European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00020.23G.0906.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten * S* zu I/D, demgemäß auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Mit seiner gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufung wird der Angeklagte S* auf die Aufhebung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten G* sowie des Angeklagten S*, Letztere soweit sie sich gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche richtet, werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden und die amtswegige Maßnahme von Bedeutung – * S* jeweils eines Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (I/A) und der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (I/B), ferner je eines Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1(Abs 5 Z 4 und 5) StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (I/C/a) und nach § 159 Abs 2(Abs 5 Z 4) StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (I/C/b) sowie des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und 2 StGB (I/D) und * G* jeweils eines Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (II/A) sowie der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (II/B) schuldig erkannt.
[2] Danach haben in O* und an anderen Orten
(I) * S* als handelsrechtlicher (US 16) Geschäftsführer der SP* GmbH (in der Folge SP* GmbH),
A) mithin als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person, Bestandteile des Vermögens dieser Gesellschaft beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er
a) vom Jahr 2012 bis zum 28. September 2016 regelmäßig hohe Bargeldbeträge von den Bankkonten der Gesellschaft abhob und Entnahmen aus der Kassa tätigte, diese Beträge im buchalterischen Rechenwerk der Gesellschaft auf dem Konto „2772 Verrechnungskonto S*“ verbuchte, zur Verschleierung seiner Entnahmen Umbuchungen auf das Konto „2783 Verrechnungskonto BGR B*“ in Höhe von 560.000 Euro vornahm und einen Betrag in dieser Höhe für private Zwecke (US 23) verwendete, und
b) vom 12. Oktober 2016 bis zum 20. Oktober 2016 insgesamt 30.000 Euro von einem Bankkonto der Gesellschaft abhob und für private Zwecke (US 24) verwendete,
wobei er durch die Tat einen 300.000 Euro übersteigenden, 590.000 Euro betragenden Schaden herbeiführte,
B) durch die zu I/A angeführten regelmäßigen Behebungen von Bargeld von den Konten des Unternehmens und dessen private Verwendung seine Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen oder sie zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die genannte Gesellschaft am Vermögen geschädigt, wobei er durch die Tat einen 300.000 Euro übersteigenden, 590.000 Euro betragenden Schaden herbeiführte,
C) mithin als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person, grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) durch kridaträchtiges Handeln, und zwar, indem er Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen so führte, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft erheblich erschwert wurde, und sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihm einen solchen Überblick verschaffen, unterließ, indem die Geschäftsfälle und Transaktionen hinsichtlich der erfolgten Bargeschäfte mangelhaft und unvollständig erfasst und abgebildet wurden (§ 159 Abs 5 Z 4 StGB),
a) vom Jahr 2012 bis Ende Februar 2016 die Zahlungsunfähigkeit der SP* GmbH herbeigeführt, wobei er zudem auch Jahresabschlüsse, zu deren Erstellung er verpflichtet war (US 31), auf eine solche Weise erstellte, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der genannten Gesellschaft erheblich erschwert wurde (§ 159 Abs 5 Z 5 StGB), und
b) von Ende Februar 2016 bis zum 20. Oktober 2016 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der SP* GmbH die Befriedigung wenigstens eines der Gläubiger der Gesellschaft vereitelt oder geschmälert, sowie
D) vom 1. Jänner 2016 bis zum 20. Oktober 2016 der N* als berechtigtem Versicherungsträger Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung von insgesamt 75.342,75 Euro vorenthalten;
(II) * G* als angestellter Bauleiter, faktischer und (seit 28. September 2016) handelsrechtlicher Geschäftsführer (US 16 bis 18, 34 iVm ON 78 S 19) der SP* GmbH
A) seine Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen oder sie zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die genannte Gesellschaft in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 236.064,13 Euro am Vermögen geschädigt, indem er
1) vom 9. Juli 2013 bis zum 23. November 2016 Arbeitnehmer und Subunternehmer der genannten Gesellschaft auf deren Kosten für eigene Zwecke, nämlich zur Durchführung von Bauarbeiten auf von ihm betriebenen und angebotenen Baustellen, einsetzte, die durchgeführten Bauleistungen den Kunden gegenüber abrechnete, jedoch die im Urteil näher dargestellten Bargeld- und Giralgeldzahlungen der Kunden im Gesamtbetrag von 187.014,13 Euro (US 37) nicht dem Gesellschaftsvermögen zuführte, sondern für private Zwecke verwendete (US 36 f),
2) vom 22. November 2016 bis zum 23. November 2016 zwei im Eigentum der Gesellschaft stehende Fahrzeuge im Wert von 43.000 Euro an * H* verschenkte (US 37) und lediglich zum Schein den Erhalt eines Kaufpreises in dieser Höhe bestätigte,
3) am 11. November 2016 5.000 Euro an H* mit dem Verwendungszweck „Darlehensrückzahlung“ vom Gesellschaftskonto überwies, obwohl ihm dieses Darlehen zuvor persönlich gewährt worden war, und
4) am 29. November 2016 ohne betriebliche Veranlassung 1.050 Euro vom Gesellschaftskonto auf sein Privatkonto überwies, um damit die Miete seines Privathauses zu bezahlen, sowie
B) mithin als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person, durch die zu II/A angeführten Handlungen Bestandteile des Vermögens der SP* GmbH verheimlicht, beiseite geschafft und veräußert und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei er durch die Tat einen Schaden von 236.064,13 Euro herbeiführte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Ihre dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen die Angeklagten S* und G* jeweils auf Z 5, Ersterer überdies auf Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO.
Zur amtswegigen Maßnahme:
[4] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil einen nicht geltend gemachten Rechtsfehler (Z 9 lit a) zum Nachteil des Angeklagten S* aufweist, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
[5] Denn zu I/D des Schuldspruchs enthält das Urteil keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und 2 StGB (vgl US 33; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153c Rz 22). Die bloße Erwähnung der diesbezüglich geständigen Verantwortung des S* im Rahmen der Beweiswürdigung (US 71), vermag die fehlenden Konstatierungen nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0114639 [T10a]).
[6] Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert die Aufhebung des Urteils im Schuldspruch des Angeklagten S* zu I/D und demzufolge auch im Strafausspruch dieses Angeklagten sowie die Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 StPO).
[7] Ein Eingehen auf das zu I/D erstattete Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* erübrigt sich demgemäß.
Hinzugefügt sei:
[8] Nach den Urteilskonstatierungen (US 33) wurden Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung von insgesamt 75.342,75 Euro der N* vorenthalten, wovon der Angeklagte S* am 9. August 2022 7.443,86 Euro an die (nunmehr) Ö* leistete. Bei letztgenanntem Betrag handelte es sich um eine Zahlung in Höhe der Quote, die im Zuge des Insolvenzverfahrens ausgeschüttet wurde. Auch in einer solchen Konstellation einer späteren Insolvenz des Dienstgebers erfordert eine Strafaufhebung (§ 153c Abs 3 StGB) die Entrichtung der gesamten ausstehenden Beiträge (dazu eingehend Bugelnig SbgK § 153c Rz 118 ff mwN).
[9] Klarzustellen ist weiters, dass die Urteilsfeststellungen zum Schuldspruch zu I/A die Annahme der Qualifikation nach § 156 Abs 2 StGB nicht tragen, weil Feststellungen fehlen, nach denen jener Befriedigungsausfall, den Gläubiger in Ansehung ihrer zur jeweiligen Tatzeit bereits bestehenden Forderungen aufgrund nach § 156 Abs 1 StGB tatbestandsmäßiger Verhaltensweisen des Angeklagten erlitten oder – von dessen Vorsatz umfasst – erleiden sollten (§ 15 StGB), insgesamt (§ 29 StGB) 300.000 Euro überstieg (RIS‑Justiz RS0133786; insb 13 Os 59/21g).
[10] Der Schuldspruch umfasst nämlich vorliegend eine unbestimmte Mehrzahl von 2012 bis zum 28. September 2016 gesetzter (Einzel‑)Taten (US 2, 23: „regelmäßig hohe Bargeldbeträge“) sowie weitere Behebungen vom Konto des Unternehmens in Höhe von 30.000 Euro von 12. bis 20. Oktober 2016 (US 22 ff). Nach den Feststellungen war die Gesellschaft zwar während des gesamten Tatzeitraums Schuldnerin mehrerer Gläubiger (US 23). Die Forderungen, hinsichtlich derer Gläubiger letztlich einen (tatkausalen) Befriedigungsausfall erlitten, waren aber erst frühestens im Wirtschaftsjahr 2015 entstanden (US 18 ff [US 19, 21 f] iVm US 33).
[11] Die insoweit undifferenzierte Urteilsaussage, die Gläubiger der SP* GmbH hätten einen Befriedigungsausfall im Ausmaß von 590.000 Euro erlitten (US 25 f), reicht zur vorgenommenen Subsumtion nicht aus.
[12] Bleibt dazu anzumerken, dass die Tatrichter von einer Verringerung des Vermögens der Gesellschaft schon durch die inkriminierten Behebungen von deren Konten sowie durch Bargeldentnahmen aus der Kassa und damit der Sache nach davon ausgingen, dass diesen kein Gegenwert in Form einer – auf dem Verrechnungskonto des Angeklagten ausgewiesenen – werthaltigen (einbringlichen) Forderung des Unternehmens gegen diesen gegenüberstand (US 19, 23, 25; vgl dazu Kirchbacher in WK² § 156 Rz 10), womit sie die am 31. Dezember 2015 auf seine Veranlassung vorgenommene Umbuchung des Saldos auf dem Verrechnungskonto auf ein Lieferantenkonto rechtlich zutreffend als (strafrechtlich irrelevante) „Verschleierung“shandlung beurteilten (US 2, 23).
[13] Wenngleich die verfehlte Subsumtion keinen Anlass zu amtswegigem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bietet, weil sich diese – mit Blick auf den bestehen bleibenden Schuldspruch wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (I/B/1) – nicht auf den Strafrahmen ausgewirkt und auch sonst keine nachteilige Wirkung nach sich gezogen hat (vgl Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff), ist das Erstgericht aufgrund der hier getroffenen Klarstellung bei der Fällung des Urteils im zweiten Rechtsgang insoweit nicht an seinen eigenen Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz gebunden (RIS‑Justiz RS0129614 [T1]).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* im verbleibenden Umfang:
[14] Soweit die Rüge zu I/A bezogen auf die Feststellung zur Verringerung des Gesellschaftsvermögens um 560.000 Euro durch Verwendung dieses Betrags für private Zwecke durch den Angeklagten S* (US 23) Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mit dem Vorbringen behauptet, bei der „Erstattung des Gutachtens“ habe durch „fehlende Teile der Belegsammlung“, insbesondere des Belegs betreffend die Umbuchung von 560.000 Euro („UB 47“) der Sachverhalt „nicht eindeutig geklärt werden“ können, „der Sachverständige“ habe eine Zeugenaussage „nicht entsprechend gewürdigt“ und (zusammengefasst) eine ausreichende Aufklärung betreffend den Verbleib des genannten Umbuchungsbelegs unterlassen, übt sie der Sache nach Kritik an der Befundaufnahme des gerichtlich bestellten Sachverständigen Mag. * Ge*, die aber nicht Gegenstand des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ist. Insoweit wäre es Sache der Verteidigung gewesen, (sodann durch § 281 Abs 1 Z 4 StPO geschützte) Anträge im Sinn des § 127 Abs 3 StPO zu stellen.
[15] Der Einwand, es seien in Bezug auf den relevierten Umbuchungsbeleg bestimmte Details der Aussagen der Zeugen * B* und * Sc* unerörtert geblieben, übergeht die Urteilserwägungen (US 55 bis 66 [US 59 bis 61]) in ihrer Gesamtheit (siehe aber RIS‑Justiz RS0119370).
[16] Das übrige Vorbringen unterzieht einzelne – von den Tatrichtern berücksichtigte (insb US 55 bis 66) – Verfahrensergebnisse, nämlich die Verantwortung des Angeklagten G* und die Aussagen der beiden obangeführten Zeugen einer eigenständigen Bewertung und entwickelt auf deren Grundlage für den Angeklagten S* günstige Schlüsse. Damit erschöpft es sich in einem Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[17] Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431 [T1]).
[18] Indem die Rüge zu I/C die Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der SP* GmbH, zu deren Herbeiführung durch den Angeklagten und zu dessen kridaträchtigen Handlungen (US 29 ff) mit der Argumentation bekämpft, dass sich die diesbezüglichen Erwägungen der Tatrichter (US 67 ff iVm US 52 ff) „aktenwidrig“ auf ein „gesetzwidrig erstattet[es]“ Sachverständigengutachten stützten, weil dieses (zusammengefasst) in seiner Methodik „nicht dem Stand der Technik zu entsprechen erscheint“, die Berechnung der Zahlungsunfähigkeit „rätselhaft“ und die Ausführungen des Sachverständigen „schlichtweg falsch“, teils „nicht von Relevanz“ seien, zieht sie bloß abweichende Schlüsse von jenen, die die Tatrichter, die dieses Gutachten des Sachverständigen Mag. Ge* (ON 78 und ON 134 S 8 ff) als „schlüssig und nachvollziehbar“ erachteten (US 52), in freier Beweiswürdigung gezogen haben. Damit zeigt sie aber Aktenwidrigkeit im Sinn eines Fehlzitats in den Entscheidungsgründen gerade nicht auf (RIS‑Justiz RS0099431, RS0099524).
[19] Offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) wurde – zu Recht (RIS‑Justiz RS0097433, RS0099508, RS0119301, RS0097360) – nicht mit Bestimmtheit geltend gemacht.
[20] Im Übrigen hat der Angeklagte S* nach Erörterung und Ergänzung des Gutachtens in der Hauptverhandlung (ON 134 S 8 ff) weder eine Mangelhaftigkeit (§ 127 Abs 3 StPO) desselben aufgezeigt noch eine Überprüfung von Befund und Gutachten durch einen weiteren Sachverständigen beantragt (vgl Hinterhofer, WK‑StPO § 127 Rz 30 ff; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 351 mwN; vgl dazu für viele 14 Os 107/19w, jüngst 13 Os 83/22p).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G*:
[21] Die ausschließlich gegen den Schuldspruch zu II/A/1 gerichtete Mängelrüge (Z 5) verfehlt zur Gänze die Ausrichtung am Verfahrensrecht.
[22] Das Vorbringen, das Erstgericht habe sich nicht „im Detail“ mit „Schwarzgeldverwendungen“ auseinander gesetzt und die Ausführungen des Sachverständigen hierzu unberücksichtigt gelassen (Z 5 zweiter Fall), übergeht zum einen die diesbezüglichen Urteilserwägungen in ihrer Gesamtheit (US 71 ff; siehe aber erneut RIS‑Justiz RS0119370) und zum anderen das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).
[23] Soweit die Rüge der Sache nach bloß Kritik am Gutachten des Sachverständigen Mag. Ge* übt, indem sie es als „in sich widersprüchlich“ bezeichnet und moniert, der Sachverständige hätte es „revidieren oder klarstellen müssen“, bleibt auf die obigen Ausführungen zur Geltendmachung einer Mangelhaftigkeit von Gutachten zu verweisen.
[24] Der Einwand, aus den Ausführungen des Sachverständigen könne vom Erstgericht ein bestimmter Schluss nicht gezogen werden, und das Anstellen eigener Plausibilitätserwägungen zur Mittelverwendung erschöpfen sich in – im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässiger – Beweiswürdigungskritik nach Art einer Schuldberufung.
[25] Die Behauptung, es ergebe sich aus der Beweiswürdigung keine Begründung für die Feststellungen, nach denen der Angeklagte G* Arbeiter, Material und Subunternehmer der SP* GmbH zur Erbringung der Zusatzleistungen und Erfüllung der Sonderwünsche verwendete (US 35), wobei dazu auch kein Beweisergebnis vorliege, und der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung der Konstatierungen zur Verwendung der inkassierten Beträge für private Zwecke (US 36 f; beides Z 5 vierter Fall), lassen ein weiteres Mal die genau dazu angestellten – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit übrigens unbedenklichen (RIS-Justiz RS0099413) – beweiswürdigenden Erwägungen (US 71 ff [US 75, 77]) außer Acht (erneut RIS‑Justiz RS0119370; vgl auch RS0098362).
[26] Das Vorbringen, die Tatrichter hätten sich mit „einige[n] Urkunden“, die „mit Schriftsatz vom 3. 6. 2022 […] vorgelegt“ worden seien, nicht auseinandergesetzt, entzieht sich schon deshalb einer inhaltlichen Erwiderung, weil es die Beweismittel und die Fundstellen nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (siehe aber RIS‑Justiz RS0124172 [T7, T8, T9]) und zudem deren Vorkommen in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO) nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0118316 [insb T4]; vgl im Übrigen US 55).
[27] Das Fehlen von Feststellungen kann mit Mängelrüge nicht geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0128974).
[28] Das Argument, „im Falle eines Freispruchs“ zu II/A/1 sei auch zu II/B von einer „deutlich geringeren Schadenssumme auszugehen“, bezeichnet keinen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt.
[29] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in diesem Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[30] Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung war der Angeklagte S* auf die Kassation zu verweisen.
[31] Über die gegen den Privatbeteiligtenzuspruch gerichtete Berufung des Angeklagten S*, die im rechtskräftig gewordenen Teil des Schuldspruchs Deckung findet, sowie über die Berufung des Angeklagten G* hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).
[32] Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst, beruht auf § 390a Abs 1 StPO (Lendl,WK-StPO § 390a Rz 12).
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