OGH 5Ob35/23t

OGH5Ob35/23t25.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* S*, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in Schruns, gegen die beklagte Partei H* K*, vertreten durch Dr. Bertram Grass, Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Feststellung (Streitwert 16.000 EUR) und Räumung (Streitwert 16.000 EUR), über den [richtig] außerordentlichen Revisionsrekurs und die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Rekurs‑ und Berufungsgericht vom 23. Jänner 2023, GZ 2 R 247/22x‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00035.23T.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrte die Feststellung, dass der von den Streitteilen am 30. 12. 2019 geschlossene Pachtvertrag rechtsunwirksam sei, in eventu die Aufhebung dieses Pachtvertrags; er begehrte weiters die Verpflichtung des Beklagten, die verpachteten Liegenschaften zu räumen und geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben. Der Kläger begründete dieses Klagebegehren – zusammengefasst – damit, dass der Pachtvertrag und der später abgeschlossene Kaufvertrag über diese Liegenschaften eine Einheit bildeten, die bereits rechtskräftig festgestellte Rechtsunwirksamkeit dieses Kaufvertrags daher auf den Pachtvertrag durchschlage.

[2] Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Mit einem in das Urteil aufgenommenen Beschluss wies es zudem den Antrag des Klägers auf Wiedereröffnung der Verhandlung und den damit verbundenen Beweisantrag ab.

[3] Das Rekurs‑ und Berufungsgericht wies den Rekurs des Klägers gegen den in das Urteil aufgenommenen Beschluss als unzulässig zurück und gab der Berufung des Klägers gegen das Urteil nicht Folge. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs und die Revision nicht zu.

[4] Gegen die Zurückweisung des Rekurses richtet sich der als „Rekurs“ bezeichnete außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers, gegen die Bestätigung des Ersturteils dessen außerordentliche Revision.

Rechtliche Beurteilung

[5] Weder der außerordentliche Revisionsrekurs noch die außerordentliche Revision zeigen eine zur Begründung ihrer Zulässigkeit erforderliche erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO bzw § 502 Abs 1 ZPO auf.

I. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs

[6] 1. Ein Beschluss des Rekursgerichts, mit dem ein an dieses gerichteter Rekurs gegen eine erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen wurde, ist grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO anfechtbar (RIS‑Justiz RS0044501; RS0044269 [T1]).

[7] Anderes gilt, wenn sich ein Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts richtet, der auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einer Klage, einem sonstigen Sachantrag oder – allgemeiner ausgedrückt – einem materiellen Rechtsschutzbegehren hinausläuft. Diesfalls ist für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog anzuwenden. Derartige Beschlüsse sind ungeachtet des Werts des zweitinstanzlichen Entscheidungsgegenstands und des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage – also mit „Vollrekurs“ – anfechtbar (8 Ob 64/19y mwN).

[8] Nicht auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einem materiellen Rechtsschutzbegehren läuft es hinaus, wenn das Rekursgerichteinen Rekurs gegen einen verfahrensleitenden Beschluss des Erstgerichts zurückweist (8 Ob 64/19y). Eine analoge Anwendung von § 519 ZPO kommt hier nicht in Frage, weil der Rekurs in seiner Funktion kein Rechtsmittel in der Hauptsache, sondern eine reine Verfahrensbeschwerde ist; in diesem Fall ist der Rekurs nach § 528 ZPO zu beurteilen (RS0113736; RS0043802).

[9] Zu den – in diesem Sinn „bloß“ – verfahrensleitenden Beschlüssen zählt die Rechtsprechung im Rahmen eines Beweisverfahrens getroffene Entscheidungen, die der Stoffsammlung dienen und deren Ziel es ist, die Sachverhaltsgrundlage für die gerichtliche Sachentscheidung zu klären (4 Ob 137/05h; Brenn in Höllwerth/Ziehensack, ZPO Praxiskommentar [2019] § 425 ZPO Rz 13). Die Entscheidung des Rekursgerichts über den vom Erstgericht (ausdrücklich) gefassten Beschluss auf Abweisung der Anträge auf Wiedereröffnung der Verhandlung und ergänzende Beweisaufnahme unterliegt daher der für einen Revisionsrekurs geltenden Rechtsmittelbeschränkung des § 528 ZPO (1 Ob 627/89; Höllwerth in Fasching/Konecny, ZPO3 II/3 § 194 Rz 16).

[10] 2. Die Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels bestimmt sich demnach nicht in Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO, sondern nach § 528 ZPO. Voraussetzung für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist damit, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt (RS0088931; RS0101971).

[11] Eine solche iSd § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage, von deren Lösung die Entscheidung abhängt, ob der Rekurs gegen die erstgerichtliche Entscheidung vom Rekursgericht zu Recht zurückgewiesen wurde, spricht der Revisionsrekurs des Klägers allerdings nicht an. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Entscheidung des Rekursgerichts sei mit einem Verfahrensmangel behaftet, weil dieses den Rekurs nicht inhaltlich behandelt habe. Mit der Rechtsauffassung des Rekursgerichts, ein allfälliger in der Verweigerung der Wiedereröffnung der Verhandlung und Abweisung eines Beweisantrags gelegener Verfahrensmangel könne nicht mit einem abgesonderten Rekurs, sondern nur mit dem gegen die Entscheidung in der Hauptsache zur Verfügung stehenden Rechtsmittel geltend gemacht werden, die „Beschwerde“ dagegen sei also in der Berufung als Verfahrensmangel auszuführen, setzt er sich gar nicht erst auseinander.

[12] 3. Der Revisionsrekurs war damit mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

II. Zur außerordentlichen Revision

[13] 1. Vertragsparteien können mehrere selbständige Verträge zueinander in Beziehung setzen, sie zB durch gleichzeitigen Abschluss oder gemeinsame Beurkundung koppeln. Ob zwei (getrennte) Verträge oder ein einheitliches Geschäft gewollt ist, ist primär durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Zwei selbständige Verträge können je nach Parteiwille ein‑ oder wechselseitig voneinander abhängen, sowohl was ihren Abschluss als auch ihre Durchführung betrifft (Schickmair in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [Klang] § 859 Rz 104; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 859 Rz 30).

[14] 2. Die Frage, ob eine „Vertragskoppelung“ oder Vertragsverbindung vereinbart wurde und grundsätzlich selbständige Verträge als rechtliche Einheit anzusehen sind, ist durch Vertragsauslegung im Einzelfall zu beantworten (6 Ob 169/13s). Bei dieser nach dem Gesamtbild aller Umstände vorzunehmenden Beurteilung ist dem Parteiwillen, der Vertragsgestaltung und dem Vertragszweck besondere Bedeutung beizumessen (vgl 2 Ob 115/07m mwN).

[15] Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042776; RS0042871). Das gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt (RS0042936 [T36, T47]; RS0042776 [T11]).

[16] Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Pachtvertrag und der Kaufvertrag bildeten hier mangels einer ausdrücklichen oder konkludenten Koppelung keine rechtliche Einheit, sondern seien als getrennte Verträge anzusehen, ist keine solche vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[17] Das Berufungsgericht konstatiert zwar, dass es zwischen dem Pachtvertrag und dem Kaufvertrag wirtschaftliche Berührungspunkte (insb die Vereinbarung, den bereits bezahlten Pachtzins auf den Kaufpreis anzurechnen) gebe, dieser Umstand allein reiche aber für die Annahme eines rechtlich als Einheit zu beurteilenden Rechtsgeschäfts nicht aus. Es liege weder ein gemeinsamer Abschluss noch eine gemeinsame Beurkundung der beiden Rechtsgeschäfte vor. Der Pachtvertrag sei zudem mehr als eineinhalb Jahre später und erst abgeschlossen worden, nachdem die Streitteile sich (nicht mehr im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Pachtvertrags) auf den Kaufpreis geeinigt hatten. Der Pachtvertrag enthalte auch keine ausdrückliche Bindung an das Schicksal des Kaufvertrags. Dafür, dass eine derartige Koppelung konkludent begründet worden sei, gebe es keine Hinweise. Auch der (festgestellte) mit dem Abschluss der Verträge jeweils verfolgte Geschäftszweck lasse nicht darauf schließen, dass diese eine Einheit bilden sollten.

[18] Der Kläger vermag nicht aufzuzeigen, inwiefern das Berufungsgericht mit dieser Beurteilung des Einzelfalls – wie von ihm behauptet – gegen die Auslegungsregeln der §§ 914 ff ABGB verstoßen haben soll. Das Berufungsgericht hat sein wesentliches Argument, die nachträglich begründete Einheit zwischen dem Pachtvertrag und Kaufvertrag ergebe sich aus der Vereinbarung, dass der gezahlte Pachtzins und die Kosten für die Errichtung des Pachtvertrags vom Kaufpreis abgezogen werden, ohnedies berücksichtigt, diesem aber in der Gesamtschau aller Umstände keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Dies ist ebenso wenig zu beanstanden, wie die Einschätzung des Berufungsgerichts, aus der angeblich auffallend geringen Höhe des Pachtzinses lasse sich für den Prozessstandpunkt nichts gewinnen, weil die Pachtzinshöhe nach den Feststellungen von beiden Parteien damit begründet worden sei, dass an der Pacht landwirtschaftlicher Flächen wenig Interesse bestanden habe. In seiner gegenteiligen Argumentation geht der Kläger nicht von diesem festgestellten Sachverhalt aus.

[19] 3. Die Revision war damit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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