European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00169.13S.0930.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Der zweite Senat des Obersten Gerichtshofs hat bereits ausgesprochen, dass die Rechtsprechung bei Immobilien‑Leasingverträgen zur Verhinderung einer Umgehung des MRG vom Überwiegen der mietvertraglichen Elemente ausgeht. Auf das Vertragsverhältnis ist daher das MRG anzuwenden. Infolgedessen wurde das zwischen den Streitteilen mit Abschluss des „Immobilien‑Leasing‑Vertrags“ am 29. 9. 2000 begründete Vertragsverhältnis, das am 28. 9. 2010 infolge Zeitablaufs endete, aufgrund der Untätigkeit des Klägers innerhalb der 14‑tägigen Frist des § 569 ZPO stillschweigend um 3 Jahre, sohin bis 28. 10. 2013, verlängert (2 Ob 196/11d).
Die Regelungen über die stillschweigende Erneuerung des Mietverhältnisses in § 29 MRG sind eine spezielle Ausformung der in § 1114 ABGB enthaltenen Regelung (vgl Vonkilch in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht § 29 MRG Rz 51).
Durch die stillschweigende Erneuerung nach § 1114 f ABGB kommt kein neuer Vertrag zustande, sondern es wird der bereits bestehende Vertrag mit dem bisherigen Inhalt ‑ abgesehen von der Vertragsdauer ‑ fortgesetzt (§ 1115 Satz 1 ABGB; 5 Ob 25/97f; Riss in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 §§ 1113 ‑ 1115 Rz 7 mwN; Iro in Koziol/Bydlinski/Bollenberger 3 §§ 1113 ‑ 1115 ABGB Rz 4). Diese Erneuerung gilt jedoch nicht für einen mit dem Bestandvertrag zugleich abgeschlossenen anderen Vertrag, mag er auch in derselben Urkunde wie der Bestandvertrag niedergelegt sein, wie zB die im Mietvertrag enthaltene Bestimmung über die Einräumung eines Vorkaufsrechts am Haus, in dem sich das Bestandobjekt befindet, oder ein Anwartschaftsrecht für den Abschluss weiterer Bestandverträge über andere im Haus frei werdende Räume (RIS‑Justiz RS0020824).
Demnach richtet sich die Frage, ob die Kläger immer noch berechtigt sind, das Objekt mit Auslaufen des Vertrags zu erwerben und damit die Kaution weiterhin als Angeld dient, danach, ob ein einheitlicher Vertrag vorliegt oder jeweils ein getrennter Bestandvertrag und Kaufoptionsvertrag in einer Urkunde. Diese Frage ist aber letztlich nur durch Vertragsauslegung im Einzelfall zu beantworten. Damit hängt die von der außerordentlichen Revision aufgezeigte Rechtsfrage von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0042936). In der Auffassung des Berufungsgerichts, es handle sich um einen einheitlichen Vertrag, ist jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.
Zudem übersehen die Revisionswerber, dass bei Zugrundelegung ihrer Rechtsansicht nicht etwa die Kaution zurückzuzahlen wäre, sondern diese wegen Nichtausübung der Kaufoption nach Ablauf von zehn Jahren verfallen wäre. Für die Auffassung der Revisionswerber, durch die stillschweigende Erneuerung nach § 29 Abs 3 lit b MRG wären nur die mietvertraglichen Teile der Vereinbarung fortgesetzt und gleichzeitig die vereinbarte Verfallsklausel wegen Nichtausübung der Kaufoption nicht schlagend geworden, besteht keine Grundlage.
In erster Instanz haben die Revisionswerber zugestanden, dass das Bestandobjekt nach § 1 Abs 4 MRG in den Teilanwendungsbereich des MRG fällt. Eine Unwirksamkeit der Kautionsvereinbarung kann sich daher nicht auf § 27 Abs 1 MRG stützen.
Nach § 879 ABGB ist für die Beurteilung eines auffallenden Leistungsmissverhältnisses der Zeitpunkt des Vertragsabsschlusses maßgeblich (RIS‑Justiz RS0017936; Graf in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 879 Rz 268). Dabei kann unter Umständen, wenn eine Ausbeutung gegeben ist, die Generalklausel des § 879 Abs 1 ABGB herangezogen werden, obwohl nicht alle Tatbestandsmerkmale des Wuchers vorliegen. Voraussetzung dafür ist aber, dass ein den individuellen Fall prägendes, besonderes zusätzliches Element der Sittenwidrigkeit hinzukommt. Ein bloßes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung als solches reicht hingegen nicht aus, um Sittenwidrigkeit zu begründen (vgl RIS‑Justiz RS0016476 [T4]).
In Anbetracht des Umstands, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die „Kaution“ auch noch als Anzahlung beim von allen Parteien beabsichtigten Verkauf des Objekts an die Kläger dienen sollte, kann schon von einem Missverhältnis der Leistungen keine Rede sein. Jedenfalls scheitert aber die Geltendmachung der Unwirksamkeit nach § 879 ABGB daran, dass die Revisionswerber in erster Instanz keinerlei Vorbringen dazu erstattet haben, dass ‑ abgesehen von einem Missverhältnis der Leistungen ‑ irgend ein weiteres Element einer Sittenwidrigkeit vorgelegen wäre.
Zusammenfassend bringt die Revision somit keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
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