OGH 6Ob10/92

OGH6Ob10/9211.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Firmenanfallssache der Nikolaus K*****gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Sitz in I*****, vertreten durch Dr. Bernt Strickner, Rechtsanwalt in Innsbruck, infolge Revisionsrekurses der Gesellschaft gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 24. Februar 1992, GZ 3 R 31/92-6, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Innsbruck vom 22. Jänner 1992, GZ Fa 22/91-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit dem durch Notariatsakt beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 14. 1. 1992 wurde die "Nikolaus K*****gesellschaft mbH" mit dem Sitz in I***** gegründet. Gesellschafter sind Nikolaus K***** und Alexandra W*****. Punkt V Z 4 des Gesellschaftsvertrages bestimmt, daß Nikolaus K***** zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt und ihm die Befugnis eingeräumt wird, die Gesellschaft auch bei Geschäften mit sich selbst persönlich zu vertreten (Selbstkontrahierungsbefugnis).

Mit der am 17. 1. 1992 beim Erstgericht eingelangten Eingabe beantragte Nikolaus K***** unter anderem auch die Eintragung seiner Bestellung als Geschäftsführer mit dem Beisatz "Selbständige Vertretungsbefugnis ab Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch, Befugnis zum Selbstkontrahieren".

Das Erstgericht verfügte die Vornahme der beantragten Eintragungen mit Ausnahme der Befugnis des Geschäftsführers zum Selbstkontrahieren, ohne über letzteres ausdrücklich abzusprechen.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs keine Folge und wies den Antrag auf Eintragung der Befugnis des Geschäftsführers zum Selbstkontrahieren in das Firmenbuch ab.

Es führte aus, die Auffassung des Rekurswerbers, daß eine solche eingeräumte Befugnis in das Firmenbuch einzutragen sei, entspreche der in Deutschland herrschenden Lehre und Rechtsprechung, die für das österreichische Recht auch von Reich-Rohrwig aus Gründen der Publizität vertreten werde. Die Rechtslage sei jedoch nicht gleich gelagert. § 181 BGB enthalte das ausdrückliche Verbot von Insich-Geschäften. Werde einem Geschäftsführer die Befugnis zum Selbstkontrahieren erteilt, so sei darin in Deutschland eine Erweiterung des gesetzlichen Umfanges der Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer GesmbH zu erblicken, während in Österreich ein solches Kontrahierungsverbot nicht bestehe und nach § 3 Z 8 FBG bei den vertretungsbefugten Personen nur "die Art ihrer Vertretungsbefugnis" einzutragen sei. Nach dem Ausschußbericht solle dies bedeuten, daß anzugeben sei, ob Einzelvertretung oder Gesamtvertretung und in welcher Kombination der vertretungsbefugten Personen eine Gesamtvertretung vorgesehen sei. Daß unter dem Begriff "Art ihrer Vertretungsbefugnis" auch inhaltliche Erweiterungen der Vollmacht einer vertretungsbefugten Person zu subsumieren seien, scheine nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen zu sein. Das Firmenbuch würde durch Aufnahme zuvieler Informationen an Übersichtlichkeit verlieren. Da Selbstkontrahieren in Österreich jedenfalls mit Zustimmung eines anderen Organes, aber auch dann, wenn die Interessen der vertretenen GesmbH nicht gefährdet seien, zulässig sei, müsse mit zulässigen und gültigen Insich-Geschäften, auch zu Lasten der Gläubiger, gerechnet werden. Eine besondere Eintragung, die im Gesetz nicht vorgesehen sei, erweise sich daher nicht als unbedingt erforderlich. Eine von Fall zu Fall erteilte Ermächtigung zu Insich-Geschäften könne genauso zur Gläubigerschädigung führen und entziehe sich der Publizität durch das Firmenbuch. Eine Analogie zur Eintragung einer dem Prokuristen erteilten "Immobiliarklausel", die sich bis zum Inkrafttreten des FBG auf die Bestimmung des § 43 Z 6 lit d HRV gestützt habe, komme nicht in Betracht, weil es sich dabei um eine Abweichung vom gesetzlichen Umfang der Vollmacht des Prokuristen handle.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Möglichkeit der Eintragung der Befugnis des Geschäftsführers einer GesmbH zum Selbstkontrahieren in das Firmenbuch nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.

Zutreffend hat das Rekursgericht darauf verwiesen, daß, anders als nach deutschem Recht, im österreichischen Privatrecht eine allgemeine Regelung, ob und in welchem Umfang Selbstkontrahieren zulässig sei, nicht enthalten ist. Es entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der herrschenden Lehre, daß der alleinige Geschäfsführer einer GesmbH jedenfalls dann namens der Gesellschaft mit sich selbst kontrahieren kann, wenn der Vertretene vorher oder nachträglich zugestimmt hat oder wenn das Geschäft nur Vorteile für die vertretene Gesellschaft mit sich bringt, eine Gefährdung der Interessen der Gesellschaft auszuschließen ist und durch eine klare Abgrenzung von Gesellschafts- und Privatvermögen durch strenge Anforderungen an den Nachweis von Insich-Geschäften (Einhaltung sachenrechtlicher Übergabeanforderungen, Aufnahme in die Geschäftsbücher, so daß eine einseitige Rückgängigmachung ausgeschlossen ist) die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird (NZ 1988, 54; SZ 54/57; SZ 54/20 je mwN; Koziol-Welser8 I 169 ua).

Nach § 3 Z 8 FBG ist bei den vertretungsbefugten Personen "die Art ihrer Vertretungsbefugnis" einzutragen. Darunter ist - wie schon nach der früheren Rechtslage - zu verstehen, daß einzutragen ist, ob Einzelvertretung oder Gesamtvertretung und in welcher Kombination der vertretungsbefugten Personen eine Gesamtvertretung gegeben ist. Außer den in § 3 Z 1 bis 15 FBG namentlich angeführten Eintragungen sind nach Z 16 leg cit nur sonstige Eintragungen vorzunehmen, die gesetzlich vorgesehen sind.

Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer GesmbH ist nach dem Gesetz im Außenverhältnis grundsätzlich unbeschränkbar, denn nach § 20 Abs 2 GesmbHG hat eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis gegen dritte Personen keine rechtliche Wirkung. Die generelle Zustimmung der Gesellschafter zum Selbstkontrahieren eines Geschäftsführers, mit der Dritte im geschäftlichen Verkehr grundsätzlich rechnen müssen, stellt daher - anders als nach deutschem Recht - keine Erweiterung des gesetzlichen Umfanges der Vertretungsmacht des Geschäftsführers dar. Das Gesetz bietet somit keine Grundlage für die von der Rekurswerberin begehrte Eintragung.

Für die Bejahung der Eintragungsfähigkeit über die Fälle positiver gesetzlicher Anordnung hinaus aufgrund der Auslegung gesetzlicher Vorschriften durch Analogie oder als Konsequenz richterlicher Rechtsfortbildung (Friedl-Schinko HGB Rz 5 zu § 8) fehlt es an ausreichenden stichhaltigen Gründen. Zunächst muß darauf hingewiesen werden, daß das FBG, das eine veraltete Organisationsstruktur beseitigen sollte und eine weitgehende Rechtsbereinigung und Vereinheitlichung zum Ziel hat, erst vor kurzem in Kraft getreten ist und eine Änderung der Gesetzeslage durch ausdrückliche Determinierung hinsichtlich der Wirksamkeit von Insich-Geschäften nicht vorgenommen wurde. Eine Analogie zu der bisher aufgrund des § 43 Z 6 lit d der HRV (.... abweichend von den gesetzlichen Vorschriften ...) als eintragungsfähig angesehenen "Immobiliarklausel" (Eintragung, daß sich die Prokura auch auf Veräußerung und Belastung von Grundstücken erstrecke) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil beim Geschäftsführer durch Einräumung der Selbstkontrahierungsbefugnis eine im Gesetz vorgesehene Erweiterung seiner Vertretungsbefugnis nach außen nicht Platz greift. Auch das Argument, eine Eintragung sei im Interesse des Gläubigerschutzes geboten (vgl Reich-Rohrwig GesmbH-Recht 121) vermag nicht zu überzeugen. Primärer Zweck der von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze zum Insich-Geschäft ist, wie sich aus der Bestimmung des § 25 Abs 4 GmbHG (nach welcher ein Geschäftsführer der Gesellschaft auch für den ihr aus Rechtsgeschäften erwachsenden Schaden haftet, das er mit ihr im eigenen oder fremden Namen ohne Zustimmung geschlossen hat) ergibt, der Schutz der Gesellschaft. Der Schutz der Gläubiger hat im Abs 5 leg cit seinen Niederschlag gefunden: Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß sie in Befolgung eines Gesellschafterbeschlusses gehandelt haben. Die Gläubiger müssen mit Insich-Geschäften grundsätzlich rechnen, denn es macht rechtlich keinen Unterschied, ob die Ermächtigung zum Selbstkontrahieren in jedem Einzelfall gesondert oder generell im voraus erteilt wird. Die Gläubiger sind, wenn es sich um ein nach den dargelegten Grundsätzen unerlaubtes Insich-Geschäft handelt, auf die Möglichkeiten der Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung, auf einen Haftungsdurchgriff und die strafrechtlichen Vorschriften verwiesen (vgl auch Thöni, Zum Selbstkontrahieren des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Einmann-GesmbH in WBl 1988, 102). Eine Eintragung der im Gesellschaftsvertrag eingeräumten Befugnis des Geschäftsführers zum Selbstkontrahieren (diese könnte jedenfalls durch Einsichtnahme in den Gesellschaftsvertrag festgestellt werden) könnte vielmehr insoweit irreführend sein, als sie für den Laien den - unrichtigen - Anschein erwecken könnte, Selbstkontrahieren des Geschäftsführers sei in jedem Fall erlaubt, weil die Publizität durch Eintragung im Firmenbuch gegeben und dem Gläubiger damit die Gutgläubigkeit genommen sei. Wesentlich für die Sicherheit des Verkehres sind strenge Anforderungen an den Nachweis des Insich-Geschäftes. Diese sind aber in jedem Einzelfall zu stellen und können nicht durch die Eintragung der Selbstkontrahierungserlaubnis im Firmenbuch ersetzt werden. Eine solche durch das Gesetz nicht vorgesehene Eintragung könnte somit auch keinen nennenswerten Beitrag zum Gläubigerschutz und zur Verkehrssicherheit leisten.

Dem Revisionsrekurs war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

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