OGH 13Os59/23k

OGH13Os59/23k20.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Trsek in der Strafsache gegen * P* wegen Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 14. April 2023, GZ 314 Hv 5/23k‑54.5, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00059.23K.0920.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II B und in der zum Schuldspruch II gebildeten Subsumtionseinheit als Vergehen der Sachbeschädigung nach §§ 125 und 15 StGB, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), sowie der Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe (ON 58) aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs in der Sache selbst erkannt:

* P* ist schuldig, sie hat in H* an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers vorsätzlich eine Feuersbrunst zu verursachen versucht (§ 15 StGB), indem sie im Frauenhaus T*, in welchem zur Tatzeit etwa 40 Personen untergebracht waren,

1) am 15. November 2022 mehrere Lagen Toilettenpapier auf eine eingeschaltete Herdplatte legte und

2) am 16. November 2022 eine Kinderzeichnung auf eine eingeschaltete Herdplatte legte.

* P* hat hierdurch mehrere Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB begangen.

 

Zur Neubemessung der Sanktion wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* eines Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (I) sowieeines Vergehens der Sachbeschädigung nach §§ 125 und 15 StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in H*

(I) am 17. November 2022 an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst zu verursachen versucht, indem sie im Frauenhaus T* einen Müllbehälter und eine Einstiegshilfe aus Plastik im Badezimmer anzündete, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil der Brand rechtzeitig bemerkt und von der Feuerwehr gelöscht wurde (US 4),

(II) fremde, nämlich dem Betreiber des Frauenhauses T* gehörende, bewegliche Sachen

(A) durch Herbeiführung einer Überschwemmung beschädigt, zerstört oder unbrauchbar gemacht, indem sie

1) in der Zeit vom März 2022 bis zum Dezember 2022 (US 3 und 6)eine Toilette mit einer Papierrolle verstopfte und

2) am 7. Dezember 2022 diverse Abflüsse im Badezimmer und in der Küche verstopfte und sämtliche Wasserhähne aufdrehte, sowie

B) zu beschädigen oder zu zerstören versucht, indem sie Papier auf eine eingeschaltete Herdplatte legte, und zwar

1) am 15. November 2022 mehrere Lagen Toilettenpapierund

2) am 16. November 2022 eine Kinderzeichnung.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den Schuldspruch II B richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und  10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

[4] Zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) auf, dass die vom angefochtenen Schuldspruch umfassten Handlungen – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – jeweils einem Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB zu unterstellen sind.

[5] Nach § 169 Abs 1 StGB ist strafbar, wer an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst verursacht. Der – zumindest bedingte (§ 5 Abs 1 StGB) – Vorsatz des Täters muss sich in der Tatbestandsvariante des § 169 Abs 1 StGB auf die Fremdheit der Sache, die fehlende Einwilligung des Eigentümers und die Herbeiführung einer Feuersbrunst beziehen (vgl RIS‑Justiz RS0094899 [T2]).

[6] Die Feuersbrunst wird nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre im Kern definiert als ausgedehnter, mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr beherrschbarer Brand gleich einer entfesselten Naturgewalt, der Eigentum in großem Ausmaß erfasst (11 Os 40/80, EvBl 1980/159, 468; RIS‑Justiz RS0094826, RS0094944 und RS0105885; jüngst 13 Os 24/20h, SSt 2020/41 [verst Senat]; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 169 Rz 6; Flora SbgK § 169 Rz 29; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 169 Rz 5; Murschetz in WK2 StGB § 169 Rz 3).

[7] Nach den Feststellungen des Erstgerichts versuchte die Angeklagte wiederholt an dem nicht in ihrem Eigentum stehenden, von etwa 40 Personen bewohnten, Gebäude des Frauenhauses T* ohne Einwilligung des Eigentümers (US 3 ff iVm US 1) eine Feuersbrunst zu verursachen, indem sie am 15. November 2022 mehrere Lagen Toilettenpapier und am 16. November 2022 eine handgemalte Kinderzeichnung auf die eingeschaltete Herdplatte legte, wobei der Brand jeweils rechtzeitig entdeckt und gelöscht wurde (US 4). Dabei hielt es die Angeklagte jeweils zumindest ernstlich für möglich, an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers einen sich weiter ausbreitenden, räumlich ausgedehnten und fremdes Eigentum in großem Ausmaß erfassenden Brand, der mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist, herbeizuführen und fand sich damit ab (US 4 f). Der Brand blieb dabei örtlich auf das entzündete Material beschränkt (US 4 f). Brandtechnisch war es zwar prinzipiell möglich, dass eine Brandausbreitung über die Küche hinaus erfolgen kann, aufgrund der geringen Menge des Papiers im Zusammenhalt mit der Entfernungsonstigen brennbaren Materials zur Kochfläche war jedoch im konkreten Fall eine Ausbreitungsfähigkeit des Feuers nicht gegeben (US 5). Das Erstgericht erachtete auf dieser Basis die Herbeiführung einer Feuersbrunst als geradezu ausgeschlossen, qualifizierte den Versuch jeweils als absolut untauglich (US 11) und subsumierte die Handlungen als Vergehen der Sachbeschädigung nach §§ 15, 125 StGB (US 2).

[8] Nach § 15 Abs 3 StGB sind der Versuch und die Beteiligung daran nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt, oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war.

[9] Bei der hier in Rede stehenden Prüfung der Untauglichkeit der Handlung ist auf die ex-ante Sicht eines über den Tatplan informierten verständigen Beobachters abzustellen (RIS‑Justiz RS0115363 [T4] und RS0098852). Danach liegt nur dann ein absolut untauglicher (und damit strafloser) Versuch im Sinn des § 15 Abs 3 StGB vor, wenn die Verwirklichung der angestrebten strafbaren Handlung auf die vorgesehene Art bei generalisierender Betrachtung, somit losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, geradezu denkunmöglich ist und demzufolge unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden kann. Ein bloß relativ untauglicher Versuch ist dagegen anzunehmen, wenn die Tatvollendung nur infolge der zufälligen Modalitäten des konkreten Einzelfalls gescheitert ist. Auf die mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeit eines solchen Scheiterns kommt es dagegen nicht an (RIS‑Justiz RS0115363).

[10] In seiner zu 11 Os 167/01 ergangenen Entscheidung hielt der Oberste Gerichtshof in Bezug auf das Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB bereits fest, dass bloße Unzulänglichkeiten in der Planung und Handlungsweise des Täters, wie etwa Ungeschicklichkeit oder unzureichende Sachkenntnis in Bezug auf das verwendete Mittel oder die Anwendung eines nicht schon in abstracto untauglichen Mittels die Tathandlung auch dann nicht ihres tatbildmäßigen Charakters entkleidet, wenn sie im konkreten Fall gescheitert ist (dazu auch RIS‑Justiz RS0090114).

[11] Die Herbeiführung einer Feuersbrunstdurch Legen von Papier auf eine eingeschaltete Herdplatte eines Mehrfamilienhauses ist aus der Sicht eines mit Durchschnittswissen ausgestatteten Beobachters nicht ausgeschlossen. Die intendierte Herbeiführung einer Feuersbrunst scheiterte fallkonkret lediglich an der zu geringen Menge des eingesetzten Materials und der fehlenden Nähe der Herdplatte zu anderen brennbaren Materialien. Demzufolge ist der (fehlgeschlagene) Versuch (nicht als absolut, sondern) nur als relativ untauglich zu beurteilen.

[12] Auf der Basis der Feststellungen des Erstgerichts (US 4 ff) hat die Angeklagte somit jeweils den Tatbestand der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB erfüllt.

[13] Aus dem erfolgreich geltend gemachten Rechtsfehler resultiert die Kassation des Schuldspruchs II B, die Aufhebung der dazu gebildeten Subsumtionseinheit sowie jene des Strafausspruchs und des – von diesem abhängigen (§ 50 Abs 1 StGB) – Beschlusses auf Anordnung der Bewährungshilfe (ON 58).

[14] Ein Eingehen auf das weitere, denselben Schuldspruch betreffende, Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich daher.

[15] Da die Verteidigung innerhalb der ihr insoweit vom Obersten Gerichtshof eingeräumten Frist hinsichtlich der in Rede stehenden Feststellungen keine Begründungs- oder Verfahrensmängel oder erhebliche Bedenken deutlich und bestimmt bezeichnete und auch bei der diesbezüglichen amtswegigen Prüfung keine solchen Fehler zu Tage traten, waren diese Feststellungen der Entscheidung in der Sache selbst (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO) zugrunde zu legen (RIS‑Justiz RS0114638 [T2]).

[16] Zur Neubemessung der über die – zum Gerichtstag (bei nicht gegebener Überprüfbarkeit der Zustellung der Ladung) nicht erschienene – Angeklagte zu verhängende Sanktion war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg zu verweisen.

[17] Dabei wird das Gericht in Ansehung des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II A) die diesbezügliche Subsumtionseinheit (§ 29 StGB) neu zu bilden haben.

[18] Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

[19] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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