OGH 12Os120/12g

OGH12Os120/12g10.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Strafsache gegen Yousef M***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 6. März 2012, GZ 161 Hv 5/12d-49, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler sowie der Verteidiger Mag. Kabelka und Dr. Tesar zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 161 Hv 5/12d des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzen die bei der Strafbemessung

a./ betreffend Yousef M***** unterlassene Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Jänner 2012, AZ 165 Hv 5/11g, und

b./ betreffend Bilal H***** erfolgte Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Jänner 2012, AZ 165 Hv 5/11g,

das Gesetz jeweils in §§ 31 Abs 1, 40 StGB.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in dem Yousef M***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien in diesem Umfang die neue Verhandlung und Entscheidung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit unmittelbar nach der Verkündung in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Jänner 2012, AZ 165 Hv 5/11g, wurde der Angeklagte Yousef M***** mehrerer Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit in gekürzter Form ausgefertigtem, auch einen Freispruch der Angeklagten enthaltenden Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 6. März 2012, GZ 161 Hv 5/12d-49, wurden die Angeklagten Yousef M***** und Bilal H***** des Verbrechens des (am 27. November 2011 gemeinsam begangenen) Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB auf das (ihn nicht betreffende) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Jänner 2012, AZ 165 Hv 5/11g, wurde über Bilal H***** eine (nicht als solche bezeichnete Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verhängt, wovon ein Teil von 12 Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Über Yousef M***** wurde ohne auf das alleine ihn betreffende Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Jänner 2012, AZ 165 Hv 5/11g, gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB Bedacht zu nehmen, eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verhängt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zur Gänze bedingt nachgesehen wurde.

Das Urteil erwuchs unbekämpft am 6. März 2012 in Rechtskraft.

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. März 2012, GZ 161 Hv 5/12d-49, in seinem Strafausspruch mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 31 Abs 1 StGB ist über einen Angeklagten, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, eine Zusatzstrafe zu verhängen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon im früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Der Umstand, dass die genannten Urteile zueinander im Verhältnis der §§ 31 Abs 1, 40 StGB stehen - eine gemeinsame Aburteilung der am 27. November 2011 verübten Raubtat wäre bereits am 18. Jänner 2012 im Verfahren AZ 165 Hv 5/11g des Landesgerichts für Strafsachen Wien möglich gewesen - wurde (aus der ausgesprochenen Bedachtnahme [ON 49 S 7] ersichtlich), zutreffend bejaht, jedoch unter Verwechslung der Angeklagten bei der Bilal H***** betreffenden Strafbemessung ausschließlich zu dessen Gunsten (die ihm zu Unrecht zugerechnete Vor-Verurteilung fand in den Strafzumessungsgründen keinen Niederschlag [ON 49 S 11]) berücksichtigt. Hingegen unterblieb eine Bedachtnahme nach §§ 31 Abs 1, 40 StGB auf das ausschließlich den Angeklagten Yousef M***** betreffende (Vor-)Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Jänner 2012 bei der den letztgenannten Angeklagten betreffenden Strafbemessung.

Die Strafaussprüche hinsichtlich beider Angeklagter verletzen demgemäß das Gesetz. Dies gereicht lediglich Yousef M***** zum Nachteil. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, das Urteil in seinem Yousef M***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien die neue Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang aufzutragen.

Weil das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. März 2012 bereits in Rechtskraft erwachsen und damit die Probezeit in Gang gesetzt worden war, wird bei der Strafneubemessung der Beginn der Probezeit (mit lediglich deklarativer Wirkung, vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 55) mit dem Eintritt der Rechtskraft des ursprünglichen Urteils festzuhalten sein (RIS-Justiz RS0092039).

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