OGH 6Ob95/23y

OGH6Ob95/23y30.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei G* GmbH, *, vertreten durch Mag. Helmut Scheuch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M* E*, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 9.050 EUR sA (AZ 10 C 26/21f) und 14.038 EUR sA (AZ 10 C 134/21p), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 15. November 2022, GZ 21 R 76/22g‑42, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 11. März 2022, GZ 10 C 26/21f, 10 C 134/21p‑37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00095.23Y.0830.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.489,86 EUR (darin enthalten 248,31 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

[2] Der Beklagte betreut Meldestellen (die zentralen Verwaltungsstellen) bei Reitturnieren.

[3] Die Klägerin hat sich auf die Erstellung von Softwareprogrammen spezialisiert. Sie war Teil der G* (G*)‑Gruppe, die in Summe sechs Gesellschaften umfasste. Muttergesellschaft war die G* Holding * mit Sitz in Liechtenstein. P* F* war von 10. 11. 2010 bis 12. 8. 2013 einzelunterschriftsberechtigter Verwaltungsrat dieser Gesellschaft, die in dieser Zeit in ihrem Anlagevermögen jeweils 100 % der Anteile an der Klägerin und der G* GmbH (im Folgenden G* 2) hielt. G* K* war alleiniger wirtschaftlich Berechtigter der G* Holding * und während der gesamten Tätigkeit des P* F* als Verwaltungsrat derselben allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der Klägerin und der G* 2 sowie wirtschaftlicher Alleineigentümer beider Gesellschaften. P* F* erteilte G* K* die Ermächtigung und Zustimmung, Aufträge innerhalb der Firmengruppe im eigenen Ermessen zu vergeben und Softwareentwicklungsverträge zwischen den Tochter-unternehmen sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Auftragnehmerseite zu unterfertigen.

[4] Am 15. 1. 2013 schlossen die Klägerin und die G* 2 eine Vereinbarung über den Support bei der Softwareentwicklung einer Turnierverwaltung für den Pferdereitsport (Meldestellensoftware). Darin wurde vereinbart, dass die G* 2 mindestens 300 Personenstunden an Dienstleistung pro Jahr für die Klägerin erbringen konnte und die Klägerin alle Rechte an allen entwickelten Softwarekomponenten und auch an allfälligen Updates und Änderungen behielt beziehungsweise erwarb. Zwischen den beiden verbundenen Unternehmen wurde darin auch die Vergütung der zu erbringenden Leistungen in Form einer Gegenverrechnung vereinbart, sodass die Klägerin nur mehr 80 % anstatt (wie bisher) 100 % der Kostenstellenweiterverrechnung auf G* 2 umlegte. Insbesondere davon betroffen war die Weiterverrechnung des von der G* 2 benutzten Fuhrparks. Für einen Zeitraum von drei Jahren ergab das geschätzt einen Wert von 900 bis 1.000 Stunden. Beim Abschluss dieser Vereinbarung wurden beide Gesellschaften durch ihren damaligen Geschäftsführer G* K* vertreten, der die Vereinbarung für beide Gesellschaften unterschrieb.

[5] Die Klägerin übernahm in der Folge entsprechend dieser Vereinbarung die Finanzierung der zu entwickelnden Software. Die G* 2 ersparte sich dadurch, Kosten in Höhe von etwa 43.000 EUR an die Klägerin abzuführen. Dies entsprach jenen Kosten, die der G* 2 für die Erstellung der Software und die Bezahlung der damit verbundenen Rechnung anfielen.

[6] Diese Meldestellensoftware ging erstmals im März 2015 in Betrieb und wird von der Klägerin und vom Beklagten weiter eingesetzt. Bis Mai 2017 bestand eine aktive Zusammenarbeit zwischen den Parteien. Vereinbart war, dass der Beklagte die Software verwenden dürfe und dafür eine Softwaremiete in Höhe von 100 EUR pro Turniertag an die Klägerin abführen müsse. Bis Mai 2017 hielt sich der Beklagte an diese Vereinbarung. Danach brach er die Zusammenarbeit ab und stellte die Bezahlung der Softwaremiete an die Klägerin ein. Er betreute aber weiterhin Reitsportturniere als Meldestelle bzw beauftragte andere Personen, in seinem Namen als Meldestelle zu fungieren, wobei jeweils die Software der Klägerin verwendet wurde.

[7] Bereits im Herbst 2013 war die G* 2 von der S‑* GmbH als Eigentümerin übernommen und im Oktober 2014 ein neuer Geschäftsführer bestellt worden. Im April 2018 und (neuerlich) im September 2020 erklärte die G* 2, dem Beklagten das alleinige Nutzungsrecht an der Turniersoftware, rückwirkend zum 1. 7. 2015, zu übertragen.

[8] Die Klägerin begehrt die Softwaremiete für konkret aufgeschlüsselte Turniertage seit Mai 2017. Ab März 2018 verrechnete sie dem Beklagten 108 EUR Softwaremiete pro Turniertag und ab 18. 7. 2019 eine 50 %ige Preissteigerung.

[9] Die Beklagte wendete – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – ein, er habe von der G* 2 das alleinige Nutzungsrecht eingeräumt erhalten. Die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der G* 2 vom 15. 1. 2013 stelle ein unzulässiges Insichgeschäft dar und sei rechtsunwirksam.

[10] Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von 21.800 EUR statt und wies das Mehrbegehren (rechtskräftig) ab. Aufgrund der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der G* 2 vom 15. 1. 2013 komme der Klägerin das unbeschränkte Werknutzungsrecht an der Software zu. Auch wenn diese Vereinbarung grundsätzlich als Insichgeschäft zu werten sei, sei sie gültig abgeschlossen worden, weil G* K* wirtschaftlicher Alleineigentümer sowohl der Klägerin als auch der G* 2, aber auch alleiniger wirtschaftlicher Berechtigter deren Muttergesellschaft gewesen sei. Eine Interessenkollision sei daher auszuschließen. Die G* 2 habe das Werknutzungsrecht daher nicht wirksam an den Beklagten übertragen können. Der Beklagte sei daher vertraglich zur Zahlung der vereinbarten Softwaremiete von 100 EUR pro Turniertag verpflichtet. Der einseitig ab März 2018 erhöhte Betrag stehe der Klägerin mangels diesbezüglicher Vereinbarung jedoch nicht zu, weshalb das Mehrbegehren abzuweisen sei.

[11] Das nur vom Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils. Zwar handle es sich grundsätzlich um ein Insichgeschäft, weil G* K* im Zeitpunkt des Abschlusses alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer sowohl der Klägerin als auch der G* 2 gewesen sei. Allerdings sei dem Erstgericht beizupflichten, dass wegen der wirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse eine Interessenkollision der beiden Gesellschaften nicht vorliege. Darüber hinaus liege aber auch eine Zustimmung der Gesellschafterin der beiden Gesellschaften, der G* Holding *, vor. Die von P* F* eingeräumte Ermächtigung sei in diesem Zusammenhang ausreichend. Der Klägerin sei durch die Vereinbarung vom 15. 1. 2013 daher das Werknutzungsrecht an der Software übertragen worden. Mit den zeitlich späteren Vereinbarungen habe die G* 2 dem Beklagten diese Werknutzungsrechte daher nicht neuerlich übertragen können.

[12] Das Berufungsgerichtließ die ordentliche Revision auf Antrag des Beklagten nachträglich zu, weil zur Frage, ob bei einer Doppelvertretung zweier GmbH eine Interessenkollision dann nicht gegeben sei, wenn der Vertreter beider GmbH auch deren wirtschaftlicher Alleineigentümer sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die dagegen gerichtete Revision des Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[14] 1.1. Bereits das Berufungsgericht hat die hier einschlägigen Rechtsprechungsgrundsätze zur Doppel-vertretung dargestellt, die die Revision auch nicht bezweifelt.

[15] Demnach wird ein Fall einer Doppelvertretung, wenn also ein Vertreter für zwei Vertretene, für die er vertretungsberechtigt ist, ein Geschäft abschließt, ebenso wie das Selbstkontrahieren im engeren Sinn nach herrschender Terminologie unter dem Oberbegriff des Insichgeschäfts zusammengefasst (RS0019621). Insichgeschäfte sind nur insoweit zulässig, als keine Interessenkollision droht und der Abschlusswille derart geäußert wird, dass die Erklärung unzweifelhaft feststeht und nicht unkontrollierbar zurückgenommen werden kann. Sie sind zulässig, wenn das Geschäft dem Vertretenen nur Vorteile bringt, keine Gefahr der Schädigung des Vertretenen besteht oder dieser einwilligt. Soweit die Gefahr einer Interessenkollision droht, handelt der Machthaber bei Doppelvertretung ebenso wie bei Selbstkontrahieren im engeren Sinn insoweit ohne Vertretungsmacht (RS0038756 [T5, T6]). Keine Gefahr einer Interessenkollision besteht, wenn der gefährdete Vertretene dem Geschäftsabschluss – sei es durch vorherige Einwilligung, sei es durch nachträgliche Genehmigung – zugestimmt hat (6 Ob 298/05z; RS0019350). Die Zustimmung oder Genehmigung zu einem Insichgeschäft kann nicht wieder vom Vertreter erteilt werden; geht es um die Ausübung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer GmbH und ist nur ein einziger Geschäftsführer bestellt, dann muss entweder ein allfälliger Aufsichtsrat zustimmen oder die Gesellschafter selbst müssen vorher oder nachträglich die Genehmigung erteilen (vgl 6 Ob 11/18p [ErwGr 2.3.]), wozu allerdings die Einhaltung der für das Zustandekommen von Gesellschaftsbeschlüssen bestehenden Formvorschriften nicht erforderlich ist (RS0059772; RS0059477). Auf die Zustimmung (auch) eines – wie die Revision einräumt überdies lediglich kollektivvertretungsbefugten (vgl 6 Ob 11/18p [ErwGr 2.3.]) – Prokuristen kommt es nicht an (vgl RS0109669).

[16] 1.2. Nach den Feststellungen stellte G* K* dem Verwaltungsrat der G* Holding E* P* F* im Dezember 2012 das prozessgegenständliche Softwareentwicklungsprojekt vor, wobei sie übereinkamen, dass bei Softwareentwicklungs-projekten, die von einem der Tochterunternehmen der Holding initiiert und auf deren Kosten an ein anderes Tochterunternehmen innerhalb der G*-Gruppe in Auftrag gegeben werden, stets dem auftraggebenden und die Kosten tragenden Unternehmen sämtliche Rechte der entwickelten Software, insbesondere die alleinigen Nutzungs- und Verwertungsrechte, verbleiben bzw zukommen. P* F* erteilte G* K* die Ermächtigung und Zustimmung, Aufträge innerhalb der Firmengruppe im eigenen Ermessen zu vergeben und Softwareentwicklungsverträge zwischen den Tochterunternehmen sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Auftragnehmerseite zu unterfertigen. In der Vereinbarung der Klägerin mit der G* 2 vom 15. 1. 2013 war die Kostenübernahme der von der G* 2 für die Erstellung der Software zu erbringenden Leistungen durch die Klägerin vorgesehen, die auch tatsächlich erfolgte.

[17] 1.3. Das Berufungsgericht war der Auffassung, dadurch habe die Alleingesellschafterin der Klägerin und der G* 2 der Doppelvertretung bei der Vereinbarung vom 15. 1. 2013 zugestimmt, womit diese wirksam sei. Eine Zustimmung der weiteren Verwaltungsräte der G* Holding * sei nicht erforderlich gewesen.

[18] Die Revision zieht die Alleinvertretungsbefugnis des P* F* für die G* Holding * nicht in Zweifel. Es steht auch weder fest noch wurde behauptet, dass dieser – etwa infolge Ausführung einer Weisung – keinen selbständigen rechtsgeschäftlichen Willen als Vertreter der G* Holding * gebildet habe (vgl 5 Ob 99/02y). Weshalb im vorliegenden Fall eine bei der zu beurteilenden Doppelvertretung der Tochtergesellschaften behauptete Interessenkollision auch auf der Ebene der G* Holding * als deren Muttergesellschaft bestehen sollte, die eine Zustimmung auch der weiteren einzelvertretungsbefugten Verwaltungsräte erfordern würde (vgl etwa 6 Ob 175/98y), legt die Revision nicht dar. Damit versäumt sie es, insoweit eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

[19] 1.4. P* F* erteilte seine Zustimmung, die zwar gattungsmäßig formuliert war, gerade anlässlich des gegenständlichen Softwareprojekts. Von einer bloßen “im Vorhinein erteilten allgemeinen Generalzustimmung" kann angesichts der festgestellten Umstände somit nicht gesprochen werden, sodass sich die Frage der Zulässigkeit einer solchen hier nicht stellt (vgl zur generellen Zustimmung zum Abschluss von Insichgeschäften schon im Gesellschaftsvertrag 6 Ob 10/92). Dass die Vereinbarung vom 15. 1. 2013 inhaltlich über die erteilte Zustimmung hinausging, behauptet die Revision ohnehin nicht.

[20] 1.5. Bereits das Berufungsgericht wies auch darauf hin, dass ein entsprechender Manifestationsakt in Form der schriftlichen Vertragsurkunde (vgl 6 Ob 298/05z) vorlag und daher der Abschlusswille dergestalt geäußert worden sei, sodass das Geschäft nicht ohne weiteres unbemerkt zurückgenommen werden habe können. Dagegen führt die Revision keine Argumente ins Treffen.

[21] 1.6. Ob die Vereinbarung vom 15. 1. 2013 auch deshalb wirksam abgeschlossen wurde, weil bei der hier zu beurteilenden Doppelvertretung aufgrund der wirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse keine Interessenkollision bestand, ist nicht mehr entscheidend und kann dahinstehen.

[22] 2. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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