusammenhang mit dem jeweiligen Sparguthaben seit dem Abschluss der der aktuellen Verzinsung zugrunde liegenden Vereinbarung.
- Die angebotene Anpassung des Darlehenszinssatzes entspricht der sich aus den Veränderungen auf dem Geld- oder Kapitalmarkt ergebenden Entwicklung der Kosten der Bausparkasse im Zusammenhang mit dem jeweiligen Darlehen seit dem Abschluss der der aktuellen Verzinsung zugrunde liegenden Vereinbarung.
- Eine Änderung des Spar‑ oder Darlehenszinssatzes nach Abs 2 darf 0,5 Prozentpunkte pro Jahr nicht übersteigen und ist erstmals frühestens 2 Jahre nach Abschluss des zugrunde liegenden Vertrags zulässig.“
[102] Das Erstgericht beurteilte Klausel 8 unter Verweis auf 10 Ob 60/17x [Klausel 3] als intransparent und gröblich benachteiligend. Die Klausel der Beklagten unterscheide sich von der Vorentscheidung nur dadurch, dass im ersten Spiegelstrich die Anpassung nicht auf „alle sachlich gerechtfertigten Umstände“ abstelle, sondern auf die „Entwicklungen der Kosten und Wiederveranlagungsmöglichkeiten der Beklagten aufgrund von Veränderungen auf dem Geld‑ oder Kapitalmarkt“. Die Kostengestaltung der Refinanzierung liege aber in der Hand der Beklagten und sei dem Bausparer nicht bekannt. Die Klausel erwecke dagegen den Eindruck, als ob es sich um von der Beklagten nicht beeinflussbare Faktoren handle. Gröblich benachteiligend sei, dass nach Ablauf von zwei Jahren beliebig oft eine Anpassung um 0,5 % erfolgen könne.
[103] Das Berufungsgerichtteilte diese Rechtsansicht. Eine Klausel zur Entgelterhöhung mittels Zustimmungsfiktion würde nur dann dem Transparenzgebot entsprechen, wenn die Parameter dafür aus ihr selbst hervorgingen (RS0132022). Die Beklagte grenze aber weder ein, was der maßgebliche „Geld- oder Kapitalmarkt“ sei, noch lege sie fest, wie massiv Veränderungen sein oder wie lange diese aufrecht bleiben müssen, um eine Zinsanpassung zu rechtfertigen.
[104] Die Revision der Beklagten verweist darauf, dass die Erhöhung für die gesamte Vertragslaufzeit mit 0,5 Prozentpunkten pro Jahr gedeckelt sei. Außerdem seien die Voraussetzungen für die Erhöhung deutlich präziser determiniert als in der Entscheidung 10 Ob 60/17x.
[105] Die Revision ist insofern nicht berechtigt.
[106] 7.1. Eine Zustimmungsfiktion in AGB muss nicht nur den formalen Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG entsprechen, sondern auch einer Zulässigkeitsprüfung nach § 6 Abs 3 KSchG (Transparenz) und § 879 Abs 3 ABGB (keine gröbliche Benachteiligung) standhalten (1 Ob 210/12g [Pkt 2.15]). Insbesondere fordert die Rechtsprechung eine möglichst präzise und sachliche Determinierung für den Grund der in Aussicht genommenen Vertragsanpassungen(10 Ob 60/17x [Klausel 1 Pkt 4.1]; vgl auch Hirmke, Kein Freibrief für Änderungen, Judikatur zu Zustimmungsfiktionsklauseln in AGB, VbR 2017/50, 74).
[107] In der Lehre wird diese Judikatur kritisiert, weil die Zustimmungsfiktion dem Unternehmer ja gerade eine Reaktion auf künftige Entwicklungen ermöglichen solle, die eben, weil künftig, bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar seien (Zöchling‑Jud, Bausparverträge und Bausparzinsen in Leupold, Forum Verbraucherrecht 2016, 41 [47] mwH). In Zustimmungsfiktionsklauseln sei keine – und schon gar keine gröblich benachteiligende – Abweichung vom dispositiven Recht zu sehen. Zwar werde abweichend von § 863 ABGB dem Schweigen des Verbrauchers ein Erklärungswert beigemessen. Gerade dies gestatte die gesetzliche Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG aber.
[108] Diese Kritik überzeugt den Senat nicht, von der inzwischen gefestigten Rechtsprechung abzugehen. Künftige Entwicklungen sind für den Verbraucher zumindest ebenso überraschend wie für den (typischerweise mit mehr Marktkenntnis und größeren Ressourcen ausgestatteten) Unternehmer. Es erscheint daher nicht sachgerecht, nur einem der beiden Vertragspartner – und ausgerechnet dem Unternehmer – ein Werkzeug zur einfachen Anpassung des (noch dazu von ihm selbst formulierten) Vertrags in die Hand zu geben, mit dem er nach Gutdünken seinen eigenen Nutzen aus den Vertrag unter unvorhersehbaren Umständen optimieren kann.
[109] Ohne Determinierung, unter welchen Voraussetzungen der Unternehmer eine Vertragsänderung mittels Erklärungsfiktion vornehmen kann, hätte dieser es bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung auch in der Hand, den Verbraucher so lange Änderungswünsche beliebigen Inhalts und in unbegrenzter Zahl zu übermitteln, bis der Verbraucher einen davon übersieht und nicht rechtzeitig widerspricht.
[110] Deshalb müssen nach der Rechtsprechung die Parameter, die für eine Entgelterhöhung mittels Zustimmungsfiktion eine Rolle spielen, aus der Klausel selbst hervorgehen. Denn nur wenn der den Verbraucher von Anfang an auch über die Gründe und die maßgeblichen Indizes für eine Entgelterhöhung mittels Zustimmungsfiktion informiert ist, werden ihm die Auswirkungen der Klausel und das Risiko künftiger Passivität ausreichend klar (10 Ob 60/17x [Klausel 1 Pkt 3.6] mwH).
[111] Diese Determinierung kann nicht durch eine Deckelung der durch die Zustimmungsfiktion herbeigeführten Änderungen (hier: Begrenzung der Zinsanpassungen der Höhe nach um jeweils 0,5 Prozentpunkte) substituiert werden (10 Ob 60/17x [Klausel 4]).
[112] 7.2. Im vorliegenden Fall soll die Änderung des Zinssatzes der „sich aus den Veränderungen auf dem Geld- oder Kapitalmarkt ergebenden Entwicklung der Kosten“ (für Darlehenszinsen) bzw „der Kosten und Wiederveranlagungsmöglichkeiten der Bausparkasse“ (für Sparzinsen) „entsprechen“.
[113] Die Klausel kann so keinen nachvollziehbaren Bezug zwischen einem Indikator und dem anzupassenden Zinssatz herstellen. Vielmehr schafft sie der Beklagten einen riesigen Ermessensspielraum, auf nicht näher definierte Entwicklungen von ebenso wenig präzisierten Kosten und/oder Wiederveranlagungsmöglichkeiten mit „entsprechenden“ Zinsänderungen zu reagieren. Es ist nicht zu erkennen, wie die in Aussicht genommene Änderung des Zinssatzes der beobachteten Entwicklung „entsprechen“ soll: etwa indem der Zinssatz bei steigenden Kosten ebenfalls steigt; indem er um gleich viele Prozentpunkte erhöht oder gesenkt wird; indem er proportional verändert wird. Auch wird nicht festgelegt, welche Kosten relevant sein oder gar als Ausgangswert dienen sollen: Gesamtkosten; flexible oder variable Kosten; ein Mix einiger zu gewichtender Kostenfaktoren; oder gar nur ein einzelner Kostenfaktor. Das gleiche gilt für die Wiederveranlagungsmöglichkeiten: kommt es auf alle Angebote auf dem Markt an; nur auf jene in einer bestimmten Risikoklasse; oder gar nur auf jene, die die Beklagte bisher in Zusammenhang mit dem konkreten Bausparvertrag genutzt hat? Durch diese weitgehende Unbestimmtheit lässt sich letztlich (fast) jede Reaktion nach Gutdünken der Beklagten als „entsprechende“ Änderung argumentieren.
[114] Die Klausel vermittelt dem Kunden damit insgesamt ein unklares Bild seiner vertraglichen Position und ist daher als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG zu qualifizieren.
[115] 8. Klausel 9 (§ 29 Abs 2 der ABB):
„Wenn der Bausparer rechtzeitig der Änderung seines Bausparvertrages widerspricht und ihm weder ein aufrechtes Angebot der Bausparkasse auf Abschluss des Darlehensvertrages vorliegt noch der Darlehensvertrag abgeschlossen ist, ist die Bausparkasse berechtigt, den Bausparvertrag zu kündigen und das Sparguthaben nach den Bestimmungen des § 9 Abs 1, 3. Untersatz auszuzahlen. Auch darauf wird die Bausparkasse im Änderungsangebot hinweisen.“
[116] Das Erstgerichtsah die Klausel als zulässig an, weil sie die Beklagte nur bei einer Änderungskündigung– also bei Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung – zur Vertragsbeendigung berechtige.
[117] Das Berufungsgerichtuntersagte die Klausel als gröblich benachteiligend. Die Klausel beziehe sich auch ohne ausdrücklichen Querverweis inhaltlich auf Klausel 8. Nach dem Wegfall von Klausel 8 stünde es der Beklagen frei, sich eine Kündigungsmöglichkeit zu schaffen, indem sie dem Bausparer ein unannehmbares Vertragsänderungsangebot mache.
[118] Die Revision der Beklagtenbetont, dass die Klausel 9 gerade keinen Verweis auf Klausel 8 enthalte. Außerdem begrenze die Überschrift die Änderungskündigung auf den mit einem Verbraucher vereinbarten Spar‑ oder Darlehenszinssatz.
[119] Die Revision ist insofern nicht berechtigt.
[120] 8.1. Grammatikalisch kann sich die Änderung (mit bestimmtem Artikel), der der Verbraucher gemäß § 29 Abs 2 der ABB zustimmen soll, nur auf die in Abs 1 näher beschriebene Änderung, also die ungültige Klausel 8 beziehen.
[121] Durch den Entfall der Klausel 8 wird auch die sich darauf beziehende Klausel 9 unanwendbar (RS0122040 [T4]).
[122] 8.2. Die Beklagte kann Klausel 9 nicht mit dem Argument retten, dass diese auch für sich bestehen könne. Ohne Verweis darauf, welcher Vertragsanpassung der Verbraucher zustimmen solle, könnte die Beklagte dem Verbraucher nämlich beliebige nachteilige Änderungsvorschläge machen und den Vertrag kündigen, wenn dieser nicht zustimmt.
[123] 9. Klausel 10 (§ 29 Abs 4 der ABB):
„Unabhängig von Abs 1 und 3 ist die Bausparkasse berechtigt, den Darlehenszinssatz mit Bewilligung der Finanzmarktaufsicht nach billigem Ermessen zu ändern. Diese Änderung setzt voraus, dass der nicht vom Willen der Bausparkasse abhängige Umstand vorliegt, dass die zur Erfüllung ihrer Verpflichtung notwendige Aufbringung von Sparzahlung zum gegebenen Sparzinssatz nicht mehr gewährleistet ist und daher aufgrund der Geschlossenheit des Bausparsystems die Änderung des Darlehenszinssatzes sachlich gerechtfertigt ist. Bei Änderung dieser Situation wird die Bausparkasse den Darlehenszinssatz verhältnismäßig herabsetzen.“
[124] Das Erstgericht beurteilte diese Klausel als unwirksam, weil sie der Beklagten beliebige Zinssatzänderungen nach nicht fassbarem „billigem Ermessen“ ermögliche.
[125] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Klausel lege zwar Voraussetzungen fest, sodass es nicht nur auf das Ermessen der Beklagten ankomme. Jedoch seien die maßgeblichenParameter zu unbestimmt und nicht objektivierbar. Außerdem sehe der letzte Satz bloß eine Senkung der Zinsen auf das Ursprungsniveau vor, also komme es nur dann zu einer Senkung, wenn schon einmal eine Erhöhung eingetreten sei.
[126] Die Revision der Beklagten argumentiert, dass ihr die ABB nur streng gebundenes Ermessen einräumen und die relevanten Umstände klar darlegen. Der letzte Satz löse schon bei einem „Überangebot“ an Spareinlagen eine Entgeltsenkung aus, ohne dass zuvor eine Erhöhung stattgefunden haben müsse. Im Übrigen müsse die Finanzmarktaufsicht den Änderungen zustimmen.
[127] Die Revision ist insofern nicht berechtigt.
[128] 9.1. Zunächst sei klargestellt, dass dieaufsichtsrechtlich Überprüfungskompetenz der Finanzmarktaufsicht für ABB die Klauselkontrolle durch die Zivilgerichte nicht ersetzt oder einengt (RS0112133; vgl auch Iro, Zur Wirksamkeit formularmäßiger Änderungsvorbehalte, in FS Koziol [2010] 147 [154]).
[129] 9.2. Der Senat kann sich dem von der Beklagten vertretenen Textverständnis des letzten Satzes nicht anschließen. Mit „Änderung dieser Situation“ können nur die zuletzt geschilderten Umstände gemeint sein, im Wesentlichen also eine Gefährdung des Umlagesystems Bausparkasse, weil zu wenige Bausparverträge in der Anlagephase sind, sodass nicht ausreichend Kapital für Darlehen zur Verfügung steht. Schon grammatikalisch folgt daraus, dass eine Zinssenkung nur erfolgt, wenn die Voraussetzungen für eine Zinserhöhung wieder wegfallen.
[130] Dies gilt umso mehr in der im Verbandsprozess gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung.
[131] 9.3. Im Übrigen lässt sich auch auf der inhaltlichen Ebene nicht ermitteln, welche „umgekehrten Vorzeichen“ vorliegen müssten, damit es zu einer Zinssenkung kommt, bevor es je eine Erhöhung gab: Das Gegenteil davon, dass „die zur Erfüllung ihrer Verpflichtung notwendige Aufbringung von Sparzahlung zum gegebenen Sparzinssatz nicht ausreichen“, ist, dass sie ausreichen. Das Funktionieren des „Umlagesystems“ kann aber wohl kein geeigneter Anlass für eine Zinssenkung sein. Ob und ab wann eine Zinssenkung wegen eines Überangebots an Spareinlagen erforderlich wäre, ist weder aus der Klausel noch der Revision abzuleiten.
[132] 9.4. Klausel 10 sieht damit eine Entgeltsenkung nicht im gleichen Ausmaß und in der gleichen zeitlichen Umsetzung wie eine Entgeltsteigerung vor, sodass die Zinsanpassung nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG unzulässig ist.
III. Kosten
[133] Die Entscheidung über die Kosten für das Verfahren aufgrund der Revision der Klägerin erging nach §§ 41 und 50 ZPO.
[134] Der Vorbehalt der übrigen Kosten beruht auf § 52 Abs 1 dritter Satz ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)