OGH 1Ob719/80

OGH1Ob719/8018.2.1981

SZ 54/20

Normen

ABGB §154
ABGB §271
ABGB §938
ABGB §1009
ABGB §154
ABGB §271
ABGB §938
ABGB §1009

 

Spruch:

Eine Schenkung des gesetzlichen Vertreters an den Minderjährigen ist nur dann ein zulässiges Insichgeschäft, wenn eine Gefährdung der Rechte des Minderjährigen auszuschließen ist; dies ist bei einer Schenkung von Reitpferden, die auch wirtschaftliche Lasten für den Beschenkten mit sich bringt, nicht der Fall; eine solche Schenkung bedürfte jedenfalls bei praktischer Vermögenslosigkeit des Minderjährigen auch der Genehmigung des Gerichtes

OGH 18. Feber 1981, 1 Ob 719/80 (OLG Graz 6 R 54/80; LG Klagenfurt 21 Cg 208/79)

Text

Im Jahre 1974 kaufte der Vater des minderjährigen Klägers Horst M die Stute Sevilla um den Betrag von 55 000 S und im Sommer 1978 den Hengst Waldemar um 100 000 S. Etwa einen Monat nach dem Kauf des Hengstes gab der Vater des Klägers beim Landespferdezuchtverband Kärnten an, daß der Hengst an den Kläger verkauft worden sei. Die Pferde sind auf dem Landwirtschaftsbesitz der Eltern des Klägers untergebracht, Horst M kommt für die Fütterungskosten der Pferde auf. Die Pferde müssen ständig tierärztlich untersucht werden. Die Mutter des Klägers Ilse M hat für die Tiere eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Ein schriftlicher Schenkungsvertrag zwischen dem Vater und dem Kläger wurde nicht abgeschlossen; es wurde auch beim Pflegschaftsgericht kein Antrag auf Genehmigung eines solchen gestellt. Die Klagsführung wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirchen vom 12. Mai 1980, P 78/80- 2, pflegschaftsbehördlich genehmigt.

Der Kläger begehrt von der Beklagten, einer Apothekerin, den Betrag von 161 404.80 S (150 000 S Wertminderung, 8974 S Kosten tierärztlicher Behandlung und 2430.80 Schmiedekosten) sowie die Feststellung, daß die Beklagte für alle Schäden haftbar sei, die aus der Aushändigung des Medikamentes Nektrotan-Tinktur im November 1978 noch eintreten werden. Der Kläger brachte zur Begründung seines Begehrens vor, er sei auf Grund erfolgter Schenkung Eigentümer der beiden Pferde. Die Beklagte habe zur Behandlung der Pferde eine Nektrotan-Tinktur empfohlen, über deren Wirkung sie offenbar überhaupt nicht oder nur unzureichend informiert gewesen sei. Sie habe dieses Medikament, obwohl es rezeptpflichtig sei, ohne Rezept ausgefolgt. Die Anwendung der Tinktur habe bei den Pferden Entzundungen hervorgerufen, die Stute Sevilla sei lahm geworden. Beide Pferde seien für den Reitsport unbrauchbar. Für den eingetretenen Schaden sei die Beklagte verantwortlich.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil der Kläger nicht Eigentümer der Pferde sei und sie am eingetretenen Schaden kein Verschulden treffe. Sie habe die Mutter des Klägers, die das Medikament gekauft habe, auf die Anwendungsweise hingewiesen. Der Anspruch werde auch der Höhe nach bestritten.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und stellte noch fest, der Vater habe die Pferde für den Kläger erworben, weil dieser gerne reite und mehr Freude habe, wenn die Pferde ihm gehören.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, gemäß § 271 ABGB müsse bei Geschäften zwischen Eltern und Kindern für den Minderjährigen ein besonderer Kurator bestellt werden. Ein Vertrag, der ohne Zustimmung des Kollisionskurators abgeschlossen werde, sei ungültig. Daß im vorliegenden Fall ein Kollisionskurator nicht bestellt worden sei, stehe der Gültigkeit des Schenkungsvertrages zwischen dem Kläger und seinem Vater entgegen. Selbst wenn aber ein Schenkungsvertrag zustande gekommen wäre, hätte er doch gemäß § 154 Abs. 3 ABGB der gerichtlichen Genehmigung bedurft, weil die Schenkung eines Reitpferdes über den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb hinausgehe und mit ständigen Belastungen (Kosten der Impfung und ärztlichen Betreuung) verbunden sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers keine Folge. Es billigte, ausgehend von den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger grundet sein Klagebegehren darauf, daß ihm sein Vater die beiden Reitpferde durch Schenkung ins Eigentum übertragen habe. Behauptungen, in welcher Weise diese Schenkungsverträge mit dem am 26. August 1968 geborenen Kläger zustande gekommen sein sollen, fehlen. Wenn der gesetzliche Vertreter dem Minderjährigen durch Schenkung Vermögenswerte zuwenden will, kommt hiefür das sogenannte Insichgeschäft in Betracht, bei dem der gesetzliche Vertreter das Rechtsgeschäft im eigenen Namen und zugleich als Vertreter des Minderjährigen abschließt (Koziol - Welser, Grundriß[5] I, 46; Goldner, Doppelvertretung und Selbstkontrahieren des gesetzlichen Vertreters nach österreichischem Recht; JBl. 1930, 145; vgl. auch BGHZ 59, 236, 240). Die Zulässigkeit des Insichgeschäftes (durch Selbstkontrahieren) wird dann als gegeben erachtet, wenn die Gefahr einer Interessenkollision nicht besteht, so etwa, wenn das Rechtsgeschäft dem Vertretenen nur rechtliche Vorteile bringt oder keine Gefahr der Schädigung des Vertretenen besteht, so insbesondere wenn die Ware oder Leistung einen Markt- bzw. Börsenpreis hat (Koziol - Welser a.a.O., 150; Wentzel - Piegler in Klang[2] I/2, 500; vgl. EvBl. 1968/3; EvBl. 1966/152 u.a.) und Verpflichtungen daraus nicht entstehen können. Dabei muß der Abschlußwille in einer Form geäußert werden, welche die Erklärung außer Zweifel setzt und eine geheime, unkontrollierbare Zurücknahme der Willenserklärung ausschließt (SZ 44/141; EvBl. 1968/3; Stanzl in Klang[2] IV/1, 819; Koziol - Welser a.a.O., 150). Bei Abschluß eines Schenkungsvertrages wird im allgemeinen eine Gefährdung der Rechte des Minderjährigen auszuschließen und demnach die Bestellung eines Kollisionskurators für den Minderjährigen entbehrlich sein, insbesondere wenn es sich um die üblichen Schenkungen von Gebrauchsgegenständen handelt. Im vorliegenden Fall kann davon aber nicht gesprochen werden. Die Schenkung von Reitpferden bringt für einen Minderjährigen nicht nur Vorteile mit sich, sondern es sind damit auch beträchtliche wirtschaftliche Lasten verbunden, so etwa die Kosten der Fütterung, der ärztlichen Betreuung der Pferde und einer abzuschließenden Haftpflichtversicherung. In einem solchen Fall muß die Zulässigkeit des Abschlusses des Rechtsgeschäftes durch den gesetzlichen Vertreter in Form des Selbstkontrahierens verneint werden, weil die Gefahr einer Beeinträchtigung der Interessen des Minderjährigen besteht. Ob und unter welchen Bedingungen das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen überhaupt noch als vorteilhaft anzusehen ist, hätte der Kollisionskurator zu beurteilen.

Der Vater des Klägers sagte allerdings aus, daß die mit der Haltung der Reitpferde verbundenen Lasten von ihm getragen werden. Ob der Abschluß eines Insichgeschäftes in der Form möglich wäre, daß dem Minderjährigen gleichzeitig ein Anspruch auf Tragung des entsprechenden Haltungsaufwandes durch den gesetzlichen Vertreter eingeräumt wird, kann dahingestellt bleiben, weil es nicht behauptet wurde. Nach dem Inhalt der Klage macht der Kläger vielmehr nicht nur die an den Pferden eingetretene Wertminderung, sondern auch Aufwendungen (Kosten der tierärztlichen Behandlung und Schmiedekosten) im eigenen Namen geltend, ohne daß behauptet worden wäre, daß die entsprechenden Ansprüche dem Kläger von seinem Vater bzw. seinen Eltern zediert worden wäre. Auch das Feststellungsinteresse wird damit begrundet, daß dem Kläger noch weitere Kosten durch die ärztliche Behandlung der Pferde erwachsen könnten. Nach dem Klagsvorbringen würden also diese Kosten das Vermögen des Minderjährigen belasten. War dies aber Vertragswille, hätte der gültige Abschluß eines solchen nicht nur rechtliche Vorteile, sondern auch Belastungen mit sich bringenden Schenkungsvertrages die Bestellung eines Kollisionskurators für den Minderjährigen erfordert. Bei Unterlassung der Beiziehung eines Kollisionskurators kommt ein Vertrag nicht zustande (EvBl. 1971/106; SZ 23/132; Wentzel - Piegler a.a.O., 499).

Aber wenn man davon ausgehen wollte, daß Horst M die Kaufverträge im Namen des Klägers abgeschlossen hätte, wäre das Klagebegehren nicht gerechtfertigt. Sowohl nach der im Zeitpunkte des Abschlusses des Vertrages über die Stute Sevilla (1974) als auch nach der im Zeitpunkt des Abschlusses des zweiten Kaufvertrages (Sommer 1978) geltenden Rechtslage hätte der Vertragsabschluß zu seiner Gültigkeit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft. Nach der alten Rechtslage war der Vater des Minderjährigen in gleicher Weise wie ein Vormund in wichtigen Angelegenheiten der Verwaltung und Vertretung gemäß § 233 ABGB an das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung gebunden (SZ 25/87). Gemäß § 154 Abs. 3 ABGB (i. d. F. BGBl. 403/1977) bedürfen Vertretungshandlungen eines Elternteiles in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen Elternteils und der Genehmigung des Gerichtes, wenn die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehört dazu auch die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung. Die Schenkung von Reitpferden ist im Hinblick auf die damit verbundenen wirtschaftlichen Lasten - jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall praktischer Vermögenslosigkeit des Minderjährigen - als eine wichtige Angelegenheit bzw. als ein Rechtsgeschäft anzusehen, das über den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb hinausgeht. Da die erforderliche pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Rechtsgeschäftes fehlt, liegt ein gültiger Titel zum Eigentumserwerb nicht vor (vgl. SZ 25/87). Es konnten dann auch die übrigen nach den Klagsbehauptungen sein Vermögen belastenden Rechtsgeschäfte keine Rechtswirksamkeit für den Kläger entfalten. Auch eine nachträgliche Genehmigung der in Rede stehenden Rechtsgeschäfte ist nicht erfolgt.

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