OGH 15Os72/23m

OGH15Os72/23m4.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Oktober 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz, Dr. Mann und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maringer als Schriftführerin in der Strafsache gegen * J* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * C* gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 1. Februar 2023, GZ 38 Hv 66/22b‑85, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00072.23M.1004.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten C* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * C* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und (richtig: vgl US 21, 25) Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB (I/A/3/, I/A/4/ und I/B/) und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

I/ teils „in oftmals“ wiederholten Angriffen dadurch, dass er durch Vorlage von gefälschten Gehaltsnachweisen und „manipulierten Meldebestätigungen“ (US 6 ff, 14, 18: Scheinmeldungen) Kreditfinanzierungen folgender Kraftfahrzeuge über die S* GmbH erwirkte, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte oder Machthaber der S* GmbH unter Zuhilfenahme von zur Kreditauskunft berechtigten Autohäusern, durch Täuschung über Tatsachen, mithin unter Vorspiegelung der Rückzahlungsfähigkeit und ‑willigkeit, zu Handlungen, nämlich zur Gewährung von Darlehen verleitet oder zu verleiten versucht, die diese am Vermögen schädigten oder schädigen sollten und zwar

A/

3/ am 13. August 2019 in F* für einen PKW der Marke Ford S‑Max im Wert von 10.000 Euro und

4/ am 31. Juli 2019 in W* für einen PKW der Marke BMW X6 im Wert von 25.000 Euro sowie

B/ mit * J* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) am 1. April 2020 in K* für einen PKW der Marke Audi A4 im Wert von etwa 15.000 Euro,

wobei es zu I/A/3/ und I/A/4/ beim Versuch blieb, weil die S* GmbH die Anträge ablehnte,

wobei er einen Betrug mit (US 10: jeweils) 5.000 Euro übersteigendem Schaden und überdies gewerbsmäßig beging bzw zu begehen versuchte, indem er zur Täuschung falsche bzw gefälschte Urkunden benutzte;

II/ „zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum von 23. Jänner 2019 bis Dezember 2021“ in T* den über die S* GmbH kreditfinanzierten und unter Eigentumsvorbehalt dieser Bank stehenden PKW der Marke VW Sharan im Wert von 10.000 Euro, sohin ein Gut, das ihm anvertraut worden war, sich bzw einem Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er den PKW abredewidrig ins Ausland, nämlich nach Rumänien verbrachte und dort veräußerte, wobei er ein Gut veruntreute, dessen Wert 5.000 Euro überstieg.

[3] Hiefür wurde er „unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 29. 12. 2021 zu 43 Hv */21p nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von 480 Tagessätzen à 13 Euro, insgesamt 6.240 Euro, im Uneinbringlichkeitsfall 240 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten“ verurteilt, wobei „gemäß § 43 Abs 1 StGB [...] der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe [...] unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen“ wurde.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, Z 5 und Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C*, die ihr Ziel verfehlt.

[5] Der Verfahrensrüge (Z 3 iVm § 260 Abs 1 Z 3 StPO) zuwider lässt die bloße Unterlassung der Deklarierung der ausdrücklich unter Bedachtnahme auf §§ 31, 40 StGB verhängten Strafe als „Zusatzstrafe“ keinen Zweifel daran, zu welcher Strafe der Beschwerdeführer verurteilt wurde und in welchem Ausmaß die verhängte Strafe zu vollziehen ist (vgl Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 34, 39).

[6] Dem von § 260 Abs 1 Z 1 StPO verlangten Teil des Erkenntnisses kommt nur die Aufgabe zu, die in den Entscheidungsgründen festgestellten Tatsachen, soweit sie für die rechtliche Unterstellung entscheidend sind, im Urteilsspruch zum Zweck der Abgrenzung von anderen Taten festzuhalten. Ein Urteilsspruch ist im Sinn der genannten Bestimmung ausreichend verwechslungsfrei individualisiert, wenn dadurch eine nochmalige Verfolgung des Angeklagten wegen derselben Tat(en) während der im Spruch angegebenen Zeit ausgeschlossen ist (RIS‑Justiz RS0116587, RS0120334 [T2], RS0117435). Werden Unklarheiten über Zeit und Ort der Tat behauptet, so hat eine Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO deutlich zu machen, weshalb Zeit und Ort zur Individualisierung der Tat erforderlich sein sollten (RIS‑Justiz RS0117498).

[7] Soweit der Beschwerdeführer (Z 3) moniert, dass sich dem Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO zu II/ weder der genaue Tatzeitpunkt innerhalb eines Tatzeitraums von „drei Jahren“ noch die genaue Tathandlung (bereits die abredewidrige Verbringung ins Ausland oder die erst dort erfolgte Veräußerung) oder die konkrete Person entnehmen lasse, welcher der am 23. Jänner 2019 kreditfinanziert erworbene PKW VW Sharan zugeeignet und welche dadurch unrechtmäßig bereichert wurde (der Beschwerdeführer oder ein Dritter), lässt sie nicht erkennen, weshalb dies zur Abgrenzung von anderen Sachverhalten erforderlich sein sollte.

[8] Aus den zur Verdeutlichung heranzuziehenden Entscheidungsgründen (RIS‑Justiz RS0116587) geht auch klar hervor, dass schon die abredewidrige Verbringung des unter Eigentumsvorbehalt der kreditfinanzierenden Bank stehenden, einen Wert von 10.000 Euro aufweisenden PKW ins Ausland mit entsprechendem Vorsatz gesetzt wurde und der Angeklagte den PKW dadurch zunächst sich mit dem Vorsatz auf seine unrechtmäßige Bereicherung und erst in der Folge durch die Weiterveräußerung einem Dritten zueignen wollte (US 11 f, 22).

[9] Weshalb diese Feststellungen – wie die Beschwerde behauptet – undeutlich (Z 5 erster Fall; RIS‑Justiz RS0117995, RS0099425) oder für eine Subsumtion nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB nicht ausreichend sein sollen (dSn Z 9 lit a; RIS‑Justiz RS0119884), lässt sie nicht erkennen.

[10] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter gar wohl mit der zu II/ einen Vorsatz in Abrede stellenden, einen Irrtum behauptenden Verantwortung des Beschwerdeführers auseinandergesetzt (US 22). Mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) waren sie dabei nicht verhalten, auf jedes Aussagedetail einzugehen (vgl RIS‑Justiz RS0106642, RS0098377).

[11] Dies gilt ebenso für die im erforderlichen Umfang erörterte Verantwortung des Nichtigkeitswerbers, das Fahrzeug zu II/ sei in Rumänien ohne sein Wissen und Zutun veräußert worden (US 22 – „bestritt aber die Veräußerung“), sowie, er habe mit den zu I/A/3/, I/A/4/ und I/B/ erschlichenen Kreditfinanzierungen und den gefälschten Gehaltsbestätigungen nichts zu tun, vielmehr hätten andere Personen in seiner Wohnung Zugang zu seinem Lohnzettel gehabt (US 13 f, 17, 20 f).

[12] Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der subjektiven Tatseite zu I/A/3/, I/A/4/ und I/B/ betreffend die Verwendung gefälschter Gehaltsnachweise durch den Beschwerdeführer aus dem (im Urteil nachvollziehbar begründet dargestellten; US 7 ff, 13 ff) „strukturierten“ äußeren Tatgeschehen (US 21), das auch die unmittelbare Involvierung des Beschwerdeführers in die Ankäufe, die Vornahme von Scheinmeldungen an seinem Wohnsitz und besondere Kontoeröffnungen (US 6 f) umfasste, unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

[13] Gleiches gilt für die Begründung des Vorsatzes zu II/ mit dem äußeren Tatgeschehen, der nicht offengelegten Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland und dessen anschließendem Verkauf (US 22).

[14] Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang eine bloße Wiedergabe der verba legalia ohne Sachverhaltsbezug behauptet (dSn Z 9 lit a; RIS‑Justiz RS0119090, RS0098664 [T2]), übergeht sie die ohnehin sachverhaltsbezogenen Urteilsaussagen (auch) zum Vorsatz (US 12).

[15] Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) moniert eine Überschreitung der Strafbefugnis einerseits durch „die Verhängung einer Geld‑und einer Freiheitsstrafe“ und andererseits dadurch, dass dem Urteilsspruch nicht zu entnehmen sei, ob es sich „bei der verhängten Freiheitsstrafe um eine Zusatzstrafe handelt […] oder aber um eine originäre Strafe, die die zu 43 Hv */21p verhängte Strafe ersetzt“.

[16] Die Verhängung einer (unbedingten) Geldstrafe von 480 Tagessätzen (240 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe) neben einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten (US 3, 26) stellt fallkonkret jedoch keine dem Nichtigkeitswerber zum Nachteil gereichende Überschreitung der Strafbefugnis dar, hat das Erstgericht damit doch – innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen – erkennbar § 43a Abs 2 StGB zur Anwendung gebracht, obgleich es nicht ausdrücklich (iSd § 260 Abs 1 Z 4 StPO) auf diese Bestimmung Bezug genommen hat (vgl 14 Os 173/07h). Die Erwähnung, Nichterwähnung oder Falschbezeichnung einer (rechtsrichtig) zur Anwendung gebrachten Gesetzesstelle im Sanktionsausspruch steht aber nicht unter Nichtigkeitssanktion (vgl RIS‑Justiz RS0131446, RS0091369 [T2], RS0099062 [T1]).

[17] Dass das angefochtene Urteil und das im Urteilsspruch angeführte (Vor‑)Urteil im Verhältnis der §§ 31 Abs 1, 40 StGB stehen, wurde vom Erstgericht – aus der ausgesprochenen Bedachtnahme (US 3) klar ersichtlich –bejaht (vgl auch US 6, 25; 12 Os 120/12g [12 Os 121/12d]). Inwiefern die Gesamtheit der Urteilsaussagen auch nur im entferntesten nahelegen könnte, dass die im Ersturteil verhängte (wenn auch nicht ausdrücklich als Zusatzstrafe bezeichnete) Strafe die im Vorurteil ausgesprochene Strafe in irgendeiner Form ersetzen sollte, ist für den Obersten Gerichtshof nicht nachvollziehbar.

[18] Bleibt mit Blick auf § 290 StPO anzumerken, dass die – von der Staatsanwaltschaft unbekämpft gebliebene – Bedachtnahme auf das Urteil vom 29. Dezember 2021 den Beschwerdeführer in keiner Weise benachteiligt (RIS‑Justiz RS0090817), sodass im Kontext der §§ 31, 40 StGB auch dahinstehen kann, ob die zu II/ nicht weiter präzisierte Tatzeit (US 2, 11, 25: „bis Dezember 2021“) tatsächlich vor der Fällung jenes Urteils (erster Instanz) endete, auf das Bedacht genommen wurde (RIS‑Justiz RS0091039).

[19] Ebenso wenig gereicht dem im Jahr 1971 geborenen Beschwerdeführer der unbekämpft gebliebene Umstand zum Nachteil, dass das Erstgericht auf Basis des zweiten Strafsatzes des § 148 StGB irrtümlich von einem Strafrahmen „von sechs Monaten bis zu zwei Jahren“ (anstatt von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) Freiheitsstrafe ausging (US 25).

[20] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

[21] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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